almis personal blog

Mutterwahnsinn

Wenn man eine ziemlich schlechte Nacht hinter sich hat, weil es dem Kind nicht gutging und dann in der nächsten nicht einschlafen kann aus Angst, dass es dem Kind wieder nicht gut gehen könnte, das nennt man dann wohl nicht-abschalten-können oder fortschreitender Mutterwahnsinn. Vor allem, wenn das Kind dann neun Stunden super durchschläft und man selbst kaum drei Stunden die Augen zugekriegt hat.

Ich bin dann immer sehr froh, wenn ich mit anderen Mütter spreche und es sich herausstellt, dass diese auch so irre sind und ich keine Ausnahme bilde. Gestern hab ich mich mit einer Mama ausgetauscht, die mir erzählt hat, ihr Kind hatte in der Nacht vorher Kopfweh und sie ist dauernd aufgewacht und hat ihm den Kopf gestreichelt, obwohl er eh geschlafen hat. Sie hat mir übrigens zugestimmt, dass man das Mutterwahnsinn nennen kann.

Manchmal denk ich mir aber auch, man könnte auch mal einen Gang zurückschalten und sich weniger verrückt machen. Dann hätte man auch keine Augenringe wie ein Pandabär. Ich arbeite dran.

Oscars revisted

Ich habe in den letzten Tagen nochmal über diese Verwechslungsgeschichte bei den Oscars nachgedacht, die ja hohe Wellen geschlagen hat.

Heute wurde publik, dass die Verantwortlichen von PWC ihre Jobs als Oscar-Beauftragte los sind. Tatsächlich war das Nennen des falschen besten Films eine Verkettung diverser unglücklicher Umstände. Wir als Zuschauer wissen jetzt, dass es für jede Kategorie zwei Kuverts mit den Siegernamen gibt, eines, dass der Presenter in die Hand gedrückt bekommt und ein Backup-Kuvert, falls das andre Kuvert verlorengeht oder so. So ist es zu erklären, dass eine etwas aufgebrachte Emma Stone erklärte, sie habe ihr Siegerkuvert die ganze Zeit in der Hand gehalten und wie könne dann Warren Beatty ihr Kuvert erhalten haben? Eben, weil der Herr von PWC ihm sein Stone-Backup Kuvert überreicht hat, statt das für den besten Film. Man sagt, er habe Fotos von Stone gemacht und getwittert, was ja schon wieder irgendwie süß ist. Aber er hat halt eben seinen Job dabei vergessen.

Tatsächlich ist es auch sehr peinlich, wenn man den besten Film präsentieren soll und merkt, dass in dem Kuvert eine falsche Karte ist. Letztendlich gibt es aber nur einen Weg, dieses Schlamassel aufzulösen, in dem man sagt, “Stopp, so leid es mir tut, ich hab hier ein falsches Kuvert.” Beatty hat dagegen herumgedruckst, und alle – inklusive seiner Co-Presenterin – dachten, das wäre seine Art, die Spannung ins Unerträgliche zu steigern. Das letzte Mal als jemand so verdattert geschaut hat, bei der Verkündung des besten Films war 2005 Jack Nicholson, als er Crash vorgelesen hat, anstatt Brokeback Mountain, auf den ausnahmslos alle gesetzt hatten. Damals wars aber das richtige Kuvert. Jedenfalls hat Beatty dann Faye Dunaway das Kuvert gezeigt und die war schon dezent genervt und hat einfach den dort aufscheinenden Film verlesen. Dem Faktum, das daneben Emma Stone stand, schenkte sie keine weitere Beachtung. Übrigens wurde das Layout der Karten gerade dieses Jahr geändert und so – nach Meinung mancher – unübersichtlicher gemacht. Na ja und dann wären eigentlich wieder die PWC Menschen zum Zug gekommen, die ja beide (als einzige Menschen) alle Preisträger kennen. Die hätten dann sofort einschreiten müssen und nicht warten, bis das gesamte La La-Team auf der Bühne ist und seine Dankesreden hält.

Ein Verwandter von mir, den ich nach den Oscars anrief und der altersmäßig halbwegs gleichauf mit Warren Beatty ist, hat mir sofort eine Analyse der Situation geliefert: “Beatty war immer schon ein Idiot.” Harhar. Andere auf Social Media Plattformen meinten, er wäre kein Gentleman, weil er Faye Dunaway die Karte aufgedrängt habe, anstatt selbst eine Entscheidung zu treffen. Wieder andere fanden, es wäre verständlich in so einer Situation der Überforderung das Falsche zu tun und nächstes Jahr müssen die beiden wieder präsentieren, sozusagen als Wiedergutmachung etc. Wie man sieht, jeder macht sich so sein eigenes Bild von den Vorgängen. Und das ist ja auch schon wieder spannend, dass alle zwar dasselbe wahrnehmen, es aber vollkommen anders interpretieren und deuten.

Den besten Gesichtsausdruck zur Situation, das er gerade fäschlicherweise auf die Bühne gerufen wurde, hatte meines Erachtens jedenfalls Ryan Gosling. No more words needed.

In der Albertina

Nach der Film-Stills Ausstellung war ich dann noch so in der Albertina. Allerdings nicht bei Egon Schiele. Da gibts zwar jetzt eine ganz aktuelle Ausstellung, aber ehrlich gesagt machen mich die Werke von Schiele schwer depressiv. Also gings zur Abteilung Monet bis Picasso.

Dort hab ich ein Bild von Greta Freist entdeckt, das sich Familie eines Malers nennt. Ich habe mich gefragt, ob das Kind vielleicht Donald heißt – oder finde nur ich da Ähnlichkeiten?

Folgendes Bild (Offiziersfriseur) habe ich der Ex-Chefin meiner Mama ge-whatsappt, die einen Friseursalon hat und sie schrieb mir zurück: “Das Bild bräuchte ich bei mir im Geschäft.” Ist wahrscheinlich bisschen zu kostenintensiv.

Dieses Bild nennt sich Dorfszene und ist von Marc Chagall Und ich habe mir gedacht, also in so einem Dorf war ich noch nie – wär aber interessant:

So sehe ich übrigens auch aus, wenn ich mich dramatisch schminken will, Kees van Dongen – Frau mit blauen Augen. Das Bild hab ich mir dann auch als Postkarte gekauft:

Tatsächlich finde ich es aber, trotz der unqualifizierten Assoziationen, sehr inspirierend Bilder anzusehen. Und ich finde es spannend, wie einen manche Künstler bzw. Kunstwerke anziehen und faszieren und andere fast abstoßend auf einen wirken.

Später hab ich mir noch die Contemperary Artists Ausstellung angesehen, unter anderem gibt es einen Raum nur mit Gottfried Helnweins Werken. Die jetzt auch nicht gerade sehr lebensbejahend sind, aber doch beeindruckend. Die weinenden und blutenden Kinder hab ich aber dennoch nicht fotografiert, dafür das hier:

Und dann gab es noch eine Spezialschau des österreichischen Künstlers Markus Prachenksy. So sieht er Los Angeles:

Ich sehe Los Angeles ja eher so wie in La La Land und damit hab ich jetzt den perfekten Übergang zur Oscarnacht geschafft.

Film Stills

Heute war der letzte Tag der Film-Stills Ausstellung in der Albertina und gerade so auf den letzten Drücker hab ich es dann noch hingeschafft. Ist ja auch sehr passend, am Oscar-Wochenende.

Die Ausstellung widmet sich, wie der Name ja schon sagt, mit Fotos aus Filmen, die veröffentlich wurden, in erster Linie um diese Filme zu bewerben und dem Betrachter ein Gefühl für die Stimmung des jeweilgen Films zu geben.

Das ist insofern gar nicht so einfach, da es sich beim Medium Film ja um bewegte Bilder handelt, man also nicht einfach reine Szenenfotografie daraus machen kann. Die Bilder sind für sich selbst wieder artifiziell, oft aus einer anderen Perspektive geschossen, als sie im Film zu sehen sind, manchmal nachkoloriert oder sonst wie bearbeitet. Manche Bilder sind kultig geworden und stehen quasi für sich selbst, ohne, dass man den Film gesehen haben muss, verbindet man etwas damit. Das berühmteste Beispiel ist sicher Marilyn Monore in Das verflixte siebente Jahr, in dem sie in einem weißen Kleid über einem Lüftungsschacht steht.

Mein Lieblingsbild der Ausstellung –  und offenbar nicht nur meines, wenn man die Größe des Fotos in der Ausstellung berücksichtigt: die geheimnisvolle und gleichzeitig sehr skurille Saraghina aus 8 1/2 von Fellini. Ich liebe diesen Film und habe auch das Poster des Filmplakates im Wohnzimmer hängen, er ist bildgewaltig und schön bizarr.

Ähnlich undurchsichtig wie Otto e mezzo ist auch der Film Letztes Jahr in Marienbad von Resnais. Von dem wird ja behauptet, dass er Inspiration für Inception von Christopher Nolan war, allerdings muss man dazu sagen, dass Inception, so verwirrend er auch sein mag, immer noch wesentlich konkreter und greifbarer ist als Marienbad, der sich doch ziemlich gegen jegliche Art von Interpretation sträubt.

Ein Film, den ich leider noch nicht gesehen ist Night of the Hunter mit Robert Michum. Michum trägt in diesem Film eine Love/Hate Tätowierung an den Fingern und dieser Film Still ist in der Ausstellung zu sehen.

Vom Hitchcock gibt es natürlich auch eine Menge zu sehen, zb. North by Northwest oder auch einen Film-Still aus Psycho.

Ich würde an dieser Stelle die Ausstellung ja empfehlen, aber man muss halt morgen Zeit haben, harhar.

Random pics

Diese Woche läuft es nicht so rund wie letzte, gar nicht, aber da muss es ja auch geben.

Daher zwischendurch ein paar random Fotos der letzten Tage.

Bei solchen Millionenshow-Fragen würde ich ja meine Mum anrufen, sie braucht nicht mal die Antwortmöglichkeiten, denn der Münster-Tatort ist ihr Lieblings-Tatort, während ich in meinem Leben noch gar keinen Tatort in voller Länge gesehen habe…:

Am Wochenende war ich im Künstlerhaus auf einem Geburtstag. Und was kann man da besseres tragen als Polka-Dots in schwarz/weiß? Scarlett Johansson in Lost in Translation hätte das “stupid picture of feet” genannt.

Das Kind hat Fimo bekommen und bastelt damit Sachen. Die kommen dann in den Ofen und werden gebrannt und sehen hübsch aus. Ich bastle auch Sachen, die kommen in den Ofen, sehen aber sehr fragwürdig aus, wie etwa dieser “Würfel”. Es ist zweimal die vier vorhanden, dafür keine drei und er fällt auch, aufgrund seiner ungleichen Form, immer auf die (bzw eine der beiden) 4(ren). Das perfekte tool für notorische Falschsspieler.

Sieht arm aus der Würfel, was? Harhar.

Außerdem fand ein Sonnenuntergang an der alten Donau statt:

Friday Fives

Heute mach ich auch mal bei der wöchentlichen Rubrik von Buntraum mit, den Friday Fives. Weil die Woche einfach besonders war.

Wofür war ich diese Woche dankbar?

1. Am Wochenende war ich bei einer sehr netten Geburtstagsfeier, wo wir bis in die Nacht gepokert haben. Obwohl ich so mittelmäßig pokere (ich hatte einen Schummelzettel mit, was eine Straße, ein Flash usw. ist), wars wirklich sehr lustig und es gab eine Menge an Gewinnen. Neben Schokolade hab ich sogar drei Euro via Brieflos gewonnen. Während die anderen “Millionenshow”-Teilnahme ausgefasst haben. Boah, wie dankbar bin ich, dass ich das nicht gezogen hab. Weil es wird nämlich eingeschickt…

2. Am Montag hat unser Modern Jazz wieder gestartet. Eigentlich noch nicht wirklich, im Februar sind Schnupperstunden, aber weil wir uns fürs Sommersemester eingeschrieben haben, dürfen wir gratis schnuppern. Unser Trainer ist gottseidank immer noch in Wien und so werden wir zumindest noch bis im Sommer in den Genuß seiner echt anstrengenden, dafür aber auch enorm witzigen Stunden kommen. Auch wenn das Kind sich fragt, wieso ich – seit ich den Kurs besuche – in meiner Freizeit dauernd tanzen muss? Harhar.

3. Am Dienstag war ich mit der Klasse vom Kind in der Bücherei. Und zwar um acht Uhr früh, nach der montäglichen Jazzstunde. Und man geht doch eine Weile hin und zurück. Aber das Kind wollte gerne, dass ich mitkomme und ich habs auch nicht bereut, es war wirklich nett. Vorallem merkt man so deutlich den Unterschied, wie sehr sich die Kinder verändert haben, seit letztem Jahr, wo es irgendwie noch viel chaotischer zuging. Auch wenn in der Mama Timeline und auf den Elternblogs gerade die große Baby-Nostalgiewelle ausbricht, wo wir uns allen den Wechseljahren nähern (harhar), kann ich das für mich gar nicht sagen. Ich genieße es sehr, dass das Kind schon so groß ist und sich weiterentwickelt.

4. Ich darf wieder Christine Nöstlinger lesen. Ich bin so froh, dass dem Kind diese Autorin auch gefällt, weil so komme ich dazu, meine ganzen alten Lieblingsbücher wieder zu lesen. So haben wir gerade Das Austauschkind fertiggelesen und sind jetzt bei Anatol und die Wurschtelfrau. In diesem Buch sind übrigens noch die original Schokofinger-Flecken von mir von vor 30 Jahren drinnen. Harhar.

5. Ich hab ein ganz tolles Kompliment bekommen, das mich echt sehr berührt hat und ich habe dem Reflex widerstanden es irgendwie abzuwiegeln oder abzuwehren, wie man das ja oft aus Verlegenheit macht und weil man ja nicht unbescheiden sein will. Aber ich glaube mit knapp 41 hab ich jetzt ein Alter erreicht, in dem ich schöne Dinge, die man mir sagt, nicht mehr aus Nervösität zurückweisen werde, sondern sie als das nehmen, was sie sind und sie richtig genießen. Das fühlt sich nämlich wirklich hervorragend an.

Weitere Friday Fives findet ihr – wie jede Woche übrigens – bei Buntraum.

Semesterferien

Wenn das Kind Ferien hat, sind die Tage immer sehr dicht, weil wir doch rund um die Uhr zusammen sind. Obwohl er ausschlafen könnte, steht er doch meistens gegen acht auf, dafür wird der Feierabend sehr nach hinten verschoben.

In den letzten Tagen haben wieder einiges unternommen, wir waren beispielsweise bei Ikea Kottbullar essen, das hat sich das Kind schon lange gewünscht, und ein bisschen schauen, was es neues gibt. Wir haben Millionenshow geschaut und ich bin immer froh, wenn ich literaturwissenschaftliche Fragen beantworten kann, bevor die Antwortmöglichkeiten eingeblendet werden. Wir waren schwimmen und haben im warmen bis sehr warmen Wasser geplantscht, das war toll, vor allem wenns dann schon dunkel wird, und man ins Freie rausschwimmen kann. Wir waren im Kino und haben uns Timm Thaler oder das verkaufte Lachen angesehen

–  jetzt wollen wir gerne die Verfilmung aus den siebziger Jahren zum Vergleich sehen, und am besten auch noch das Buch lesen. Ich hab das als Kind nämlich irgendwie versäumt. Und wir waren im Tiergarten Schönbrunn und haben dort unter anderem die Pandababys Fu Feng und Fu Ban besucht. Wobei die gar nicht mal mehr soo klein sind. Für einen Tiergartenbesuch wars eigentlich ziemlich kalt, dafür war sehr wenig los.Die Tiere waren auch alle in recht verschlafener Stimmung:

Dazwischen waren wir auch mal Pizza essen und haben uns in der Schnellbahn durch diverse Scherzfragen-Seiten aus dem Internet geraten.

Außerdem habe ich ein Tutorial für eine Choreografie aus La La Land auf youtube gefunden und war erstaunt, wie schwierig die Schrittfolge zeitweise ist, es wirkt beim Zusehen doch so einfach. Es ist gar nicht so leicht, sich das selbst beizubringen. Wozu hab ich aber schließlich mal steppen gelernt? Wie ich also mit dem Handy in der Hand durchs Wohnzimmer gehüpft bin, sagte das Kind zu mir “Wenn das deine Arbeitgeber sehen…” – und jetzt weiß ich auch nicht. Harhar. Das Kind hat dafür eine Pizza in der Tasse nach einem youtube tutorial hergestellt:

Nun trudeln die Nachbarskinder langsam wieder ein, was mir eine Fremdübernachtung und damit einen freien (Feier)abend beschert, den ich zum Schreiben nutze. Meine restliche Freizeit in diesem Jahr werde ich dann mit Paul Austers neuem Roman 4 3 2 1 verbringen, ich glaube, der hat tausend Seiten oder so, aber Auster könnte auch das Telefonbuch nacherzählen, ich würde es lesen.

Zeugnis

Letzte Woche gabs beim Kind Zeugnis (das erste mit Noten) und aus diesem Anlaß hab ich meine alten Zeugnisse hervorgeholt und durchgesehen.

Ich muss sagen, ich war echt nicht sonderlich gut in der Schule. Meinen letzten Dreier in Mathematik hatte ich im ersten Halbjahr der 1. Klasse Gymnasium und dann erst wieder bei der Matura (um einen Punkt den Zweier verpasst). Dazwischen nur Vierer und leider auch Schlechteres.

Als ich gerade in Nostalgie geriet – gibts einen negativen Ausdruck für Nostalgie? – war der Nachbarsjunge da und ich zeigte ihm meine Zeugnisse, in denen ich in Mathematik mit “Nicht genügend” bewertet worden bin.

Und er (total entsetzt): “Wie geht das bitte??”

Und ich: “Ach so schwer war das gar nicht…”

Und er: “Mein Papa hatte nur Einser” (Anmerkung: sein Papa ist Uni-Lektor)

Und ich (kleinlaut): “Auf der Uni war ich dann schon besser.”

Manchester by the Sea

Als nächsten Oscar-Kandidaten habe ich mir den Film Manchester by the Sea angesehen. Und nachdem ich erst kürzlich geschrieben habe, dass mir eigentlich alle Filme mehr oder weniger gefallen, die ich mir im Kino ansehe, weil ich doch eine für mich passende Auslese treffe, muss ich gestehen, bei Manchester by the Sea habe ich danebengelegen. Nach Filmende hab ich den Saal verlassen und fühlte mich wie nach einer durchwachten Nacht: total verkatert und deprimiert, mit einem schalen Geschmack im Mund.

Kleine Spoiler möglich

Doch worum geht es eigentlich? Schon der Trailer verrät, dass Lee Chandler (Casey Affleck), alleinstehend, um die 40, als Hausmeister in Boston beschäftigt, den Anruf erhält, dass sein Bruder -nicht ganz unerwartet – verstorben ist. Er muss zurück in seine Heimatstadt Manchester by the Sea, um die Formalitäten zu regeln und sich um seinen noch minderjährigen Neffen Patrick zu kümmern. Bei der Testamentseröffnung erfährt er, dass er die Vormundschaft über seinen Neffen übernehmen soll und gerät in Panik. Er fühlt sich erdrückt und mit dieser Aufgabe, obwohl er Patrick mag und dieser bereits 16 Jahre alt und damit fast erwachsen ist, vollkommen überfordert.

Warum, das werde ich nicht verraten. Nur soviel sei gesagt: der Tod von Lees Bruder ist fast sowas wie der Comic Relief des ganzen Filmes, denn alles andere ist, im Vergleich dazu, dunkelgrau-düster bis tiefschwarz. Dieser Film ist Hoffnungslosigkeit und Tristesse pur, wer also darauf steht, dem kann ich einen Besuch nur empfehlen. Alle anderen sollten sich das lieber zweimal überlegen. Denn Manchester by the Sea ist kein Werk geworden, dass irgendeine Art von Strohhalm zum festklammern, oder um in der Methapernsprache des Filmes zu bleiben, keinen noch so kleinen Rettungsring bereithält.

Manchester by the Sea sagt: manche Dinge, die im Leben passieren, sind so schlimm und schmerzhaft, dass nichts und niemand sie jemals wieder gutmachen kann. Das ist eine sensationell deprimierende Botschaft für ein fiktionales Werk. Nicht, dass ich pathetische hollywood-eske Enden in Filmen mag (im Gegenteil), aber Kino bedeutet für mich auch, sowas wie einen Silberstreifen am Horizont zu zeigen, irgendetwas, woraus man einen Erkenntnisgewinn zieht, und sei er noch so unscheinbar.

Stattdessen entwickelt sich Lee Chandler den ganzen Film über eigentlich absolut gar nicht weiter. Ist er ein Opfer seiner Umstände, der einfach nicht anders kann als der zu bleiben, der er ist, oder ist er ein verantwortungsloser Ignorant, dessen Charakter zwangsläufig zu diesem oder einem ähnlichen Punkt in seinem Leben hatte führen müssen? Muss man ihn betrauern oder sollte man ihn verachten? Sein Umfeld tut ersteres, ganz Manchester by the Sea ist wie ein Vormund für ihn, der eigentlich er sein sollte. Ob das richtig ist, man weiß es nicht. Jedenfalls will Lee nichts wie weg. Casey Affleck lässt nicht mehr Information raus, als unbedingt notwenig. Man kann es starkes, reduziertes Charakterspiel nennen, aber auch als stumme Ratlosigkeit des Schauspielers der eigenen Rolle gegenüber bezeichnen. Eine einzige Szene, als Lee auf seine Ex-Frau Randi (Michelle Williams) trifft, ist von solcher Emotionalität – ausgelöst durch Williams, die sehr beeindruckend agiert – dass man hofft, jetzt endlich würde Lee das Steuerrad noch herumreißen können. Aber dann versinkt wieder alles im grauen Nebel von Manchester im Winter.

Davon abgesehen weist der Film ein paar handwerkliche Schnitzer auf, die Werken von solchem Kaliber eigentlich nicht unterlaufen dürften, etwa, als in einer Szene Nacht ist und nach einem Schnitt schon heller Tag; der Plot verrät allerdings, dass höchstens ein paar Minuten vergangen sein dürften.

Manchester by The Sea ist ein Film, der mich verstört und ratlos zurücklässt, und bei dem mir fast lieber gewesen wäre – und das sage ich nicht oft – ihn nie gesehen zu haben.