Jedes Jahr um diese Zeit Mitte/Ende Februar, wenn ich noch nicht ganz vom ESC-Spirit gepackt bin, find ich es irgendwie mühsam, mich durch alle neu-ankommenden Songs zu hören und zu schauen, was ich mag. Ich glaube, das hat etwas mit dem einzigen physikalischen Gesetz zu tun, das mir etwas sagt, nämlich mit der Trägheit der Masse. Es gibt aber auch jedes Jahr diesen “Erweckungsmoment”, wo ich ein Lied höre, dass mir irrsinnig gefällt und dann ist das ESC-Game eröffnet. Letztes Jahr war das Vesna, vor zwei Jahren Subwoolfer aus Norwegen, vor drei Jahren Gjon’s Tears aus der Schweiz und heuer ist es, wie ich seit heute weiß – Mustii aus Belgien mit dem Song Before the Party’s Over.
Der Act Mustii, ein Sänger und Schauspieler Mitte 30, wurde schon im August als erster Künstler bekanntgegeben, warum weiß kein Mensch. Im August haben wir gerade die Post-Eurovison-Depression überwunden. Der Song selbst wurde aber eben erst heute veröffentlicht. Zuerst mal: Der Songtitel ist gut, das ist bei mir immer schon die halbe Miete, das muss mich neugierig machen und eine Geschichte versprechen, die mich interessiert. Auch die Lyrics sind spannend, obwohl es nicht allzu viel Text gibt; gleich mal eine Anspielung auf The Who “Are we sure the kids are alright or just playing it cool?” Ok, vielleicht interpretiere ich zuviel rein, aber ich glaube eigentlich nicht. “One more drink and I’ll be fine” verrät uns auf jeden Fall, da gibts wohl einen Depressionshintergrund, eventuell auch ein Alkoholproblem. Die Zeile: “I can see all the pain in the way that you move” ist ganz schön traurig.
Und dann der Song selber, das ist wohl eine Powerballade, mit einem zwei Minuten Setup, um in der dritten (und beim ESC immer letzten Minute) einfach alles zu geben, also absolut nicht wie ein Radiosong aufgebaut, was beim Songcontest meistens von Vorteil ist. Außerdem hab ich echt nichts dagegen, wenn nicht jeder Mann, er am ESC teilnimmt, lackierte Fingernägel hat. Es reicht die dreireihige Perlenkette als Erkennungszeichen allemal aus. Harhar. Natürlich, das muss man auch sagen, sollte Mustii live sehr gut singen, das ist bei dem Song ziemlich wichtig, dann könnte man einen Gänsehaut Moment schaffen – und das Staging sollte auch bombastisch sein oder ganz minimal. Der Vibe im Video ist irgendwie sehr ungewöhnlich, verletzlich-diabolisch.
And so it begins.