almis personal blog

A Real Pain

Der dieswöchige Nonstop-Kino Newsletter informiert darüber, dass der Film A Real Pain anläuft und vermerkt: “Ein Film, den man eigentlich nicht nicht mögen kann.” Oh doch, liebes Nonstop-Team, doch doch, das geht. Harhar. Alleine zum Filmtitel könnte man in diesem Fall daher schon etliche Kalauer loslassen, aber ich war in meiner Filmkritik für Uncut dann, finde ich, eh noch sehr wohlwollend, ich schrieb nämlich folgendes:

A Real Pain ist die zweite Regiearbeit von Jesse Eisenberg, der der Filmwelt bisher eher als Schauspieler (unter anderem als Mark Zuckerberg in The Social Network) bekannt ist. In seinem neuen Film, für den er auch das Drehbuch geschrieben hat, schildert Eisenberg die Reise zweier ungleicher Cousins – Eisenberg selbst als David, Kieran Culkin als Benji – in die Vergangenheit. Nach dem Tod ihrer Großmutter buchen beide eine geführte Tour durch Teile Polens, deren Heimatland.

Das Konzept diese Filmes ist, wenn man so will, quasi die 50 Shades of Pain entdecken, die zwischen dem schier unvorstellbaren Leid der Großmutter durch die Inhaftierung im KZ Lublin liegt, und dem für ihn selbst lächerlichen Schmerz von Benji, der das Gefühl hat, an seinem eigenen Leben zu scheitern, aber kein Recht dazu zu haben, darüber zu klagen; denn was ist schon seine eigene Verzweiflung gegen die, die seine Großmutter empfunden haben muss. Und damit es nicht zu traurig wird, hat Eisenberg Benji selbst gleich als Comic Relief eingebaut.

Die Idee hat etwas für sich, funktioniert nur leider in der Praxis überhaupt nicht. Denn obwohl der Gedanke offenbar war, Benji als impulsiv-rüpelhaften, aber doch warmherzigen und im Grunde liebeswerten Charakter zu etablieren, der eine durchaus tragische Backstory hat, und damit nicht nur das Herz der Reisegruppe, sondern auch das der Zuseher im Sturm gewinnt, geht diese Vision nicht auf. Benji ist vor allem ein furchtbar anstrengender, Energie ziehender Egoist, mit einem Verhaltensmuster eines Fünfjährigen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Auch der Humor, den er offensichtlich in den Film und damit in das schwere Thema bringen soll, passt großteils für mich überhaupt nicht. Er changiert zwischen Zoten, Körperkomik und reiner Provokation.

Eisenberg hat sich selbst als David Typ-gecastet; er spielt den höflich-zurückhaltenden, leicht neurotischen, beruflich und privat erfolgreichen Gegenpart zu Benji und das macht er erwartungsgemäß gut. Auch das Wiedersehen mit Jennifer Grey (Baby aus Dirty Dancing, aber seit ihrer Nasen-OP kaum zu erkennen) ist erfreulich, sie spielt die interessanteste Reisegruppen-Teilnehmerin überzeugend. Leider ist aber auch diese Gruppe sonst eher schablonenhaft geraten, allen voran der übermotivierte Vortragende mit frischem Oxford-Diplom und der ehemalige Flüchtling aus Ruanda, der zum Judentum konvertiert ist.

A Real Pain besteht großteils aus folgender, eher monotonen Abfolge: Besuch einer Sehenswürdigkeit, abendliches Kiffen, semi-ernsthaftes Gesprächs zwischen den Cousins, neuer, Benji-induzierter Eklat. Das alles untermalt von Chopin. Am besten ist der Film dort, wo er uns unkommentiert Eindrücke von Polen zeigt; nicht die touristischen Seiten, sondern die ein bisschen schmuddeligen Hinterhöfe, die unspektakulären Straßenecken, die kaputten Zäune, hinter denen die Sonne untergeht. Hier fühlt man irgendwie den Geist Polens auf sich wirken und es muss dafür kein einziges Wort gesprochen werden.

Vielleicht ist Eisenberg mit der Idee eines Roadtrips schon auf der richtigen Spur, denn er hat durchaus einen Blick für Räume und Stimmungen; an der Charakterzeichnung seiner Figuren sollte er meines Erachtens allerdings noch ein bisschen arbeiten.