almis personal blog

Bezirksmuseum Leopoldstadt

Vorigen Sonntag habe ich beim Frühstücken gelesen, dass Tag der offenen Tür in den Wiener Bezirksmuseen ist. Das war zwar super, allerdings wäre ich froh gewesen, wenn man das schon einen Tag früher publik gemacht hätte. Nachdem das Kind aber auswärts essen gegangen ist, habe ich mir schnell einen Überblick verschafft, was wo zu sehen ist und wo ich nicht ewig hin brauche, und habe mich so für das Bezirksmuseum Leopoldstadt entschieden.

Das Thema war dort “Als homosexuell verfolgt. Leopoldstädter Schicksale während der NS-Zeit“, und obwohl diese aktuelle Ausstellung alleine schon sehr interessant gewesen wäre (es wird über verschiedene Schicksale berichtet, was ziemlich erschütternd zum Nachlesen ist), ist das ganze Museum noch so viel mehr, nämlich total vielfältig an Exponaten und randvoll mit Informationen.

Man hat irgendwie das Gefühl, in Wien hat sich früher alles im 2. Bezirk abgespielt. Einerseits gibt es natürlich den Prater (mit Riesenrad) und auch den Augarten als große Grüngebiete, den Donaukanal als Flanierort, aber auch bekannte Kaffeehäuser, Bäder, Märkte und Theater. Die Straussdynastie hat im 2. Bezirk gewirkt, die Sängerknaben und auch sehr viele Literaten wie Arthur Schnitzler, Felix Salten, Joseph Roth, Peter Altenberg, Elias Canetti, sowie dessen Frau Veza Canetti, die Juden waren.

Von “Die gelbe Straße” gibt es einen Textausschnitt, der mich so neugierig gemacht hat, dass ich das Buch lesen werde

Der zweite Schwerpunkt des Museums liegt dann natürlich auch auf dem jüdischen Charakter der Leopoldstadt, die auch “Mazzesinsel” genannt wird. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebt(e) in diesem Bezirk, weshalb sich das Museum besonders den jüdischem Glauben, den Gebräuchen und Symbolen, aber natürlich auch der tragischen Geschichte während der NS-Zeit widmet. Damals wurde fast die gesamte jüdische Bevölkerung vertrieben, was einen großen Bevölkerungsverlust in diesem Bezirk zur Folge hatte. Nach dem Krieg kamen allerdings viele emigrierte Juden wieder zurück in die Josefstadt, sodass der zweite Bezirk seinen früheren Flair zurückerhielt, wenn auch in geringerem Ausmaß als früher.

Ausstellungsraum Bezirksmuseum Leopoldstadt

Insgesamt ist das Museum also so voller sehr vielfältiger Informationen, dass eine Stunde nicht wirklich reicht, um es zu “bewältigen”; allerdings ist man da schon relativ erschlagen von den vielen Texten und Ausstellungsstücken und nicht mehr so aufnahmefähig.

Ich werde also sicher nochmal wiederkommen und mir vielleicht auch noch andere Bezirksmuseen anschauen, ich kenne noch sehr wenige.

Das Riesenradmodell im Bezirksmuseum Leopoldsstadt

Das Lehrerzimmer

Der Film Das Lehrerzimmer wurde heuer in der Sparte “Best International Feature” für den Oscar nominiert und ist jetzt auf Amazon Prime zu sehen (unbezahlte Werbung).

Die junge Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) ist neu im Kollegium eines Gymnasiums in Hamburg, dass sich eine “Null Toleranz” Politik auf die Fahnen schreibt, nachdem immer öfter Geld gestohlen wird. Eines Tages wird einer ihrer 12-jährigen Schüler, der türkische Junge Ali, des Diebstahls verdächtigt und mit fragwürdigen Methoden bloßgestellt. Der Verdacht kann nicht verifiziert, aber auch nicht eindeutig widerlegt werden. Carla ist entsetzt über die Art und Weise wie Ali behandelt wird, der vermeintliche Rassismus hinter der Anschuldigung stößt ihr sauer auf; sie macht sich nun auf eigene Faust daran, den Täter zu überführen…

Dieser Film, der ausschließlich in diesem Schulgebäude spielt und wo man selbst die Protagonistin niemals privat erlebt und auch nichts über ihr Leben abseits ihres Berufs erfährt, zeigt auch genau das: Den Mikrokosmos oder hier auch das Kriegsgebiet Schule. Eine Zwangsgemeinschaft, in der die Direktorin den Fokus nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Misstrauen und Argwohn legt, um Probleme zu lösen und dadurch selbst ein noch viel größeres Problem generiert. Langsam entsteht nämlich eine äußerst toxische Energie, eine Gruppenbildung in Lehrer und Schüler, Jäger und Gejagte, bald gibt es aber auch Friktionen innerhalb dieser Gruppen. Diese Dynamik kann ab einem bestimmten Punkt kaum mehr eingefangen werden. Die positiven Kräfte, die es gibt, wirken schwach.

Nowak wird als übermotivierte Ideologin gezeichnet, die natürlich durchgehend gendert, die “woke” Rituale in ihrer Klasse etabliert, die konsequent ist, dabei auch bewusst transparent und fair auftreten will, die aber für mich vor allem eines ist: wahnsinnig unauthentisch. Sie scheint ein Bild in sich zu haben, wie sich eine Lehrerin zu verhalten hat und dieses Bild lässt sie sich nicht von der tatsächlichen Schulrealität nehmen. Was ihr oft fehlt sind Intuition und Gespür für Menschen und Situationen. Die Behandlung von Ali erscheint ihr zwar zurecht fragwürdig und übergriffig, aber weil ihrer Weltanschauung zufolge ein migrantischer Junge auf keinen Fall der Täter sein kann, was genauso ein Bias ist, sucht sie den wahren Schuldigen auf eigene Faust. Sie meint es gut, verzichtet dabei aber auf alles, das ihr gerade noch so wichtig war: Weitblick, Verhältnismäßigkeit und Rationalität.

Das ist meine Interpretation. Man könnte alle Ereignisse aber auch ganz anders bewerten. Ich glaube, damit hat der Regisseur auch gespielt, mit dieser Ambivalenz. Jedenfalls wünscht man sich bei Das Lehrerzimmer Robin Williams aus Club der toten Dichter herbei, der der ganzen Schulgemeinschaft eine Rede über Liebe, Freiheit und Poesie hält. Diese Schule hätte es bitter nötig.

Der Anzeigenhauptmeister

Durch das Kind wurde ich auf den sogenannten “Anzeigenhauptmeister” aufmerksam.

Das ist ein 18-jähriger Azubi, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in jeder deutschen Stadt Autobesitzer anzuzeigen, deren Fahrzeuge falsch parken Und zwar nicht im Sinne von verkehrsbehindernd, sondern eher so zehn Zentimeter zu weit links oder zwei Minuten zu lange. Natürlich kann man sagen, das ist extrem ungut und oft trifft er damit Menschen, die eh wenig Geld haben; ich finde es aber vor allem deprimierend, weil ich mir denke, dass der junge Mann eher eine Umarmung oder ein Gespräch bräuchte, als von den Medien, aka Spiegel TV, dem (digitalen) Mob zum Verzehr vorgeworfen zu werden, weil seine Geschichte geht gerade viral.

Ich hab mir dann wieder gedacht, das ist der Grund, weshalb ich dann doch nicht Sozialarbeiterin geworden bin, was ich als Jugendliche mal in Betracht gezogen habe, weil ich sowas nie rational, objektiv und etwas aus Distanz betrachten kann, sondern immer nur emotional und herzzerbrechend und das wäre dann, glaub ich, für niemanden wirklich so ideal gewesen.

Oscars, das wars

Es gibt eine Neuerung bei den Oscars: Es fängt in MEZ jetzt schon gegen 23 Uhr mit dem Red Carpet an und ab Mitternacht ist dann die Verleihung; so konnte ich leider nicht anders als aufzubleiben, so bis 3.30 Uhr, und somit hab ich das erste mal in meinem Leben die gesamte Oscar-Show gesehen.

Die Show war recht unterhaltsam und auch kurzweilig, ich bin zwar nicht der größe Fan von Jimmy Kimmel, aber schön fand ich seine Aussage, dass man quasi durch den Writers Strike den Einsatz von KI im Film zumindest vorerst mal zurückgedrängt hat: “Thanks to this historic agreement, actors are now able to go back to worry about being replaced by younger, more attractive people and I think that is great.” Great war auch die I am just Ken Performance von Ryan Gosling. Ich weiß, er hat in Barbie auch schon gesungen und auch in La La Land, aber in einem Film zu singen, ist halt doch noch mal was anderes als live vor Publikum. Am Ende kam noch Slash aus den 1990-er Jahren und spielte ein Gitarrensolo, warum weiß man nicht, aber lustig wars doch, sogar Martin Scorsese, sonst bei solchen Award-Shows meist im Halbschlaf, sah richtig glücklich aus.

Dann gabs das alljährliche “In Memoriam”-Segment, wo gefühlt eh immer Time to say goodbye zu hören ist, diesmal aber auch tatsächlich, performt von Andrea Bocelli samt Sohn. In dem Segment hofft man dann, dass die Academy eh keinen vergessen hat, der einem selbst wichtig ist, Matthew Perry war gottseidank dabei. Jonathan Glazer, selbst Jude, der mit The Zone of Interest den Preis für “Best International Feature” gewonnen hat, hat wiederum an die Opfer des 7. Oktober und aber auch die im Gazastreifen erinnert, und mehr hat er nicht gebraucht, das ist heutzutage in sozialen Medien fast so kontroversiell wie ein Papst, der für Frieden eintritt.

Die größe Knalleffekt bei den Preisen war vielleicht Emma Stone als beste Hauptdarstellerin- in den letzten Wochen war Lily Gladstone favorisiert worden, da sie die erste indigene Darstellerin gewesen wäre, die einen Oscar erhalten hätte und solche Narrative lieben die Oscars ja oft und Stone hat eh schon einen Oscar etcetera. Stone hatte mit ihrer Auszeichung sichtlich selbst nicht gerechnet, außerdem war ihr Kleid hinten aufgeplatzt, während des Ken-Auftritts, wie sie selbst sagte, bei dem sie mit ihrem Ex La La Land-Partner Gosling auch kurz gesungen hatte. Sie war jedenfalls spektakulär gut in Poor Things.

Oppenheimer Nebendarsteller Robert Downey jr. sagte in seiner Dankesrede: “Thanks to my terrible childhood” Downey juniors Auszeichnung hatte diesen “Phoenix aus der Asche” Moment; in den 1990er Jahren war er schwer drogenabhängig – vermutlich auch wegen dieser Kindheit – und auch im Gefängnis, wurde aus allen Produktionen rausgekickt, sein Leben war fast zu Ende, seine Karriere war es definitiv. Dann wurde in den 2010er mit Iron-Man zu einem Star des Mainstreamkinos und jetzt als Oppenheimer-Antagonist Lewis Strauss hat er auch im “Charakterfach” reüssiert. Auch das ist ein schöner Oscar-Narrativ, vor allem aber eine Erinnerung daran, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte.

Oscar Wette

Almi, wie überraschend waren für dich die diesjährigen Oscar-Ergebnisse?

Almi aka Heidi@Home:

20 von 23 richtig beim Uncut-Tippspiel:

Falsch hatte ich: Best Visual Effects, Best Makeup & Hairstyling und Best Animated Short.

Bei Best Animated Short hatte ich echt keine Ahnung und habe mich für Letter to a Pig entschieden. Nur deshalb, weil das Kind Schweine liebt. Man sollte sich nie von Gefühlen leiten lassen, harhar.

Oscar Countdown

Ja, es ist vollbracht, vor der heutigen Oscar-Verleihung habe ich jetzt alle zehn in der Kategorie “Best Film” nominierten Filme gesehen. Das habe ich bisher noch nie geschafft, weil auch nicht immer alle Filme vor der Verleihung bei uns zu verfügbar waren.

Der letzte war zugegebenermaßen ein bisschen eine Überwindung, weil ich mit Martin Scorsese leider wenig anfangen kann und meistens schon nach 25, 30 Minuten total aus dem jeweiligen Film kippe; und Killers of the Flower Moon dauert dreieinhalb Stunden. Das Thema – die mörderische Ausbeutung der Osage-Indigenen – ist ein wichtiges und auch erschütterndes, aber ich kann so schwer mit der Art von Scorsese Geschichten zu erzählen connecten. Das ist leider auch bei diesem Film nicht anders, wobei er mich wahrscheinlich mehr erreicht hätte, wenn er circa eine Stunde kürzer wäre. Oder eineinhalb.

Noch ein paar Dinge, die mir bei den Filmen so durch den Kopf gehen. Es gibt heuer drei Filme, die teilweise in schwarz/weiß gedreht wurden. Poor Things und Maestro haben einen Vorher-Teil, der schwarz/weiß ist und ab einem gewissen erzählerischen Moment kommt die Farbe hinzu (natürlich auch metaphorisch gesehen). Das macht Oppenheimer anders, dort gibt es Farbe, wenn aus der Sicht Oppenheimers erzählt wird, wenn die Perspektive auf eine “objektive” Sichtweise wechselt, sind die Szenen schwarz/weiß, was auch sehr reizvoll ist. Es überwiegen aber die Szenen in Farbe.

Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller spielt in gleich zwei der nominierten Filmen mit. Für Anatomie eines Falls wurde sie als beste Hauptdarstellerin auch nominiert; in The Zone of Interest spielt sie eine wichtige Nebenrolle. In Anatomie eines Falls spricht sie französisch und englisch, in The Zone of Interest ausschließlich deutsch. Interessant ist auch, dass Anatomie eines Falles der französischen Regisseurin Justine Triet zwar die goldene Palme in Cannes erhielt und für fünf Oscars (darunter bester Film und beste Regie) nominiert ist, Frankreich sich aber entschieden hat, einen anderen Film – nämlich Geliebte Köchin – als “Best International Feature Film” einzureichen. Es wird gemutmaßt, dass das deshalb passiert ist, weil befürchtet wurde, dass in Anatomie eines Falls zuviel englisch gesprochen wird und es darf nur einen gewissen Englisch-Anteil geben. Tatsächlich zählt Gebliebte Köchin aber nun nicht zu den nominierten Filmen in der Kategorie “Best International Feature Film”

Oppenheimer-Regisseur Christopher Nolan wiederum verdanken wir es, dass es seit 2010 möglich ist, dass fünf bis zehn Filme in der Kategorie “Best Film” nominiert werden können; davor waren es immer nur fünf. Das liegt daran, dass Nolans The Dark Knight als Comicverfilmung die große Leerstelle bei den Oscars 2009 war. Zwar neunmal insgesamt nominiert, aber aufgrund seiner (eher formalen) Genre-Zugehörigkeit eben nicht tauglich für die Königskategorie. Mittlerweile dürfen also bis zu zehn Filme nominiert werden, sofern sie mindestens fünf Prozent der Stimme bei einer Vorauswahl erreicht haben.

Nolan – bisher achtmal nominiert – wird heuer seine ersten Oscars (vermutlich Plural) erhalten, während Bradley Cooper mittlerweile 12 mal nominiert wurde (als Schauspieler, Produzent, Regiesseur und Drehbuchautor), aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder leer ausgehen wird.

Ich könnte noch viel erzählen, aber ich denke, es reicht fürs erste. Harhar.

Eine schöne Woche

Das war eine schöne Woche.

Ich hatte ziemlich viel zu arbeiten, ein paar relativ heikle Deadlines, war aber dann doch früher fertig als erhofft, worauf mir mein langjähriger Auftraggeber schrieb: “Das war ja wirklich im Eiltempo. Shampoo wie Marko Arnautovic sagen würde.” Harhar

Dann gabs einmal Kebap zu Mittagessen mit dem Kind, selbst gekauft von mir, da keine Zeit zu kochen (siehe oben). Danach hat er mich ein paar Sachen für sein Biologiereferat zum Thema Frühgeburt gefragt – ich mein, wer sollte so ein Referat halten, wenn nicht er. Am Ende meinte er, er könnte jetzt bei der Quellenangabe “Mama” dazuschreiben. Ja, das ist tatsächlich das einzige naturwissenschaftliche Thema, bei dem ich mich wirklich auskenne.

Außerdem hab ich mir zwei Bücher des Drehbuchautors William Goldman bestellt, in denen er über seine Arbeitsweise erzählt, und lese natürlich gerade zahllose Artikel zum Thema: The Oscar – Who will win/Who should win. Das war echt ein herausragendes Filmjahr. Hier eine sehr liebevoll gemachte Montage, die nochmal alle Nominierten in der Kategorie “Best Film” vorstellt, es wird gelacht, es wird geweint, es wird geträumt und philosophiert, es gibt große Gefühle, wie im richtigen Leben:

Und last but not least habe ich diese Woche sehr liebe und aufmerksame Nachrichten von jemanden bekomme, an den ich viel denke und das macht mich so froh, ich kanns gar nicht sagen.

The Zone of Interest

Gestern habe ich mir Jonathan Glazers The Zone of Interest angesehen, laut Steven Spielberg der beste Holocaust Film seit Schindlers Liste. Spielberg ist offenbar von sich überzeugt. Harhar. Tatsächlich ist The Zone of Interest ein ganz anderer Film als es Schindlers Liste war, denn er porträtiert das Leben der Täter.

The Zone of Interest basiert lose auf dem Roman von Martin Amis und auf der tatsächlichen Lebensgeschichte von SS-Obersturmbandführer Rudolf Höss (Christian Friedel), der das Lager Ausschwitz aufbaute und mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und den fünf Kinder auch direkt angrenzend an dieses Lager wohnt. Die Familie hat ein großes Haus und einen noch größeren Garten und wir sehen in diesem Film, wie diese Familie lebt. Viel mehr passiert nicht, es ist eher ein Konstrukt als eine Geschichte. Wir als Zuschauer sehen keinen einzigen KZ-Insassen, keine Gewalt, kein Verbrechen. Und doch ist der Film so arg-intensiv, weil wir die ganze Zeit, während wir dieser Familie bei ihrem Alltag zusehen, Ausschwitz hören. Tag und Nacht hören wir Schreie, Befehle, Klagen, hören wir Verzweiflung und Schüsse. Das ist die Soundkulisse, mit der Familie Höss lebt als wäre nichts.

Hedwig ist so stolz auf ihren Garten. Als ihre Mutter zu Besuch kommt, zeigt sie ihr das Glaushaus, die roten Rüben, den Fenchel, was sie alles anbaut und die Pergola – mit Blick auf das Lager; da bemerkt sie nur: “Wir lassen darüber noch Efeu wachsen”. Die Mutter ist eine wichtige Figur in diesem Film, weil sie “von außen” kommt. Der Film lebt von Szenen wie dieser, von ganz vielen, wie nebenbei eingestreuten Details. Wie der Hausdiener die Stiefel von Höss wäscht, und sich dabei das Wasser rot färbt. Wie Hedwig einen Nerzmantel anprobiert, den Höss einmal mitbringt (von wem dieser ist, kann man nur mutmaßen). Wie die Familie einmal im Fluss badet und dann ist ihre Haut voller Asche. Thematisiert wird das nicht. Auch laute Worte fallen in dieser Familie nie und Rudolf Höss ist ein eher sanfter Mann, der sich sehr um seine Kinder kümmert, sie ins Bett bringt, ihnen vorliest. Das macht alles noch skuriller, weil er dann gleichzeitig “dauernd arbeitet” – wie Hedwig sagt – was bedeutet, sich zu überlegen, wie er Ausschwitz noch “effizienter” machen kann.

Es sind distanzierte und gleichzeitig eindringliche Bilder, die wir von dieser Familie sehen. Das Zusammenspiel von Bild und Ton erinnert manches mal an Stanley Kubrik. Die meiste Zeit ist es einfach nur beklemmend, auch wenn wir nichts direkt beklemmendes sehen. Als Zuschauer fragt man sich, wie kann man diese Familienidylle glauben und leben, wenn man weiß, was nebenan passiert?Oder hat man eine Rechtfertigung dafür gefunden, dass es das Lager geben muss, dass es in Ordnung ist, Menschen so zu behandeln, so sehr zu quälen? Aber dafür gibt es keine Rechtfertigung. Gegen Ende bringt Glazer eine Menge an sehr subtiler, aber brillianter Symbolik in seinen Film; Höss arbeitet an der Endlösung mit und eine Operation wird nach ihm benannt. Heute weiß man, wenn eine Operation des Naziregimes mit dem eigenen Namen bezeichnet wird, wird das für denjeinigen wohl kein gutes Ende nehmen. Aber auch dazu erklärt der Film nichts weiter. Und das ist gut so. Gerade diese Leerstellen machen den Film aus, weil vieles auch einfach unsagbar ist.

The Zone of Interest ist für fünf Oscars nominiert, u.a. als bester Film und als bester fremdsprachiger Film, weil zwar ein Brite Regie führt, die Darsteller aber alle Deutsch sprechen. Hier würde mich interessieren, wie die Zusammenarbeit lief, da ich nicht sicher bin, ob Glazer Deutsch kann. Aber dazu habe ich noch keine Information gefunden.

Hier der Trailer: