almis personal blog

In Cannes

Diese Woche ist nicht nur ESC – es startet auch das Filmfestival in Cannes. Und es gibt dort einige, finde ich, sehr interessante Filmpremieren.

Zunächst einmal – Out of Competition – Mission Impossible Final Reckoning. Ich habe den Vorgängerteil mit dem Kind im Kino gesehen, natürlich nicht im nonstop Abo, aber er hat uns wirklich sehr gut unterhalten. Tom Cruise schafft es irgendwie, jedesmal arge Stunts, die er großteils selbst durchführt, mit extremer Selbstironie zu verbinden. Ich meine speziell die Szene mit dem Fiat 500 in Rom. Wir kennen das ja, Actionstars steigen in präperierte Autos, die sie aber noch nie zuvor gesehen haben und fahren einfach los. Nicht so hier, zuerst geht die Tür nicht zu, dann drückt Cruise auf einen Knopf und die Scheibenwischer schalten sich ein, er drückt auf einen anderen, die Scheibenwischer werden schneller, ihm ist das vor der Frau, die ihn begleitet, peinlich, er entschuldigt sich und fährt los und touchiert gleich die Mauer, herrlich. Das könnte ich sein harhar.

In Competition finden wir natürlich den neuen Wes Anderson Film mit dem fast unaussprechlichen Titel The Phoenician Scheme, den ich nächste Woche für Uncut sehen werde. Ich bin ja Anderson-affin, was seine Weirdness betrifft, würde mir aber mal wieder einen etwas “wärmeren” Film von ihm wünschen, wo man sich auch mal mit irgendjemand identifizieren kann. Interessiert bin ich auch an dem neuen Film von Richard Linklater namens Nouvelle Vague, der sich der Entstehung des Jean Luc Godard Films Außer Atem widmet. Auch Joachim Trier hat nach seinem Überraschungserfolg The Worst Person in The World einen neuen Film, der sich Sentimental Value nennt und ein Familiendrama ist; Renate Reinsve, aus vorher genanntem Werk, spielt hier wieder mit und die fand ich damals ja sehr toll.

Die Coen Brüder haben sich quasi entzweit und machen derzeit getrennt Filme, was bis jetzt nicht unbedingt als Erfolgsrezept gelten kann harhar. Jedenfalls hat auch der neue Ethan Coen Film Honey Don’t in Cannes Premiere, mit “Nepo Baby” Margaret Qualley (auch sie finde ich richtig super). Skeptisch bin ich hingegen bei Eddington von Ari Aster, dessen Filme mich irgendwie gleichermaßen faszinieren, wie auch abschrecken. Und Eddington ist auch noch ein Western, was jetzt nicht unbedingt mein Lieblingsgenre ist.

Am allermeisten freue ich mich auf The History of Sound über zwei Musikwissenschafter. Diese werden nämlich von Paul Mescal und Josh O’Connor gespielt und beide, aus UK bzw Irland stammend, sind vielleicht die interessantesten männlichen Nachwuchsschauspielstars mit Indie-Schlagseite aktuell. Mescal hat uns in Aftersun und auch All of us Strangers das Herz gebrochen, O Connor hat ähnliches in La Chimera gemacht – er war aber auch der Superstrizzi in Challengers, ich war in dieser Dreiecksgeschichte voll in seinem Team. Ein Film von beiden kann meinerseits nur zu höchsten, quasi unerreichbaren Erwartungen führen, harhar.

Bei den Dokus finde ich Orwell: 2+2=5 spannend. Der Titel spielt auf den Roman 1984 an, in der Orwell eine Welt schildert, in der die Menschen politisch und medial manipuliert werden. Immer aktuell. Eher nicht anschauen werde ich mir Bono: Stories of Surrender. Bono ist, so gesamt gesehen, eine einzige Red Flag für mich, ich halte ihn einfach nicht aus. Vor einigen Jahren ist ein Interview mit ihm auf (damals noch) Twitter diskutiert worden, das jemand als “Goldstandard für absurde Äußerungen egomanischer Altherren ohne Self-Awareness” bezeichnet hat. Obwohl ich so Aussagen a la alte weiße Männer nicht so gern mag, hier finde ich es genial formuliert.

Oslo Stories: Träume

Am Samstag habe ich mir, nach einem langen Spaziergang durch die Innenstadt und in der Sonne sitzen, den zweiten Teil der Oslo Stories von Dag Johan Haugerud angesehen und zwar im Votivkino. Dieser Teil heißt Träume und erhielt im Februar den goldenen Bären bei der Berlinale.

Träume handelt von Johanne (Ella Øverbye), einer 16 jährigen Schülerin, die sich in ihre Französischlehrerin Johanna (Selome Emnetu) verliebt. Nach einiger Zeit besucht sie die Lehrerin unvermutet zuhause, eine Art von Beziehung beginnt, über die Johanne einen – auch sexuell – expliziten Roman schreibt, um die Ereignisse festzuhalten. Sie gibt den Text ihrer Großmutter (Anne Marit Jacobsen), die eine erfolgreiche Autorin ist, um deren Meinung zu erfahren…

SPOILER WIE IMMER MÖGLICH

Ich sage bei Filmen ja manches Mal: Das wäre besser fürs Fernsehen geeignet. Oder: Das wäre eher Stoff für eine Serie. Bei Träume sage ich: Das hier ist im Prinzip ein Hörbuch. Denn fast ganze erste Hälfte des Filmes wird mit einem Voice Over von Johanne begleitet. Voice Over in Filmen: Immer etwas schwierig.

Ich zitiere den bekannten amerikanischen Filmkritiker Roger Ebert. Ebert hat einmal einem anderen Filmkritiker widersprochen, der kritisierte, dass Fellini im Film 8 1/2 die Bilder wichtiger wären als die Ideen dahinter. Ebert schrieb daraufhin: “I celebrate it. A filmmaker who prefers ideas to images will never advance above the second rank because he is fighting the nature of his art. The printed word is ideal for ideas, film is made for images”

Bei Träume hören wir Johanne endlos sprechen. Die Bilder, die wir dazu sehen, sind nicht schlecht, oft sogar beeindruckend, aber sie lenken eher davon ab, was Johanne uns erzählt, es entsteht keine Einheit der beiden Komponenten. Trotzdem muss ich sagen: Die Sätze, die Johanne sagt, sind wunderschön und voller Poesie, sie erzählen so viel von Gefühlen und Liebe (kaum über Sex by the way, auch wenn das quasi der Aufhänger des Filmes ist, wer deshalb ins Kino geht, kann es sich sparen harhar).

Träume ist stellenweise auch recht witzig, vor allem die Gespräche von Johannes Oma und Mutter. Einmal diskutieren sie über den Film Flashdance und die Oma findet diesen enttäuschend, weil die Hauptfigur am Ende dann doch Tänzerin wird. Drauf die Mutter: Ist es feministischer, eine Schweißerin zu sein als eine Tänzerin? Eine gute Frage! Schön ist auch wie Oslo gezeigt und beschrieben wird. Ein ewiges persönliches Thema für mich: Wie beschreibt man Städte? Das finde ich sehr schwer.

Was ich auch interessant fand: Einmal trifft sich Johannes Mutter mit der Lehrerin, nicht um sie zu verurteilen, sondern einfach zum Reden und diese erscheint hier komplett anders als davor, schroff, nicht wirklich zugänglich, nicht mal ein bisschen empathisch. Da fragt man sich als Zuschauerin: War die Darstellung der Lehrerin davor einfach nur die (verliebte) Projektion von Johanne? Ist die Lehrerin gar nicht so toll, wie wir sie im ersten Teil – durch die Augen von Johanne – erlebt haben?

Träume wäre vielleicht ein noch besseres Hörbuch, es ist aber auch ein sehenswerter Film, gerade wenn man vielleicht selbst gerne schreibt oder eine Trennung verarbeiten muss. Oder beides.

Die ESC Woche

Ich hab mir schon fast Sorgen gemacht, dass wir in der diesjährigen ESC Woche nur über die Songs und die Künstler, über die Bühnenshows, sowie die Kostüme sprechen werden und dazu ein bisschen gossipen und Spaß haben. Aber nein, Vorjahressieger Nemo möchte natürlich genau jetzt lieber Israels Teilnahme am ESC diskutieren, die er falsch findet. Und vielleicht geht es sich ja doch noch aus, dass wir einen ähnlich polarisierenden Bewerb mit jeder Menge negativer Vibes bekommen wie voriges Jahr. [Roten Wut Emoji einfügen]

Ursprünglich sollte der Songcontest mal eine völkerverbindende Veranstaltung sein, in der die Politik möglichst beiseite gelassen wird und Künstler und Fans ein friedliches Fest miteinander feiern, aber das ist irgendwie ein bisschen in Vergessenheit geraten. Gott sei Dank gibt es diese Momente aber doch noch. Gestern habe ich kleine Videos gesehen, die Marco Schreuder von den Vorab-Events, die gerade in Basel stattfinden, gemacht hat. Wo der belgische, der niederländische und der österreichische Teilnehmer miteinander singen und zwar ihre Songs gegenseitig, aber auch alte Hadern wie Rise Like a Phoenix. Das ist Eurovision, wie ich es verstehe und liebe.

Ansonsten hat man von der Probenwoche wenig erfahren, da seit heuer nicht mehr alles minutiös dokumentiert werden darf, sondern nur ausgewählte Bilder und Ausschnitte freigegeben werden – was natürlich wieder Vorteile wie auch Nachteile hat. Die Wettquoten haben sich allerdings ein bisschen verändert und wie wir aus dem Eurovison Year Kalender wissen “It’s time to start paying attention to them”:

Der humoristische, aber auch wahre ESC Kalender, wenn auch nicht mehr ganz aktuell. Luxemburg ist zb. schon zurück

Schweden liegt immer noch auf dem ersten Platz, hat aber ein paar Prozentpunkte verloren, die Österreich als Zweiter gewonnen hat. Letztes Jahr wurde der Wettquoten Erste Kroatien am Ende Zweiter und die Schweiz als Quoten-Zweiter hat gewonnen. Just saying harhar.

Ich werde die kommende Woche jedenfalls genießen, denn nächsten Sonntag befinden wir uns schon wieder in der Post Eurovison Depression.

Details

Nachdem ich anlässlich der Papstwahl an meinen Opa erinnert worden bin und auch gerade im Buch Die Geschichten in uns über die Charakterentwicklung von Figuren lese, wie wichtig es ist, diese mit vielen Details auszustatten, ist mir ein Detail zu meinem Opa eingefallen.

Natürlich gibt es unzählige Merkmale, die seine Person ausgemacht haben, etwa dass er einen Regenschirm “Parapluie” genannt hat, dass er meinte, es bringe Unglück, wenn man Schuhe auf einen Tisch stellt, dass er mir gerne Ham and Eggs und Tee mit ein bisschen Rum gemacht hat und sein konstantes Fluchen, wenn er an seiner Nähmaschine gearbeitet hat. Aber besonders gern erinnere mich daran wie er mich – ich war noch recht klein – immer auf seine Füße gestellt hat und so mit mit mir durchs Wohnzimmer getanzt ist.

Mehr als 35 Jahre Jahre später hat jemand erstmals seine Füße auf meine gestellt, ganz vorsichtig, und hier war es wie eine ganz besondere Um”armung”. Dabei habe ich an die Geborgenheit mit meinem Opa gedacht und jetzt denke ich an die Geborgenheit in diesen Momenten und an die Parallelen, vor allem, wie glücklich ich jeweils war und wie sehr ich dachte, dass diese beiden Situationen zusammengehören. Ich weiß gar nicht, ob ich das damals ausgesprochen habe. Eines von vielen Details von jemand, die ich alle nie vergessen möchte.

Zur Papstwahl

Ich finde es erstaunlich, dass das Kind, obwohl noch nicht mal ganz 18, jetzt schon den dritten Papst erlebt. Ich habe fast 30 Jahre nur einen Papst gekannt.

Dieser Papst wurde übrigens von meinem Papa immer nur als “der Wojtyła” bezeichnet, weshalb ich sehr lange dachte, Wojtyła wäre irgendwie eine synonyme Bezeichnung für den Titel “Papst”. Dabei sagt es eher etwas über das Verhältnis meines Vaters zur Amtskirche aus. Er war irritiert, dass ich als Kind jahrelang am Sonntag die Messe besuchte.

Als ich 15 war und auf Schüleraustausch in Italien, erschien der Papst einmal im Fernsehen und meine Austauschmutter sagte ganz fasziniert: “Lui è molto carismatico!” So etwas hätte ich natürlich von meinem Vater, aber auch von meinem Opa, meiner wichtigsten Bezugsperson, nie gehört. Obwohl mein Opa immer lebhaft mit den Zeugen Jehovas diskutierte, wenn sie anklopften – und das taten sie oft, weil im Nebenhaus meiner Großeltern ein Königreichssaal war. Da hörte ich dann schon “Wir glauben an Gott”, was ich etwas widersprüchlich, aber auch interessant fand harhar.

Wie auch immer, gestern wurde also ein neuer Papst gewählt und angeblich haben sich viele Kardinäle davor Conclave angesehen, was ich eher für gutes Marketing für den Film halte. Es wäre jedenfalls dann so etwas wie art imitating life imitating art. Im ORF wurde gestern natürlich über die Papstwahl berichtet und Kardinal Schönborn war im Studio und verwendete zwei Begriffe, die ich googlen musste, einer war “synodial”, wobei ich da ein Gefühl hatte, was das heißt, den anderen habe ich schon wieder vergessen. Ich fragte mich zunächst, weshalb er nicht bei der Wahl in Rom war, aber das beantwortete er damit, dass er zu alt sei, um mitzuwählen. Er wäre aber sehr erfreut über die Wahl von Leo XIV.

Auf Social Media wurde dann schnell darüber diskutiert, was das für ein Papst wäre, was man von ihm erwarten kann. Ich bin mittlerweile sehr zurückhaltend bei solchen Ereignissen und warte erstmal ab, bevor ich mir eine Meinung bilde. Die Berichterstattung im ORF war eigenwillig und hat mich auch ein bisschen geärgert, aber das ist eh nichts neues. Hahar.

Schön war das sanfte Abendlicht über den sakralen Bauten auf dem Petersplatz. Das jedenfalls hatte etwas friedlich-hoffnungsvolles für mich.

Hard Truths

Diese Woche habe ich Hard Truths in OV gesehen, der ausschließlich und auch nur wenige Tage im Gartenbau lief.

Regisseur Mike Leigh porträtiert darin Pansy (Marianne Jean-Baptiste), eine Frau in mittleren Jahren die vom Leben frustriert ist und ihrer Wut Luft macht. Wenn sie den Mund aufmacht, dann spricht sie nicht, sie schreit. Sie streitet mit allen Menschen, denen sie begegnet – ob es die Kassiererin im Supermarkt ist, ihre Zahnärztin und die Verkäuferin im Möbelgeschäft. Ihr Mann Curtley (David Webber) und ihr erwachsener Sohn Moses (Tuwaine Barrett) haben aufgehört, zuhause zu sprechen, sie sitzen beim Abendessen nur schweigend daneben, wenn Pansy ihre endlosen Tiraden loslässt. Einzig ihre Schwester Chantelle (Michele Austin) scheint auf die Hintergründe von Pansys Unausstehlichkeit blicken zu wollen…

SPOILER MÖGLICH

Mike Leigh, mittlerweile 81, gilt als ein Regisseur, der sich mit Vorliebe dem sogenannten Kitchen Sink Realism widmet, also den Erzählungen über die “normalen” Menschen, oft aus der Arbeiterschicht, und deren Kämpfe im Leben. Deshalb habe ich auch noch nichts von ihm gesehen harhar. Ich gehe persönlich nicht so gerne ins Kino, um dort dann reine Sozialdramen zu verfolgen. Aber Hard Truths wurde als witzigster Film von Leigh angepriesen und das hat mich neugierig gemacht. Jetzt kann ich sagen: Ich hab schon mehr gelacht.

Das ist natürlich ein Film über Depression. Denn Pansys furchtbar nervige, oft auch gemeine Art anderen gegenüber ist klarerweise ein Zeichen dafür, dass bei ihr rein gar nichts in Ordnung ist. Ihre Wut ist eigentlich Trauer, die sie nicht anders zeigen kann. Worüber sie traurig, das erfahren wir so stückchenweise, vor allem in ihrer Interaktion mit Chantelle. Der Vater der beiden hat sich früh aus dem Staub gemacht, die Mutter musste die Familie über Wasser halten; Pansy hatte als ältere Tochter viel Verantwortung zu tragen, fühlte sich gleichzeitig aber von der Mutter ungeliebt. Curtley hat sie vor allem geheiratet, um nicht allein zu bleiben. Sie mag weder ihn noch den eigenen Sohn besonders gern. Vielleicht mag sie niemanden.

Irre witzig, was? Harhar. Ich habe kein Problem mit traurigen und auch schweren Themen. Aber wenn es, wie hier, nicht den Funken irgendeines Silberstreifs am Horizont gibt (ok einen winzigen gibt es, wenn auch nicht für Pansy) und sei er noch so schwach, wenn hier nur Elend abgebildet wird, dann, denk ich, muss ich das nicht unbedingt sehen. Dazu kommt auch noch, dass Leighs Film – ich möchte nicht sagen handwerkliche Schwächen, denn er wird wissen was er tut – aber sagen wir handwerkliche Besonderheiten hat, deren Sinn ich persönlich nicht verstehe. Es kommen nämlich Figuren nur für eine einzige Szene vor, die sonst absolut nichts mit der Handlung zu tun haben, und es gibt auch einige Szenen mit Nebendarstellern, die ins Nichts führen. Ich kann nicht nachvollziehen, was Leigh uns damit sagen will.

Letztendlich muss ich auch leider sagen: Ich kann den Schmerz von Pansy zwar nachvollziehen, aber ich finde es schwer, Sympathie für sie zu haben, wenn ich sehe, wie ihr 22 jähriger Sohn aufwachsen musste, was für einen Schaden er sichtlich davongetragen hat. Ich denke mir: Egal wie viel Schmerz ich empfinde, wenn ich mich für jemanden “zusammenreiße”, dann für mein Kind. Andererseits: Hurt people hurt people. Trotzdem tut mir Moses so leid, wenn er im Bett liegt und ein Buch namens “Everything about planes” oder so liest – anscheinend ein Buch aus seiner Kindheit. Das ist so, so traurig und man würde ihn am liebsten umarmen und trösten.

Damit dieser Eintrag nicht ebenso deprimierend endet, drei Kommentare, die ich auf letterboxd gelesen habe: “This was my first Mike Leigh movie. And also my last Mike Leigh movie.” Harhar. Und: “Would rather have watched a 9 hour version of The Brutalist instead”. Sowie “Someone get Moses out of that house and onto a plane.” Genau!

Tracking

Ich lese manchmal in Frauengruppen auf Facebook, dass es doch viele Mütter gibt, die ihre Kinder mit irgendwelchen Apps überwachen, wenn sie unterwegs sind. Ich find das ganz furchtbar. Falls jemand das liest, der mit mir befreundet ist und das auch macht, sorry. Harhar. Wenn du es machst, kein Problem, ich bin ja auch ein großer Fan von leben und leben lassen. Aber ich würde es nicht machen.

Erstens, weil ich dem Kind vertraue und ihm das auch vermitteln will. Zweitens, weil ich eh nichts machen könnte, wenn dem Kind was passiert und ich sehe, er ist in der Straße so und so, drei Kilometer entfernt. Und drittens, weil es mich echt nicht interessiert, wo er unterwegs ist. Ehrlich. Ich hab selbst gern meinen Freiraum und ich will, dass das Kind seinen hat. Wenn er mir nachher was erzählt super, wenn nicht, auch gut.

Ich mein, man rennt seinem Kind eh vier, fünf Jahre permanent nach und kann teilweise nicht mal alleine aufs Klo. Man packt sein Kind, wenn es auf die Straße laufen will, die Hand aufs Bügeleisen legt, wenn es im Begriff ist, die Pfanne vom Herd zu ziehen oder in Steckdosen greift, wenn es zu hoch klettert, mit Steinen schmeißt, sich in der Nähe von Gewässern, Fenstern aufhält, etcetera. Wenn man ein vorsichtiges Kind hat, hat man wahrscheinlich einen ruhigeren Job, aber wenn das nicht der Fall ist, dann sagt man schon manchmal so etwas wie: “Und wenn du diese Tabletten schluckst, dann kommt nachher die Rettung, steckt dir einen Schlauch in den Hals und pumpt deinen Magen aus.” Und dann schaut einen das Kind trotzdem irgendwie begeistert an, harhar.

Ich finde, wenn ein Kind alt genug ist, dass es alleine das Haus verlassen und unterwegs sein kann, dann muss es sowieso mit der Welt draussen fertig werden. Und das traue ich ihm dann auch absolut zu. Oder wie die Instagram Psychologin schrieb: “Raising a teen isn’t about tracking every step they take. It’s about teaching them to step wisely, even when we’re not there to guide them”. Word.

Die Geschichten in uns

Mit großer Neugier habe ich begonnen, Benedict Wells Buch Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und vom Leben, zu lesen Wells schildert darin die Anfänge seines Schaffens und auch, wie man einen Roman schreibt.

Zunächst geht es aber um seine Biografie. Benedict Wells war ein Scheidungskind und nicht nur das, er wuchs teilweise in Internaten auf, weil seine Mutter immer wieder längere Zeit in psychiatrischen Einrichtungen verbrachte. Deshalb war auch die Beziehung zu seiner Schwester als Kind relativ distanziert, weil er zu ihr, die einige Jahre älter ist, auch einfach kaum Kontakt hatte. Das änderte sich später. Für Wells gilt sicher, was die Schriftstellerin Ursula Le Guin gesagt hat: “The creative adult is the child who has survived.”

Interessant ist, dass Wells :

a) seinen tatsächlichen Namen “von Schirach” ablegte und sich Wells nannte, wie die Hauptfigur in John Irvings Gottes Werk und Teufels Beitrag. Sein Großvater Baldur von Schirach war kunstaffin, hatte Germanistik und Kunstgeschichte studiert, vor allem aber hatte er mehrere hochrangige Ämter in der NS-Zeit inne und wurde nach dem Krieg zu 20 Jahren Haft verurteilt. Wells hat sich nach längerer Überlegung entschieden, das in seinem Buch nicht zum Thema zu machen, es würde den Rahmen sprengen. Sein Vater Robert und seine Schwester Ariadne, beide ebenfalls Schriftsteller, haben ihren Geburtsnamen auch für ihre künstlerische Tätigkeit nicht abgelegt.

b) nach der Matura beschloss, Schriftsteller zu werden. Also ohne doppelten Boden. Er begann nicht zu studieren oder zu arbeiten und nebenbei zu schreiben, sondern er versuchte tatsächlich, diesen Beruf als Haupttätigkeit auszuüben. Zwar hatte er natürlich ein paar Gelegenheitsjobs, um sich sein Leben irgendwie zu finanzieren, tatsächlich lebte er aber weitgehend asketisch, aß wenig und erlaubte sich kaum Freizeitvergnügen, um Geld zu sparen und möglichst viel Zeit zum Schreiben zu haben.

Sein Traum war es, einmal bei Diogenes verlegt zu werden, “die weißen Cover hatten für mich eine fast mystische Aura”, erklärt er. Er schickte seine Manuskripte aber nie dorthin, weil er es nicht verkraftet hätte, von Diogenes abgelehnt zu werden. Er wurde stattdessen von vielen, vielen anderen Verlagen abgelehnt, bis er einen Litertauragenten von sich überzeugen konnte, der dann schließlich seinen Roman bei Diogenes vorstellte. Und so unglaublich es auch klingt: Diogenes war letztendlich der Verlag, der Wells ersten Roman Becks letzter Sommer verlegte. Wells war damals 23 Jahre alt.

Wells sagt: “Vielleicht ist auch mein Schreiben geprägt von dem unmöglichen Versuch, die Brüche im Leben meiner Eltern oder in meiner Kindheit zu reparieren. (…) von der Hoffnung (…) endlich von anderen Menschen gesehen zu werden und all die unausgesprochenen in mir schlummernden Gefühle, Ängste und Gedanken mit ihnen zu teilen.”1

Ich glaube, so ähnlich empfinden es viele Menschen, die schreiben.

1 Benedict Wells: Die Geschichten in uns, Seite 99.

ESC 25 Schweden

So jetzt zum heiklen Thema Schweden beim ESC. Wie wir alle wissen, ist Schweden als Nation sehr erfolgreich. Sie haben sieben Mal gesiegt und liegen damit ex aeuqo mit Irland – Irlands Winning Streak fand aber noch im letzten Jahrtausend statt, wie wir auch alle wissen.

Ok. Heuer hat nicht der vorher hochfavorisierte Mans Zelmerlöw, ESC Sieger von 2015, den schwedischen Vorentscheid gewonnen, sondern die Gruppe KAJ mit ihrem Song Bara bada bastu, der den Schweden-Klischees (keimfrei, überproduziert, generisch) gar nicht gerecht wird. Was schon mal irgendwie gut ist, weil mal was anderes.

Es heißt aber auch nicht automatisch, dass man Bara badu bastu deshalb lieben muss. Ich zum Beispiel liebe Bara badu bastu überhaupt nicht harhar. Ja, es ist ein ganz witziger Ohrwurm über die Freuden des Saunagangs, nach dem Motto : “Yksi kaksi kolme sauna” (Eins, zwei, drei Sauna) Aber ehrlich gesagt reicht es mir, ihn einmal gehört zu haben. Ich hab nix dagegen, aber mein Leben wäre jetzt auch nicht anders, wenn ich nie von seiner Existenz erfahren hätte.

Es wurde im Februar prophezeit, dass Österreich weniger Siegchancen haben würde, wenn Zelmerlöw angetreten wäre. Aber nun hat KAJ gewonnen und liegt mittlerweile in den Quoten bei 38 Prozent – Österreich als Zweiter bei 16 Prozent. Warum? Ich weiß es ehrlich nicht. Das heißt nicht, dass für mich Österreich unbedingt gewinnen muss (obwohl… harhar), aber mir erschließt sich einfach dieser riesige Hype um Bara bada bastu nicht, ich kann nichts machen. Ich habe mir jetzt schon zahlreiche Songs des diesjährigen Bewerbs schöngehört, aber bei Schweden will es einfach nicht klappen.

Wie auch immer: Die Proben in Basel haben bereits begonnen. Die schönste Zeit des Jahres steht bevor harhar.

Zufriedenheit

Heute habe ich auf einem Blog einer mir (virtuell) bekannten Frau gelesen, dass sie sich selbst für sehr unzufrieden hält, obwohl es keinen wirklichen Grund dafür gibt. Aber irgendwie geht ihr beim Aufstehen schon alles auf die Nerven. Ich finde das sehr mutig, darüber zu schreiben und es ist immer interessant zu erkennen, wie andere das Leben sehen und es dann mit seiner eigenen Perspektive zu vergleichen.

Ich bin zufrieden. Alle sieben, acht Jahre geschieht in meinem Leben zwar etwas, was zu einer mittleren bis schweren Lebenskrise führt, wo ich mich wie ein Passagier fühle, im Sinne von: Ich bin nicht fähig, irgendetwas an dieser Situation zu ändern, ich muss sie jetzt einfach so hinehmen. Bevor das Kind zur Welt kam, hieß es zum Beispiel, er habe eine 50 Prozent Chance zu überleben, sofern er die Geburt übersteht. Neben der ganzen Angst und Verzweiflung habe ich mir gedacht: Wieso kann bei mir eigentlich nie irgendwas problemlos klappen? So als würde mir das Leben regelmäßig ein Bein stellen. Aber ich erhole mich irgendwie immer wieder davon und dann fällt mir noch mehr auf, was alles trotzdem gut ist.

These: Vielleicht denke ich gerade so, weil eben immer wieder etwas passiert, was mich halbwegs auseinandernimmt? Und ich einfach froh bin, wenn ich, so wie an diesem langen Wochenende, stundenlang unterm Kirschbaum liegen, lesen, schreiben und nachdenken kann und nichts um mich herum ist als Frieden und Vogelgezwitscher.

Ich vermisse fast nichts. Und ich habe einen Weg gefunden, dass ich das, was ich vermisse, trotzdem immer irgendwie nah bei mir haben kann, in Gedanken, Erinnerungen, beim Schreiben. Manchmal kommt auch eine Nachricht und die Freude darüber, die ich auch hier gern äußere, nehme ich wieder mit, in meinen Alltag.

Und nein, es ist trotzdem nicht immer alles einfach. Aber unzufrieden, nein, das bin ich nicht.