almis personal blog

Verstörende Videos, eins

Weil es mir jetzt bei Youtube mal angezeigt wurde, hab ich mir nach langer Zeit wieder einmal das Video zum Song Henry Lee von Nick Cave im Duett mit PJ Harvey angesehen. Der Song Henry Lee befindet sich auf dem (kommerziell erfolgreichsten) Nick Cave Album Murder Ballads und na ja, Nomen est natürlich omen. Und ich hab mir gedacht, das könnte der Auftakt zu einer Rubrik namens verstörende Videos sein.

Im Text von Henry Lee geht es um eine Frau, die den besagten Henry Lee dazu auffordert, mit ihm die Nacht zu verbringen. Im Bett. Weil er würde auf der Welt keine andere Frau finden, die besser für ihn wäre. Daraufhin sagt Henry Lee, das wird er nicht machen, er hat schon ein Mädchen, fernab “in that merry green land”, und “I love her far better than thee”. Was macht dann die Verschmähte folgerichtig, sie nimmt ein Messer und “plugged him through and through —” Brr, ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich das zum ersten Mal gehört habe, ich fand das ganz furchtbar und grausam, und wollte den Song am liebsten nie mehr hören. Dennoch ist er irgendwie faszinierend.

Weil: In diesem Video gilt die Regel form follows function nicht. Was zwischen Cave und Harvey passiert, ist ganz und gar nicht furchtbar. Sie schmachten sich an und sie liebkosen sich, am Ende tanzen sie sogar und küssen sich. Sie lächeln und scheinen eine Menge Freude an dem zu haben, was sie da singen. Oder wie jemand als Kommentar unter dem Video vermerkt: “One camera, one cheap set, and a thousand fucking kilotons of charisma, chemistry, and sexual tension.” Die beiden waren zu der Zeit ein Paar, wie ich recherchiert habe.

Ästhetisch, aber trotzdem irgendwie creepy!

Es war einmal in Hollywood

Nachdem ich einer der wahrscheinlich wenigen Menschen bin, die zuerst das Buch von Quentin Tarantino zu seinem gleichnamigen Film gelesen hat, hab ich mir jetzt auch den Film angesehen. Und es fällt mir gar nicht so leicht, etwas dazu zu schreiben.

Wir befinden uns im Hollywood des Jahres 1969 und begleiten den Schauspieler Rick Dalton (Leonardo di Caprio) und sein Stunddouble Cliff Booth (Brad Pitt) einige Monate durch ihren Alltag. Dalton – früher Star einer Westernserie – hat Angst, ein “has been” geworden zu sein, der nicht mehr engagiert wird. Zur selben Zeit zieht in Daltons Nebenhaus Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate (Margot Robbie) ein.

Es war einmal in Hollywood ist zuerst mal über weite Strecken ein Stimmungsbild der Filmindustrie, von Los Angeles, seinen Stars, vom Schein und Sein. Eigentlich passiert nicht wahnsinnig viel. Wir erleben Daltons Sinnkrisen inklusive Heulattacken, Booths locker-lässige Art und Tates unheimliche Lebensfreude. Dazu sieht man viele nackte Frauenfüsse, was nicht irrsinnig verwunderlich in einem Tarantino Film ist. Ja, so denkt man sich, so könnte es gewesen sein, im sonnigen Kalifornien der ausgehenden 1960er Jahre, man riecht förmlich das Meer, trotzdem man die meiste Zeit staubige Straßen sieht. Je länger der Film dauert, desto näher kommt man aber auch dem letzten Lebenstag der tatsächlichen Sharon Tate, deren Bauch immer weiter wächst – und wenn man sich einmal näher mit Charles Manson und seiner “Sekte” beschäftigt hat, überkommt einen ein wirklich ungutes Gefühl. Was Tarantino fiktional mit diesen Ereignissen macht ist sehr verblüffend. Ich möchte nichts verraten, aber das Ende gibt dem Film eine Tiefe, die man nach zweieinhalb Stunden unterhaltsamem Hollywood-Geplänkel so nicht erwartet hätte.

Brad Pitt hat für die Darstellung des Cliff Booth völlig zurecht einen Nebenrollen Oscar bekommen, weil er einfach so unglaublich cool ist harhar. Er hat auch die beste Replik in diesem Film, als Bruce Lee zu ihm sagt: “Meine Hände sind registrierte Waffen. Töte ich dich – gehe ich in den Knast”, worauf er entgegnet: “Jeder, der jemanden aus Versehen tötet geht in den Knast – das nennt man Totschlag.” Harhar, so super. Wobei man dazu sagen muss, dass Es war einmal in Hollywood nicht zu den dialoglastigen Tarantino Filme gehört, wie das Pulp Fiction oder Inglorious Basterds sind.

Fazit: Ich glaube, dieser immerhin zehnmal Oscar-nominierte Film (Ausbeute: zwei) polarisiert. Ich kann auch verstehen, wenn manche ZuseherInnen ihn eventuell zu langsam und langatmig finden, ich kann dagegen auch nicht wirklich widersprechen. Es gibt auch wieder Szenen, die ich nicht (nochmal) sehen muss. Letztendlich aber muss ich sagen, dass alles, was Tarantino anfasst, eine unbestrittene Qualität hat; die Qualität von Es war einmal in Hollywood liegt eindeutig darin, ein atmosphärische Milieuportrait zu sein und das ist etwas, wofür Tarantino bisher nicht unbedingt bekannt war. Aber: die Übung ist gelungen.