Der Film Eiskalte Engel/Cruel Intentions entstand 1999, also gut zehn Jahre nach den anderen beiden Filmen und hat sich entschlossen, die Handlung in die Gegenwart zu versetzen. Die Idee ist nicht schlecht, wenn man sich das Euvre des Regisseurs Roger Kumble aber ansieht, das offenbar eher auf die allzu seichte Unterhaltung abzielt, könnte man ein bisschen Bauchweh bekommen. Gerade bei diesem Thema. Das hätte auch ein American Pie Verschnitt für die Upperclass werden können.
Um gleich zu beruhigen: Eiskalte Engel ist durchaus gelungen und unterhaltsam, mit Niveau, wenn auch ziemlich explizit. Ryan Phillipe übernimmt die Rolle die vor ihm Firth und Malkovich spielten, Sarah Michelle Gellar die von Benning/Close. Reese Witherspoon spielt auch mit, und zwar die “Unberührbare” Annette, hat also einen anderen – amerikanischen – Namen bekommen.
Was ist im ausgehnenden 20. Jahrhundert ein schockierender Wetteinsatz?
MAYBE SPOILERS
Kathryn schlägt Sebastian vor, dass er sie bekommt, wenn er Annette verführt; sollte es ihm nicht gelingen, bekommt sie sein Auto. Sebastian: “Wie kommst du darauf, dass ich darauf eingehe! Das ist ein 56 Jaguar Roadster.” Daraufhin Kathryn: “Du darfst ihn reinstecken, wo du willst.” Das überzeugt ihn und er nimmt die Wette an. Also wir halten fest: im Jahr 1999 muss man, wenn man die Menschen halbwegs schocken will, Analverkehr ins Spiel bringen. Dann hat man ungefähr das Skandalniveau, dass die LeserInnen der Urversion im Frankreich des 18. Jahrhunderts hatten. Zumindest denkt sich das offenbar der Regisseur/Drehbuchautor.
Während in den vorigen Verfilmungen klassisch die Musik der damaligen Zeit quasi als Hintergrund-Stimmungsbild vorkommt – Spinettmusik, Händel Vivaldi et al, setzt Kumble natürlich auf (Indie-angehauchte)-Musik der damaligen Gegenwart, allen voran Placebo und The Verve, wie Fatboy Slim und Skunk Anansie. Natürlich kleiden sich Phlippe und Co. wie Jugendliche der 1990er aber zitieren durchaus die Mode des 18. Jahrhunderts, speziell in der Figur von Gellar wird das deutlich, die oft lange Kleider und miederartige Oberteile trägt, in denen ihr Busen hervorquillt, wie das auch in der Rokoko Mode oft der Fall war.
Interessanterweise ist Eiskalte Engel der Film – uns das weiß ich erst, seit ich die anderen Verfilmungen kenne – der tatsächlich Liebe ins Spiel bringt. Während man in den anderen Verfilmungen nicht weiß, ob Valmont wirklich zu Liebe fähig ist oder sie auch nur anstrebt, alles bleibt sehr vage und nebulös, wird hier schon suggeriert, dass Sebastian zumindest sehr viel für Annette empfindet. Und das ändert natürlich auch den Grundton der Erzählung. Wenn man so will ist die – oberflächlich betrachtet – hippste Verfilmung diejenige, die andererseits aber auch den meisten Anspruch an Moral hat und im Endeffekt eine recht klassische Liebesgeschichte erzählt. Eine Interpretation, die die beiden andere Filme nicht teilen.