almis personal blog

(Miss)Erfolg

Heute hatte ich sowohl ein Erfolgs- wie auch ein Misserfolgserlebnis.

Das Erfolgserlebnis war, dass ich im Jänner ein Vorstellungsgespräch haben werde. Ja ich weiß, ich bin selbstständig, aber ich suche immer wieder nach neuen Auftraggebern, als Backup sozusagen, man weiß ja nie. Normalerweise gibt es dazu aber nur Mails oder Telefonate und vielleicht mal eine Probearbeit. Diesmal ein richtiges Gespräch, ich weiß gar nicht, wann ich das zuletzt hatte. Jedenfalls freue ich mich irgendwie darauf und weil noch ein Monat Zeit bis dahin ist, brauche ich noch nicht nervös zu sein.

Das Misserfolgserlebnis war, dass das Kind wollte, dass ich ihn Physik abprüfe. Ich so: “Physik? Echt jetzt? Ich kann dir aber nichts erklären.” Kind so jaja und schickt mir seine online Kärtchen mit den Prüfungsfragen. Also man klickt auf das Kärtchen und auf der einen Seite steht die Frage, auf der anderen die Antwort, aber halt nur so in Stichworten und ohne Fragezeichen. Ich schaue ein Kärtchen an und drehe es um, drehe es wieder um. Das Kind so: “Du weißt nicht, was die Frage ist und was die Antwort, stimmts?” Harhar, wie peinlich!

Seinfeld, drei

Eine meiner Lieblingsfolgen von Seinfeld ist die Folge The Limo, Staffel 3, Folge 19. Aus der Rubrik: Sowas könnte man heute wohl (leider) nicht mehr drehen.

George holt Jerry vom Flughafen ab, unterwegs geht aber sein Auto ein. Die beiden müssten sich also ein Taxi für die Heimfahrt organisieren. Da sehen sie einen Chaffeur beim Empfang stehen, der ein Schild mit dem Namen “O’Brien” hochhält. Jerry erzählt George, dass dieser O’Brien noch in Chicago sei, weil der Flug überbucht war und er sich lautstark beschwert hätte, er müsse aber dringend zum Madison Square Garden. Jerry und George beschließen, die Gelegenheit zu nutzen. George gibt sich als O’Brien aus, Jerry wird zu “Dylan Murphy” (“Well if you’re gonna be O’Brien, why can’t I be somebody?”) und sie steigen in die Limousine.

Das ist wieder mal ein gutes Beispiel, wie ein kleiner Streich nach dem Motto: “Was soll schon passieren?” komplett außer Kontrolle gerät, ein sehr oft genutztes Motiv in Seinfeld; etwas irgendwie nicht ganz korrektes zu tun, nur eine Kleinigkeit, das normalerweise keine Konsequenzen hat, in der Serie aber natürlich immer die schlimmstmöglichen. Denn obwohl Jerry nach einem Gespräch mit dem Chaffeur über Eintrittskarten meint, sie wären unterwegs zu einem Basketballspiel im Madison Square Garden, zu dem er mittels Autotelefon auch noch Elaine und Kramer einlädt, stellt sich bald heraus, dass O’ Brien in einem Theater daneben eine Rede halten soll, denn er ist “the leader of the midwestern regional chapter of the Aryan Union.” Also ein glühender Antisemit.

Das erfahren sie von einer gewissen Eva, die bald noch in der Limo zusteigt. Eva (!) ist sehr begeistert von George, der noch nie öffentlich aufgetreten ist und von dem niemand weiß, wie er aussieht. Sie himmelt ihn an, was George offensichtlich enorm schmeichelt. Jerry entsetzt, als sie kurz alleine sind: “But she is a Nazi, George! A Nazi!” Und George daraufhin: “A cute Nazi though”.

Harhar, es ist so politisch unkorrekt, aber auch so lustig. Gut, sowas hätte auch im Jahr 1992 nur ein Mensch von jüdischer Herkunft bringen können, aber heute ginge das wohl gar nicht mehr, es gäbe vermutlich einen Shitstorm. Dabei ist das etwas, was Humor dürfen sollte, böse sein, unkorrekt sein, über Grenzen des guten Geschmacks hinausgehen.

Es ist nicht der einzige Witz über Judentum/Nazis/drittes Reich in der Serie. Jerry macht sich auch darüber lustig, dass sein Onkel jeden Affront als antisemitisisch motiviert deutet, sogar wenn sein Hamburger falsch zubereitet wird und sagt einmal zu ihm: “Anyway, the point I was making before Goebbels made your hamburger (…)” Seinfeld hatte immer sehr viel Spaß an der Kontroverse.

At Work

Heute habe ich einen ungewöhnlich ruhigen Montag.

Ich habe nämlich gestern von 12 bis 20 Uhr mit nur einer kurzen Pause zum Essen gearbeitet. Und zwar fürs “Filmbusiness” – im weitesten Sinn. Aufgrund von Terminverschiebungen musste es dann schnell gehen. Unter hohem Zeitdruck zu arbeiten macht mich immer etwas nervös, aber ich bin gar nicht mal so schlecht darin. Außerdem ist es schön, wenn man als Team gut zusammenarbeitet, Interviews werden gemacht, ein paar Stunden später ist alles fertig protokolliert und heute kann dann schon der Schnitt erfolgen und die Folge in Kürze auf Sendung gehen. Am Freitag habe ich nochmal so einen Tag.

Außerdem aus dem Leben einer EPU: Ich war eigentlich der Meinung, dass ich in diesem Quartal noch ungefähr 500 Euro an SVS Beiträgen nachzuzahlen habe. Aber die SVS rechnet ja immer wieder mal sehr kreativ und (für mich) undurchsichtig bei den Beiträgen herum und siehe da, als ich auf mein Konto schaue, muss ich nun nicht 500 Euro zahlen, sondern habe plötzlich ein Plus von 20 Euro. Da will ich mich nicht beschweren – zumal ich das Ganze auch in die andere Richtung kenne.

Heute also Honorarnoten schreiben, Excellisten ausfüllen und Golden Globes Nominierungsverkündigung live schauen. Nett.

Chimäre

Das Kind war immer schon kritisch, eigentlich allem gegenüber, so auch dem religiösen kindgerechten Brauchtum in der Adventszeit.

Er war vier, als ich ihm sagte: “Heute kommt der Nikolo zu euch in den Kindergarten” und er darauf: “Der Echte?” Na was soll man da spontan drauf antworten, ich glaube, ich habe mich in einen semi-philosphischen Monolog gerettet.

Jedenfalls stelle ich jedes Jahr ein Krampussackerl vor die Türe, läute dann “heimlich” an und bitte dann das Kind, aufzumachen. Er hat, glaube ich, niemals gedacht, dass jemand anderer als ich das Sackerl dorthin stellt, und mittlerweile ist er fast erwachsen und es ein Running Gag geworden.

Dieses Jahr hab ich es vor die Türe gestellt, bevor er aus der Schule nach Hause gekommen ist. Er kommt mit dem Sackerl rein und sagt “Danke Mama!” Ich schaue mir das Sackerl und die Karte an und sage: “Das ist nicht von mir, da steht vom Krampus drauf.” Das Kind: “Ja, in deiner Handschrift.

Na dann, bis zum nächsten Jahr.

Ewige Gegenwart

Diese Woche habe ich mir wieder einmal gedacht, dass manche Gespräche einfach aufhören geführt zu werden, wenn das Gegenüber nicht mehr da ist. Viele Gespräche sind bereits nicht mehr geführt worden und es kommen immer noch weitere ungeführte Gespräche dazu.

Es gibt diese Sätze nicht mehr, die ich nur ihm sagen konnte, auf genau diese Art und Weise. Die wie von selbst entstanden sind, weil er so zugehört, so geantwortet hat, wie er das eben getan hat, wie es mir vertraut war. Dass ich einfach in die Dunkelheit hinein sprechen konnte und da war so viel Aufmerksamkeit, Wärme und Geborgenheit.

Es gibt andere Gespräche, gute Gespräche, interessante Gespräche, aber diese eben nicht mehr.

Die Literatur kann helfen, denn manches ist vielleicht verloren, aber nicht alles. Diese Woche habe ich gelesen, dass Stefan Zweig geschrieben hat: “Niemand ist fort, den man liebt. Liebe ist ewige Gegenwart.” Das gefällt mir.

Spotify Charts 2024

Ich habe es eigentlich nicht so mit Big Brother, aber es gibt eine Ausnahme: Die Spotify Charts.

Jedes Jahr Anfang Dezember berichtet einem der Musikdienst über die eigenen Hörgewohnheiten. Bei mir ist eigentlich immer nur die Frage: Schafft es ein Song außerhalb des ESC in meine Top 5 oder nicht? Diese Frage kann heuer mit ja beantwortet werden, es ist nämlich auch was aus San Remo dabei.

Nämlich Mahmood (der allerdings auch schon zweimal beim ESC war, harhar). Ihn habe ich nun auch schon zum dritten Mal in meinen Charts, ich glaub, ich muss ein anderes mal mehr über ihn schreiben, da gibts nämlich einiges zu sagen.

Sonst Business as usual, mit leichter Europop-Schlagseite. Aber ich schäme mich nicht, auf X hat jemand fünf Songs aus dem Film Wonka (da singt unter anderem Hugh Grant) unter den Top 5 und jemand anderer beglückwünschte ihn dazu, sich getraut zu haben, das auch noch zu posten, harhar.

Zu meinem Sieger muss man sagen: Er hat es leider – trotzdem er anfänglich zum erweiteren Favoritenkreis zählte – nicht ins Grand Finale in Malmö geschafft. Und, das muss man leider auch sagen, nicht ganz grundlos. Er war offenbar massiv mit der Bühnensituation überfordert und hatte danach auch eine Krise, weil er eben “gescheitert” ist. Ach, ich auch schon, Mustii, ich auch. Dabei geht es im Song eh schon um innere Kämpfe, schön-traurige Songzeile: “I can see all the pain, in the way that you move”. Ich hoffe, es geht ihm mittlerweile besser. Ich höre den Song immer noch gerne.

ESC: San Remo 2025

Auch das italienische Musikfestival San Remo, das immer in einer Woche im Februar über die Bühne geht, hat seine Teilnehmer bekannt gegeben.

Ich würde aber nicht so weit gehen, San Remo einen Songcontest Vorentscheid zu nennen, denn San Remo ist für Italienerinnen und Italiener immer wesentlich wichtiger gewesen, dort feiern sie ihre Musikszene und der ESC ist ihnen immer auch ein bisschen wurscht, kommt einem vor. Dass der Sieger angeboten bekommt, dann beim ESC anzutreten, ist halt ein nettes Zuckerl. Trotzdem (oder auch deswegen) zählt Italien zu den erfolgreichsten Nationen, nicht unbedingt was Siege betrifft – obwohl sie immerhin auch schon dreimal gewonnen haben, bei 13 Jahren, in dem sie auf eine Teilnahmer verzichtet haben- aber sie schaffen es fast immer in die Top zehn und sie haben auch immer super Songs, quer durch allen möglichen Genres.

Nächstes Jahr treten auch hier gleich drei ex ESC-Kandidaten an. Zum einen Achille Lauro, der von der Bubble als bizarrer Performance Künstler geschätzt wird. Ich gebe zu, ich kenne sein Gesamtwerk nicht so wirklich, aber er ist auf jeden Fall als Person interessant. Achille Lauro, eigentlich Lauro de Marinis, hat seinen Künstlernamen von einem 1994 gesunkenen Schiff. Nachdem er bei San Remo 2022 nicht siegreich war, trat er beim Vorentschein in San Marino an und gewann diesen mit dem Song Stripper. Selbst seine Fans war nicht so wirklich überzeugt von gerade diesem Lied und er kam damit auch nicht ins Finale. Mal sehen, wie es nächstes Jahr läuft.

Der zweite Wiederkehrer ist Francesco Gabbani. Gabbani war 2017 als sicherer Sieger mit dem sehr witzigen und coolen Song Occidentalis Karma nach Kiew gekommen. Er ist dort an mehreren Faktoren gescheitert. 1. Der Song musste auf drei Minuten runtergekürzt werden, und das wurde ziemlich stümpferhaft durchgeführt 2. Die Bühnenshow war eine Katastrophe 3. Laut Andi Knoll und anderen Insider hat er im Laufe der Zeit in Kiew seine Lockerheit verloren, vielleicht auch weil 4. plötzlich da ein junger Portugiese war, der kurz vor einer sehr gefährlichen Herzoperation stand und dessen Schwester ein wahnsinnig schönes, tieftrauriges Lied für ihn geschrieben hatte. Sie vertrat ihn auch in den Proben. Er stand beim Finale einfach nur da und sang seinen Song. Dieser Mann hieß Salvador Sobral und er gewann den Bewerb letztendlich mit Amar pelos dois, und wer kann es ihm verübeln. In der Reprise interpretierte er das Lied dann gemeinsam mit seiner Schwester. Ach ja und die Herz OP war erfolgreich. Gabbani wurde Sechster.

Die Dritte ist Francesca Michielin, die 2016 beim ESC dabei war. Sie hatte San Remo zwar nicht gewonnen, nachdem die Sieger aber damals nicht fahren wollten, trat sie in Stockholm an und belegte mit No Degree of Separation den, besondern für italienische Verhältnisse, recht enttäuschenden 16. Platz. Mehr kann ich dazu nicht sagen, ich habe diesen ESC tatsächlich nicht gesehen, weil ich auf einer Hochzeit war.

Jedenfalls kann man sich auf San Remo immer freuen und ich finde sicher wieder den einen oder anderen Song für meine persönliche Playlist.

The Perks of Being a Wallflower

Nachdem ich die Englisch-Literaturliste vom Kind gesehen habe, war ich begeistert. Normal People von Sally Rooney??! Das Kind: Ich hab mir was anderes ausgesucht. Ich: Waaaaas? Harhar. Aber es hat den Vorteil, dass ich jetzt eben auch was lese, was ich noch nicht kenne, denn ich lese die Bücher dann nach ihm, in diesem Fall The Perks of Being a Wallflower von Stephen Chbosky, ein recht kultiger Coming of Age Roman.

Ist das auch wieder so ein Miseryporn, wie es Chucks war? Zunächst hat es den Anschein, denn es passieren auch hier extrem viele unangenehme bis traumatische Dinge von Suizid über Missbrauch, Drogenerfahrungen und psychische Krisen etcetera. Aber ich sag wie es ist: Dieses Buch ist erstens trotzdem viel lebensbejahender und hoffnungsfroher und zweitens auch um einiges besser geschrieben, nämlich sehr poetisch. Es hat mir richtig gut gefallen und es lässt einem, trotz der schweren Themen, mit einem guten Gefühl zurück.

Der Protagonist ist Charlie, der im Roman 15 Jahre alt ist und – so wie ich – 1976 geboren. Er wird als Wallflower bezeichnen, oder Mauerblümchen, weil er gewisse Schwierigkeiten hat, mit anderen in Kontakt zu kommen. Es gibt die üblichen Streiteren in der Familie, aber seine Eltern und Geschwister sind auch sehr unterstützend. Charlie befreundet sich mit Patrick und Sam, die schon in die Abschlussklase besuchen, er liest gerne und schaut Filme und denkt dann über das nach, was er gelesen und gesehen hat. Und das ist sehr interessant.

Das Buch ist als Briefroman aufgebaut, wobei man nicht weiß, an wen Charlie schreibt, der Adressat wird immer nur “Dear friend” genannt und schreibt anscheinend nicht zurück, zumindest erfahren wir von den Anworten nicht. Es gibt viele schöne Sätze, die man zitieren kann. Einmal sieht sich Charlie einen Film mit seiner Freundin an und meint: “The movie itself was very interesting, but I didn’t think it was very good because I didn’t really feel different when it was over.” Ein anderes Mal sagt Sam zu ihm: “You can’t just sit there and put everybody’s lives ahead of yours and think that counts as love”. Sätze, über die ich länger nachgedacht habe.

Charlie liest Bücher von William S. Burroughs und J.D Salinger und – tataa, einmal auch The Fountainhead (dieses Buch verfolgt mich) und sein Professor gibt ihm den Rat bei diesem Buch: “It’s a great book. But try to be a filter, not a sponge.” Ein toller Ratschlag, ein lesenswertes Buch.

Emilia Pérez

Am Donnerstag habe ich mir zum zweiten Mal Emilia Pérez angeschaut. Das Kind danach: Und, schaust ihn nochmal? Ich: Vielleicht. Ich finde denn Film sooo schön. Trotzdem traue ich mich nicht, ihn wirklich jemanden zu empfehlen, weil er schon auch sehr schräg ist und mir jemand auf meine Empfehlung hin danach auch sagen könnte: WTF? Ja, es ist diese Art von Film. Es ist quasi das Gegenteil von Crowdpleaser Konklave, wo ich mir denke, dass den alle irgendwie mögen. Ich werde aber versuchen, meine Eindrücke darzulegen

Emilia Perez ist das neue Werk des französischen Regisseurs Jacques Audiard. Es geht darum, dass der mexikanische Kartellboss Manitas del Monte (Karla Sofía Gascón) schon seit jeher den Wunsch hat, eine Frau zu werden. Er wendet sich an die ambitionierte Anwältin Rita Moro Castro (Zoe Saldana), die sich auch durch erzwunge Kooperation mit dem System nur halbwegs über Wasser halten kann. Rita soll ihm gegen sehr gute Bezahlung helfen, eine passende Klinik im Ausland zu finden und sich danach um seine Frau Jessi (Selena Gomez) und die beiden kleinen Söhne zu kümmern. Denn er hat nicht vor, seiner Familie von seinen Plänen zu erzählen und muss sie deshalb hinter sich lassen. Rita macht sich auf die Suche nach einem geeigneten Arzt…

ACHTUNG MILDE SPOILER

Wie ich schon kurz während der Viennale erörtert habe: Dieser Film “geht” eigentlich nicht. Er ist in einem korrupten, umbarmherzigen Mexiko angesiedelt, er handelt von Transition eines “Capos”, es wird gesungen und getanzt als gäbe es kein Morgen und ein bisschen ist er auch ein Märchen, würde ich sagen. Zielgruppe: Nicht unbedingt vorhanden.

Dem Film wird außerdem gleichzeitig vorgeworfen Trans-Propaganda zu betreiben und transfeindlich zu sein. Ich würde sagen: Alles richtig gemacht. Tatsächlich stimmen m.E. beide Befunde nicht. Denn hier geht es nicht um irgendwelche Pronomen, dieser Film hat keine Agenda oder Ideologie und will das Publikum von nichts überzeugen, aber er geht sehr empathisch mit seiner Protagonistin um; und: er will einfach nur eine Geschichte erzählen. Und wie angenehm ist das! Einfach eine Geschichte ohne Belehrungen. Eine individuelle Erfahrung, ohne Anspruch auf Zwang irgendein gesellschaftspolitisches Statement zu generieren. Oder wie Christian Fuchs im fm4 Filmpodcast sehr zutreffend sagte (noch ohne den Film zu kennen): “Audiard ist jemand, der immer ein bisschen am Zeitgeist dran ist, aber so seinen eigenen Blick auf manche Dinge hat.” Genau das.

In der kommenden Oscar Season wird noch darüber diskutiert werden, wieso Karla Sofia Gascón als Hauptdarstellerin ins Rennen geht, und Zoe Saldana als Nebendarstellerin. Saldana hat sogar fünf Minuten mehr Sceentime. Als ich Emilia Perez das erste mal gesehen habe, bin ich gefühlsmäßig eher bei Saldana, also der Anwältin, gewesen, diesmal bei Gascon als Manitas/Emilia. Das ist ein interessantes Phänomen, das ich so noch nicht erlebt habe. Aber hier haben wir es tatsächlich mit zwei “Leads” zu tun, Selena Gomez ist ganz eindeutig die Nebendarstellerin. Alle drei sind so unterschiedlich, aber jede für sich absolut überzeugend.

Vor allem aber fasziniert mich Emilia Perez, weil dieser Film für mich ein bizarres audiovisuelles Kunstwerk ist. Ich liebe die Musik, die oft melancholisch-rezitativ und aber auch catchy ist. Es gibt Szenen, da kann man lachen und weinen gleichzeitig. Hier wird das Laden von Maschinengewehren zu einer Art choreografisch durchkomponierten Tanz. Noch nie sah Mexiko City so schön aus. Es geht um Selbstermächtigung, Empathie und Buße. Ich liebe das wirklich sehr, deshalb sind mir die Dinge, die man vielleicht hier und da beanstanden könnte, egal. Ich werde vermutlich noch öfter was dazu schreiben, bis zu den Oscars. Sorry. Harhar.