Wie gesagt, The Last Showgirl habe ich im Votivkino gesehen, es ist Gia Coppolas vierter Spielfilm, ich kenne aber noch keinen ihrer Vorgängerfilme.
In diesem Film geht es um Shelly (Pamela Anderson), die seit über 30 Jahren in der Las Vegas Revue “Razzle Dazzle” tanzt. Für die jüngeren Tänzerinnen Mary Ann und Jodie ist sie ein Mutterersatz, gemeinsam mit der Kellnerin Annett (Jamie Lee Curtis) bilden sie eine Art Wahlfamilie. Da offenbart ihnen der Bühnenmanager Eddie (Dave Bautista), dass die Show in Kürze abgesetzt wird, was alle, besonders aber Shelly, in eine tiefe Lebenskrise stürzt…
ACHTUNG GROSSE SPOILER!!!

Nun dachte ich mir ok, der Film ist quasi die persönliche via dolorosa der 57-jährigen Shelly, die durch den Verlust ihrer Arbeitsstelle quasi neu beginnen muss. Aber auch wenn die Situation manchmal mit der Demi Moores in The Substance verglichen wird, so ist die Ausgangslage doch genauer betrachtet eine ganz andere. Die Figur der Demi Moore wurde tatsächlich aus Altersgründen und für eine jüngere Frau gekündigt, während es hier das ganzes Ensemble betrifft. Natürlich ist es für 20-jährige Tänzerinnen einfacher, etwas neues zu finden, aber hier ist das Thema “Alter” tatsächlich nur ein untergeordnetes. Und Shelly geht auch ganz anders, nämlich selbstbewusst und recht offensiv, mit ihrer Situation um.
Außerdem bekommt der Film sehr bald eine zusätzliche und, wie ich finde, entscheidende Facette. Wir erfahren nämlich, dass es da noch Hannah (Billie Lourd) gibt, über deren Beziehung zu Shelly wir als Zuseher zunächst im Unklaren gelassen werden. Logischerweise müsste Hannah ihre Tochter sein, doch Hannah nennt Shelly immer beim Vornamen und sie geht recht kühl mit ihr um. Im Laufe der Zeit wird klar, dass Shelly als alleinerziehende Mutter Hannah zu einer Pflegefamilie gegeben hat. Das hat mich persönlich total berührt hat und damit habe ich mich auch ein stückweit identifizieren können.
Hannah besucht dann eine Show ihrer Mutter, kommt anschließend in ihre Garderobe und sagt wirklich sehr verletzende Dinge zu ihr, nämlich sinngemäß: Für diesen Dreck hast du mich aufgegeben und warst als Mutter nicht für mich da? War es das wert? Ist das besser als ich? Etwas ähnliches sagt ihr auch Eddie, der sich als Hannahs Vater herausstellt. Er fragt Shelly nämlich, warum sie nicht einfach im Supermarkt gearbeitet hat, um Hannah bei sich behalten zu können. Eddie, der überhaupt kein unguter Typ ist, im Gegenteil (auch eine sehr gute Drehbuchentscheidung), sondern sehr feinfühlig und fürsorglich, konnte sein Leben weiterleben – wir erfahren nicht, ob er das Kind wollte oder nicht etcetera – und doch urteilt er über Shelly. Wobei das auch als Kompensation eigener Unzulänglichkeiten interpretierbar wäre.
Ein anderer (uninteressanterer) Film hätte nun Shelly voller Reue gezeigt, die ihr ganzes Leben in Frage stellt, und sich eingesteht, alles falsch gemacht zu haben. Doch hier ist alles viel, viel ambivalenter, viel differenzierter. Zum einen sagt Shelly sowohl Hannah als auch Eddie die Meinung, a la: “Es ist mein Leben, ich muss mich nicht rechtfertigen”. Und wir sehen das auch. Sie tanzt manchmal wie ein kleines Kind vor dem Fernseher, als sie sich Die roten Schuhe ansieht. Und wirkt dabei fragil, dass man sie fast beschützen will, so auf der Suche nach Bestätigung, die sie einmal auch bei Eddie einfordert, bei einem gemeinsamen fast-Date fragt sie ihn: “Sehe ich gut aus?”. Sie will und muss gesehen werden, um ein erfülltes Leben führen zu können. Sie kümmert sich aber selbst darum, diese Anerkennung auch zu bekommen.
Gleichzeitig erkennen wir aber auch, wie sehr sie natürlich damit hadert, dass sie eine Entscheidung gegen ihre Tochter getroffen hat, die nicht mehr reversibel ist. Wir sehen, wie verzweifelt sie auf unbeholfene Weise an ihr hängt, wie sie ihr aber auch ihre eigene Philosophie mitgibt und sie bestärkt, im Leben ihrem Herzen zu folgen. Denn Hannah will nach dem Studium ebenfalls einen künstlerischen Weg einschlagen, Fotografin werden, während ihre Pflegemutter ihr zu einem solideren Job rät. Diese Vielschichtigkeit macht aus Shelly, die Pamela Anderson wirklich extrem glaubwürdig verkörpert, einen total faszinierenden und zutiefst menschlichen Charakter. Letztendlich ist Shelly jemand, der nie mutlos ist, auch wenn ihr sehr viele traurige Dinge passieren.
Ich kanns gar nicht glauben, dass ich schon soviel geschrieben habe und immer noch nicht fertig bin, harhar…