almis personal blog

Schulbeginn für Fortgeschrittene

Heute ist also wieder ein erster Schultag. Mein vorvorletzter als indirekt Betroffene (so nehme ich zumindest an) und wieder kenne ich einige Menschen, deren Kinder heute den ersten Tag in Volksschule, Gymnasium oder weiterführender Schule haben. Aber erstmals habe ich heuer auch Freundinnen, deren Kinder nicht mehr in die Schule gehen, weil sie im Juni maturiert haben.

In einer Facebook Gruppe wurde darüber diskutiert, wie schlimm die Pubertät nicht ist und ich hatte wieder mal die unpopular opinon, dass die Kleinkindzeit soviel herausfordernder ist, zumindest für mich war. Wie ich dem Kind gesagt habe: Wenn wir uns heute auf die Nerven gehen, dann kann sich jeder stundenlang in sein Zimmer verziehen und wir müssen nicht miteinander interagieren. Versuch das mal bei einem Dreijährigen! Mein Kind fand das sehr lustig, aber ist ja wahr.

Ich glaube, die Pubertät des eigenen Kindes ist oft dann schlimm, wenn man vorher alles sehr unter Kontrolle hatte. Das hatte ich nie (harhar), also insofern… Ich bin es auch gewohnt, dass das Kind sowieso immer alles hinterfragt hat. Ein schönes Beispiel aus dem Kindergarten, als ich ihm (damals 4) gesagt habe: “Morgen kommt der Nikolaus zu euch in die Gruppe.” Gegenfrage: “Der Echte?” Weiß man ja auch nicht direkt, was man darauf antworten soll, ohne sich in irgendwelchen philosophischen Abhandlungen zu verlieren.

Jedenfalls ist jetzt wieder Schule und Alltag und Herbst und alles und ich mag diesen Neuanfang im September immer ganz gerne, auch wenn die Umstellung immer etwas holprig ist.

Verlust-Gewinn?

Letztens habe ich mit jemanden gesprochen, der gerade eine schwere Zeit durchmacht und er meinte, dass Leben bestehe eigentlich nur aus Verlusten. Ich habe darüber nachgedacht und im ersten Reflex fast zugestimmt, mit dem Zusatz, dass im Laufe der Zeit sogar immer schlimmer wird, jeder Verlust wird schmerzhafter, weil da ja schon die ganzen anderen Dinge sind, die vorher passiert sind.

Aber dann hab ich die Perspektive gewechselt und mir gedacht, jeder Verlust heißt doch auch und vor allem, dass etwas da war, worüber man – manchmal sehr – trauert. Und besser ist es doch, dankbar für die Dinge zu sein, die vor dem Verlust passiert sind, denn das waren wunderschöne Dinge und Zeiten. Ich denke, dass ich lieber mit diesem Blick auf mein Leben schauen will, so auf die Art: Don’t look back in anger.

Und bevor jetzt jeder glaubt, ich bin zur Zen-Meisterin geworden, nein, es gibt auch Abende, da höre ich mir eine Stunde Lieder an, die so schön traurig sind, dass ich weinen muss und dann mache ich das auch. Oder ich nehme dafür ein Stofftier in den Arm, weil das bei mir immer dazu führt, dass ich mir selbst sehr leidtue (harhar). Das ist manchmal auch ok und gut so, denn wie Frou Frou in ihrem Song Let Go schon sang: “There is beauty in the breakdown.”

Aber: Es nicht nicht nur Schönheit im Breakdown, sondern auch in dem Moment, wo man die Tränen trocknet und das tut, was dem eigenen Leben Sinn gibt.

Jetzt red ich doch wie eine Zen-Meisterin. Sorry.

Neues Leben, 29

Lange habe ich dazu nichts mehr geschrieben. Der letzte diesbezügliche Eintrag ist von November. Vielleicht, weil mein neues Leben nicht mehr neu ist, sondern eh schon 15 Monate alt.

Es ist das eingetreten, was mein ganzes Leben bisher nicht passiert ist, ich war zu fertig dafür, mich nach den Wünschen und Erwartungen meiner Umgebung zu richten (aka people pleasing). Erstmals war ich an dem Punkt, an dem ich es nicht mehr allen recht machen konnte, sondern auf mich schauen musste/konnte, sonst wäre ich zusammengeklappt und hätte den Alltag mit Selbstständigkeit und meinem Kind (der ein Jugendlicher ist, aber halt mein Kind) nicht mehr hingekriegt. Daher mache ich keine Dinge mehr, treffe keine Menschen, die nur zusätzlich Energie ziehen. Einfach weil ich es nicht mehr schaffe.

Ich habe mich in den letzten Monaten darauf konzentiert, die Ressourcen zu nutzen, die ich habe und mich dem zu widmen, was mich glücklich macht, Schreiben, Filme schauen, Bücher lesen, in der Natur sein, mit Menschen sprechen, die auf meiner Wellenlänge sind. Das, was passiert ist, für mich einzuordnen (ich hasse dieses Wort ja, seit die Medien alles einordnen wollen und tatsächlich nur Bevormundung damit gemeint ist, über mein eigenes Leben hab ich ja eh die Deutungshoheit harhar) und das ohne Zorn, Trotz und Wehleidigkeit. Wie es so schön in Access Conciousness heißt: Wahrnehmen ohne zu bewerten.

Es mag eine Binsenweisheit sein, aber wenn man die Perspektive ändert, auch auf sein eigenes Leben, seine Ansichten, seine Prägungen, dann fühlt sich manches plötzlich leichter und stimmiger an. Dass das alles eine Reise ist – wie das ganze Leben – manchmal einfacher, manchmal herausfordernder, ist auch klar. Aber für den Moment, an diesem erfrischenden, sonnigen Julitag ist alles okay.

Dreams

Andere Leute träumen immer wieder davon, ihre Matura nochmal machen zu müssen und nicht zu schaffen.

Ich träume davon, ein Auto nicht parken zu können, gegen Mauern zu fahren, nicht bremsen zu können (UND gegen Mauern zu fahren) und das ziemlich oft. Obwohl ich bald drei Jahre kein Auto mehr habe und sehr froh darüber bin. Letztens habe ich geträumt, dass ich mein Auto zum nächsten Parkplatz getragen habe.

Die Traumdeutung sagt dazu, dass dies bedeute, dass man sein Leben in Griff habe. Also wenn ich viel glaube, aber das glaub ich wirklich nicht. Harhar.

Romeo und Julia

Ach so, zur neuen Bachmannpreisträgerin habe ich noch gar nichts geschrieben. Das liegt daran, dass sie einen Text über einen Mann mit Putzmanie verfasst hat und ich habe selbst keine Putzmanie, mehr noch, ich putze äußerst ungern und dadurch hält sich meine Freude an einem Text, der eine Siphonreinigung minutiös schildert, ehrlich gesagt ein bisschen in Grenzen. Ja ich weiß, das ist alles metaphorisch und will auf ein größeres Ganzes hinaus, aber es ist einfach nicht mein Metier. Überhaupt waren die diesjährigen Beiträge zum Bachmannpreis ähnlich wie die beim ESC – in der Mehrzahl eh ziemlich ok, aber es gab wenig herausragendes.

Anyway, am letzten Samstag gab es eine andere kulturelle Veranstaltung nämlich Romeo und Julia in St. Pölten. Ich war mit L. dort, denn L. und ich haben 2016/17 einen Modern Dance Kurs besucht. Dabei haben wir damals übersehen, dass wird altersmäßig nicht ganz der Zielgruppe entsprachen oder anders gesagt, wir haben den Alterschnitt der Gruppe auf circa 25 Jahre angehoben. Jedenfalls war Flo unser Trainer, ein Franzose, den Kurs hielt er Gott sei Dank auf Englisch, er war immer lieb und lustig und sein Kurs war sauanstrengend (zumindest mit 40 plus, was ich damals war, ach wie jung), jedenfalls hat Flo am Samstag den Romeo getanzt und das mussten wir uns natürlich live ansehen.

Ich bin mit der Bahn vom Hauptbahnhof in die andere Hauptstadt gefahren und obwohl es nur eine Fahrt von 30 Minuten war, war es recht mühsam, weil Zug voll mit lärmenden jungen Leute und neben mir saß eine Betrunkene. Note to self: Betrunkene nicht ansprechen. Sie hat sich nämlich beschwert, dass sie vergessen hat, in Meidling auszusteigen und somit jetzt schwarzfahre, worauf ich sie beruhigen wollte und meinte, wir wären eh gleich in St. Pölten. Daraufhin erfuhr ich auf der restlichen Fahrt ihr gesamtes Leben, versehen mit der dramaturgischen Klammer, dass diese falsche Zufahrt quasi eine Metapher dafür sei, dass sie immer falsch irgendwohin unterwegs sein und gefangen im Zug (des Lebens). Okay.

In St. Pölten angekommen, holte mich L. mit dem Auto ab und wir fuhren in den Park, wo Sommer im Park dann stattfinden sollte. Es war ein sehr lauer Abend, aber nicht so heiß wie in der Stadt. Wir aßen Schinken-Käse Häppchen und tranken Aperol Spritz und es war sehr nett. Außerdem bemerkten wir, dass Balletttänzer Beine etwas mit Formel 1 Reifen gemeinsam haben: beide müssen mit Heizdecken bzw. Moonboats-artigen Patschen gewärmt werden, bevor es los geht. Das Stück war dann sehr abwechslunsgreich. Der Akt vor der Pause irgendwie so wie ein Wimmelbild, wo ganz viel passiert – die Capulets und Montagues auf den Straßen und am Markt etc. Im Akt nach der Pause ging es dann ans Eingemachte, mit Schwertkämpfen und Liebesduett und Todeskampf. Es war wirklich toll performt und getanzt (Flo hat auch die Choreografie gemacht) und bekam sehr viel Applaus.

Romeo und Julia, Theater im Park, St. Pölten am 8. Juli 2023

Später hab ich Flo dann auf insta geschrieben, dass es uns sehr gut gefallen hat und er hat geschrieben, er wäre “very happy” darüber. Wunderbar. Wer jetzt Lust bekommen hat, heute und morgen gibt es noch zwei Vorstellungen (unbezahlte Werbung).

Schulschluss und koksende Mütter

Und wieder ein Schulschluss – es ist immer ein ganz besonderer, bittersüßer Tag im Jahr, an dem ich immer irgendwie Rückschau halte. Letztes Jahr war ich so komplett traurig und niedergeschlagen, heute war ich schön melancholisch, diese Art der Melancholie, wo man nichts will als einfach seine Ruhe mit gutem Essen und Trinken und Literatur und Film und Notizbüchern.

Ich hatte heute keine Arbeitsdeadlines, ich halte mir solche Tage gern frei, für alles was so kommt, was das Kind vor hat. In der Früh hab ich einen langen Spaziergang gemacht und eingekauft (u.a. ein neues Notizbuch), als ich heimkam war das Kind schon zuhause. Er hat wieder mal einen guten Erfolg, ich weiß nicht wie er das schafft. Nach dem gemeinsamen Mittagessen auf dem Balkon hab ich den Bachmannpreis laufen lassen, und die Texte, auf die man quasi so nebenbei aufmerksam wird, wo man sich dann hinsetzt und genau zuhört, die haben eine besondere Qualität. Zwar sagt das per se noch nichts über besondere Literarizität aus, es sagt aber, dass der Text etwas mit einem macht.

Ich spreche von dem Text “Zeitmaschine” von Jacinta Nandi. Die Protaogonstin, Mutter eines kleinen Sohnes und in einer schrecklichen Ehe, sagt so Dinge wie: “So lang kein Sperma im Spiel ist, ist sie nicht fremdgegangen, das weiß sie” oder “Es kann keine Gewaltbeziehung sein, denn ich respektiere ihn gar nicht.” Es geht um eine toxische Ehe und das Mutterbild der Deutschen und es hat sehr, sehr viel bösen Witz. Die Stelle, die mich am Sofa echt lachen ließ, war Folgende: da treffen sich mehrere Mütter zum Playdate und als die Kinder schlafen, bestellen sie sich Koks. Als die Protagonistin fragt, ob es nicht verwerflich sei, zu koksen, wenn die Kinder in der Nähe sind, sagen die anderen: “Das hier ist Me-Time. Das ist Self-Care” und “Ich bin so eine gute Mutter, wenn ich auf Koks bin. Ich bin wie Heidi Klum, aber Heidi Klum in Amerika.” Das muss einem erst mal einfallen. Dann geht es noch um anzügliche Chatnachrichten an Karl Lauterbach und Johnny Depp und Amber Heard, was den Text natürlich verdächtig nahe an die Kategorie Popliteratur schiebt, aber das muss ja nicht Schlechtes sein und ich habe mich – wie gesagt – sehr amüsiert dabei.

Am Abend saß ich dann bei strömendem Regen am Balkon, erschöpft von der recht anstrengenden Arbeitswoche, aber doch zufrieden. Auch wenn Mamas keinen 9-wöchigen Urlaub haben, ein bisschen fühlt es sich doch wie Ferien an. Und morgen schau ich wieder Bachmann-Preis.

Gestern

Meine Lieblingsaussage aus der heutigen SPÖ Pressekonferenz: “Die Zahlen waren richtig, nur die Zusammenhänge waren falsch.” So hätte ich meine Mathematik-Schularbeiten früher auch rechtfertigen sollen.

Einem Tag nach der dubiosen SPÖ Wahl hat Twitter alles durch an Memes, Spott, Verschwörungs(?)-Theorien, es gilt wieder mal die Devise: Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von allen. Jungjournalist Maximilan Werner meinte sogar: So einen Tag hier auf Twitter wirds nie mehr geben. Aber das dachte man schon öfter und ich würde nicht drauf wetten.

Ich wiederum habe mich mit einer österreichischen, na ja sagen wir prominenten Person auf Insta gezofft. Sie hat sich in ihrer Story nämlich darüber gefreut, dass “der heisere Herrscher wieder zurück in seiner pannonischen Steppe” ist. Ich habe angemerkt, dass ich das recht respektlos finde. Sie daraufhin, dass er ja auch mit Pam respektlos umgegangen wäre. Und außerdem sei er halt heiser, das könne man schon benennen. Ich habe dann gemeint ja, warum sachlich, wenns auch persönlich geht. Man kann H.P.Doskozil sicher für einiges kritisieren, seine Stimme hat damit aber nichts zu tun. Und in Zeiten, in denen man verklagt werden kann, wenn man ein Pronomen falsch verwendet, finde ich es schon interessant, dass man als SPÖ Wählerin dann nichts dabei finden, über körperliche Gebrechen zu spotten. Aber was weiß ich schon, sie meinte, ich solle mir meine Empörung für wichtige Dinge aufheben. Mach ich aber nicht, ich blogg lieber darüber. Harhar.

Ohne Titel

Am Gründonnerstag ist das Kind für einige Tage auf Urlaub gefahren. Ich wiederum auf die Nationalblibliothek. Ich hatte vor, ein paar Tage zu schreiben. Auf dem Heimweg habe ich den Stephansdom in sehr schönem Licht gesehen und ein Foto gemacht. Ich wusste nicht, dass es der letzte Abend im Leben meines Papas sein würde. In der Nacht kam die SMS.

Das Ganze war nicht überraschend. Mein Papa war seit über 20 Jahren manchmal mehr manchmal weniger krebskrank. In den letzten Jahren war es ein ständiges Auf und Ab. Er hat mit Mitte 70 noch eine neue Therapie bekommen, die man normalerweise nur bis 65 Jahre bekommt, aufgrund seines guten körperlichen Zustands. Das hat ihm imponiert und motiviert. Sein Kampfgeist und Lebenswille ist etwas, wofür ich ihn wirklich bewundere. Kurz bevor er gestorben ist, gehörte er zu ca. fünf Prozent, die in diesem Stadium der Therapie noch am Leben waren. Er wurde 81 Jahre alt.

Stephansdom, 6. April 2023

Ich weiß, dass sich viele Menschen erwarten, dass man als Tochter sehr betroffen über den Tod des eigenen Vaters ist. Ich habe auch dementsprechende Nachrichten bekommen und das war schwierig für mich. Natürlich bin ich traurig. Aber weniger über den Tod an sich, mit dem man rechnen muss, wenn die eigenen Eltern ein gewisses Alter haben und schwerkrank sind. Trauriger bin ich über die Beziehung, die ich zu meinem Vater hatte, gerade in den letzten Jahren. Denn: Es war eben keine Beziehung mehr.

Er hat sich Schritt für Schritt aus meinem Leben zurückgezogen. Warum, das weiß ich nicht. Als das Kind noch klein war, habe ich ihn oft zum Kaffee eingeladen oder vorgeschlagen, dass wir spazieren gehen können. Er hat immer abgelehnt. Wenn wir uns sahen, dann immer kurz und im Türrahmen. Später nur noch zu Weihnachten. Seit Corona gar nicht mehr. Zu meinem Kind, seinem Enkel, gab es keine nennenswerte Verbindung. Das hat mich betroffen gemacht. Ich hätte es mir anders gewünscht. Aber ich konnte es nicht ändern. Es gab keinen Streit, er konnte mir nie den Grund für sein Verhalten nennen – obwohl ich mehrfach gefragt habe.

Das ist etwas, was mir in meinem Leben öfter begegnet ist. Dinge sind passiert, die ich mir nicht erklären konnte und die auch mir niemand erklärt hat. Sehr schmerzhafte Dinge. Im letzten Jahr habe ich viel nachgedacht. Ich kann immer noch nicht behaupten, dass ich alles verstehe, was in meinem Leben so vor sich gegangen ist, aber ich verstehe immerhin, dass ich manche Dingen einfach akzeptieren muss. Immerhin bin ich soweit, dass ich mir nicht mehr selbst für alles die Schuld gebe. Man kann niemanden zwingen, Teil des eigenen Lebens zu sein, wenn dieser das nicht möchte.

Als das Kind wieder zuhause war, haben wir uns eine Pizza bestellt. Ich esse ziemlich selten Pizza, ich bin eher Team Pasta. Jedenfalls essen wir so zusammen und ich sage zum Kind: “Wer Pizza isst, der isst auch kleine Kinder.” Das hat mein Papa immer gesagt. Er hatte sehr viele skurille Sprüche für jede Lebenslage. Und so werde ich mich erinnern, an einen Menschen mit interessanten Aussagen, der mir ansonsten aber rätselhaft geblieben ist.