Am Wochenende habe ich den enorm gehypten neuen Film von Paul Thomas Anderson im Votivkino gesehen. Er ist lose an den Roman Vineland von Thomas Pynchon angeleht. Anderson hat schon davor mit Inherent Vice einen Pynchon Roman (sehr gut, wenn auch viel sperriger) adaptiert.
In One Battle After Another geht es um den alleinerziehenden Vater Bob Ferguson (Leonardo di Caprio), der mit seiner 16 jährigen Tochter Willa (Chase Infiniti) in einer Wüstenstadt lebt. Als (wie er) früheres Mitglied einer linksextremen Bewegung, ist seine Frau Perfidia (Teyana Taylor) nach einer Staftat der Verfolgung unter Colonel Lockjaw (Sean Penn) entkommen. Bob lebt mit seiner Tochter ein verstecktes, unauffälliges Leben, da er immer noch die Rache von Lockjaw fürchtet….
ACHTUNG WIE IMMER SPOILER
Die Prämisse hat mich ein bisschen an den Film Hanna erinnert, wo ebenfalls ein Vater mit seiner Tochter vor Verfolgung fliehen musste. Allerdings geht dieser Vater dort den Weg, dass er seine Tochter zu einer Kampfmaschine erzieht, damit sie sich verteidigen und so überleben kann. Bob hat eine andere Entscheidung getroffen. Er kümmert sich liebevoll um seine Tochter, sitzt aber sonst die meiste Zeit am Sofa, kifft, trinkt sein Bier und hofft, allem durch diese komplette Unauffälligkeit zu entgehen und für lange Zeit funktioniert das auch ganz gut.
Als Lockjar ihm allerdings auf die Schliche kommt – ich mein, das ist klar, sonst gäbe es keinen Film harhar – entwickelt sich der anfangs todernste Film zu einer ja, stellenweise erstaunlich witzigen Katz- und Maus Verfolgungsjagd. Die Schwere der Situation liegt ganz auf Willa, während Bob hier extrem gut einen warmherzigen, aber auch ziemlich patscherten Protagonisten, gekleidet im kariertem Morgenmantel, abgibt, was diCaprio eindrucksvoll macht. Ein Highlight ist die Szene, als er am Telefon einen geheimen Treffpunkt mit seinen früheren Verbündeten ausmachen soll, aber diverse Codewörter vergessen hat, es ist herrlich komisch. Ich stelle jetzt die Behauptung auf, dass diCaprio tatsächlich am besten ist, wenn er keinen strahlenden Helden spielt, sondern jemand in einem humorvollen Kontext. Sean Penn dagegen, der in den Reviews gelobt wird, hat die Aufgabe einen “White Supremacist” zu spielen, was er als extreme Karikatur anlegt. Auch die andere Seite des politischen Spektrums, die von Bobs Frau verkörpert wird, ist karikaturesk gezeichnet.
Deswegen ist der Film für mich auch nicht wirklich politisch im Sinne von, dass Anderson sich klar auf eine extreme Seite stellt (Gott sei Dank!), sondern er zeigt vielmehr, dass beide politischen und vor allem ideolgischen Ränder mit den gleichen Mitteln (Hass und Gewalt) operieren und, dass das nie zum Ziel führen kann, so zumindest meine Interpretation. Ich weiß nicht, ob ich Penn wirklich gut finde, weil ich ihn mittlerweile aufgrund seines Auftretens außerhalb eines Filmes so ärgerlich finde, dass es schwer ist, diese Gefühle von meiner objektiven Einschätzung zu trennen, harhar ich geb es zu. Das ist im übrigen genau das Problem, dass ich derzeit mit vielen Schauspielern, u.a. auch Mark Ruffalo habe. Mir fehlt in der Darstellung ein bisschen die Transzendenz über das übliche Programm, das da immer heißt “Wir sind die besseren Menschen, wir hassen Trump.”
Wie auch immer, One Battle After Another ist ein wirklich guter Film, mit einem wirklichen guten Hauptdarsteller, ich glaub, mir hat diCaprio noch nie besser gefallen, untermalt von einem ewigen Song/Geräuschebett, wie wir es von Anderson eh kennen, hier oftmals atonales Klaviergeklimper. Dieser Film hat auch eine ganz außergewöhnliche Auto-Verfolgungsjagd in der Wüste, das sage ich als jemand, der wirklich nicht für Auto-Verfolgungsjagden ins Kino geht. Aber diese ist intelligent, spannend UND hoch ästhetisch und macht einmal etwas ganz anderes, was man so noch nie gesehen hat. Auch einige der Sprüche könnten sich zu Running Gags entwickeln. Als Bob einmal aus einem fahrenden Auto springen muss und sich nicht traut, ruft ihm der Sensei (immer super: Benecio de Toro) zu, na kommt, Tom Cruise macht sowas andauernd, harhar.
Also zusammengefasst: Der Hype ist gerechtfertigt, Paul Thomas Anderson, dessen Euvre insgesamt so divers (in Genre, Thematik, Tonalität) wie sehenswert ist, wird nach seinen bisherigen 11 Oscarnominierungen hier defintiv mit einer oder eher mehreren Auszeichnungen nach Hause gehen, das prophezeihe ich jetzt einmal. Jemand hat geschrieben, das wäre “the movie-est movie I’ve seen in ages” und das ist so wahr. So sehr ich kleine Produktionen schätze, es ist auch einmal schön, wenn jemand alle Register zieht, die beim Film möglich sind – und dabei trotzdem noch so etwas wie “Arthouse” macht.