Während der Oscar-Season trachte ich danach, möglichst viele nominierte Filme zu sehen. Ein Film, vor dem ich aber wirklich Angst hatte, seit ich die Vorschau gesehen habe, und den ich mir wohl niemals selbst einfach nur so ausgesucht hätte, ist Innaritus Birdman-Nachfolger und Leo wohl den Oscar-Sichersteller The Revenant.
Der Trailer ist grausam, alles, was ich vorher darüber gelesen habe war grausam und nachdem ich den Film gesehen habe, muss ich sagen: er hat meine Befürchtungen noch übertroffen, was Grausamkeit betrifft. Dabei kann man noch nichtmal sagen, dass er sehr übertreibt, wie etwa Tarantino bei seinen Blutorgien, die aber teilweise eher komisch wirken, weil sie so überzeichnet (und damit künstlich) sind. The Revenant ist einfach sehr naturalistisch und bildet das Leben ab, wenn man so will. Gottseidank nicht unser modernes Leben im Europa des 21. Jahrhunderts, aber ein anderes Leben, das an anderen Orten wohl auch noch heute geführt werden kann und auch, ähnlich, wohl leider geführt wird.
Das Komische an diesem Film ist: Er ist überhaupt nicht meine Art von Film. Es wird kaum gesprochen, Frauen spielen fast gar keine Rolle, der Erkenntnisgewinn ist ziemlich gering – es ist einfach eine sehr archäische Rache-Geschichte, von der man praktisch schon zu Beginn weiß, welchen Verlauf sie nehmen wird. Und dennoch: ich kann nicht sagen, dass der Film mir nicht gefallen hat. Er hatte definitiv etwas an sich, was mich angesprochen hat, trotz des ganzen Blut- und Beuschel-Dings. Das liegt sicher an den sehr starken Bildern – von Kameramann Emanuel “Chivo” Lubezki, der vermutlich heuer seinen Oscar-Hattrick (nach Birdman und Gravity) landen wird. Man hat als Zuschauer das Gefühl, dass man mittendrin ist, bei dieser Reise, dass man diese zweieinhalb Stunden mit dem Hauptdarsteller mitbewältigen muss, wird, will (?) und es quasi als persönlichen Verdienst erlebt, wenn man das dann tatsächlich geschafft hat – weil schön ist das nicht!
Leonardo di Caprio wird seinen ersten Oscar verdientermaßen mit nachhause nehmen, weil er macht wirklich einiges mit in dem Film. Und seine Darstellung nützt sich nicht ab, obwohl es wirklich über weite Strecken eine one man Show ohne Worte ist. Das hat es verdient, ausgezeichnet zu werden. Auch die Arbeit von Innaritu ist bewunderswert, vor allem, weil der mexikanische Regisseur extrem wandlungsfähig ist. Voriges Jahr hat er mit Birdman ein skurilles Meisterwerk erschaffen, das natürlich viel eher meinen persönlichen Geschmack trifft als dieser Film, wenn man The Revenant sieht, hat man aber das Gefühl, er hätte nie etwas anderes gemacht als solche epischen Schinken.
Nachdem The Revenant gestern die BAFTAS dominiert hat, schießen sich die Oscar-Pundits langsam auf ihn ein, und prognostizieren einen Award-Regen auch bei den Oscars. Ich kanns mir mittlerweile auch vorstellen, aber wir haben noch zwei Wochen bis dahin. Ich muss noch nachdenken.