almis personal blog

Das war’s

Was ich mich 2023 gefragt habe:

…warum Leute eigentlich draußen Maske tragen. Mein Favorit diesbezüglich: Radfahrend, während es regnet.

…warum man zuerst gesellschaftlich komplett gegen die “Rosa/Hellblau-Falle” ankämpft, dann aber ein Mädchen, das sich für Autos interessiert oder ein Junge, der mit Puppen spielt, in den Verdacht gerät, im “falschen Körper” zu stecken?

…ob man jemals wieder Skepsis an vorgegeben Standpunkten zu jeglichen Themen anmelden darf, ohne sofort als rechtsextrem eingestuft zu werden?

Was ich 2023 zu oft erlebt habe:

Begräbnisse (zwei sind zwei zuviel). Arztbesuche. Scams- sowohl privat als auch beruflich (Gott sei Dank nur halbwegs geringer finanzieller Schaden). Traurige Freundinnen (für manche Geschehnisse gibt es einfach keine passenden tröstenden Worte).

Special thanks:

Gehen an meinen Orthopäden, der mich mittels Infiltrationen und dem Tipp: “A Rua geben” plus stundenlang spazierengehen von meinen multiplen Bandscheibenvorfällen geheilt hat.

Stolz bin ich:

Auf das Kind, von dem ich in der Schule höre, dass er genauso bleiben soll wie er ist, und das nicht auf die Leistung bezogen (die eh auch passt); ich schließe mich dem an. Wir haben null Pubertätskämpfe, alles schon zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr erledigt, harhar.

Insgesamt gab es viele besondere Momente in Freundschaften, mit dem Patchwork (zum Beispiel Punschkrapfenlieferung ans Sofa wegen Bewegungsunfähigkeit meinerseits usw.) und in Kinosälen. Ich kann das Leben wieder schön finden, mit dem “aber”, dass jemand fehlt und damit Nähe und Gespräche, die nicht mehr geführt werden. Aber der Kontakt ist wieder da, das ist beruhigend, dass man sich nicht ganz verloren hat.

Zusammenfassend kann ich sagen: Ich fühle mich wie in der zweiten Zeile eines Refrains, in dem das Schlagzeug in der 3. Zeile wieder einsetzt.

Und apropos schiefe Metaphern: nächstes Jahr möchte ich dann wirklich mein Buch fertigschreiben.

In diesem Sinn: Happy 2024!

Das Filmjahr 23

Wir bei Uncut haben unsere Lieblingsfilme 2023 zusammengestellt.

Obwohl ich Oppenheimer ja schon im Sommer besprochen habe, noch ein paar Worte zu meiner Nummer 1 aus diesem Jahr. Christopher Nolan ist es hoch anzurechnen, dass er einen drei Stunden Film mit unentwegten Zeitsprüngen und teilweise in schwarz/weiß gedreht, mit schnellen und anspruchsvollen Dialogen, dessen Hauptfigur ein Quantenphysiker ist, tatsächlich als Popcornkino verkaufen konnte. Ja, Oppenheimer hat natürlich die oppulenten Bilder und Explosionen, aber es ist alles andere als ein Film zum Berieseln lassen. Und Cilian Murphy hat die m.E. relativ schwierige Aufgabe, Robert Oppenheimer überzeugend darzustellen, ist dieser doch in gewisser Weise ein Mann ohne Eigenschaften. Er ist weder heroisch, noch duckmäuserisch, nicht außergewöhnlich charismatisch, aber auch nicht uninteressant, er reflektiert seine Erfindung intensiv, kommt aber im Prinzip zu keinem wirklichen Ergebnis. Er schwankt zwischen Stolz und Zweifel. Er ist immer irgendwo dazwischen und dieses “dazwischen” zu porträtieren, ist, glaube ich, schon eine ziemliche Kunst.

Mein Platz 2 ist Passages. Ein Indie-Beziehungsfilm, der natürlich im Gegensatz zu Oppenheimer sehr “low key” ist, mich aber fasziniert hat und bei dem ich immer noch erstaunt bin, was für ein Arschloch Franz Rogowski doch darstellt. Platz 3 belegt Anatomie eines Falles, über den habe ich noch gar nicht erzählt. Sandra Hüller ist großartig als Romanautorin, die verdächtig wird, ihren Mann umgebracht zu haben. Bei diesem Film wiederum bin ich immer noch erstaunt, dass der französische Staatsanwalt im Prozess wie ein Rechtsradikaler aussieht. Mein Platz 4 ist Air. Ein intelligenter und humorvoller Crowdpleaser mit Niveau – wovon es deutlich mehr geben sollte. Platz 5 schließlich The Holdovers. Einfach ein wunderbarer kleiner Wohlfühlfilm, obwohl er menschliche Probleme nicht ausspart, ganz im Gegenteil.

Aus dem Streaming/Festivalbereich habe ich noch Saltburn empfohlen, das Review hab ich eben erst gepostet. Bin immer noch geplättet von der surealen Ästhetik dieses Films. Dazu noch Theater Camp, der hoffentlich nächstes Jahr in unsere Kinos kommen wird, voller doppelbödiger Witze und Slow, ein schöner, ganz unspektakulärer Liebesfilm, der (wieder mal) von einem Paar erzählt, das zusammensein will, aber eigentlich nicht zusammensein kann.

Für mich war das ein hervorragendes Filmjahr, ich fand auch Maestro, Past Lives, Fallen Leaves, May December, TAR, Banshees of the Inisherin und Asteroid City sehenswert, auch wenn sie nicht die Topplätze belegt haben, bei unserer Uncut-Wertung, aber ich muss ja eine Auswahl treffen. Und gerade komme ich aus dem Preview von Poor Things – in ein paar Tagen mehr.

Manche für mich noch interessante Filme für dieses Filmjahr laufen erst an, wie zum Beispiel All of us Strangers (mit dem Hot Priest aus Fleabag und Paul Mescal aus Aftersun und Normal People), American Fiction oder The Zone of Interest (nochmal Sandra Hüller). Die deutsche Schauspielerin hat somit gute Chance in zwei Oscar-Kategorien nominiert zu werden (beste Haupt- bzw. Nebendarstellerin).

Frühstücken…

Zum Jahresende noch schnell mal ein Frühstückspost, und gleichzeitig vielleicht das beste heuer neuentdeckte Frühstück. Und zwar im Cafe Cottage (unbezahlte Werbung) Versucht nicht, es auszusprechen, es ist auf alle Fälle falsch. Vorne gibt es allerdings ein Schild, das da behilflich ist, ich glaube es stand Kotäääsch.

Es befindet sich im tiefsten 19., ich hab mich alleine gar nicht reingetraut, weil das ist echt nicht mein Klientel, ich bin aus Favoriten hearst! Das Frühstück war traumhaft, habe mich mal für etwas anderes als Egg Benedict entschieden, sondern für “Das Entspannte.” Es war wirklich sehr entspannt:

Beinschinken, Brie, Ei im Glas, Müsli mit Früchten, Marmelade, Orangensaft, mhmmm.

P. und ich hatten dauernd das Gefühl, wir wären von Promis umgeben. Es war auch bummvoll. P so: “Bitte müssen die alle nichts arbeiten an einem Mittwoch?” Harhar.

In der Nähe findet sich eine kleine architektonische Kostbarkeit, die Zacherlfabrik:

Zacherlfabrik, am 13. Dezember 2023

Saltburn

Schon vor vielen Wochen habe ich über einen Film gelesen, den die Nerds ganz aufgeregt erwarteten. Eine Amazon Prime Produktion, die auch genau dort gestern veröffentlicht wurde, obwohl es eigentlich ein Film für die große Leinwand ist, die Rede ist von Saltburn, von Regisseurin Emerald Fennell, die erst vor drei Jahren mit Promising Young Women (den ich leider noch nicht gesehen habe) ihren Durchbruch gefeiert hat.

Einen so abgefahrenen, merkwürdigen, skurillen und überraschenden, den Sehererwartungen zuwiderlaufenden Film habe ich wirklich schon lange nicht mehr gesehen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der unsichere Oliver (Barry Keoghan), der frisch auf die Uni kommt und sofort ein Außenseiter ist. Schnell bekommt Felix Catton (Jacob Elordi) seine ganze Aufmerksamkeit – ein ungeheuer populärer Aristokrat, der aber auch besonders -und das ganz authentisch- warmherzig ist. Oliver tut alles, um sich mit Felix anzufreunden und verbringt schließlich den Sommer auf dem Landsitz der Familie Catton, einem Anwesen namens Saltburn.

Über die Handlung kann man nicht allzuviel erzählen, ohne Wichtiges zu verraten. Aber es ist ungeheuer spannend, sich wie Oliver erstmals auf dem riesigen Anwesen und dem bizarren Schloss der Cattons wiederzufinden. Als Zuseher versucht man zu verstehen, was das “Mindset” der Familie ist. Einerseits sind sie extrem steif, zum Dinner muss täglich Smoking getragen werden, auf Tischmanieren wird großen Wert gelegt, auf der anderen Seiten wirken sie etwas einfältig und scheinen nicht einmal mit der Geografie ihres Landes genauer vertraut zu sein; sie geben feine Partys mit Dresscode (Black Tie), singen aber dann Karaoke zu den Pet Shop Boys.

Und genauso überraschend sind die Dialoge, die manchmal ganz erstaunliche Wendungen nehmen, ein kleines Beispiel (das nicht zur Haupthandlung gehört). Oliver fragt seine Tischdame: “Haben Sie Kinder?”, diese entgegnet “Ja zwei. Ach nein drei. Sie sind auf dem Internat, was günstig ist, weil man sie da selten sehen muss.” Der Film bewegt sich von what-the-fuck Dialog zum nächsten what-the-fuck Dialog und die Szenen entwickeln sich so ganz anders als man das erwarten würde. Aber das ist natürlich auch das reizvolle daran.

Barry Keoghan sehe ich schon das zweite Mal in diesem Jahr. Er spielte in The Banshees of Inisherin einen geistig zurückgebliebenen jungen Mann so überzeugend, dass ich mich gefragt habe, ob er vielleicht selbst auch…sorry! Und hier spielt er zwar eine ganz andere, aber wieder extrem arg-eigenartige Figur, sodass ich mich langsam frage, wie er denn privat so ist. Harhar. Auch die anderen Darsteller sind sehr glaubwürdig in ihren teilweise sehr herausfordernden Rollen, man kann kaum jemand speziell herausheben.

Manche Bilder dieses extrem ästhetischen in Szene gesetzten Filmes werden einem noch länger in Erinnerung bleiben und auch zum Nachdenken bringen. Eines sieht für mich so aus, als handele es sich um ein Porträt von Kaiser Nero, der gerade dabei zusieht, wie Rom verbrennt. Andere Einstellungen sind so Zeitgeist-poppig, dass sie mich an Fotos von Damiano David, dem Sänger von Maneskin erinnern, die er von sich selbst auf Instagram postet. Eine originelle Mischung.

Hier der Trailer, der auch nicht spoilert, aber etwas vom Flair widerspiegelt (ja, es ist auch gruselig, aber es ist kein Genrefilm, keine Angst):

San Remo

Vor kurzem wurden die Teilnehmer an San Remo 2024 bekannt gegeben. Das italienische Musikfesival wird von 6. bis 10. Februar stattfinden.

Und wir sehen eine ganze Menge alter ESC-Bekannter.

Da wäre einmal Diodato. Falls der euch nichts im ESC-Zusammenhang sagt, ist das verständlich. Er wäre der Kandidat 2020 gewesen… stattdessen hat er sein trauriges Liebeslied Fai Rumore (“Mach Lärm”) dann in der leeren Arena di Verona gesungen, was schon auch sehr beeindruckend anzusehen war.

Weiters tritt Emma (Marrone) an. Die kennen wir aus dem Jahr 2014. Das Kind hat ihren Song La Mia Citta (“Meine Stadt”) geliebt. Live hat er aber dann nicht so gezündet, was relativ oft bei Italien passiert, dass sich der Charme ihrer Songs nicht so gut auf die ESC-Bühne transferieren lassen. Jedenfalls wurde Emma nur 21., ein außergewöhnlich schlechtes Ergebnis für Italien. La Mia Citta war übrigens nicht durch San Remo wie üblich zum ESC gekommen, sondern durch eine interne RAI-Entscheidung.

Auch bei San Remo heuer dabei Mahmood! Dieser ist schon zweimal beim Songcontest angetreten. 2019 mit dem Song Soldi (“Geld”) der – sind wir uns ehrlich – nur durch einen Michi Tschugnall Moment damals Zweiter geworden ist, weil Duncan Laurence mit Arcade an unsere niedersten Instinkte appelliert hat. Ja, Arcade ist auch nicht schlecht, aber Soldi ist bis heute einer meiner liebsten ESC Songs überhaupt, weil er einfach so außergewöhnlich und innovativ ist. Und Mahmood singt über eine Vater/Sohn Beziehung (gone bad), was beim Songcontest relativ oft vorkommt. 2022 hat er dann gemeinsam mit Blanco erneut San Remo gewonnen, mit Brividi (“Schaudern”). Ein Song, der absolut nichts mit Soldi zu tun hat, aber mir irrsinnig unter die Haut gegangen ist: sie besingen eine Liebe, die einfach nicht funktioniert (“Ich will dich lieben, aber ich scheitere jedesmal). Speziell Mahmood hat dabei in Höhenlagen gesungen, die für ihn etwas fragil sind, aber das passt so gut zu dem Inhalt des Songs, wo man auch nicht weiß, klappt es oder geht es schief. Die beiden belegten Platz 6. Bin wirklich neugierig, was er heuer bringt.

Na und dann haben wir noch Il Volo, die 2015 in Wien ihren Schmachtfetzen Grande Amore (Ja das weiß man wohl, was das heißt, und man kann den ganzen Text erfühlen, auch wenn man nicht Italienisch spricht) geschmettert haben. Ich bin ja echt kein großer “Popera” Fan, aber ich fand Grande Amore schon irgendwie super (siehe niedere Instinkte) und das Publikum in der Stadthalle (ich war ja live dabei yeah) hat getobt. Ich verfolge ihre Karriere in letzter Zeit aber nicht mehr wirklich und die Frage ist, wie viel Opernpop der ESC im Zweifel verträgt, ich glaube eher nicht so viel, obwohl sie in Wien den 3. Platz belegten und das Publikumsvoting damals sogar gewonnen haben.

The Holdovers

Gestern war ich in einer Vorpremiere von The Holdovers, dem neuen Film von Alexander Payne.

Um Payne ist es in den letzten Jahren ein bisschen still geworden, nachdem er uns Indie Schmankerln wie Sideways, The Descendants oder Nebraska serviert hat. Paynes Regiearbeiten haben mit dem hier kürzlich besprochenen Todd Haynes gemeinsam, das sie ein bisschen Alltagsdrama sind, nur wo es bei Haynes creepy ist, ist es bei Alexander Payner skurill. Seine Antihelden stecken in ihren kleinen “potscherten” Leben fest, oft nach nicht ganz einfachen Startbedingungen, mit ihren durchaus großen Sorgen und Nöten, doch das Schöne ist: Es gibt immer Lichtblicke, es gibt immer Hoffnung. Aber es gibt nicht den großen Knall, wo plötzlich alle Probleme gelöst sind und alles toll ist – was natürlich auch komplett unrealistisch wäre, denn Menschen ändern sich nicht über Nacht. Genau das mag ich daran.

The Holdovers spielt in einem Internat in Neuengland der 1970-er Jahre. Holdovers (“Überbleibsel”) werden diejenigen genannt, die über Weihnachten nicht nach Hause können und in der Institution bleiben müssen. Der unbeliebte Professor Hunham (Paul Giamatti) ist diesmal dazu verdonnert worden, die Burschen zu beaufsichtigen. Auch die Küchenchefin Mary (Da’Vine Joy Randolph) verlässt das Internat nicht- ihr Sohn wurde gerade in Vietnam getötet und sie möchte keine “klassischen” Weihnachten feiern. Nachdem dann doch die meisten Schüler noch abgeholt werden, bleibt zu aller Leidweisen nur noch Angus (Dominic Sessa) zurück. Doch was als mühsame Zwangsgemeinschaft beginnt, entwickelt sich dann doch etwas anders als gedacht…

Es gibt Filme, die gut sind, deren Dialoge zünden, aber man denkt sich, ein oder mehrere Schauspieler “passen” nicht, es wäre besser, würde statt Schauspieler X Schauspieler Y spielen etc. In The Holdovers ist es umgekehrt: Man kann sich nicht vorstellen, dass irgendjemand anders diese Rollen spielen könnte, so ideal scheinen sie besetzt. Giamatti ist sowieso bewundernswert, sich so extrem unvorteilhaft zeigen zu lassen, mit einem Augenproblem (das er sonst nicht hat, wie macht man das eigentlich?) und den komisch gebürsteten Haaren, er muss sich kratzen und furzen und auch sonst relativ unattraktiv sein. Aber auch sonst entspricht niemand irgendeinem “Schönheitsideal”.

Leicht hätte es allerdings einem anderen Regisseur passieren können, dass die zentralen Protagonisten Karikaturen ihrer selbst werden – der komisch-ungute Professor, die trauernde, unterpriveligierte Mutter, der aufmüpfige Schüler. Und, dass es nur um den billigen Lacher geht. In The Holdovers geht es aber vielmehr darum, das Innere nach außen zu kehren, zu zeigen, was hinter den Rollenbildern steckt, wenn gleich die Ecken und Kanten immer erhalten bleiben. Ja, da ist ein bisschen Dead Poets Society Vibe dahinter und natürlich Coming of Age-Nerdiness, selbstverständlich auch viel Payne-eskes. Vor allem ist es aber ein feiner, menschlicher Film, bei dem man auch ein bisschen weinen kann, wenn es einem gerade nicht so gut geht, und es sind erleichternde Tränen.

Hier noch der Trailer:

Sveriges Bästa

In der neuen Folge des Merci Cherie Podcasts geht es um die besten Songs, die Schweden zum Songcontest geschickt hat und Marco Schreuder hat auch mich gebeten, meinen Platz 1 einzusprechen.

Vorab: Ich fand es jetzt nicht allzuleicht, eine Rangliste zu erstellen, weil Schweden ehrlich gesagt nicht zu meinen Lieblingsländern beim ESC gehört, obwohl das Land so erfolgreich ist und alle paar Jahre gewinnt. Und ja, die meisten Songs sind eh okay, aber vieles ist halt auch sehr generisch und glattgebügelt und ein bisschen – wie es im Songcheck mal hieß – Plastikware. Mein absoluter Horror war 2019 John Lundvik und sein Gospelchor, ich mein, was zuviel ist, ist zuviel!

Beim Podcast Voting war ja primär die Frage, gewinnt Abba oder Loreen oder gab es etwa doch eine Überraschung? Naja, das müsst ihr euch anhören. Ich habe letztendlich Loreen auf Platz 1 gewählt, weil Euphoria doch irgendwie Groundbreaking war und die Bühnenshow sehr speziell, zudem gehört Loreen zu den Künstlern, die live auch wirklich gut sind. Außerdem ist es ihr Verdienst, dass der Songcontest nach ihrem Sieg 2012 dann doch wieder relevant wurde und auch heute junge Menschen sich dafür interessieren. Ihr könnt mich ca. bei Minute 49 irgendwas hören.

Ich spiele es dem Kind vor und frage ihn wie cringe es ist.

Kind: “Gar nicht so cringe.”

Wow, das ist praktisch ein Kompliment.

Kind: “Wie hast du das aufgenommen?”

Ich: “Sprachnachricht WhatsApp.”

Kind: “Pfff.”

Ich: “Na glaubst, ich miet mir ein Tonstudio für drei Sätze?”

Kind: “Das kann man auch am PC aufnehmen.”

Ich: “Keine Ahnung wie das geht.”

Kind: “Pfff.”

Also bin ich doch wieder cringe. Harhar.

Paparazzi

Im Westlicht läuft gerade eine Ausstellung, die sich mit dem Phänomen Paparazzi beschäftigt (wie immer unbezahlte Werbung)

Die Ausstellung erklärt den Begriff, aber wenn man La Dolce Vita von Fellini gesehen hat, weiß man das eh schon. In diesem Film hieß nämlich der Fotograf, der die Promis ablichtete, Paparazzo und damit etablierte sich dieser Name als Überbegriff für jeglichen Promifotograf. Die Ausstellung widmen sich den Anfängen des Paparazzi-Tums, und den besonders gefragten “Opfern”.

Das teuerste Paparazzi Foto aller Zeiten – Britney Spears, als sie sich wegen eines Drogentests die Haare abrasieren musste.
Das letzte Foto von Diana im Auto & die nie veröffentliche Hello Titelseite von einem Diana Foto ihres letzten Urlaubs

Es beleuchtet aber auch die Zusammenarbeit von Prominenten mit Fotografen zu Werbezwecken, quasi gestellte Paparazzi-Aufnahmen in Absprache, und zeigt schließlich auch Fotos von unter anderem Anton Corbijn, der Schauspieler so in Szene gesetzt hat, als wären es Paparazzi Fotos, tatsächlich waren sie aber nur als solche inszeniert, kann man noch folgen? Zum Beispiel Kylie Minogue:

Insgesamt eine tolle Ausstellung, wenn auch zu klein (gut, die Galerie ist halt nicht größer). Man könnte noch sehr viel mehr zum Thema sagen. Etwa über das Spiel von Prominenten mit ihrem tradierten Öffentlichkeitsbild. Ich denke da an Jennifer Lopez, die gemeinsam mit ihrem damaligen Freund (jetzt Mann) Ben Affleck alle Fotos, die von ihnen heimlich geschossen wurden in dem Video Jenny from the block nachstellen. Dabei haben sie quasi die Macht über ihre Bilder wieder zurückbekommen, gleichzeitig war das doch etwas zuviel Omnipräsenz, das Paar trennte sich dann (und kam erst 20 Jahre später wieder zusammen). Man könnte noch mehr über die Gegenwehr von Prominenten berichten – in der Ausstellung wird Marlon Brando und ein Fotograf gezeigt, der sich ihm nur mit Helm nähert, weil Brando ihm ein paar Zähne ausgeschlagen hatte. Aber man könnte auch die rechtliche Seite beleuchten (wieviel Öffentlichkeit müssen sich Prominente privat gefallen lassen) Mir fehlt auch zum Beispiel eine Referenz auf den Lady Gaga Song/Video Paparazzi. Aber ja, der Platz ist begrenzt.

Aber ja, als (erste) Annährung an das Thema gut.

May-December

Als ich das erste mal von dem Film May December gehört habe, musste ich an die Gilmore Girls denken. Mai/Dezember ist ja ein Synonym für Menschen in Beziehungen mit einem großen Altersunterschied. In GG hat Rorys Freundin Paris den wesentlich älteren Uniprofessor Fleming gedatet, was Rory verständnislos zur Kenntnis nahm. Worauf Paris entgegnete, das sei halt eine May/December Liebe und Rory daraufhin: “This is not May-December, this is May-Ming Dynasty”. Ich finde das noch immer sehr lustig.

Damit hat er Film von Todd Haynes aber gar nichts zu tun. Es geht um die Beziehung Gracies (Julianne Moore in einer der typischen Juliane Moore Rolle) mit ihrem Mann Joe (Charles Melton). Gracie war 36 und verheiratet sowie bereits Mutter, als sie mit dem damals 13 (sic!) jährigen Joe eine Affäre begann und dafür ins Gefängnis ging. Dort bekam sie ihr ersten Kind, danach noch Zwillinge. Mittlerweile ist Joe 36 und die Kinder bereiten sich auf ihre Graduation vor. Genau zu diesem Zeitpunkt erscheint Elizabeth (Natalie Portman) auf der Bildfläche – eine Schauspielerin, die in der Verfilmung dieser Skandal-Geschichte Gracie spielen soll und nun quasi auf Recherche die Familie eine zeitlang begleiten wird.

Todd Haynes ist der Meister der unspektakulären Alltagstragödie, wenn man so will. Von der ersten Szene an kreiert er eine unbequeme, latent bedrohliche Atmosphäre. Wenn Gracie am Anfang sekundenlang regungslos in ihren Kühlschrank blickt, vermutet man schon einen Menschenschädel oder ähnliches drinnen, bis sie schlussendlich sagt: “Ich glaube, wir haben zu wenig Hot Dogs.” Das Gefühl, dass jeden Moment etwas Schlimmes passiert, verlässt einen dennoch nie wirklich. Ich habe hier und da gelesen, May December wäre eine Komödie, aber wie voriges Jahr bei The Banshees of Inisherin habe ich das Gefühl, dass man schon sehr kaputt sein muss, um an diesem Film etwas wirklich lustig zu finden.

Gracie ist ein Kontrollfreak und behandelt Joe wie eines ihrer Kinder, dem sie nichts zutraut. Sie gibt ihm laufend Anweisungen und überwacht ihn. Auch ihren eigenen Kindern gibt sie keine Luft zum Atmen, und garniert das Ganze noch mit einer Menge subtilem Shaming. Etwa, als ihre Tochter Mary ein ärmelloses Kleid für die Graduation aussucht und Gracie so etwas sagt wie, toll, dass man heutzutage zu seinen körperlichen Schwächen steht und nichts darauf gibt, was die Umwelt dazu sagt, wie man denn in so einem Aufzug aussieht. Ich mein, wie toxisch kann man sein? Natürlich nimmt Mary dieses Kleid dann nicht. Wenn Elizabeth Gracie imitiert und zu ihrem Leben befragt, dreht sich manchmal die Situation und plötzlich wird Elizabeth zu derjenigen, die interviewt wird und natürlich hat auch sie ihre Leichen im Keller. Mehr kann ich an dieser Stelle aber nicht sagen.

May December ist jedenfalls sehenswert, wenn auch (ganz bewusst) ziemlich unterkühlt. Derzeit aber nur auf Netflix zu sehen.