Anlässlich der neuen Coronaverordnung – man darf C-positiv in eine Gaststätte, aber nur mit Maske und ohne etwas zu konsumieren – musste ich an meinen Papa denken.
Wenn wir früher in ein Lokal gegangen sind, hat er am Ende, wenns an Zahlen ging, dem Kellner aufgezählt was wir hatten, und das hörte sich ungefähr so an: “Ein Bier, ein Cola, zwei Schnitzel, ein Kaffee – und ein bisschen dagesessen.” Dank der neuen Verordnung geht das jetzt kürzer, nämlich: “Ein bisschen dagesessen”.
Jemand hat jetzt Six Feet Under auf Prime gekauft und bietet mir an, es anzusehen. Ich so: Ja genau, das wird mich aus meiner Trauer rausreißen harhar.
Ich habe Six Feet Under 2004/2005 gesehen. Es war eine sehr glückliche Zeit in meinem Leben. Dennoch war der Konsum von SFU wie als würde man Betonschuhe anziehen und dann in einen Pool steigen. Nicht falsch verstehen: Ich liebe Six Feet Under, es ist eine wahnsinnig gute Serie, wahrscheinlich die beste Drama-Serie, die ich bisher gesehen habe. Aber es ist keine Feel Good Serie, und zwar so richtig nicht, sie erschüttert einen in den eigenen Grundfesten. Bis heute könnte ich bei den letzten 10 Minuten des Finales durchheulen – und ich bin nicht der weinerliche Typ, was Filme/Serien betrifft. Durchheulen, weil es so schön und schmerzvoll gleichzeitig ist. Und die ganze Serie fordert einen so, es rüttelt einen so richtig durch, das schaffe ich nicht im Moment, da muss ich auf eine andere Lebensphase waretn.
Stattdessen sehe ich Seinfeld auf Netflix. Der Sohn kommt und fragt, ob ich “Galway Girls” (Ed Sheeren lässt grüßen) sehe. Nein, antworte ich, Gilmore Girls hab ich tatsächlich schon viermal gesamt gesehen, Seinfeld nur damals, als es eben neu lief. Die Serie über nichts (per definitionem) ist so schön schräg, aber auch etwas “dated”, weil ganz viele Folgen heute – mit der Technologie von 2022 – nicht mehr funktionieren würden. Hätte es damals schon Smartphones oder überhaupt Handys, Navigationsgeräte, das Web ganz generell gegeben, gut die Hälfte der Folgen hätten nicht gedreht werden können, weil es soviel um Verpassen, falsche Urhzeiten, nicht gefundene Autos, verlegte Tickets, gegenseitiges Verfehlen bei Treffpunkten geht. Außerdem kam gestern John F. Kennedy junior vor, der ja 1999 verstorben ist, damals war er noch nicht mal verheiratet. Aber gut, die Serie ist 30 Jahre alt. Der Sohn saß dann 20 Sekunden neben mir, Seinfeld machte einen Witz und der Sohn lacht und sagt: “Stimmt”. So dated ist die Serie also dann auch wieder nicht.
Es ist Juli, wieder mal Zeit für einen Beitrag mit ESC-Content.
Marius Bär trat heuer mit Boys do cry für die Schweiz an. War jetzt nicht rasend erfolgreich der Song, aber darum gehts gar nicht , sondern um die Sprache.
Im ESC Songcheck sagte Marcel Stober über den Song: “Liebe Schweiz, wir müssen hier mal kurz eine Textanalyse machen. Im Refrain singt er Flugzeuge können abstürzen, Flüsse können austrocknen, Berge können bröckeln – das sind alles Naturkatastrophen, und dann vergleicht er das mit: Und Jungs weinen. Ist das also auch eine Naturkatastrophe, wenn Jungs plötzlich anfangen zu weinen? Ich weiß, was er sagen möchte, ich glaub aber nicht, dass er das sagt, was sagen möchte.”
Sein Songcheck-Kollege Broder dazu: “Etwas zu overdramatic vom Text her und etwas underdramatic vom Song her.”
Das hat mich sehr stark an mein Literaturkritik Seminar auf der Uni erinnert. Da haben wir darüber gesprochen, wie man Literatur tatsächlich obejktiv bewerten kann, nach gewissen Parametern und nicht nur “nach Gefühl”, was mir quasi gefühlt nicht gefällt. Wir haben dazu den Text Mimili von Heinrich Clauren analysiert, der so eine ähnliche Analogie in seiner Erzählung untergebracht hat, der verliebte Protagonist: “(…) in der Brust eine Kugel, im Kopf eine Hiebwunde, im Herzen Mimili.” Das – so hat uns die Vortragende damals gesagt, ist ein schiefes Bild und in weiterer Folge, wenn sowas oft angewendet wird, dann Kitsch.
Soweit mein Senf zu Stobers zutreffender Textanalyse.
In der “Corona-Zeit” bin ich bei Twitter ausgestiegen. Die Stimmung war derart aufgeheizt, ich habs nicht mehr ausgehalten. Vor einigen Wochen bin ich zurückgegangen und bin erst mal 1000 Leuten (sic!) entfolgt. Das hat schon mal geholfen. Außerdem hab ich mir neue Wohlfühl-Accounts zum Folgen gesucht – sehr viel ESC-Zeugs. Jedenfalls lese ich jetzt wieder ab und zu und lieber dort mit.
Anlässlich der Hochzeit des deutschen Politikers Christian Lindner konnte man aber wieder schön beobachten, was Twitter ausmacht. Lindner hat groß auf Sylt geheiratet und nun gabs verschiedene, sagen wir mal, Meinungsströme.
Diese Hochzeit ist dekadent und viel zu pompös in dieser Zeit, wo das Fußvolk verzichten soll
Alle, die Meinung 1 vertreten, sind bloß neidisch. #Neidgesellschaft
Sollten zwei Menschen, die beide aus der Kirche ausgetreten sind, kirchlich heiraten (dürfen)?
Warum reisen soviele klimatechnisch bedenklich mit dem Privatflieger an -> woraus wieder eine eigene Klimakrise/Klimaleugnung/ Long Klima (haha) Diskussion entsponnen werden kann
Haben wir keine anderen Sorgen als diese Hochzeit?
Wenn man das so liest und keinen Spaß damit hat, ist man auf Twitter eindeutig falsch.
Mir macht ja eher sowas Spaß:
Ich hab tatsächlich 42 Likes dafür bekommen. Den Film hat offenbar wirklich niemand verstanden und er kam – laut eines anderen Mitdiskutanten – nur deshalb nicht auf obige Liste, weil ihn zu wenig Leute gesehen haben.
Am Mittwoch wollte ich zur Oskar Werner Ausstellung. Ich hab mir also meine Arbeit so eingeteilt, dass ich mit dem Bus um 13.27 hinfahren kann, die Ausstellung im Metro Kulturhaus öffnet um 14 Uhr. Als ich um 13.16 die Wohnung verlassen, hatte ich nicht mal die Idee, einen Regenschirm mitzunehmen, weil es zwar bewölkt war, aber nicht nach Regen aussah und weil auch nichts gröberes angesagt war. Zur Bushaltestelle brauche ich ungefähr fünf Minuten. Kurz bevor ich dort war, begann es tröpfeltn und binnen zwei Minuten entwickelte sich daraus ein kleines Unwetter mit Starkregen.
Ich hatte nun die Optionen: Zurück nach Hause gehen, wobei ich waschelnass werden würde, dann würd ich mich aufwärmen und abwarten, überlegen, welchen Bus ich als nächstes nehmen würde – die Busse fahren nur alle 20 Minuten und zufuss erschien mir bei dem Straßenzustand nicht als Option, oder so halbnasse in den Bus einsteigen und hoffen, dass ich bis zum Erreichen des Metro Kulturhauses getrocknet wäre. Habe mich dann für Option 2 entschieden, was eine gute Idee war, weil in der Innenstadt wars sonnig und fast heiß. Allerdings waren meine schönen Stoffballerinas wie Betonpatscherl, so angesaugt mit Wasser. Sie trockneten zwar auch schnell, aber die Feuchtigkeit zog weiter in meine Gelenke und für den Rest des Tages taten mir die Beine weh (Aus dem Tagebuch einer Seniorin)
Jedenfalls war die Ausstellung toll. Als ich eintraf, war ich die zweite Besucherin. Danach kam noch eine Person, das wars. Die Ausstellung befindet sich auf drei Ebenen, wobei Ebene 1 zu vernachlässigen ist – oder wie jemand ins Gästebuch schrieb, das war eher irritiertend. Einfach eine Projektion von Oskar Werner und ein paar Zuschreibungen zu ihm an den Wänden, eine Kurzbio. Okaaay. Im zweiten Stock erfährt man dann aber sehr ausführlich das wichtigste zu seinem Lebenslauf. Geboren 1922, enge Beziehng zur (alleinerziehenden) Mutter,die sich das Leben nehmen wollte als er acht Jahre war, dann Kriegsausbruch – er fahnenflüchtig und auch bereits Vater, also das sind schon mal ziemliche “Startschwierigkeiten” würde ich sagen. Gleichzeitig etablierte er sich schnell als Hörspielsprecher und Schauspieler. Von Anfang an zeichnete ihn aber auch ein hoher Anspruch an sich selbst und andere aus, weshalb er viele Projekte absagte, aus Verträgen ausstieg etc. Schließlich eine Art Flucht nach Liechtenstein, wo er ein Haus hatte.
Etwas, das ich tatsächlich nicht wusste, ist die Geschichte um den Ifflandring. Er war – trotzdem er den Nationalismus komplett ablehnte – sehr gut mit dem Schaupsieler Werner Krauß befreundet, der kollaborierte. Die beiden spielten auch oft zusammen. Krauß war sein Vorbild und es er starb, gingen alle, wohl auch Oskar Werner selbst, davon aus, dass der Ifflandring-Träger ihm, Werner, den Ring vermachen würde. Dem war nicht so. Den Ring bekam Josef Meinrad, der damals noch nicht so bekannt war1. Auch wenn Oskar Werner versucht, souverän damit umzugehen, war er wahrscheinlich sehr gekränkt und gedemütigt. Und, wenn wir uns ehrlich sind, Souveränität gehörte generell nicht unbedingt zu seinen Stärken. Werner drehte dann vermehrt Filme und ging (kurz) nach Hollywood. Später wollte ein eigenes Theaterfestival ins Leben rufen, was scheiterte, er wurde nochmal Vater. Vor allem aber trank er viel zuviel. Sein Ruhm verblasste, weil er unter Alkoholeinfluss auftrat. Fast alle, Familie, Freunde, wendeten sich von ihm ab. Mit 62 Jahren starb er an einem Herzinfarkt.
Der dritte Stock des Metrokulturhauses widmet sich Werners’ Werken in Film und Theater. Es gibt eine große Tafel, auf der alle Produktionen aufgelistet sind, die er ablehnt hat oder die nicht zustandegekommen sind. Auch solche, an denen er gerne beteiligt gewesen wäre, aber es dann aus verschiedenen Gründen nicht war. Symptomatisch für Werners Kompromisslosigkeit. Ungeachtet dessen drehte Oskar Werner einige Filme, die heute Kultcharakter haben wie Das Narrenschiff,Der Spion der aus der Kälte kam, Jules und Jim und (den liebe ich sehr): Fahrenheit 451. Allerdings zerstritt er sich dabei mit Regisseur Francois Truffaut, mit dem er ursprünglich sogar befreundet gewesen war, aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen über seine Figur Montag. Oskar Werner hatte in diesem Fall den Autor von Fahrenheit 451 – Ray Bradbury – auf seiner Seite, der ihm schrieb: “I know you have reservations about Fahrenheit 451 as do I”. Sein letzter großer Film/TV Aufritt war in Columbo in der Folge Playback. Auch Kult.
Als ich die Ausstellung fertig abgegangen war, hab ich im Shop gestöbert und mir dann auch das Buch zur Ausstellung 100 Jahre Oskar Werner gekauft. Es ist also möglich, dass ich nochmal auf das Thema zurückkommen werde. Man kann sich die Ausstellung noch bis Ende Jänner 2023 ansehen. Es lohnt sich! Disclaimer: Not a sponsored post (as usual)
1 nachdem Meinrad den Ring erhalten hatte, ging das Gerücht um, dass er seinerseits Oskar Werner als Nachfolger bestimmte. Angeblich änderte er 1984 – als Werner starb – seinen Willen. Aber wie gesagt: Gossip.
N. hat zu mir gesagt: “Sei froh, dass das vorm Sommer passiert ist, die Sonne und die Wärme wird deiner Seele guttun.” Ich habe mir nur gedacht: das ist doch komplett wurscht, gar nichts wird mir guttun, im Gegenteil: wenn es kalt und unwirtlich wäre, würde das eher zu meinem Zustand passen. Aber jetzt gebe ich zu: ja, der Sommer tut mir gerade gut.
In meiner Freizeit halte ich jetzt nach Sideboards für mein künftiges Büro in meinem Gartenhaus Ausschau. Jemand sagt zu mir, wieso ich das mache, das hätte mich früher nie im Leben interessiert. Und ich: “Da siehst du, was aus mir geworden ist. Ich hab ja nichts mehr, es sind nur noch die Sideboards übergeblieben”. Und der Galgenhumor offenbar auch.
Ach ja und kurz vor den Ferien kam C. aus der Schule und ich habe mich wieder nicht angesteckt, obwohl ich mir seit Wochen denk, jetzt wäre ich das perfekte Objekt: ich schlaf schlecht, ich bin oft traurig, ich grübel herum, mein Immunsystem muss doch am Boden sein, aber nix da. Pünktlich zum Zeugnis hat aber die Freitestung funktioniert.
Und ach ja letzte Schultag, das hat auch so eine gewisse Melancholie. Da ist es nicht hilfreich, dass der Klassenvorstand der letzten vier Jahre, der die Schule verlässt, in der Früh eine Abschiedsmail schickt. Da steht drinnen, dass diese Klasse den besten Notendurchschnitt der gesamten Schule hat (ca. 95 Prozent haben entweder einen ausgezeichneten oder einen guten Erfolg) . Was mich nicht wundert, ich hab dem Kind nach der Bekanntgabe der jeweiligen Schularbeitsnoten wiederholt gesagt: “Was seid ihr bitte für eine unheimliche Streberklasse?” Und auch, dass es keine Schwierigkeiten gab, es und es einfach ganz tolle SchülerInnen sind. Und die Eltern stolz sein können. Schnüff. Gottseidank hab ich nicht auch noch PMS, sonst wären da eh schon wieder die Tränen geflossen.
Ok, das wars jetzt mit der Unterstufe – 4 more years! Aber jetzt erst mal Sommer und Sonne, die der Seele guttut, danke N.