almis personal blog

Sonnwendwochenende

Am Donnerstag war das GNTM Finale, wie immer viel zu lang und redundant, aber das Ergebnis hat schon gepasst. Naja, jetzt brauche ich den TV gar nicht mehr aufdrehen bis September.

Am Freitag war ich mit L. frühstücken. Auch das letzte Mal bis zum Herbst. Dem Anlass entsprechend waren wir im Haas & Haas hinter der Stephanskirche, ganz nobel. Es gab Lachs und Avocado auf Roggenbrot mit porchiertem Ei und dann haben wir uns noch einen Getreide-Obst Frühstück geteilt. Ich schreibe ja derzeit Skripten für einen TCM Ernährungslehrgang und so ein Brei wird immer als das perfekte Frühstück beschrieben. Bei meinem persönlichen Frühstück spielt aber meistens eher Marmelade eine Rolle harhar.

Das Ambiente im Haas & Haas ist wunderschön:

Innenhof vom Haas & Haas

Am Samstag habe ich dann im Garten Home Office gemacht. Ich weiß nicht, irgendwie staut sich die Arbeit derzeit bei mir, egal wie ich es angehe. Aber als Selbstständige will man sich ja auch nicht über zu viel Arbeit beklagen. Vorm Schlafengehen habe ich noch dem Kind geschrieben, er soll mir eine Whatsapp schicken, wenn er gut vom Donauinselfest daheim ist, auch wenn ich schon schlafe. So bekam ich gegen ein Uhr nachts eine Nachricht: Wo ist meine Badehose? Ähm. Ok whatever. Harhar.

Meine Lichterkette bei Nacht

Heute war ich am Vormittag auf dem Friedhof spazieren. Ich bin immer wieder sehr froh, dass ich vom Garten aus nur wenige Minuten brauche, um zum Grab meiner Großeltern und auch zu meinem Papa zu gehen, der zwei Reihen weiter liegt.

Später habe ich ein bisschen weitergearbeitet, danach hatte ich Patchworkfamilienbesuch, die Essen mitgebracht haben, und ich habe noch etwas Zeit im Wasser verbracht, das mittlerweile schon 32 Grad hat. Die Woche beschließe ich zufrieden, ich fühle mich ganz gut. Und wie immer denke ich vor dem Einschlafen an jemanden.

Kleines Interview

In meiner persönlichen Recherche zu Lazzaro Felice hab ich ein ur tolles Interview mit Regisseurin Alice Rohrwacher und Josh O’Connor gefunden. O’Connor, den ich erstmals in Challengers gesehen und sofort einen Faible für ihn entwickelt habe, hat im Nachfolgefilm La Chimera die Hauptrolle gespielt und dafür Italienisch gelernt. Und wie es dazu kam, erzählen sie in diesem Interview.

O’Connor ist ja Engländer und schon relativ bekannt, würde ich sagen. Er hat (den jungen) Charles in The Crown gespielt und wurde auch schon als möglicher James Bond gehandelt. In diesem Interview erzählt er, dass er Happy as Lazzaro gesehen hat und wusste, er muss mit Rohrwacher arbeiten. “She makes my favorite movies”. Er hat seinen Agenten gesagt, er müsse mit ihr in Kontakt treten und dieser darauf nur “Good luck” harhar. Es waren keine Kontaktinformationen zu finden. So hat O’Connor ihr immer wieder Briefe geschrieben, adressiert an: Alice Rohrwacher, Umbria, Italy, “I hoped, the postman would find it.”

Irgendwann kam es zu einem Zoom Call, Rohrwacher war gerade dabei, die Hauptrolle in La Chimera zu besetzen, aber ihr Portagonist war älter konzipert als O’Connor eben ist. Nach dem Gespräch war sie sich aber sicher, er ist es. Und seitdem lieben sich beide wechselseitig sehr, wie man beim Interview sehen kann, harhar. Bei den Filmen gehe es so familär zu, es werde quasi gemeinsam gelebt, es gäbe “the best food” und Rohrwacher will am liebsten alle Darsteller, mit denen sie gearbeitet hat, wieder besetzen, daher gäbe es bei La Chimera schon an die 50 Charaktere.

O’Connor sagt: “She encourages you to not look at what a straight forward character might think in any moment. Instead what are the secrets? What aren’t we showing? What is he feeling what maybe we don’t have to show?”

Genauso habe ich seinen Charakter in La Chimera empfunden. Von mir aus können sie noch viele Filme zusammen drehen.

Lazzaro Felice

Lazzaro Felice (Glücklich wie Lazzaro) ist, wie gesagt, der zweite Teil von Alice Rohrwachers Landleben Trilogie.

Es geht um ein Arbeiterkollektiv in einer italienischen Provinz, der genaue Ort und die Zeit wird nicht ganz klar, das für die unerbittliche Marchese de Luna (Nicolette Braschi, btw. die Ehefrau von Roberto Benigni) die Tabakernte erledigt und auch sonst das Land bewirtschaftet. Sie werden für ihre Dienste nicht bezahlt, nachdem dieser Teil durch eine lange zurückliegende Flut vom Rest des Landes getrennt wurde, weiß niemand, dass die Leibeigenschaft längst verboten worden ist. Lazzaro (Adriano Tardiolo) ist einer von ihnen, der so gutmütig, dumm, naiv oder einfach menschlich ist, dass er von denen, die versklavt sind, wiederum “versklavt” und herumgestoßen wird. Doch eines Tages freundet er sich mit dem Sohn der Marchesa, Tancredi, an und sein Leben nimmt eine Wendung…

ACHTUNG HIER FOLGEN WIRKLICH MASSIVE SPOILER, WEIL MAN SONST ÜBER DEN FILM NICHTS SCHREIBEN KANN. ICH HABE EUCH GEWARNT!

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, es gibt so viel zu diesem wunder-wunderschönen Film zu sagen. Zunächst Lazzaro. Er ist eine Figur irgendwo zwischen Forrest Gump und Till Eulenspiegel. Er versteht keine Zweideutigkeiten und keinen Zynismus, er nimmt alles, was ihm gesagt wird, wortwörtlich. Und das würde ihn in laufend ins Unglück stürzen, wenn er nicht so ein grundehrlicher, aufrechter Mensch wäre, der sich einfach an allem erfreuen kann. Auch daran, von den anderen permanent gebraucht zu werden, er sieht es nicht als Ausnützen an. Nur die junge Antonia scheint sich ehrlich für ihn zu interessieren. Manchmal steht er einfach so eine halbe Stunde im Regen und schaut in die Welt. Er ist innerhalb von sonderbaren Menschen ein “Sonderling”.

Lazzaro weiß nicht, wer seine Eltern sind, es spielt in dieser Gemeinschaft auch keine Rolle. Der, sagen wir mal, limitierte Genpool könnte eine Erklärung für Lazzaros Verhalten sein, aber das greift viel zu kurz. Mit Tancredi verbindet ihn (von seiner Seite aus) eine tiefe Freundschaft. Für uns Zuseher wirkt es natürlich so, als würde auch Tancredi ihn nur als Mittel zum Zweck sehen. Und das ist einer der Zauber dieses Filmes, dass unser Wahrnehmung, unsere Haltung “Jetzt wehr dich doch endlich! Jetzt lass doch nicht alles mit dir machen!” durch die Gleichmut von Lazzaro herausgefordert wird. Wieso ist dieser Mensch nur immer so glücklich?

Irgendwann wird die Dorfgemeinschaft durch die Polizei befreit und in eine nahe Stadt umgesiedelt. Lazzaro stürzt genau zu diesem Zeitpunkt in eine Schlucht. Ist er tot? Ab diesem Moment wird der Film zu einem Märchen, denn Lazzaro (siehe sein heiliger Namensvetter) steht nach langer Zeit wieder auf, gelangt auf Umwegen in die Stadt (hier muss man ein bisschen an The Village denken) und trifft sein “Rudel”, Antonia (Alba Rohrbacher, die ihren Augen nicht traut und Lazzaro voll Freude umarmt, so wie auch Trancredi wieder. Alle anderen sind, im Gegensatz zu Lazzaro, gealtert, aber auch unterschiedlich schnell. Die Reichen sind arm geworden, die Armen sind arm geblieben. Alle betteln, stehlen und betrügen für den Lebensunterhalt. Die “Befreiung” hat nichts verbessert. Eine beißende Kritik an der Gesellschaft. Und im Übrigen auch an der Kirche, denn dort werden arme Menschen, die ihrem harten Alltag kurz entfliehen und der Orgelmusik lauschen wollen, sofort als “nicht zugehörig” aus dem Gotteshaus verwiesen.

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man nun meinen, der Film erzählt darüber, wie schlecht die Welt und ihre Bewohner sind und, dass man als guter Mensch hier einfach nur verlieren, ausgebeutet und wahnsinnig verletzt werden kann. Tatsächlich merkt man aber, wenn man genau hinsieht, dass alle durch die Umstände geprägt sind, dass niemand per se ein “schlechter” Mensch ist. Dass alle Figuren auch ihre guten, warmherzigen Seiten haben, die aber durch gewisse Umstände verschüttet wurden, dennoch immer wieder einmal sichtbar werden. Rohrwacher hat ganz viel Empathie für ihre Figuren und sie schafft es, dass alles romantisch verklärt wirkt, auch das Leben neben dreckigen Bahngleisen.

Das Ende werde ich nicht spoilern, es ist noch rätselhafter und traurig-schöner als der Rest des Filmes. Ich musste nachher noch sehr lange mit den Tränen kämpfen.

Trilogie des Landlebens

Gestern habe ich den ersten Film im Rahmen des Nuovo Cinema Italia Festivals im Votivkino gesehen

Und zwar Lazzaro Felice (Glücklich wie Lazzaro) aus dem Jahr 2018 von Alice Rohrwacher. Es ist der zweite Teil ihrer Trilogie über das rurale Italien. Der erste Teil, Le Meraviglie, aus 2014 sehe ich nächste Woche, den dritten Teil La Chimera (2023), habe ich vor einigen Monaten angeschaut und ihn wirklich hervorragend gefunden.

Alle ihre Filme besetzt Rohrwacher teils mit Laiendarstellern, teils auch mit immer wieder denselben Schauspielern und Schauspielerinnen – bestes Beispiel Rohrwachers Schwester Alba, die auch überregional bekannt ist.

Die sehr schönen Stiegen ins Votivkino hinunter

Man denkt sich ja ok, das ländliche Italien der 1980er Jahre, Landarbeiter in verfallenen Häusern, Schmutz, Armut, auch Ungerechtigkeit und Brutaliät, klingt jetzt nicht extrem sexy. Italien sieht hier auch fast nie wie das Italien aus, das wir alle kennen und lieben, keine Spur von Strand, Dolce Vita und Urlaub, ganz im Gegenteil. Die Menschen sprechen eine grobe Sprache, die überhaupt nicht so lieblich ist, wie wir es gewöhnt sind. Will ich mir sowas wirklich im Kino ansehen, ist das nicht eher ein Stoff für eine kritische Dokumentation?

Aber Rohrwacher macht etwas anderes aus der jeweils tristen Ausgangssituation. Sie setzt der harten Realität einen merkwürdigen Zauber entgegen, sie verwendet mehr oder weniger märchenhafte Elemente und erfüllt alles mit zarter Poesie. Sie spielt mit verschiedenen Zeitebenen, lässt sich von Mythen inspirieren und erschafft beeindruckende, zugleich tröstliche Bilder. Und sie regt unsere Phantasie an. Es ist alles traurig und wunderschön gleichzeitig. Das ist eine besondere Gabe, sie ist eine herausragende Regisseurin. Ich habe einmal gelesen, sie sei “the future of cinema”. Und ja, das kann ich mir gut vorstellen.

Soviel einmal vorab, bevor ich mehr über Lazzaro Felice erzähle.

Über Mahmood

Nachdem jetzt der italienische Sänger Mahmood mit Sarah Jessica Parker Werbung für Zalando (unbezahlte Werbung harhar) macht – eine relativ überraschende Paarung – habe ich endlich einen Vorwand, über ihn zu schreiben, was ich schon lange machen wollte.

Mahmood ist 2019 am außer-italienischen Radar aufgetaucht. Er hat 2019 San Remo mit dem Song Soldi gewonnen und ist dann zum ESC gefahren. Das hat dem Politiker Matteo Salvini nicht so gut gefallen, was wieder eine Kontroverse ausgelöst hat etcetera. Bei den ESC Songchecks meinte Constantin Zöller damals über Mahmood: “Ich finde er hat so eine seltsame Aura. Absolut nicht sympathisch.” Harhar, das ist wirklich eine zutreffende Beschreibung. Und über Soldi sagte er: “Das ist so abwechslunsgreich und anders, und dann noch auf Italienisch. (…) Wenn es nach mir geht, gewinnt er.” Gewonnen hat schließlich Arcade von Duncan Lawrence, weil alle mitgelitten haben, bei dessen Song über eine tragische Liebesgeschichte. Der musikalisch interessantere Song war aber Soldi, ein Lied über den Vater (ein Kernthema des ESC), der den Sohn verlassen hat und ihn, als er erwachsen ist, nach Geld (Soldi!) fragt. Unsterbliche Zeile: “Beve champagne sotto Ramadan” – “Er trinkt Champagner im Ramadan.” Mahmood wurde Zweiter.

2022 trat Mahmood mit dem Jungstar Blanco wieder bei San Remo an und gewann erneut. Diesmal sangen die beiden über eine tragische Liebesgeschichte. Der Song hieß Brividi (Schaudern), polarisierte aber stark, weil beide teilweise sehr hoch sangen und das nicht unbedingt die Komfortzone von Mahmood ist. Man fragte sich immer: Schafft er den nächsten hohen Ton auch noch? Ich persönlich fand das aber total stimmig, weil es geht in dem Lied ja auch ums Scheitern: “E ti vorrei amare, ma sbaglio sempre” – Ich will dich lieben, aber ich scheitere immer.” Und das hat sich nach dem Prinzip “form follows function” eben auch in der Darbietung widergespiegelt und für mich funktioniert. Live war der San Remo Auftritt aber deutlich besser als der beim ESC. Die beiden erreichten den sechsten Platz.

Zwei Jahre später, nämlich 2024, trat Mahmood nochmal bei San Remo an, mit dem Song Tuta Gold (Goldener Jogginganzug, das ist mal ein Songtitel). Viele meinten, das wäre sein bester Song bis dato, ich neige durchaus dazu, dem zuzustimmen, aber er gewann San Remo diesmal trotzdem nicht, obwohl es ein super ESC Lied gewesen wäre. Aber Italien hat eh nie Mangel an guten Beiträgen.

Mahmood im Tuta Gold Video

Das Interessante an Tuta Gold ist unter anderem das Video. Denn Mahmood hat einen arabischen Vater und ist homosexuell. In dem Video inszeniert er sich aber als, naja sagen wir Mann der Straße, mit seinen Kumpels, er trägt naja, sagen wir Streetwear und Goldzähne und irgendwie flirtet ein bisschen mit dem Klischee des toxischen Talahons – so ich habs geschrieben; was natürlich durch seinen Background alles doppelt bricht. In dem Video kommen außerdem leicht brutalistische Plattenbauten und aber auch Kühe vor, die dort grasen. Ich weiß nicht warum sie das tun, aber ich finde es interessant.

Wir werden sicher noch einiges von Mahmood hören.

Heumarkt neu

Um den “Heumarkt neu” gibt es jetzt schon seit zehn Jahren Diskussionen und Proteste. Ich habe diese phasenweise sehr nah miterlebt und war auch auf einigen Demos. Die Intiative Denkmalschutz hat sich immer wieder sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Kurz umrissen: Das Hotel Intercontinental soll ja abgerissen werden, in einem Wettbewerb zur Neugestaltung hat 2014 der Architekt Isay Weinfeld mit seinem Projekt “Scheibe Turm Konfiguration” gewonnen. Das Problem ist nur, dass sich das Areal in der UNESCO Welterbezone befindet und deshalb nicht höher als Bestand (ca 39 Meter) neu gebaut werden darf. Das wusste die Stadt Wien als Auftraggeber natürlich, dennoch war der Turm im Siegerprojekt 66 Meter hoch. Schon das verstehe ich ehrlich gesagt nicht, wie ein Projekt, das viel zu hoch ist, überhaupt jemals gewinnen konnte.

Nach Einspruch der UNESCO hat man herumlaviert, den Turm gestrichen und das Projekt verkleinert auf 55 Meter. Was ja, wie nicht besonders schwer verständlich, immer noch viel zu hoch ist. Die Stadt Wien und der Investor Tojner tun aber so, als wäre man der UNESCO schon so weit entgegengekommen und diese trotzt einfach nur, um die Stadt Wien zu ärgern. Von Journalisten würde ich mir erwarten, dass sie diese Haltung hinterfragen.

Deshalb habe ich vor kurzem ziemlich entgeistert die Kolumne von Christoph Schwarz mit dem Titel Schluss mit der UNESCO-Frozzelei gelesen. In diesem Kommentar mokiert sich Schwarz darüber, dass sich Wien von der UNESCO gängeln lässt, er spricht von Kompromisslosigkeit und: “Mit ihrem erpresserischen Nein behindern sie eine zeitgemäße Innenstadtentwicklung”.

Ähm. Also erstens hat ja niemand die Stadt gezwungen, den Welterbestatus beantragen. Wenn man das aber tut, muss man sich zweitens eben an die Vorgaben der UNESCO halten, das hat nichts mit Erpressung zu tun. Diese wurden auch drittens nicht irgendwann geändert, die Stadt Wien hat sich nur von Anfang an in diesem Projekt darüber hinweggesetzt. Und viertens bedeutet der Welterbestatus, den Schwarz so gerne loswerden will, auch eine gewisse Sicherung unseres kulturellen Erbes vor Investoren und Spekulanten. Die Welterbezone in Wien ist überschaubar und wird nicht zuletzt wegen ihrer Architektur jährlich von Millionen von Touristen besucht; im Rest der Stadt kann eh entwickelt und gebaut werden (und wird ja auch nicht zu knapp, darüber könnte ich mich auch auslassen, aber anderes Thema)

Immerhin hat der Kurier Sabine Haag, ehemalige Direktorin des KHM, darauf replizieren lassen. Mir ist aber trotzdem unbegreiflich, wie ein Journalist einen derartigen Kommentar schreiben kann, ohne sich offenbar vorher ausreichend mit der Materie zu beschäftigten.


Wenn man für den Einsatz zur Erhaltung des Weltkulturerbes Wien spenden möchte, findet man hier nähere Informationen.

Armand

Nach dem Ausflug ins Topkino, zurück im vertrauten Votiv, wo die WCs nicht so angeschmiert mit Parolen sind und generell alles ein bisschen gemütlicher, wo ich meinen Holundersaft trinke, ach herrlich. Wie so eine Rentnerin, wie die Jugendlichen sagen harhar. Ich habe mir Armand angesehen, schon wieder einen norwegischen Film mit Renate Reinsve, der “Worst Person in the World” – aus dem gleichnamigen Film. Worum geht es hier?

Die Schauspielerin Elisabeth (Reinsve) wird von der Klassenlehrerin ihres sechsjährigen Sohns Armand überraschend in die Schule beordert. Anwesend sind auch Sarah und Anders, die Eltern von Jon. Jon hat gegenüber seiner Lehrerin schwerwiegende Anschuldigungen gegen Armand geäußert, die in diesem Gespräch aufgearbeitet werden sollen. Zu einem späteren Zeitpunkt stoßen auch noch der Direktor und die Administratorin der Schule dazu…

HIER GIBTS NICHT MAL ORDENTLICHE SPOILER HARHAR

Wer sich nun im ersten Moment denkt, das wäre so etwas wie Das Lehrerzimmer (steht absurderweise auch auf dem Plakat) oder gar wie Carnage, wo das Ehepaar Kate Winslet und Christoph Waltz ein streckenweise sehr amüsantes eineinhalbstündiges Eskalations-Streitgespräch mit Jodie Foster und John C. Reilly führen – nein, Armand hat damit, außer der Tatsache, dass es um Kinder geht und deren Eltern, gar nichts zu tun.

Alles an diesem Film ist höchst eigenartig. Dauernd geht der Feueralarm der Schule los, die Administratorin hat laufend Nasenbluten, was die Lehrerin ganz nonchalant zur Bemerkung veranlasst, das wäre oft ein Zeichen für Leukämie, ähhh? Alle beklagen sich, wie heiß es ist, niemand ist aber dementsprechend angezogen. Irgendwann hat Elisabeth einen fünfminütigen Lachanfall und ich spreche hier von Echtzeit. Ich meine, ich bewundere die schauspielerische Leistung, aber: What the f***? Denn: Alle diese Skurrilitäten (und ich mag Skurilles), all den Surrealismus (auch das mag ich), den der Film hier auffährt führt letztendlich nirgendwohin. Während Armand formal, wenn man so will, alle Stückerl zu spielen versucht, und auch ein bisschen elevated Horror Elemente hat, ohne ein Horrorfilm zu sein, ist inhaltlich so gut wie gar nichts dahinter.

Ja, irgendwie geht es darum, was Kinder so erzählen und wie viel davon man glauben kann. Es geht auch darum, was dahintersteckt, wenn Kinder auffällig werden, welchen Einfluss das familäre Umfeld auf die Verhaltensweisen von Kindern haben kann. Alles gut und schön, prinzipiell auch total interessant, aber kein Thema wird wirklich bearbeitet. Stattdessen haben wir Ausdruckstanz, flackerndes Licht, dunkle Schulgänge, Pseudo-Symbolismus, alles ist irrsinnig zäh und ermüdend, gibt aber vor quirky zu sein. Der Grat zwischen dem, was noch avantgardistisch ist und was schon prätentiös, ist immer recht schmal, hier kippt aber für mich alles in Richtung zweiterem. Das Ende ist dafür wie ein deutscher TV-Movie geraten.

Der Regisseur und Autor des Films, Halfdan Ullmann Tøndel ist übrigens der Enkel von Liv Ullmann und Ingmar Bergmann, auf deren Erbe er sich hier irgendwie beruft. Aber naja. Auf Letterboxd habe ich folgende Aussage gefunden: “One thing is not knowing where the story is going as an audience member, another ist not know as a writer.” Harhar ja das stimmt leider, es kommt einem zumindest so vor.

Jetzt ist erstmal Schluss mit den norwegischen Filmen, denn im Votivkino gibt es Nuovo Cinema Italia!

Treffen der Generationen

Am Wochenende waren das Kind und ich mit der Oma in der Pizzera Al Capriccio, gleich bei uns im Wildgarten (unbezahlte Werbung) Mittagessen. Das Lokal wird von Italienern geführt und es schmeckt nicht nur extrem gut, es wird auch total stilvoll serviert. Ich bin immer sehr froh, dass das Kind auch so gerne isst und essen geht wie ich, harhar.

Spagetthi Carbonara und Lasagne mit fancy Garnierung und Strohhalmen

Das ganze Ambiente ist so mediteran-sommerlich, das Lokal ist echt eine Bereicherung in der Gegend und am Ende gibts dann noch Grappa oder Limoncello nach Wahl aufs Haus, zumindest für Stammgäste.

Beim Essen wurde philosophiert, die Oma erzählte etwas über eine Bekannte und formulierte den poetischen Satz: “Die hat gar keine Zeit für ihr Leben”. Später fragte das Kind die Oma übers Alter aus und sie meinte: “Alt sein ist eh gut, man kann halt nicht mehr so und muss wissen, wann es genug ist. Diesen Punkt ignoriere ich meistens.” Harhar. Ich so: “Words of wisdom.”

Der nette Gastgarten der Pizzeria

Im Garten haben wir dann versucht, das neue Magenta TV, was sich wundersamer Weise irgendwie verstellt hat, wieder zum Laufen zu bringen. Ein 17-jähriger, eine 49- und eine 78-Jährige, und etwas passiv aggressive Vibes von weiblicher Seite, also jeder Comedy-Autor hätte seine Freude gehabt, bei der Schreierei und dem Chaos, irgendwann haben wir nur noch gelacht. Letztlich hat es aber, durch viel unkontrolliertes Drücken auf der Fernbedienung meinerseits, wieder funktioniert.

Außerdem sind die Kirschen reif, wir haben gemeinsam gepflückt. Sie sind jetzt in dem Stadium, das direkt vor dem Stadium kommt, wo, wenn du unterm Baum liegst, diverse Würme auf dich herunter fallen. Auch jetzt schon sollte man vor dem Verzehr, auf keinen Fall in die Kirsche hineinschauen, harhar, ja es ist einfach so, vertraut mir.

Schön sind sie schon

Das Treffen der Generationen klang dann harmonisch-sommerlich und mit einem Besuch im Pool aus.

Die Ausläufer der Ungargasse

Tatsächlich habe ich auch so meine Erfahrungen mit der Ungargasse.

Ich habe einige Jahre lang dort gearbeitet. Ich war auch ab und zu am italienischen Konsulat, das gleich daneben war und was technisch gesehen ja ein Niemandsland ist. Ich habe versucht, mich auf Italienisch zu verständigen, man will auf einem Konsulat ja nichts falsch machen. Nach dem Kindergarten sind das Kind und ich einmal bei einer O-Wagen Haltestelle in gerade dieser Gasse gestanden und das Kind hat mir vorgelesen, was auf einem Bus vorne draufsteht. Das sind so die Momente, wo viele Eltern glauben, ihr Kind ist hochbegabt, harhar. Das dachte ich nicht, er war ja schon im letzten Kindergartenjahr, aber überrascht war ich schon auch, weil ich hatte ihm die Buchstaben nicht beigebracht.

Ich habe den dritten Bezirk immer sehr gern gehabt. Zu manchen Gegenden spürt man ja kaum eine Verbindung, manchmal sogar eine gewisse Abneigung, zu anderen fühlt man sich hingezogen, auch wenn man es sich gar nicht so richtig erklären kann. Auf der Landstraßer Hauptstraße war ich öfter mal im Eos Kino, die alten Sitzgelegenheiten dort taten der Rezeption von Der Pianist besonders gut, so einen Film sollte man nicht in einem gemütlichen Polstermöbel sehen. Das Kino gibt es leider schon lange nicht mehr. Gegenüber war damals meine Psychotherapeutin, ich hab sie mir vor allem wegen der Adresse ausgesucht. In deren Nebenhaus ist das heute halb verfallende Palais Mautner-Jäger.

Etwas weiter Richtung Wien Mitte steht das Palais Rasumofsky, von dem mir jemand erzählt hat, dass es diesen großen Portikus hat, weil früher Gärten davor waren, wo heute einfach Gassen sind. Deshalb wirkt dieser so leicht überdimensioniert. Ich hoffe, ich habe mir das richtig gemerkt. Das sind so Gespräche, an die ich viel denke, ich möchte mich an jedes kleine Detail erinnern.

Überhaupt wurde mir durch diesen einen Menschen der Bezirk nochmal ganz neu und anders geschenkt, als Ort der Aufregung, der Magie und Liebe. Mit einer Wohnung, in der es keine Rolle spielte, welcher Tag gerade war, und welche Jahreszeit, ob es draußen hell oder dunkel war, es regnete, stürmte oder schneite. Es waren Stunden, wo ganz andere Dinge wichtig waren, mit den vertrautesten Gesprächen, ganz geborgen. Das wird mich immer mit diesem Bezirk verbinden.

Bozen und die Ungargasse

In meinem Buch Geboren in Bozen (Werbung in eigener Sache) habe ich mir damit schwergetan, die Stadt Bozen zu beschreiben. Nachdem ich jetzt wieder mal reingeschaut habe, war ich generell sehr überrascht, wie anders mein Stil damals war, wie kurz ich mich gefasst habe, es war tatsächlich ein eher knappes Protokoll. Damals hab ich noch nicht soviel gebloggt, harhar. Ich glaube, da habe ich mich doch sehr weiterentwickelt.

Es gibt ein paar Verweise, zum Beispiel auf die Pizzaschnitten dort, das Licht auf den Straßen wie auf einer typisch italienischen Piazza und auf den Sprachduktus. Ich habe festgestellt, dass man bei den Südtiroler Ärzten und Pflegern oft nicht wusste, ob sie deutsch oder italienisch “native” sind, auch die Nachnamen waren oft nicht hilfreich; sie sprachen manchmal beide Sprachen so, als wären es Fremdsprachen für sie, das fand ich total interessant.

Ich habe von den angelehnten Fahrrädern am Bahnhof geschrieben, die alle vor dem Schild standen auf dem darauf hingewiesen wurde, dass man hier keine Fahrräder anlehnen dürfe. Ich habe das Merkantilmuseum in der Silbergasse kurz geschildert, das Ortsschild der Stadt, das direkt in einem Weinberg steht, den Bahnsteig, wo ich fast lautlos geweint habe, mit nur kleinen Geräuschen, wie ein Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt. Ich habe geschrieben, dass Bozen für meine Zimmerkollegin anders fremd war als für mich, sie kannte die Stadt und hatte festgestellt, dass sie fremd ist, für mich war sie fremd im Sinne von “unbekannt”.

Und ja, in der Nacht nach der Geburt des Kindes habe ich über Bozen geschrieben: “Ich löschte das Licht und draußen war Bozen. Mild und ruhig und dunkel lag es vor meinem Fenster, als läge es auf der Lauer. Als würde es mich bewachen.”

In meinem neuen Text wird Wien natürlich auch eine gewisse Rolle spielen. Ich habe in den letzten Tagen Malina von Ingeborg Bachmann gelesen, wegen der Inspiration, wegen ihres “Ungargassenlandes” und oh mein Gott wie experimentell und unzugänglich ist dieser Roman phasenweise, ich bin froh, dass ich den auf der Uni nie analysieren musste.

Nicht unzugänglich aber ist der Einstieg, eben das Ungargassenland, über das Bachmann – sogar ein bisschen pointiert – schreibt:

Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien, aber die kommen in anderen Bezirken vor, und es geht ihnen wie den zu schönen Frauen, die man sofort ansieht mit dem schuldigen Tribut, ohne je daran zu denken, sich mit ihnen einzulassen. Noch nie hat jemand behauptet, die Ungargasse sei schön, oder die Kreuzung Invalidenstraße-Ungargasse habe ihn bezaubert oder sprachlos gemacht. So will ich nicht erst anfangen, über meine Gasse, unsere Gasse unhaltbare Behauptungen aufzustellen, ich sollte vielmehr in mir nach meiner Verklammerung mit der Ungargasse suchen (…)

Ingeborg Bachmann: Malina, Seite 16.

Ja, so macht man das.