Gerade ist der neue Film, Queer, von Luca Guadagnino bei uns in den Kinos angelaufen. Ich mag Guadagninos Arbeiten sehr. Call me by your Name zählt ohnehin zu meinen Lieblingsfilmen, aber auch Challengers, der 2024 lief, fand ich super, er war Platz 2 in meinen letztjährigen Top 10 – sooo unterhaltsam und temporeich. Und I am Love (schon etwas älter) hat mich auch beeindruckt. Das interessante bei Guadagnino ist, dass jeder Film von ihm tonal komplett anders (gut) ist.
Nun also Queer mit Daniel Craig in einer Rolle, die ungefähr das Gegenteil von James Bond ist. Craig ist William Lee, ein eher fraglier US-Amerikaner, der in den 1950er Jahren nach einer Drogenrazzia in New Orleans nach Mexico City geflüchtet ist, wo er – dank des Reichtums seiner Familie – ein sorgen- und arbeitsfreies, aber dafür drogenreiches Leben führt. Er erkundet die queere Szene der Stadt, hat eine Menge unbedeutender Abenteuer, verliebt sich aber schließlich in den ehemaligen Soldaten Gene (Drew Starkey). Die beiden begeben sich schließlich auf einen Drogentrip in den Dschungel Südamerikas…
ACHTUNG MÖGLICHE SPOILER!!
Wenn man sich jetzt denkt: Boah, das klingt nach wenig Plot, dann kann ich nur bestätigen: Ja richtig erkannt. Der Film hat tatsächlich sehr wenig Plot. Und obwohl ich die Buchvorlage von William S. Burroughs noch nicht kenne (habe mir das Buch gerade bestellt) – dessen Alter Ego Craig hier augenscheinlich verkörpert – denke ich mir, das ist wieder ein Roman, der eigentlich unverfilmbar ist, weil es in erster Linie wohl um das Innenleben des Protagonisten geht und es immer schwierig ist, das filmisch umzusetzen. Insofern Respekt an Guadagnino, dass er sich da drüber getraut hat.
Das eigentliche große Thema das Romans ist nicht Drogenabhängigkeit per se, sondern unerwiderte Liebe. Denn William, der zuerst eher als “Lebemann” dargestellt wird, beginnt irgendwann, Gene wirklich zu lieben, ihm buchstäblich zu verfallen. Und es macht ihn – ganz wortwörtlich – wahnsinnig, dass Gene seine Gefühle nicht in der Form zu erwidern scheint, wie er sich das wünscht. Oder sagen wir so: Das Ganze ist ziemlich ambivalent, von Genes Seite aus. Es ist nicht einmal klar, ob er tatsächlich “queer” ist oder nicht und was er sich von William “erwartet”. Die Suche Williams nach der Droge “Yage”, später auch bekannt als Ayahuasca, geschieht deshalb, weil sie anders funktioniert als herkömmliche Drogen. William erhofft sich davon telepathische Erlebnisse, das Kommunzieren ohne Worte oder viel mehr, den anderen zu verstehen. Als er sein Anliegen einem Biologen vorbringt, warnt ihn dieser vor der Unberechenbarkeit der Droge und liefert den (für mich) Schlüsselsatz im Film: “Who is it that you’re trying so desparetly to communicate with?”
Sinead O Connors Version von All Apologies setzt den Ton von Queer, sich zu entschuldigen, für all das was man ist und der eigenen Meinung nach nicht sein sollte. Zu viel zu lieben, wo keine Gegenliebe zu erwarten ist, zu viel zu verlangen, einfach insgesamt zu viel zu sein, nirgends (hinein) zu passen. Der Film ist seltsam, sperrig, surreal, nicht komplett stimmig würde ich sagen, aber er wirkt nach, er schafft eine Menge Identifikationspotential und Daniel Craig ist hier brilliant, in einer, zumindest für mich, neuen Facette.
Starkey fand ich weniger überzeugend; aber andererseits vielleicht vermittelt er damit genau diese Distanz, die er wohl auch vermitteln soll. Extrem genial: Jason Schwartzman als charmant-verrückter Hippie; Indiewire schreibt er sei “at-first unrecognizable”, also ich habe ihn nicht erkannt, bis ich genau dieses Review gelesen habe. Harhar.
Queer ist jedenfalls verstörend-sehenswert und die Sexszenen mögen zwar explizit sein, ich finde sie aber weder schockierend, noch sind sie das, worum es in diesem Film wirklich geht.