almis personal blog

Challengers

Als ich am letzten Freitag Challengers sah, ist mir im Kino etwas passiert, was mir zuvor noch nie passiert ist. Ich gehe die Stufen zum Saal 3 im Votiv hinunter, da kommt mir eine Frau ungefähr in meinem Alter entgegen, grinst mich an und sagt (über diesen Film, der auch in der vorigen Vorstellung lief): “Der ist so gut! Sie können sich freuen!” Zweieinhalb Stunden später wusste ich, was sie gemeint hatte. Und ich hätte am Ende genau das auch jedem sagen können, der mir entgegen gekommen wäre.

Das sehr hübsche Filmplakat zu Challengers

Challengers ist der neue Film vom italienischen Regisseur Luca Guadagnino. Einer meiner Lieblingsfilme ist ebenfalls von ihm, nämlich Call me by your name. Über den werde ich sicher noch ein anderes Mal schwärmen. Außerdem hab ich von ihm I am Love gesehen, den ich auch mochte. Beides sehr poetische, langsam erzählte, oppulente Filme. Challengers ist absolut nichts davon und trotzdem genial.

Der Film beginnt quasi in der Gegenwart und erzählt uns dann nach und nach, was in den 13 Jahren zuvor im Leben von drei Tennisspielern passiert ist. In der Gegenwart coacht die einst als Tenniswunderkind gefeierte Tashi (Zendaya) ihren ehemals erfolgreichen Ehemann Art (Mike Faist), der sich aktuell aber in einem Formtief befindet. Deshalb meldet sie ihn zu einem Challenger-Turnier, wofür er eigentlich zu alt und auch zu gut ist (oder war). Bei diesem Turnier treffen sie auf Patrick (Josh O’Connor), mit dem beide eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Die Rahmenhandlung des Filmes bildet eben dieses Tennismatch von Art und Patrick gegeneinander.

Ich weiß nicht, ob es von Guadagnino so intendiert war, aber nachdem wir ja ein Match verfolgen, schlagen wir uns vielleicht automatisch auf die Seite des einen oder des anderen Spielers, die wir ja beide durch die Rückblenden (die durch Wetterlagen, Haarschnitte und T-Shirts zeitlich schön identifiziert werden können) immer besser kennenlernen. Zumindest bei mir war es so. Ich fand einen der beiden deutlich sympathischer durch das, was wir von ihm erzählt bekommen, und natürlich wünscht man sich dann auch, dass dieser das Match – das, wie sich herausstellt, wesentlich mehr bedeutet als ein Sieg bei einem Challenger-Turnier – gewinnt.

Die Charakterzeichnung bei Challengers geht zwar vielleicht nicht ganz so tief wie bei den vorher erwähnten Guadgagnino-Werken, aber wir erfahren durchaus einiges von Tashi, Art und Patrick und es ist schon auch eine Charakterstudie. Es ist nicht, wie in den meisten Reviews zu lesen ist, eine (platte) Dreiecksgeschichte, es steckt viel mehr dahinter; das hat mit Tennis zu tun, Tennis ist aber auch eine Metapher. Aber natürlich macht der Sport den Film besonders körperlich. Es wird viel geschwitzt und es werden Schläger zertrümmert, aber in diesem gesitteten “Quiet please” Rahmen, den professionelles Tennis eben automatisch hat. Der Film ist sehr schnell, weil viele Dialoge bzw. Konfrontationen gefilmt wurden als wären sie ein Match. Dazu trägt auch die Musik bei, die von Trent Reznor und Atticus Ross stammt und deren Soundtrack brettert manchmal regelrecht über die Ballwechsel und Konfrontationen, diesbezüglich hat er mich ein bisschen an The Social Network von David Fincher erinnert.

Wichtig ist es auch, den Film sehr aufmerksam zu verfolgen, denn es passiert etwas, das man sich merken sollte, um den Showdown am Ende zu verstehen, weil Guadagnino sein Publikum für intelligent genug hält, um es ihm nicht nochmal extra erklären zu müssen.

Also: Challengers ist überraschend, temporeich, interessant und seeehr unterhaltsam, mit drei wirklich überzeugenden Schauspielern – ich kenne jetzt auch Zendaya und sie ist toll. Josh O’Connor fand ich vielleicht noch eine Spur beeindruckender. Ein perfekter Freitagabendfilm für mich. Klare Empfehlung!

Das sagt man so

Weil ich gerade von meinem Vater geredet habe, er war bekannt für vielleicht nicht unbedingt moralisch unterfütterte Lebensweisheiten, dafür aber solche, die sehr lakonisch oder skurill waren. Zum Beispiel: Dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt. Oder: Durch Arbeit ist noch niemand reich geworden. Sowie: Farben sind Zeichen einfachen Geistes. Ich weiß bis heute nicht genau, was er damit gemeint hat, aber er hat es einmal gesagt, als ich gerade etwas mit einem Leuchtmarker in einem Buch markiert habe. Harhar.

Dann gibt es natürlich noch diese Redensarten, die einem das Leben oder die Betrachtung des Lebens erleichtern bzw. die einen trösten sollen. Mit einigen davon kann ich gut etwas anfangen, mit manchen aber auch nichts, wie zum Beispiel: Ende gut, alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende. Das hat Oscar Wilde gesagt und ich verstehe es nicht wirklich. Bedeutet es, dass alles, wirklich alles irgendwann gut im Sinne von “heil” wird? Oder bedeutet es, dass man irgendwann einfach alles akzeptiert, und es so “gut”, im Sinne von “akzeptabel” wird? Also sowas wie eine Paraphrase von Die Zeit heilt alle Wunden?

Ein Spruch, den ich definitiv für mich nicht unterschreiben kann ist jener, der im Ursprung vom deutschen Aphoristiker Wilhelm Vogel stammt: Man lernt den vollen Wert eines Menschen erst schätzen, wenn man das Anrecht auf ihn verloren hat. Ich habe zu jeder Zeit zu schätzen gewusst, was ich an einem Menschen habe. Und ich glaube auch daran, dass Verbindungen bestehen bleiben, wenn sich auch die Form ändert. Der Gedanke ist schön.

Zendaya

Zendaya also, die Hauptdarstellerin in Challengers und irgendwie gerade der neue Superstar. Der Schauspieler, der “zu meiner Zeit” mit einem Namen ausgekommen ist, war Fernadel harhar. Ich rede also mit dem Kind.

Ich: Kennst du diese Zendaya?

Kind: Ja sicher.

Ich: Und woher?

Kind: Von TikTok und sie hat in Spiderman mitgespielt.

Das Gespräch hat mich fatal an ein ähliches erinnert, dass ich vor über 20 Jahren mit meinem Vater geführt habe.

Er: Wer ist eigentlich diese Sienna Miller?

Ich: Die Freundin von Jude Law.

Er: Und wer ist Jude Law?

Ich: Soll ich jetzt bei Adam und Eva anfangen?

Dabei war er sehr popkulturell interessiert wie ich ja auch. Aber irgendwann gehört man eben zu den Menschen, die von Hypes nicht mehr als erste erfahren.

Civil War

Weil nächste Woche im fm4 Filmpodcast unter anderem über Civil War gesprochen wird, habe ich mir den Film angeschaut, weit ist es mit mir gekommen, jetzt schau ich Filme außerhalb meiner Komfortzone an, nur um dann einen Podcast dazu zu hören. Hahar. Tatsächlich schadet es aber auch nicht, mal etwas abseits der bevorzugten Genres zu sehen. Und Civil War ist sowas wie ein Arthaus Kriegsfilm. Und irgendwie wirkt es auch wie die Fortsetzung von Leave the World behind – was danach geschah quasi.

Das unglaubliche schiache Filmplakat zu Civil War

Der Film von Regisseur Alex Garland galt schon vor seinem Start alleine aufgrund des Titels als kontrovers. Denn dieses Jahr sind Wahlen in den USA und das Land ist gespalten, Trump soll wieder antreten, dazu Biden – viele befürchten ja tatsächlich eine Art Bürgerkrieg, egal wer gewinnt. Und: Garland ist Brite, würde er jetzt als quasi Außenstehender in die USA kommen den Menschen seine politische Weltsicht aufdrücken?

Zumindest insofern kann beruhigt werden, denn Civil War ist ein nahezu komplett unpolitischer Film. Wir erfahren zwar, dass sich eine Art “Western Front” (bestehend aus Texas und Kalifornien) gebildet hat, um das System in Gestalt des Präsidenten zu stürzen, der das FBI abgeschafft hat und sich zu einer dritten Amtszeit putschen will. Insgesamt ist das schwer einzuordnen, denn die Staaten Texas und Kalifornien haben doch eher wenig miteinander gemeinsam, und das Wahlverhalten der Bevölkerung ist ziemlich gegensätzlich. Aber dazu gibt es eine schöne Analogie im Film, als das (Foto)journalisten-Quartett einmal zwischen die Fronten gerät und ein Schütze ihnen sagt, er wisse gar nicht, ob der Schütze auf der anderen Seite Freund oder Feind wäre, aber der drüben habe zu schießen begonnen und nun müsse man eben zurückschießen.

Das Quartett besteht aus der prominenten Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) und dem Reporter Joel (Wagner Moura), sowie aus einem arrivierten Journalisten Sammy (Stephen McKinley Henderson), der eine Vaterfigur für Lee ist. Dazu kommt Jessie (Cailee Spaeny), die man zuerst gar nicht mitnehmen will, auf die Fahrt vom relativ ruhigen New York ins umkämpfte Washington D.C, wo der “Showdown” stattfinden soll – weil sie zu jung ist; weil es zu gefährlich ist. Aber Jessie lässt sich nicht abwimmeln, sie ist nicht nur unerschrocken, sie hat naja, Todessehnsucht wäre zuviel gesagt, aber ein gutes Foto ist ihr im Zweifel wichtiger als körperliche Unversehrheit. Und der Trip ist dann natürlich auch extrem arg, überall werden die Außmaße der Gewalt deutlich und wenn das Team dann einen Ort besucht, in dem scheinbar alles “normal” ist, wirkt gerade das auch wieder enorm creepy.

Im Grunde genommen geht es Garland, so denke ich, um das, was ich in einem Essay im ersten Semester Publizistikstudium analysieren musste: Die Fotometapher in der Reportagediskussion. Der Journalist sollte eigentlich eine Kamera sein und nur alles aufnehmen, nicht seine Meinung dazusagen. Und weil das schwer ist, sollte der Journalist zumindest seine Befangenheiten so transparent wie möglich machen. Denn absolute Wahrheiten gibt es ja nicht, auch wenn uns der Journalismus heute oft in sehr unterkomplexer Form genau das vermitteln will. Und in Civil War sagt Lee eben genau das: die Fotografien sind dafür da, Fotos zu machen, nach denen sich die Menschen ihre eigene Meinung bilden können. Wobei das natürlich auch zu kurz greift, denn auch ein Foto kann Dinge inszenieren und mit einer gewissen Absicht gemacht werden.

Mir ist der Film letztendlich dann doch zu viel Action und zu viel Blut, aber er hat tolle (wenn auch apokalyptische) Bilder, er hat ein paar wirklich sehr arge und angsteinflößende Szenen, er hat diese Thin-Red-Line-Terrence-Malick Referenzen, wenn Lee im Gras liegt und die Blumen beobachtet, während neben ihr ein Schusswechsel stattfindet; die Musikeinsätze sind brachial, aber auch sehr wirkungsvoll und ja, ich bin doch froh, ihn gesehen zu haben.

Und als nächstes habe ich Challengers angesehen, der im Podcast auch besprochen werden wird, den ich aber auch so angeschaut hätte, darüber ein andermal.

ESC 24 Niederlande

Heute möchte ich etwas zum niederländischen ESC Beitrag schreiben, Joost Klein mit Europapa.

Als ich Europapa zum ersten Mal gehört habe, war ich zuerst belustigt über den Titel und dachte ok alles klar, so ein Scooter-Ding, Pop-Techno Zeugs. Performt von einem Unterhaltungskünstler mit erstaunlichem Mienenspiel in königsblauer Europauniform vor dem “Haus Europa”, einer Baustelle, nur halb fertig, etwas desolat, mit einer Windmühle am Dach. Das schon mal sehr interessant als Metapher für den Zustand Europas derzeit (oder eher der europäischen Poltik?)

Dann habe ich mir mal den Text durchgelesen. Und der Text – der Niederländisch ist, also für das Gros der Europäer nicht verständlich – hebt den Song noch einmal auf eine ganz andere Stufe. Denn dieser Text ist so dermaßen traurig, dass ich es ungeheuer faszinierend und auch kreativ finde, einen solchen Text in einer derartigen happy-Sound Melodie vorzutragen, dass viele meinen, das Ganze wäre sowieso nur ein Spaßbeitrag – und damit uns alle zu täuschen.

Denn Joost Klein singt, er reist durch ganz Europa, “auf der Flucht vor mir selbst”, er geht in Wien spazieren, er fährt nach Italien, aber “trotzdem tut es weh” und “ich hab echt alles verloren, außer Zeit” und “ich rufe um Hilfe, aber niemand hilft mir”. Puh. Klein spielt dabei wahrscheinlich auf den frühen Tod beider Elternteile an, als er noch ein Kind war. Hinter dem ganzen Showgehabe steckt eine ganz andere Botschaft.

Vielleicht sitzt deshalb im Video die Sängerin S10, die vor zwei Jahren für die Niederlande beim ESC war und einen Song über ihre Depressionen gesungen hat, am Tisch neben ihm. Und irgendwie setzt sich damit auch die Schwermütigkeit des Landes beim Songcontest fort, denn seit Jahren widmet man sich da verlorener Liebe, Trauer, Schmerz und psychischer Labilität. Diesmal halt in einem anderen Gewand.

Ohne Männer

Im Falter ist heute ein Interview mit der österreichischen Autorin Mareike Fallwickl, die mit ihrem Roman Die Wut, die bleibt ganz schön viele Leserinnen in meinem Umfeld begeistert hat (mich leider nicht). Da liest man über sie:

Fallwickl wurde als Schülerin also gezwungen, verstorbene männliche Autoren zu lesen, und dann auch noch solche Randfiguren der Literaturgeschichte. Ich weiß jetzt nicht, ist das Schlimme, dass die Autoren nicht mehr leben oder dass sie Männer sind oder beides?

Germanistik habe sie dann gar nicht erst studiert, sagt Fallwickl, was nur konsequent ist (noch mehr tote Männer). Sie bespricht, laut eigener Aussage, auf ihrem Instagram-Account auch nur Literatur von Frauen und queeren Menschen. Alles gut und schön, Vielfalt ist immer anzustreben, aber hier frisst Ideologie schon ein bisschen die Verhältnismäßigkeit, meines Erachtens.

Merci, Jury 24

Heute wurde die Merci Chérie Podcast-Folge veröffentlicht, in der alle Hörerinnen und Hörer ihre Wertung von Platz 1 bis 10 bekanntgeben konnte. Es wurde darum gebeten, dass man seine 12 Punkte Wertung mittels Sprachnachricht abgibt, was ich gemacht habe.

Man kann mich ca. bei Minute 37.50 hören, wem das zu mühsam ist oder es zu cringe findet (wie ich selber harhar), hab ich meinen Kommentar transkribiert:

Meine 12 Punkte gehen heuer an Mustii aus Belgien mit “Before the Party is over” .

Und zwar deswegen, weil mich der Song so sehr an den Film “Walk the Line” mit Joaquin Phoenix als Johnny Cash erinnert, wo eben Johnny Cash gesagt wird, ein Song solle immer so klingen als ob man gerade blutend auf der Straße liegen würde und nur noch Zeit für ein einziges letztes Lied hat und wo man quasi alles reinpacken muss. Und genau das ist dieser Song für mich, voller Leidenschaft, Liebe, Schmerz, Dringlichkeit – natürlich auch sehr viel Pathos, was jetzt nicht immer meines ist, aber hier einfach genau passt.

Merci Cherie, Folge 6111

Ich verrate jetzt natürlich nicht, wer das Publikumsvoting insgesamt gewonnen hat, der Podcast mag ja auch noch Menschen haben, die sich das anhören, aber ich denke, es könnte sich diesmal um den tatsächlichen Sieger des heurigen Bewerbs handeln.

Nachtrag Mank

Ich war selbst mal, nämlich 2005, auf dem “Landsitz” von William R. Hearst in San Simeon, Kalifornien. Dem sogenannten Hearst Castle. Man kann (oder konnte zumindest) dort für ca. 25 Dollar Führungen mitmachen.

Die Palmen von Hearst Castle, August 2005

Alle Amerikaner dort so: Oh my god, it is beautiful.

Alle Europäer dort so: What the fuck!?

Außenpool

Ich mein, es ist faszinierend. So wie auch Las Vegas in seiner völlig absurden Skurillität faszinierend ist. Mister Hearst hat einfach alles genommen, was ihn an Architektur begeistert hat und hat es sich (ein)bauen lassen, bis er kein Geld mehr gehabt hat.

Innenpool

Als Marion, die Geliebte von Hearst, Mank im Film fragt, was er von Hearst Castle hält, zitiert George Bernhard Shaw: “What God would have built, if he had the money…”

Stimmung in Hearst Castle

Mank

Als ich über Pauline Kaels Biografie recherchiert habe, hab ich auch gelesen, dass sie ein Buch über Citizen Kane namens Raising Kane und Orson Welles geschrieben hat, in dem sie Orson Welles quasi vorwirft, dass dieser sich alle Lorbeeren für den bahnbrechenden Film selbst umgehängt hat, er war ja Hauptdarsteller und Regisseur, und auf den tatsächlichen Drehbuchautor Herman Mankiewicz (genannt Mank) “vergessen” hat.

David Fincher wiederum hat einen – durch Corona beinahe komplett untergegangen – Film über eben diesen Drehbuchautor gemacht, der Film heißt Mank und hatte 2020 kaum einen Kino Release. Er erzählt die Geschichte der Zeit als Mank Citizien Kane schrieb – von Orson Welles beauftragt, alleine mit einer Physiotherapeutin (er hatte ein gebrochenes Bein) und einer Sekretärin in einem verlassenen Haus in der Mojave Wüste. Dazu erfährt man in Rückblenden einiges über sein Leben. Mank war schwerer Alkoholiker und sollte in Klausur quasi überwacht werden, damit er sich auf das Schreiben konzentrierte. Plan war, die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines reichen Mannes aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Mank gehörte damals dem Freundeskreis von MGM Boss Louis Mayer und dessen engem Vertrauen, dem Millionär und Zeitungsverleger William R. Hearst, an. Aus Wut darüber, dass alle ihre (politischen) Ideale nach und nach verrieten, entschied Mank sich, Hearst als Vorbild für den Protagonisten in Citizen Kane zu nehmen…

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal über einen Fincher Film sagen würde, aber Mank ist zwar ein guter Film, mir aber fast ein bisschen zu akademisch. Man hat das Gefühl, es bräuchte eigentlich nach jeder Szene eine Reihe von Fußnoten. Wenn man wenig über das Hollywood der 1930-er und 1940-er weiß und Citizen Kane nicht kennt (oder, wie ich, schon vor Ewigkeiten gesehen hat), ist es teilweise schwer, alles an den elaborierten Dialogen zu verstehen. Hier gilt aber wieder “form follows function” – etwas, das Mank im Film an einer Stelle auch sagt. Denn: Citizen Kane wäre damals dann fast nicht gedreht worden, weil das Drehbuch so komplex und sperrig war. Der Film war auch ein Flop an den Kassen, bis er dann Kultstatus erlangte und bis heute als einer der besten Filme überhaupt gilt.

Gary Oldman als Mank ist wie immer super, wenn er einen höchst facettenreichen und intelligenten, gleichzeitig aber dysfunktionalen bis kaputten Typ spielen muss. Amanda Seyfried, die ich bisher nur aus eher leichten Komödien kannte, ist hier erstaunlich tiefgründig als Geliebte von Hearst und sieht auch so aus, als käme sie direkt aus dieser Zeit. Ja und spannend ist natürlich, dass hier – ähnlich wie heuer bei Priscilla von Sofia Coppola – die für die Öffentlichkeit weitaus bekanntere Person (Orson Welles) kaum vorkommt. Der Film stellt sich total auf die Seite von Mank.

Mank hatte, wie gesagt, einige Mühe, sich in die Credits hineinzureklamieren, was darin gipfelte, dass beide, er und Welles, dann gemeinsam den Drehbuchoscar gewannen, aber niemand zur Verleihung erschienen ist. Als Mankiewicz einen Tag später vor die Kameras trat und den Oscar in Empfang nahm sagte er: “I am very happy to accept this award in the manner in which this screenplay was written, which is to say, in the absence of Orson Welles.” Als der Journalist ihn daraufhin fragt, wieso Welles dann als Autor genannt wurde, entgegnete Mank: “Well, that my friend, is the magic of the movies.”

Ein Beispiel jedenfalls wieder dafür, dass die Entstehung eines Werkes einen ebenso spannenden Filmstoff abgeben kann wie das Werk selbst. Aber vorher, wenn möglich, nochmal Citizen Kane ansehen.