Normalerweise freue ich mich ja immer, wenn ich off-season etwas ESC Content aufschnappe. Es gibt aber auch Ausnahmen.
Vorige Woche mussten Voyager, die Band, die dieses Jahr für Australien mit dem Song Promise angetreten sind und eine extrem tolle Bühnenperformance abgeliefert haben, nebenbei auch noch beim deutschen ESC Songcheck in Erscheinung getreten sind und sich selbst nicht so ernst genommen haben, einfach ein sehr sympathischer Beitrag zum ESC 2023 waren, ihre geplante Europatour absagen. Der Grund ist traurig: Der Frontman Danny Estrin, eigentlich Deutscher und als Kind mit seiner Familie nach Australien ausgewandert, hat eine Krebsdiagnose erhalten und muss sich sofort in Behandlung begeben.
Als wäre das an sich noch nicht schlimm genug, hat er nach dem letzten Konzert der Band in einem Video an seine Fans am vergangenen Wochenende erklärt: “From Top Ten Eurovison to Stage 4 Cancer in four months.” Das ist wirklich dramatisch. Und am Ende singt er dann ganz optimistisch Promise – “Promise me it’s gonne be alright.” Ich bewundere solche Menschen mit einer derartigen Kraft wirklich und ich wünsche ihm das beste. Ich hoffe, die nächsten News, die wir von Voyager bekommen, sind positive.
Gestern hatte ich keinen so guten Tag. Es war einer dieser Tage, die einmal Jahrestage waren, aber dann ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben, trotzdem aber weiter im Kalender zu finden sind. Sowas sollte einem nichts anhaben, tut es aber manchmal doch. Dazu kommt, dass das Kind in Kürze Geburtstag hat und da hat man auch so manche Erinnerung. Außerdem war ich halb verkühlt. Also halb verkühlt, mit Ischias Schmerzen und trüben Gedanken. Traumhaft. Harhar.
Ich erinnerte mich gestern komischerweise daran, als ich mit dem Kind, damals so zwei Jahre, ins Kinderturnen in die VHS Favoriten ging (er liebte das). Davor oder danach waren wir manchmal noch auf dem Spielplatz im Arthaberpark. Einmal trafen wir dort einen Jungen, er mag acht oder neun Jahre alt gewesen sein, der uns ansprach. Er spielte meinem Kind den Gummibärchen Song auf seinem Handy vor und meinte zu mir: “Das lieben kleine Kinder.” Damit hatte er recht. Dann buddelte er mit dem Kind in der Sandkiste und erzählte mir, dass er am Nachmittag immer alleine sei, weil seine Eltern bis am Abend arbeiteten. Als wir gingen, winkte er uns nach und fragte, ob wir öfter da sind und “Vielleicht sehen wir uns mal wieder.” Der Junge brauchte so dringend Gesellschaft und Aufmerksamkeit, dass es mir damals weh tat und gestern auch wieder. Wir sahen ihn nie wieder. Ich frage mich, was aus ihm geworden ist, er muss ja mittlerweile ein junger Erwachsener sein.
Dann nutze ich den Freitagabend um das Bad zu putzen (daran sieht man schon, wie verzweifelt ich war harhar) und hörte dabei den Podcast The Happiness Insight mit der Fotografin und Journalistin Pamela Russmann als Gast. Sie erzählte einige interessante Dinge übers Muttersein und das Leben mit ihrer Tochter, die mittlerweile 19 ist und als Aupair in Frankreich lebt. Eines konnte ich allerdings gar nicht nachvollziehen, als sie erklärte, es sei wichtig, seinem Kind am Tag 15 Minuten Aufmerksamkeit zu geben, das reiche oft schon, dann spiele das Kind alleine weiter, während man auf dem Spieleteppich einschläft. Also das kann ich wirklich nicht bestätigten, ich hatte mit Kleinkind einen Fulltimejob und selbst mein 16-jähriger braucht am Tag mehr Aufmerksamkeit als fünfzehn Minuten. Natürlich ist die Aufmerksamkeit, die man einem Jugendlichen gibt eine andere, aber trotzdem. Das soll keine Kritik sein, nur ein friendly reminder, dass jedes Kind nunmal anders ist.
Danach machte ich ein Tiramisu als Begleitdessert fürs Wochenende zu der Geburtstagstorte von Clever, die sich das Kind wie immer gewünscht hatte. (“Soll ich dir eine Torte backen?” – “Kann ich die von Clever haben”? – Der jährliche Klassiker). Und heute haben wir schon ein bisschen vorgefeiert und mir geht es besser. Es ist aber auch ok, manchmal traurig zu sein. Lasst euch da nix anderes einreden.
In dem Film von Ira Sachs geht es um den deutschen Regisseur Tomas (Franz Rogowski), der mit seinem britischen Ehemann Martin (Ben Whishaw) in Paris lebt. Auf einer Party lernt Tomas Agathe (Adèle Exarchopoulos) kennen und nach einem Streit mit Martin landet er mit ihr im Bett. Die Folge: Eine Menge Chaos und das Ringen um Entscheidungen.
Wenn man den Plot so liest, fragt man sich, was wird das sein? Eine Herz/Schmerz Geschichte mit einem (bisexuellen) Twist? Eine pseudo-künstlerische Fleischbeschau? Ein woke Betrachtung von Partnerschaften mit LGBTQI-Schlagseite? Nach der Sichtung muss ich sagen: Nein, das ist es alles nicht, es ist einfach das Porträt eines Arschlochs. Harhar.
Ich hoffe, dass Franz Rogowski ein sehr guter Schauspieler ist, der den Tomas so überzeugend abgrundtief unsympathisch darstellt und nicht selbst so ein egozentrisches Ungustl ist. Als Zuseher versteht man weder Martin noch Agathe. Martin ist lieb, einfühlsam, zuvorkommend, nett zu seinen Angestellten, bedachtsam, ein richtig angenehmer Mensch. Agathe ist erstaunlich bodenständig, etwas verloren in der Welt, aber aufrichtig, auf der Suche nach einer Familie, liebenswert, fürsorglich. Was die beiden jeweils an Tomas finden, der zu allen ruppig ist, seine Mitarbeiter ebenso wie seine Freunde permant anschnauzt, unangenehm-übergriffige Fragen stellt, lügt, manipuliert und niemanden auf der Welt so toll findet wie sich selbst, ich habe keine Ahnung. Aber erstaunlicherweise reißen sich beide um ihn.
Das ist ein Film, der sehr genau hinschaut, die Finger dorthin legt, wo es wehtut. Wenn man selbst schon mal in irgendeiner Art von Beziehung war, wird einen das möglicherweise auf die eine oder andere Art triggern. Die Charakterzeichung und Betrachtung ist schonungslos ehrlich, aber auch verständnisvoll für den Menschen und seine Schwächen an sich. Die Dialoge sitzen. Die Atmosphäre wird perfekt eingefangen. Ich habe mir ehrlich gesagt nicht erwartet, dass Passages für mich so wahrhaftig sein wird und so gut funktioniert, doch das tut er.
Einziges Manko: Es spielt eigentlich gar keine Rolle, dass Tomas homosexuell ist und plötzlich etwas mit einer Frau anfängt, er ist nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht bisexuell gewesen. Ich dachte, man wird über die Beweggründe dafür mehr erfahren und wie er sich damit nun fühlt. Aber vielleicht ist das auch gar kein Manko. Vielleicht geht es einfach universell um Beziehungen, ohne “Mascherl”. Dass das nicht zerredet ist, kann auch ein Pluspunkt sein.
Mit heute ist das Nachlassverfahren meines Vaters beendet. Das ist positiv, es ist ein Abschluss, der dringend notwendig war.
Wie ich schon geschrieben habe, war unser Verhältnis die letzten gut 15 Jahre schwierig bzw. der Kontakt irgendwann quasi nicht mehr vorhanden. Das ging nicht von mir aus und es ist auch nichts vorgefallen, was diese Situation provoziert hätte.
Der heutige Termin, das heutige Gespräch mit seiner Hinterbliebenen, hat nicht alle Fragen beantwortet, das wäre auch schwer möglich, es hat sich aber geklärt, dass es von meiner Seite tatsächlich nichts gegeben hätte, was daran etwas hätte ändern können. Und auch wenn man das im Innersten weiß und aufgehört hat, sich die Schuld zu geben, ist es gut, so etwas tatsächlich dann auch zu hören.
Das Sommerwetter hält an, aber die Schule hat wieder begonnen, also ein kleines Recap von den Dingen, über die ich noch nicht berichtet habe. Der Sommer war wirklich schön für mich, obwohl gar nichts Spektakuläres passiert ist (oder auch deshalb?)
Zweimal Kino mit dem Kind:
Nein, wir haben nicht Air gesehen, sondern einmal Mission Impossible – Dead Reckoning, mir fällt bei den MI Filmen auf, dass sie sehr oft Untertitel haben, die ich googlen muss. Ich wusste nicht auf Anhieb, was “Reckoning” heißt und ich wusste damals auch nicht, was “Rouge Nation” heißt, und, dass “Fallout” tatsächlich das heißt, was man glaubt, dass es heißt, wusste ich auch nicht. Aber zum Film: Er war echt lustig. Natürlich auch eine Menge Action, aber sehr selbstironisch, ich sag nur Verfolgungsjagd in Rom. Außerdem haben wir noch Gran Turismo gesehen, bei dem es darum geht, dass die besten Autorenn-E-Sportler die Chance bekommen, echte Rennen zu fahren (nach einer wahren Begegenheit). Auch sehenswert, wenn auch nicht Arthouse Kino in dem Sinn, harhar.
Es gab gutes Essen…
… und wir haben Ausflüge gemacht – es geht jedes Jahr immer noch einmal im Sommer in den Familypark Burgenland. Die Kids wollen das nach wie vor, ist auch nicht so verwunderlich, schließlich gibt es immer mehr Fahrgeschäfte für Jugendliche dort (wo ich niemals einen Fuß hineinsetzen würde, weil es so arg ist) und es ist einfach eine schöne Tradition mit der Volksschulfreundin vom Kind. Diesmal neu, diese Wasserbahn (Name vergessen), ideal an einem heißen Tag, an einem nicht so heißen kann man einen Regenschutz dafür ausborgen:
Ich war dann noch auf einer zweiten O-Töne Lesung, die aber – wegen des ausgesprochen sommerlichen Wetters Anfang August (einmal hatte es gefühlt laut Wetterapp 8 Grad) indoor stattgefunden hat, und zwar mit Fabian Walkolbinger, der aus seinem Debüt Kaiser der Obdachlosen las und Milena Michiko Flasar, die ihr neues Buch Oben Erde, unten Himmel vorstellte. Die Textauszüge waren ganz toll und ich habe das Buch dann gleich auch verschenkt. Flasar hat so angenehm gelesen, dass A., die mich begleitete, und ich feststellten, sie sollte das Hörbuch ihres eigenes Buches einlesen. Ich hätte noch stundenlang zuhören können, zumindest wenn die Sessel nicht so unbequem gewesen wären. Danach outdoor, Muqua bei Nacht:
Dann gabs noch einen Spielenachmittag bei der Freundin:
Keine Ahnung, wie dieses Spiel hieß, es war irrsinnig komplex und wir waren davon genervt, aber wir spielten dann auch noch Spiel des Lebens, und DKT Wien Edition und Activity und Angry Birds Mensch ärgere dich nicht und am Abend war ich hundemüde und das Kind ging tatsächlich um 20 Uhr schlafen. Harhar. Gut, es war auch noch ein bisschen Jetlag dabei.
Sonst war ich viel im Garten, hab gelesen und geschrieben und mich von relativ anstrengenden Arbeitstagen (aber das ist eine andere Geschichte…) ausgeruht bzw. war zweieinhalb Wochen “alleine”, als das Kind die USA bereiste (deshalb der Jetlag).
Jetzt hab ich eben erst über Coopers Nase geschrieben, da gibts schon den nächsten Shitstorm in Venedig: Adam Driver spielt Enzo Ferrari und er ist nicht mal Italiener! Kulturelle Aneignung ahead! Ja wissen denn die Menschen, die sowas fordern nicht, dass Driver bereits Maurizo Gucci in House of Gucci gespielt hat? Das ist sowas wie die kleine Matura – vier Klassen Hauptschule und eine Tanzstunde, zwei Rollen mit einem italienischen Akzent, kleiner Italiener. Puh, ich krieg sicher auch gleich einen Shitstorm.
Und Roman Polanskis Film The Palace ist in Venedig, na ja, wenn ich schreibe durchgefallen, wäre es eine Untertreibung, weil in mehreren Reviews stand, es ist der schlechteste Film seiner gesamten Karriere (und er ist immerhin 90). Der Plot von The Palance: Reiche und verwöhnte, von Schönheitsoperationen entstellte Menschen feiern dekadent und es endet im Chaos, erinnert sehr an Triangle of Sadness von Ruben Östlund vom letzten Jahr. Nur, wird in den Kritiken bemerkt, die brachiale Version davon. Und wenn man bedenkt, dass auch Triangle of Sadness nicht gerade das war, was ich als subtile Interpretation des Eat The Rich-Topos bezeichnen würde, muss man sich da wirklich fürchten.
Heute ist also wieder ein erster Schultag. Mein vorvorletzter als indirekt Betroffene (so nehme ich zumindest an) und wieder kenne ich einige Menschen, deren Kinder heute den ersten Tag in Volksschule, Gymnasium oder weiterführender Schule haben. Aber erstmals habe ich heuer auch Freundinnen, deren Kinder nicht mehr in die Schule gehen, weil sie im Juni maturiert haben.
In einer Facebook Gruppe wurde darüber diskutiert, wie schlimm die Pubertät nicht ist und ich hatte wieder mal die unpopular opinon, dass die Kleinkindzeit soviel herausfordernder ist, zumindest für mich war. Wie ich dem Kind gesagt habe: Wenn wir uns heute auf die Nerven gehen, dann kann sich jeder stundenlang in sein Zimmer verziehen und wir müssen nicht miteinander interagieren. Versuch das mal bei einem Dreijährigen! Mein Kind fand das sehr lustig, aber ist ja wahr.
Ich glaube, die Pubertät des eigenen Kindes ist oft dann schlimm, wenn man vorher alles sehr unter Kontrolle hatte. Das hatte ich nie (harhar), also insofern… Ich bin es auch gewohnt, dass das Kind sowieso immer alles hinterfragt hat. Ein schönes Beispiel aus dem Kindergarten, als ich ihm (damals 4) gesagt habe: “Morgen kommt der Nikolaus zu euch in die Gruppe.” Gegenfrage: “Der Echte?” Weiß man ja auch nicht direkt, was man darauf antworten soll, ohne sich in irgendwelchen philosophischen Abhandlungen zu verlieren.
Jedenfalls ist jetzt wieder Schule und Alltag und Herbst und alles und ich mag diesen Neuanfang im September immer ganz gerne, auch wenn die Umstellung immer etwas holprig ist.
Mit dem 1. September beginnt nicht nur das neue ESC-Jahr, sondern auch die Filmsaison so richtig. Und vieles spricht dafür, dass das ein extrem starkes Film- und Oscar Jahr werden wird.
Mit Oppenheimer, Barbie und Past Lives haben wir ja schon drei Oscar-Fixstarter, und das im Sommer, der tradtionell eher schwachen Jahreszeit für Kinofilme. Gestern hatte Poor Things von Yorgos Lanthimos in Venedig Premiere, der euphorische Kritiken bekommt, vor allem die Hauptdarstellerin Emma Stone. Wenn ich mir die Bilder und den Trailer so anschaue, hab ich meine Zweifel, ob mich dieser Vibe kriegt – Sidestep: Ich habe The Lobster gesehen, der mir am Anfang sehr gut gefallen hat, über die Zeit allerdings für mich so einen absurd-naturalistischen Depri-Spin bekommen hat, dass ich dann doch unschlüssig war. Und ich glaube, das ist ein bisschen so das Markenzeichen von Lanthimos, aber natürlich werde ich Poor Things eine Chance geben.
Außerdem haben drei (quasi) Biopics in Venedig Premiere. Da wäre einmal Maestro von und mit Bradley Cooper, der im Vorfeld ja schon Diskussionen ausgelöst hat, wegen Coopers falscher Nase (seufz) und zweitens Priscilla über Mrs. Presley, der neue Film von Sofia Coppola. Und dann noch Ferrari, eine Michael Mann Produktion, über Enzo Ferrari, in der Hauptrolle Adam Driver (sic!).
Neben Venedig findet auch gerade das Filmfestival in Telluride, Colorado, statt, das in Europa immer so ein bisschen unter dem Radar läuft. Auch dieses bietet heuer große Namen, etwa die des Regisseurs Alexander Payne, der uns Filme wie Sideways und The Descendants geschenkt hat, also kleine tragikkomische Indie-Perlen. Er arbeitet wieder mit Paul Giamatti zusammen, diesmal für den Film The Holdovers. Die Regisseurin Emerald Fennell, die erst kürzlich mit Promising Young Women ihren Durchbruch geschafft hat, portraitiert in Saltburn eine exzentrische Adelsfamilie, hochklassisch besetzt mit Barry Keoghan (bekannt aus The Banshees of Inisherin), Rosemunde Pike (Gone Girl) und Carey Mulligan (die Hauptdarstellerin aus eben Promising Young Women)
Außerdem in Telluride, der Film All of Us Strangers, dessen Plot ein bisschen verstörend klingt – ein Mann reist in die Zeit zurück und trifft dort seine Eltern kurz vor deren Tod, okaaay, aber die Besetzung mit Paul Mescal (aus Normale Menschen und Aftersun), der spätestens seit seiner Oscarnominierung für letzteren Film richtig durchstartet und Andrew Scott – ja, der “Hot Priest” aus Fleabag – also das klingt schon recht fein!