almis personal blog

Oscars, das wars

Es gibt eine Neuerung bei den Oscars: Es fängt in MEZ jetzt schon gegen 23 Uhr mit dem Red Carpet an und ab Mitternacht ist dann die Verleihung; so konnte ich leider nicht anders als aufzubleiben, so bis 3.30 Uhr, und somit hab ich das erste mal in meinem Leben die gesamte Oscar-Show gesehen.

Die Show war recht unterhaltsam und auch kurzweilig, ich bin zwar nicht der größe Fan von Jimmy Kimmel, aber schön fand ich seine Aussage, dass man quasi durch den Writers Strike den Einsatz von KI im Film zumindest vorerst mal zurückgedrängt hat: “Thanks to this historic agreement, actors are now able to go back to worry about being replaced by younger, more attractive people and I think that is great.” Great war auch die I am just Ken Performance von Ryan Gosling. Ich weiß, er hat in Barbie auch schon gesungen und auch in La La Land, aber in einem Film zu singen, ist halt doch noch mal was anderes als live vor Publikum. Am Ende kam noch Slash aus den 1990-er Jahren und spielte ein Gitarrensolo, warum weiß man nicht, aber lustig wars doch, sogar Martin Scorsese, sonst bei solchen Award-Shows meist im Halbschlaf, sah richtig glücklich aus.

Dann gabs das alljährliche “In Memoriam”-Segment, wo gefühlt eh immer Time to say goodbye zu hören ist, diesmal aber auch tatsächlich, performt von Andrea Bocelli samt Sohn. In dem Segment hofft man dann, dass die Academy eh keinen vergessen hat, der einem selbst wichtig ist, Matthew Perry war gottseidank dabei. Jonathan Glazer, selbst Jude, der mit The Zone of Interest den Preis für “Best International Feature” gewonnen hat, hat wiederum an die Opfer des 7. Oktober und aber auch die im Gazastreifen erinnert, und mehr hat er nicht gebraucht, das ist heutzutage in sozialen Medien fast so kontroversiell wie ein Papst, der für Frieden eintritt.

Die größe Knalleffekt bei den Preisen war vielleicht Emma Stone als beste Hauptdarstellerin- in den letzten Wochen war Lily Gladstone favorisiert worden, da sie die erste indigene Darstellerin gewesen wäre, die einen Oscar erhalten hätte und solche Narrative lieben die Oscars ja oft und Stone hat eh schon einen Oscar etcetera. Stone hatte mit ihrer Auszeichung sichtlich selbst nicht gerechnet, außerdem war ihr Kleid hinten aufgeplatzt, während des Ken-Auftritts, wie sie selbst sagte, bei dem sie mit ihrem Ex La La Land-Partner Gosling auch kurz gesungen hatte. Sie war jedenfalls spektakulär gut in Poor Things.

Oppenheimer Nebendarsteller Robert Downey jr. sagte in seiner Dankesrede: “Thanks to my terrible childhood” Downey juniors Auszeichnung hatte diesen “Phoenix aus der Asche” Moment; in den 1990er Jahren war er schwer drogenabhängig – vermutlich auch wegen dieser Kindheit – und auch im Gefängnis, wurde aus allen Produktionen rausgekickt, sein Leben war fast zu Ende, seine Karriere war es definitiv. Dann wurde in den 2010er mit Iron-Man zu einem Star des Mainstreamkinos und jetzt als Oppenheimer-Antagonist Lewis Strauss hat er auch im “Charakterfach” reüssiert. Auch das ist ein schöner Oscar-Narrativ, vor allem aber eine Erinnerung daran, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte.

Oscar Wette

Almi, wie überraschend waren für dich die diesjährigen Oscar-Ergebnisse?

Almi aka Heidi@Home:

20 von 23 richtig beim Uncut-Tippspiel:

Falsch hatte ich: Best Visual Effects, Best Makeup & Hairstyling und Best Animated Short.

Bei Best Animated Short hatte ich echt keine Ahnung und habe mich für Letter to a Pig entschieden. Nur deshalb, weil das Kind Schweine liebt. Man sollte sich nie von Gefühlen leiten lassen, harhar.

Oscar Countdown

Ja, es ist vollbracht, vor der heutigen Oscar-Verleihung habe ich jetzt alle zehn in der Kategorie “Best Film” nominierten Filme gesehen. Das habe ich bisher noch nie geschafft, weil auch nicht immer alle Filme vor der Verleihung bei uns zu verfügbar waren.

Der letzte war zugegebenermaßen ein bisschen eine Überwindung, weil ich mit Martin Scorsese leider wenig anfangen kann und meistens schon nach 25, 30 Minuten total aus dem jeweiligen Film kippe; und Killers of the Flower Moon dauert dreieinhalb Stunden. Das Thema – die mörderische Ausbeutung der Osage-Indigenen – ist ein wichtiges und auch erschütterndes, aber ich kann so schwer mit der Art von Scorsese Geschichten zu erzählen connecten. Das ist leider auch bei diesem Film nicht anders, wobei er mich wahrscheinlich mehr erreicht hätte, wenn er circa eine Stunde kürzer wäre. Oder eineinhalb.

Noch ein paar Dinge, die mir bei den Filmen so durch den Kopf gehen. Es gibt heuer drei Filme, die teilweise in schwarz/weiß gedreht wurden. Poor Things und Maestro haben einen Vorher-Teil, der schwarz/weiß ist und ab einem gewissen erzählerischen Moment kommt die Farbe hinzu (natürlich auch metaphorisch gesehen). Das macht Oppenheimer anders, dort gibt es Farbe, wenn aus der Sicht Oppenheimers erzählt wird, wenn die Perspektive auf eine “objektive” Sichtweise wechselt, sind die Szenen schwarz/weiß, was auch sehr reizvoll ist. Es überwiegen aber die Szenen in Farbe.

Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller spielt in gleich zwei der nominierten Filmen mit. Für Anatomie eines Falls wurde sie als beste Hauptdarstellerin auch nominiert; in The Zone of Interest spielt sie eine wichtige Nebenrolle. In Anatomie eines Falls spricht sie französisch und englisch, in The Zone of Interest ausschließlich deutsch. Interessant ist auch, dass Anatomie eines Falles der französischen Regisseurin Justine Triet zwar die goldene Palme in Cannes erhielt und für fünf Oscars (darunter bester Film und beste Regie) nominiert ist, Frankreich sich aber entschieden hat, einen anderen Film – nämlich Geliebte Köchin – als “Best International Feature Film” einzureichen. Es wird gemutmaßt, dass das deshalb passiert ist, weil befürchtet wurde, dass in Anatomie eines Falls zuviel englisch gesprochen wird und es darf nur einen gewissen Englisch-Anteil geben. Tatsächlich zählt Gebliebte Köchin aber nun nicht zu den nominierten Filmen in der Kategorie “Best International Feature Film”

Oppenheimer-Regisseur Christopher Nolan wiederum verdanken wir es, dass es seit 2010 möglich ist, dass fünf bis zehn Filme in der Kategorie “Best Film” nominiert werden können; davor waren es immer nur fünf. Das liegt daran, dass Nolans The Dark Knight als Comicverfilmung die große Leerstelle bei den Oscars 2009 war. Zwar neunmal insgesamt nominiert, aber aufgrund seiner (eher formalen) Genre-Zugehörigkeit eben nicht tauglich für die Königskategorie. Mittlerweile dürfen also bis zu zehn Filme nominiert werden, sofern sie mindestens fünf Prozent der Stimme bei einer Vorauswahl erreicht haben.

Nolan – bisher achtmal nominiert – wird heuer seine ersten Oscars (vermutlich Plural) erhalten, während Bradley Cooper mittlerweile 12 mal nominiert wurde (als Schauspieler, Produzent, Regiesseur und Drehbuchautor), aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder leer ausgehen wird.

Ich könnte noch viel erzählen, aber ich denke, es reicht fürs erste. Harhar.

Eine schöne Woche

Das war eine schöne Woche.

Ich hatte ziemlich viel zu arbeiten, ein paar relativ heikle Deadlines, war aber dann doch früher fertig als erhofft, worauf mir mein langjähriger Auftraggeber schrieb: “Das war ja wirklich im Eiltempo. Shampoo wie Marko Arnautovic sagen würde.” Harhar

Dann gabs einmal Kebap zu Mittagessen mit dem Kind, selbst gekauft von mir, da keine Zeit zu kochen (siehe oben). Danach hat er mich ein paar Sachen für sein Biologiereferat zum Thema Frühgeburt gefragt – ich mein, wer sollte so ein Referat halten, wenn nicht er. Am Ende meinte er, er könnte jetzt bei der Quellenangabe “Mama” dazuschreiben. Ja, das ist tatsächlich das einzige naturwissenschaftliche Thema, bei dem ich mich wirklich auskenne.

Außerdem hab ich mir zwei Bücher des Drehbuchautors William Goldman bestellt, in denen er über seine Arbeitsweise erzählt, und lese natürlich gerade zahllose Artikel zum Thema: The Oscar – Who will win/Who should win. Das war echt ein herausragendes Filmjahr. Hier eine sehr liebevoll gemachte Montage, die nochmal alle Nominierten in der Kategorie “Best Film” vorstellt, es wird gelacht, es wird geweint, es wird geträumt und philosophiert, es gibt große Gefühle, wie im richtigen Leben:

Und last but not least habe ich diese Woche sehr liebe und aufmerksame Nachrichten von jemanden bekomme, an den ich viel denke und das macht mich so froh, ich kanns gar nicht sagen.

Fleabag revisited

Am Wochenende habe ich mir nochmal die Serie Fleabag – von und mit Phoebe Waller-Bridge- angeschaut. Das schafft man gut, weil es nur 12 Folgen sind. Ich finde es interessant, eine Serie nach einer gewissen Zeit nochmal zu sehen. Interessant war besonders, dass mir beim ersten Mal Sehen die erste Staffel besser gefallen hat, diesmal allerdings eindeutig die zweite.

SPOILER möglich.

Mein Fleabag Poster im Haus

In Staffel 1 hat Fleabag (Phoebe Waller-Bridge) viele kurzlebige und bedeutungslose Affären. Schon in der allerersten Szene schafft Waller-Bridge es, ihre Hauptfigur ungemein vielschichtig zu zeigen, sodass der Zuseher keine Sekunde lang glaubt, dass es sich hier um eine Frau handelt, die völlig skrupel- und emotionslos ist, obwohl ihre scheinbar oberflächliche Lebensweise das vielleicht vermuten lassen würde. Später erfahren wir, dass sie sich schwere Vorwürfe wegen eines Fehlverhaltens ihrerseits macht, das schlimme Folgen hatte. Fleabag wartet also hier auf einen Mann, der sie mitten in der Nacht angerufen hat, ob er vorbeikommen kann und erklärt dem Publikum – eines der Markenzeichen der Serie ist, dass Fleabag mit dem Publikum interagiert – dass sie nun extra geduscht und sich die Beine rasiert hätte, Wein getrunken und jetzt gleich so tun wird, als hätte sie vergessen, dass er vorbeikommt. Sie tut auf supercool, ist aber nervös und gibt das vor dem Publikum auch zu. Das ist total sympathisch. Am Ende der Staffel kann sie endlich mit jemandem reden, der ihr sagt: “Menschen machen Fehler”, was irgendwie eine Selbstverständlichkeit ist, aber manchmal muss man das von jemand anderem hören, um es auch glauben zu können.

Meine allerliebste Folge ist Folge 1 von Staffel zwei, als sich Fleabags Familie zum Abendessen trifft, praktisch die ganze Folge spielt in dem Restaurant. Ihr Vater, dessen Lebensgefährtin, ihre Schwester Claire mit Mann und der Priester, der Fleabags Vater und seine Freundin bald trauen wird. Die toxische Dynamik innerhalb der Familie wird sehr notdürftig durch das gediegene Ambiente unterdrückt bzw neutralisiert. Dazu kommt eine “needy waitdress”, die viel zu viel präsent ist und dauernd helfen will, dabei aber nur zusätzlich Unruhe in die Runde bringt. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Menschen miteinander reden und dabei ausschließlich Banalitäten austauschen, die aber quasi seitenlange Fußnoten als Subtext haben. Fleabags zukünftige narzisstische Stiefmutter ist over the top freundlich, aber nur um ihren fast schon pathologischen Widerwillen gegen ihre Stieftöchter in spe zu verschleiern; der Vater ist liebenswert-hilflos der Situation ausgeliefert, er bemüht sich zwar, aber er steht zwischen seiner neuen Frau und den Töchtern, mit Tendenz zur neuen Frau. Fleabags Schwester ist ein lieber Mensch, aber in ihrem Perfektionismus gefangen, außerdem will sie es immer allen recht machen; ihr Schwager ist rüpelhaft und laut und der Priester, den Fleabag an diesem Abend kennenlernt, ist so entwaffend menschlich und liebenswert, dass sich Fleabag natürlich in ihn verliebt. Am Ende lösen sich die aufgestauten Emotionen in einer Schlägerei, an der Fleabag natürlich ursächlich beteiligt ist, weil sie es ablehnt, die Fassade weiterhin aufrecht zu erhalten. Als sie mit ihrer Schwester in einem typischen Londoner Cab ins Krankenhaus fährt, sagt die Schwester: “The priest is quite hot” und Fleabag: “So hot!”

Waller-Bridge schreibt so gute Szenen und Dialoge, sowas bewundere ich wirklich sehr, sie schafft auch so interessante (Frauen)figuren. Ja und der “hot priest” wurde dann ein Meme, weil sich herausstellte, dass ihn alle lieben und außerdem ist Andrew Scott noch in anderen Rollen großartig, derzeit in All of us Strangers und bald als Ripley in einer neuen Serie.

American Fiction/Erasure

Dieses Jahr wurden zehn Filme in der Oscar-Kategorie “Bester Film” nominiert. Ich habe fast alle davon gesehen. Einer davon, American Fiction, hat mich thematisch sehr interessiert, es war aber kein Starttermin in Österreich in Sicht. Also habe ich mir gedacht, ich zäume das Pferd von hinten auf und lese zuerst das Buch. Nachdem es die deutsche Version schwer verfügbar war, habe ich mir das Original bestellt.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich es nicht auf Deutsch gelesen habe, weil die Sprache in diesem Buch eine sehr wichtige Rolle spielt. Diese Woche wurde der Film still und heimlich auf Amazon Prime veröffentlicht und jetzt kann ich also ein paar Dinge dazu schreiben, nämlich auch zur Beziehung zwischen Buch und Film. Erasure ist im Gegensatz zu Die geheime Geschichte, von der ich kürzlich schrieb, überhaupt kein Buch, das dazu einlädt, es zu verfilmen. Es ist eher eine Collage, bestehend aus Zitaten, Gesprächsfetzen, einem Roman im Roman etc. Deshalb Hut ab für Cord Jefferson, der das Drehbuch schrieb und auch Regie führte.

Die Hauptfigur in American Fiction ist Literaturprofessor und Schriftsteller Thelonius Ellison (Jeffrey Wright), genannt “Monk”; ein Mann in den besten Jahren quasi und er ist schwarz. Er lebt alleine an der Westküste, muss aber nach Boston, um nach seiner Mutter zu sehen, die an Alzheimer erkrankt ist. Monk hat einen eben erst als homosexuell geouteten Bruder, Cliff (schrill: Sterling K. Brown) und die Schwester Lisa, beide Ärzte. Monk schreibt sehr intellektuelle Bücher – etwa jüngst über Aischylos – die niemand lesen will. Auf einer Buchmesse in Boston kommt ihm das Buch We’s Lives In Da Ghetto (sic!) unter, das Buch einer schwarzen Autorin, das große Erfolge feiert. Sie wird als “neue schwarze Stimme Amerikas” bejubelt. Monk ist von diesem Buch angewidert, da es nur schwarze Stereotypen reproduziert, das Leben der Romanfiguren besteht ausschließlich aus Drogen, Gefängnis, unerwünschten Schwangerschaften, Armut und Gewalt. Außerdem strotzt es vor bewussten Rechtsschreibfehlern, um es “authentischer” zu machen. Monk setzt sich hin und schreibt aus Jux einen Roman in einem ähnlichen Duktus, dass er My pafology nennt (ursprünglich “My pathology”, aber er schreibt es absichtlich falsch). Sein Literaturagent lacht ihn aus, bis ihnen ein Verlag 750.000 Dollar für das Manuskript bietet…

Wenn es um den Literaturbetrieb geht, ist das Buch und auch der Film sehr witzig. Monk versteht die Welt nicht mehr, dass er mit seinem satirischen Text nicht nur für voll genommen wird, sondern ein unglaubliches Honorar geboten bekommt. Er ist nun in der Zwickmühle. Kein Autor wird Autor, weil er reich werden möchte – da gibt es erfolgversprechendere Wege – sondern weil er sich mitteilen will, wie er sich nur schreibend mitteilen kann. Weil er das, was in seinem Kopf ist, irgendwie zu Papier bringen muss, vielleicht auch, weil er verstanden und erkannt werden möchte, weil er damit sein eigenes Leben aufarbeitet. Er möchte dabei sein bestes geben. Andererseits braucht Monk das Geld dringend, weil er seine Mutter in einem Pflegeheim unterbringen muss. Also legt er sich für diesen Roman ein Pseudonym zu. Die Szenen, in denen er mit weißen Autoren diskutiert, die My pafology lieben, während er es in der Luft zerreißt sind sehr amüsant. Ebenso eine Szene mit seinem Agenten, in der dieser ihm drei verschiedenen Sorten einer Whiskeymarke präsentiert und Monk fragt: “Verstehst du die Metapher?” Monk: “Nein.” Harhar. Es geht grob gesagt darum, dass auch billiger Alkohol betrunken macht.

Die privaten Momente von Monk sind melancholisch. Im Alltagsleben kann er sich nicht so gut mitteilen. Er tut sich schwer, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten. Auf seiner Familie lastet quasi “generational trauma” und ein schlecht gehütetes Geheimnis. Dass die Familie schwarz ist, spielt dabei eine gewisse, aber eher untergeordnete Rolle. Muss es eine Rolle spielen? Will Monk die tatsächliche Geschichte seiner Familie erzählen? Könnte er das, eine wirklich schwarze Stimme sein? Will er das überhaupt? Ist seine Perspektive “schwarz”? Diese und ähnliche komplexe Themen deuten sich an. Der Film geht über das Buchende hinaus, in dem er es quasi persifliert. Das ist genial gemacht.

Ich kann Buch und Film nur empfehlen, wenn man beides vergleichen möchte, dann sollte man hier unbedingt das Buch zuerst lesen.

Disclaimer: Ich weiß nicht, ob “schwarz” und “weiß” politisch korrekt ist, ich habe diese Formulierungen aber aufgrund der einfacheren Lesbarkeit gewählt.

Common people

Weil ich jetzt gefragt worden bin, was die Pulp-Anspielung im Film Saltburn war. (Spoiler!)

Also. Die britische Indiepop Band Pulp hat ja diesen Song Common People, angeblich sogar ihr Signature-Song quasi, in dem Jarvis Cocker darüber singt, dass er (bzw. der Protagonist des Songs) am St. Martin’s College eine reiche griechische Studentin “with a thirst for knowlegde” kennenlernt, die ihm sagt, sie möchte wissen, wie es sei, quasi ein gewöhnlicher Mensch zu sein. “I wanna live like common people, I wanna do whatever common people do” usw. Und er geht dann mit ihr in den Supermarkt und gibt ihr ein paar Hinweise, wie es ist arm zu sein, aber sie wird es trotzdem nie wirklich verstehen, schlussfolgert Cocker, weil sie jederzeit ihren Vater anrufen und um Geld fragen kann. Bezeichnenderweise ist der Song auf Pulps Konzeptalbum Different Class erschienen.

Naja und in Saltburn gibt es die Figur der Elspeth, die reiche Mutter des Studenten Felix, die den jungen Leuten erzählt, dass sie früher Modell war und mit diesen ganzen Britpop-Bands Blur, Oasis, Pulp herumgezogen ist und dann kam Common People raus und sie sagt: “Everybody thought it was written about me. Which was ridicolous. I barely knew Jarvis. She came from Greece, she had a thirst for knowledge. It could not have been me. I’ve never wanted to know anything.”

So super, tatsächlich gab es damals ja wirklich Spekulationen, über wen dieser Song sein könnte und erst viel später, 2015, erhärtete sich der Verdacht, es sei vielleicht die Frau vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gemeint, die aus einer reichen Familie stammte und zur fraglichen Zeit am St. Martin’s College studierte.

So, ich hoffe, ich hab es jetzt verständlicher erklärt, aber ich bin nicht sicher.

Die Schneegesellschaft

Der spanische Beitrag zur Oscar-Kategorie “Best Foreign Film” ist heuer Die Schneegesellschaft. Klingt ja irgendwie lieb und gemütlich, tatsächlich ist das aber ein Misery-Porn wie er im Buche steht. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Lieblingsgenre, aber ich habe mir den Film trotzdem angeschaut, weil die wahre Begebenheit, die er porträtiert einfach so unfassbar ist, auch bekannt als das Wunder der Anden. Beim Schauen habe ich mich aber mehrmals gefragt, wieso ich mir das wirklich antue.

Was jetzt folgt ist jetzt kein Spoiler im eigentlichen Sinn, sondern die Tatsachen dieser Katastrophe. Wer darüber nichts erfahren will, liest bitte trotzdem nicht weiter.

Und zwar hat sich am 12. Oktober 1972 die Rugbymanschaft von Uruguay auf den Weg nach Santiago di Chile gemacht, um dort ein Freunschaftsspiel zu absolvieren. Mit dem Kleinflugzeug, mit dem sie unterwegs waren, kann man die Anden aber nicht so einfach überfliegen, weil sie zu hoch sind; das geht nur an einer bestimmten Stelle. Als das Flugzeug – besetzt mit Spielern, Familienmitgliedern, Freunden, insgesamt 45 Insassen – sich auf den Weg macht, herrschen sehr ungünstige Wetterbedingungen: Schlechte Sicht, Eisregen, Sturmböen. Wer genau in der Navigation versagte ist nicht ganz klar, jedenfalls biegt das Flugzeug zu früh ab, und wird von einer Bergspitze regelrecht aufgeschlitzt. Beide Flügel brechen ab, danach reißt es die Rückseite weg. Der vordere Teil des Flugzeugs schlittert einen Gletscher hinunter und kommt irgendwann zu stehen. Zwölf Menschen sind sofort tot, fünf weitere sterben in der ersten Nacht.

Nun wäre das ja alles schon schrecklich genug, aber für diejenigen, die das alles überstanden haben, stellt sich die Frage: Wie können wir hier am Leben bleiben? Alles ist alles voller Schnee und Eis (niemand hat Winterkleidung mit), es gibt weder Tiere noch Vegetation auf dieser Höhe. In der Nacht sinken die Temperatur auf bis zu 40 Grad minus ab. Um eine gewisse Chance zu haben, wird bald darüber diskutiert, ob man die verstorbenen Freunde nun ja, essen wird oder nicht. Kannibalismus ist ja generell schon ein extremes Tabu, vor allem bei diesen sehr katholischen jungen Leuten; zum anderen handelt es sich ja nicht um fremde Personen, die man da potentiell essen wird.

Regisseur J.A. Bayona ist sehr gut darin, verzweifelte Stimmungen zu vermitteln. Beim “Making of” sieht man ihn viel weinen und auch seine Vorgängerfilme The Orphanage und The Impossible haben sich mit menschlichen Katastrophen beschäftigt, das scheint also irgendwie sein Ding zu sein. Handwerklich ist der Film außerordentlich beeindruckend. Die Stimmung, die er liefert, als ein paar der Männer einen Berg hinaufsteigen und von dort das weiße Flugzeug im Schnee sehen (bzw. nicht sehen) und ihnen dabei klar wird, dass die Rettungshubschrauber, die sie manchmal wahrnehmen, sie so nicht finden werden können, da bekommt man Gänsehaut. Die Fischauge-Kameratechnik, die er einsetzt, als die jungen Männer durch ein Transistorradio dann tatsächlich erfahren, dass die Suche nach ihnen aufgegeben wurde, und dabei fast den Verstand verlieren vor Verzweiflung; das Fischauge eben lässt alles so unwirklich erscheinen, dass man sich selbst als Zuschauer fühlt als hätte man gerade eine Panikattacke. Auch die Erzählfigur Numa ist hervorragend gewählt, weil sie eine besondere Perspektive auf die Geschehnisse hat.

Trotzdem ist es aber auch ein anstrengender und zäher Film, was ja auch intendiert ist, “form follows function”, man soll ja auch irgendwie (wenn auch natürlich in extrem abgeschwächter Weise) erahnen können, wie unfassbar anstrengend und eigentlich hoffnungslos das Unterfangen ist, dieses Ereignis zu überstehen und wieviel mentale und auch körperliche Stärke es erfordert, hier seine Hoffnung zu erhalten. Wahrscheinlich war es kein Nachteil, dass der Großteil der Insassen Spitzensportler waren.

Am 23. Dezember 1972 werden – nach einem Erkundungsmarsch zweier Männer, bei dem sie endlich auf einen anderen Menschen stoßen, der ihnen helfen kann – immerhin noch 16 verbliebene Menschen aus dem Tal der Tränen, wie es danach benannt wurde gerettet. Die meisten leben heute noch in enger Nachbar- und Freundschaft zusammen in Montevideo.

Drei Werke

Nachdem ich so begeistert von dem Film Saltburn war und im fm4 Prodcast gehört habe, dass die Drehbuchautorin (und Regisseurin) Emerald Fernell die zwei Romane Die geheime Geschichte von Donna Tartt und Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith quasi als Inspiration für ihren Film herangezogen hat, habe ich mir beide Bücher bei medimops (unbezahlte Werbung) gebraucht bestellt und mittlerweile gelesen.

Der talentierte Mr. Ripley hab ich damals in Kino gesehen, konnte mich aber ehrlich gesagt kaum daran erinnern, die Filmversion ist auch etwas anders, verändert ein paar Handlungsstränge. Beide Werke (und Saltburn) verbindet tatsächlich einiges, zum Beispiel das Personal, das bedeutet, die Protagonisten sind alle aus gehobenem Haus, ziemlich “wealthy”, studieren und/oder betätigen sich künstlerisch, es sind alles Intellektulle, die das das Leben genießen und es damit übertreiben. Es gibt in allen Werken aber auch einen jungen Mann, der nicht dazu passt, der aus der eher unteren Mittelschicht kommt, aber immer die Sehnsucht verspürt, “dazuzugehören”. Das bedeutet zwangsläufig, es muss immer Lügen geben, Lügen nicht nur aus einer Not heraus, um sich aus einer prekären Lage zu befreien, aus einer gefährlichen Situation, sondern Lügen, die nur dazu da sind, etwas darzustellen, was man nicht ist.

Es werden viele Drogen genommen, in diesen Büchern. Bei Donna Tartt vor allem Alkohol, die Menschen sind fast dauer-betrunken, aber sonst auch Tabletten oder Koks oder was halt sonst verfügbar ist. Wenn gegessen wird, dann erstaunlich oft Lammkotellets und “süße Brötchen” (was soll das sein, sowas wie eine Topfengolatsche? Harhar. Oder ein Striezel?). Europa ist ziemlich präsent, also ja Ripley spielt eh zum Großteil in Italien, obwohl die Protagonisten Amerikaner sind, Saltburn in Großbritannien, aber auch die Donna Tartt-Menschen leben an der Ostküste, in Neuengland quasi schon einen ziemlich europäischen Lifestyle, wo zum Beispiel Los Angeles als Ort quasi so wie “bei den Wilden” verstanden wird. Außerdem werden Reisen nach Europa unternommen. Die Charaktere verbindet außerdem der Hang zu obsessiven Beziehungen, viele sind homosexuell/queer bzw. man weiß nicht so genau, wer mit wem (selbst Inzest steht im Raum). Und natürlich passieren echt arge und illegale Dinge, mehr will ich nicht sagen, wegen Spoiler.

Ich habe gelesen, dass Die geheime Geschichte schon zweimal verfilmt hätte werden sollen, aber das nicht geklappt hat, was mich sehr überrascht. Oft liest man ja einen guten Roman und weiß sofort, der wäre aber kaum verfilmbar. Bei Die geheime Geschichte ist das gar nicht so, das Buch wäre m.E. sogar absolut ideal zu verfilmen und hätte mit Neuengland im Herbst/Winter auch ein tolles Setting, also wäre ich Drehbuchautorin, ich würde das sofort adaptieren, ich stell mir das echt pittoresk vor und die meisten Szenen könnte man in einem Film super verwenden, ich hab da Bilder im Kopf… Naja, vielleicht macht das irgendwann doch noch jemand. Ansonsten muss man derweil Saltburn schauen, was auch keine schlechte Idee ist.

Nochmal Milch

Apropos umstrittene Kuhmilch: Dagegen hatte ja Joaquin Phoenix eine Rede gehalten, als er seinen Oscar für The Joker erhalten hat. The Joker habe ich vor kurzem nach 20 Minuten abgebrochen, weil wenn ich ihn weiter angeschaut hätte, hätte ich vermutlich meinen Lebenswillen verloren. Na ja, jedenfalls hat Phoenix damals im Zuge einer eher schwer nachvollziehbaren Assoziationskette moniert, dass wir Menschen den Kälbern die Milch wegtrinken. Das fanden damals viele ganz toll. Mich hat es eher ratlos zurückgelassen.

Es gab da ja diesen Eröffnungsmonolog von Ricky Gervais bei den Golden Globes, in dem der sehr freche Gervais – nachdem er alle die Anwesenden quasi auf ihre Freundschaft mit Jeffrey Epstein angesprochen hatte, was nur wenige lustig fanden – die nun folgenden Preisträger ersuchte: “Do not use this as a platform to make a political speech. You know nothing about the real word”. Denn: “Most of you did spent less time in school than Greta Thunberg and are in no position to lecture the public about anything.” Zusammenfassend: “So if you win, come up, accept your little award, thank your agent and your god and f*** off. Okay?” Das fand ich herrlich.