almis personal blog

Oscars 23

Wenn man den Namen (des österreichisch-amerikanischen Komponisten) Erich Wolfgang Korngold hört, dann spricht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Filmkenner Alexander Horwath. Ich weiß nicht wie er das macht, aber er lässt diesen Namen gekonnt in jeden seiner Auftritte einfließen.

Also wie man merkt: Ich habe mir die diesjährigen Oscars zum Teil angesehen. Ich habe mir gedacht, wenn ich in der Nacht aufwache und munter bin, dann schau ich ein bisschen, sonst nicht. Habe dann im Endeffekt von drei bis ca. halb fünf die Verleihung verfolgt. Warum ich diesmal nicht so besonders gehypt war, lag daran, dass ich eben mit Everything Everywhere All At Once nicht viel anfangen konnte und mir klar war, dass der Film viel gewinnen wird. Dass er aber gleich alle Königsdisziplinen (Film, Regie, Hauptdarstellerin, beide Nebendarsteller, Drehbuch) gewinnt, das war schon sehr erstaunlich. Und wie gesagt mir persönlich nicht verständlich, wenn im Gegenzug TAR und The Banshees of Inisherin ganz leer ausgehen.

Ok, die zwei Daniels – die Regisseure des Films Daniel Scheinert und Daniel Kwan – sind eh recht lustig und hipsterig, es war sehr witzig, als Kwan gesagt hat: “My imposter syndrome is at an all time hight” – sie dürften auch ein super Arbeitsklima bei dem Film gehabt haben, als Team, eh schön für sie, harhar. Aber… ich fühl es halt nicht, wie mein Kind sagen würde.

Skandal gab es diesmal keinen, es war alles eher brav, weshalb Host Jimmy Kimmel nach zwei Stunden feststellte: “At this point in the show, it kind of makes you miss the slapping a little bit, right?”

The Fabelmans

Gestern habe ich den sechsten der zehn oscarnominierten Filme in der Kategorie “Best Film” gesehen. Dabei handelt es sich um The Fabelmans von Steven Spielberg, das semi-autobiografische Porträt seiner eigenen Familie.

Wir begleiten Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) von seinem ungefähr achten Lebensjahr bis zum Beginn seines Studiums. Zuerst zieht die Familie von New Jersey nach Phoenix, später nach Kalifornien. Wir besuchen mit Sammy seinen ersten Kinofilm, erleben die ersten Versuche mit der Kamera und sehen sehr viel Familienleben mit seinen drei Schwestern und den Eltern Mitzi (Michelle Williams) und Burt (Paul Dano). Von Film fasziniert, hat Sammy die Unterstützung seiner hochmusikalischen Mutter, während der Vater eher der Typ “Lern was Gescheites” ist. Und da wäre noch der Freund des Vaters Bennie (Seth Rogan) und seine Rolle im Familiengefüge.

Schon wieder unpopular opinion, aber ich habe zwei große Probleme mit diesem Film. Erstens: Der Plot. Harhar. Was genau will uns Mr. Spielberg mit dieser Nabelschau sagen? Wenn man die Kindheit und Jugend eines der profiliertesten Regisseure der Gegenwart geschildert bekommt – wenn auch fiktionalisiert – dann erwartet man sich doch eine Art “Erweckungserlebnis”; man erwartet sich große Begeisterung für den Film, Weisheiten zum Thema Filmschaffen, Hoppalas und Meilensteine, aber irgendwie hält Sammy die meiste Zeit zwar eine Kamera, aber alles bleibt doch sehr an der Oberfläche, seine Intentionen werden nicht wirklich herausgearbeitet, es ist keine Seele, keine Entwicklung spürbar. Die einzige wirklich interessante Aussage zum Filmemachen erleben wir erst in der allerletzten Szene.

Aber auch das Familienthema – die Konflikte zwischen den Eltern – geht nicht in die Tiefe und es gibt auch kein besonders traumatisches Erlebnis, kein Familiendrama, das interessant wäre. Wir sehen kitschige Familienszenen, abgewechselt von Momenten der Trauer und der Exaltierheit der Mutter, aber auch hier steht alles irgendwie nebeneinander, ohne ein größeres Ganzes zu ergeben.

Was zu Problem Nummer 2 dieses Filmes führt – und dieses Problem ist noch weitaus größer als das erste: Die Schauspieler bzw. die Art Darstellung. Wie lauteten hier bitte die Regieanweisungen? Das alles ist so over the top und outriert, als würde an einer Volksbühne gespielt werden, was dazu führt, dass man sich mit wirklich absolut niemanden identifizieren kann, und nicht in die Handlung hineingezogen wird, sondern sich permanent so fühlt, also würde man einen Film sehen, der die 50-ziger und 60-ziger Jahre persifliert.

Michelle Williams, die ich schon in einigen Rollen wirklich sehr überzeugend erlebt habe – beispielsweise in Blue Valentine und Manchester by the Sea (auch wenn ich von diesem Film an sich nur dringend abraten kann, aber sie war gut) wirkt hier absolut künstlich, aufgedreht, übertrieben – und ich weiß, sie kann es bedeutend besser, darf aber möglicherweise nicht? Ich weiß nicht genau, was Spielberg sich von dieser Schauspielerführung erhofft hat, aber für mich funktioniert das überhaupt nicht.

Einzig Judd Hirsch bringt einen etwas anderen Geist herein, leider nur in zwei, drei Szenen zu sehen; obwohl er der verrückte Onkel ist, bei dem es wirklich in Ordung wäre, wenn er ein bisschen etwas karikaturistisches an sich hätte, wirkt er viel authentischer und lebensechter als alle anderen. Hirsch hat es geschafft, dafür für den Nebenrollen-Oscar nominiert zu werden, gefühlt (und wahrscheinlich auch tatsächlich in nicht viel mehr als) in fünf Minuten Screentime. Aber er hebt sich hier wirklich deutlich ab. War er schon zu alt, um noch Regieansweisungen von Spielberg anzunehmen? Williams ist übrigens als Hauptdarstellerin ebenfalls nominiert und ich weiß nicht warum.

Fazit: So wie schon Everything Everywhere All At Once lief auch The Fabelmans komplett an mir vorbei ohne mich irgendwie zu berühren. Es tut mir eh leid, aber ich kanns nicht ändern.

Briefwechsel Bachmann/Frisch

Am Mittwoch war ich bei einer Veranstaltung des Literaturmuseums. Es wurde von zwei Schauspielern aus dem Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch vorgelesen und dann haben zwei der Herausgeber darüber gesprochen.

Zunächst mal: Ich war on time dort, es gab keine Anmeldung und als Germanistin bin ich es doch eher gewöhnt, dass Veranstaltungen selten überlaufen sind. Nicht so diesmal. Der Saal war voll, es gab keine Sitzplätze mehr, es mussten Stockerl geholt werden, der Vorraum war dann auch ziemlich gut gefüllt, also schon sehr erstaunlich, dass dieses Thema ein solcher Banger ist. Die Stellen, die vorgelesen wurden, waren relativ “bezeichnend” für die Entwicklung der Beziehung, die von 1958 bis 1963 dauerte, daheim angekommen, hab ich gesehen, dass ich einige Stellen davon selber in meinem Buch markiert hatte.

Spannend wurde es aber danach, als die Herausgeber diskutierten und es lässt sich zusammenfassen, dass die österreichischen Herausgeber eher auf Bachmanns Seite stehen, die aus der Schweiz (von denen niemand anwesend war, aber sie wurden von den Österreichern öfter mal erwähnt) auf der Seite von Frisch. Man muss halt sagen, dass das Narrativ, dass der “Technokrat” Frisch Bachmann zerstört hat, eher in unseren Zeitgeist passt, wo der alte weiße Mann per se an allem schuld ist; nur, wenn man die 600 Seiten gelesen hat, muss man halt auch feststellen: So war es nicht. Der Titel “Wir haben es nicht gut gemacht” – diesen Satz schreibt Frisch am Ende der Beziehung – ist zutreffend. Beide sind gleichermaßen für diese Beziehung und ihr Ende verantwortlich, m.E. nach.

Herausgeber Hans Höller sagte beispielweise über Frisch, na ja, die Beziehung hat ja in Wahrheit gar nicht diese vollen fünf Jahre gedauert, weil Frisch ja im Herbst 1962 schon mit seiner späteren Ehefrau Marianne zusammen war; dabei blendet er wohl aus, dass Ingeborg Bachmann bereits 1959 eine Affäre mit Hans Magnus Enzensberger und später eine mit dem italienischen Germanisten Paolo Chiarini hatte, von dem sie Frisch schrieb, dass sie diesen “sehr gerne habe”. Das hat Frisch einen großen Schmerz zugefügt, auch wenn sie eine mehr oder weniger offene Beziehung hatten. Auch bekrittelt Höller, dass Frisch mit Marianne ein Haus bezogen hat, mit Bachmann “nur” eine Wohnung. Ich weiß zwar nicht genau, wieso eine gemeinsame Wohnung ein kleinerer Liebesbeweis als ein Haus sein soll, aber dazu muss man grundsätzlich sagen, dass Frisch Bachmann ja heiraten wollte, sie sich aber absolut nicht als Ehefrau sah und ihm das auch in einem der Briefe geschrieben hat. Man kann Frisch da also nicht mangelndes Commitment vorhalten, wenn dieses von Bachmann gar nicht gewünscht war.

Höller wirft Frisch auch vor, dass er Bachmann beobachtet hatte, und dann Dinge in seinen Bücher, v.a. in Mein Name sei Gantenbein verarbeitet hatte; Bachmann wiederum hat das Verhalten von Frisch angeblich in Der Fall Franza und auch Malina einfließen lassen. Na ja, dann sind sie eh wieder quitt. Und im übrigen denke ich, dass jeder Schriftsteller, jede Schriftstellerin die Dinge, die sie erlebt, auch in ihren Werken verarbeitet, die einen mehr und offensichtlicher, die anderen weniger. Dann betonen die Herausgeber, dass Bachmann soviel Arbeit mit dem Überarbeiten des Gantenbein hatte – was sicherlich stimmt, andererseits überließ Frisch ihr das Manuskript vor der Veröffentlichung und ließ sie zu persönlichen Stellen auch durchaus streichen bzw ändern.

Beide hatten Probleme mit dem Zusammenleben an sich, sie konnte nicht arbeiten, wenn er anwesend war, auch er flüchtete immer wieder und zog sich von ihr zurück, zeitweise lebte sie in der Schweiz und er in Rom, dann sehnten sie sich nacheinander, nur um dann wieder aneinander zu verzweifeln. Ja, das ist tragisch und traurig, aber ich sehe keine einseitige “Schuld” bei Frisch. Beide hatten ihre Baustellen und Unzulänglichkeiten. Es ist eine wechselseitige Verwundung, wenn man diese Briefe liest, manchmal ist das auch für einen als Leser hart und schmerzvoll. Die Verarbeitung einer Trennung ist für viele Menschen eine enorme Herausforderung, es liegt auch an jedem selbst, wie er oder sie damit umgeht, diese Verantwortung sollte jede(r) für sich selbst übernehmen und auch den eigenen Anteil berücksichtigen.

ESC: Österreich

Gestern wurde der österreichische Beitrag für den diesjährigen Songcontest präsentiert. Ich muss zugeben, ich hatte im Vorfeld leichte Bedenken oder sogar Vorurteile – zwei ziemlich junge Casting Show Teilnehmerinnen Teya und Salena schreiben selbst einen Song. Es ist ja schon für “alte Hasen” schwierig, beim ESC zu reüssieren…

Dann wurde am Montag der Titel des Liedes präsentiert: “Who the hell is Edgar?” und da habe ich dann schon etwas Hoffnung geschöpft, weil es kein generischer Titel ist und etwas weird, was ich immer gut finde. Und gestern kam dann eben der Song heraus – und was soll ich sagen? Ich mag das!

Es klingt nicht wie schon hundertmal gehört und es ist – obwohl witzig – kein typischer Spaßbeitrag – mit dem man beim ESC schon lange keinen Blumentopf mehr gewinnen kann. Also außergewöhnliche Songs sind schon immer gefragt, aber die musikalische Qualität muss auch passen. Dazu die Anspielung auf Edgar Allen Poe, wo jetzt jeder grübeln kann, was sie genau damit sagen wollen, auch immer gute Idee, man denke an Konstrakta (Serbien 2022).

Der Song kommt in der ESC Bubble ziemlich gut an, hat eine positive Besprechung von William Lee Adams (wiwibloggs) bekommen und ist bei den Wettquoten heute bereits in den Top 10, aktuell Platz 9. Also Zuversicht ist jetzt auf alle Fälle angebracht.

Sehr nett auch folgender Tweet:

TAR

So, endlich ist er da, der Film für den ich (vergeblich) Daumen drücken kann, in der Oscarnacht – Tár von Todd Field, seiner ersten Regiearbeit seit mehr als 15 Jahren.

Cate Blanchett spielt die (fiktive) Dirigentin Lydia Tár, die erste Chefdirigentin eines großen deutschen Orchesters in Berlin. Sie ist mit Sharon (Nina Hoss) verheiratet, welche Geigerin in diesem Orchester ist, die beiden haben die achtjährige Adoptivtochter Petra. Tár befindet sich am Höhepunkt ihrer Karriere, sie gehört zu den wenigen EGOTS – Personen die sowohl Emmy, Grammy, Oscar und Tony Award gewonnen haben – wird in Kürze Mahlers fünfte Sinfonie einspielen, hat gerade ihre Autobiografie veröffentlicht und wird aufgrund ihrer Eloquenz gern geladen, um vor großem Publikum ihre Ansichten zu vertreten. Tár kämpft aber, trotz ihres großen Erfolgs, auch mit enormen Selbstzweifeln und ist privat diversen Versuchungen in Form beispielsweise der neuen Cellistin Olga (Sophie Kauer) ausgesetzt….

Tár ist vor allem eines: Ein hervorragendes, detailverliebtes Psychogramm einer Frau, das sich jeglicher allgemeingültigen Deutung entzieht und das bewusst. Lydia Tár ist ganz klar keine Sympathieträgerin, sondern eine recht selbstzentrierte Persönlichkeit. Sie ist kühl, selbst den Menschen gegenüber, die ihr sehr nahe stehen. Manchmal wirkt Tár sogar richtig abstoßend, etwa in einer Schlüsselszene, die gar nichts mit ihrer musikalischen Identität zu tun hat. Als ihre kleine Tochter in der Schule von einer Schulkollegin drangsaliert wird, verhält sie sich so, wie man sich in dieser Situation m.E auf keinen Fall verhalten sollte: Sie schüchtert das betreffende Kind massiv ein, was auch seine Wirkung zeigt. Es lässt Petra fortan in Ruhe. Sie gibt Petra aber gleichzeitig überhaupt kein Handwerkszeug für das “Leben draußen” mit. Sie überlegt nicht mit ihr gemeinsam, wie man Konflikte mit Mitmenschen löst, wie man überhaupt mit anderen Kindern umgeht, sie löst das Problem mit Demonstration ihrer eigenen Machtposition – und tut dabei niemandem etwas Gutes.

Dennoch ist Lydia Tár auch faszinierend anzusehen, weil sie klug und differenziert ist – sie sieht die Welt nicht schwarz/weiß, sie sagt eine Menge sehr bemerkens- und nachdenkenswerter Dinge, regt ihre Studenten dazu an, sich nicht nach der gesellschaftlichen Mainstream oder Social Media Trends zu richten, sondern selbst zu denken und eigene Schlüsse zu ziehen. Társ Leidenschaft für Musik ist ansteckend, sie vermag es, das beste aus den ihr anvertrauten Musikern herauszuholen, sie ist eine engagierte Förderin, wenn sie das sein will, und sie ist stellenweise auch enorm selbstkritisch; ihre Versuche als Komponistin etwa beurteilt sie als weitgehend gescheitert, was ihr ziemlich zu schaffen macht. Die Leidenschaft für andere Frauen gefährdet ihre Position nicht nur in der Musikwelt, sondern auch in ihrem Privatleben. Kurzum: Sie ist ein Mensch und verhält sich auch so.

Der Film beschäftigt sich mit einer Vielzahlt von Themen wie Political Correctness und das Durchsetzen als Frau in einer männerdominierten Branche ebenso wie “Me Too” und Missbrauch von Machtpositionen – eröffnet aber auch eine Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, der Bedeutung und Schönheit von Musik, sowie dem tieferen Sinn des eigenen Lebens, des Strebens und Scheiterns. Teilweise wird das alles durchaus langsam erzählt, was mich nicht stört, im Gegenteil, mich fesselt es trotzdem oder sogar deswegen. Dass Cate Blanchett eine herausragende Schauspielerin ist, ist desweiteren kein großes Geheimnis, ich habe sie aber noch nie so überzeugend gesehen wie in dieser Rolle. Flankiert von einem großartigen Emsemble angefangen von ihrer devot-instabilen Assistentin Francesa (Noémie Merlant), über den aalglatten Financier Eliot Kaplan (Mark Strong), der auf Társ Erfolg neidisch ist, bis zu der kleinen Petra (Mila Bogojevic), als Kinderdarstellerin keine Verlegenheitslösung.

Anzumerken ist noch, dass die Österreicherin Monika Willi für den Oscar in der Kategorie Schnitt nominiert ist – neben den Nominierungen für Film, Hauptdarstellerin, Regie, Drehbuch und Kamera – und, dass der Trailer des Filmes relativ misslungen ist; er fängt den Geist des Filmes meiner Meinung nach gar nicht ein, sondern geht eher in die Mistery-Richtung. Also davon nicht irritieren lassen.

Rage

Gestern hab ich ein Standard Interview mit Klimaforscherin Kromp-Kolb gelesen, die am liebsten die Formel 1 verbieten würde, wegen Klima.

Vorneweg gesagt: Ich habe kein Auto mehr. Ich habe nicht vor, in diesem Leben nochmal eines zu besitzen oder auch nur zu lenken. Ich erledige 70 Prozent meiner Alltagsaktivitäten zu Fuß, den Rest mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Heute ist der 3. März und ich bin in diesem Jahr erst zweimal in einem Auto mitgefahren. Auf Urlaub mit Auto ist auch schon fünf Jahre her. Also ich bin überhaupt kein “Auto-Mensch”

Dennoch triggert es mich unheimlich, wenn ich diese Selbstgerechtheit lese, die dieses gesamte Interview atmet. Die Formel 1 Rennen werden quasi mit Tierhatz im alten Rom verglichen, der Sport ist menschenverachtend. Gehts vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Ich finde es sagenhaft, wie Leute sich immer wieder hinsetzen und anderen erzählen wollen, was sinnvoll ist oder nicht, woran sie sich in ihrer Freizeit erfreuen dürfen und woran nicht. Hint: Meistens ist das entbehrlich, dem die interviewte Person persönlich nichts abgewinnen kann. Und diese Ideen von: Jedem Menschen wird ein CO2 Punktekonto zugeteilt, dass er dann verwenden kann oder eher muss. Überhaupt nicht totalitär, gar nicht datenschutz-rechtlich bedenklich, aber wo! Muss man jetzt schon wieder ExpertInnen zu Wort kommen lassen, die eh schon ihre festgefahrene Meinung haben und für Diskurs in keiner Weise offen sind und ihre Äußerungen gern als sakrosankt betrachten?

Am besten in dem Interview ist allerdings folgender Satz, als es darum geht, ob sich Sportler politisch äußern dürfen oder nicht. Kromp-Kolb sagt: “Wenn Sportlerinnen und Sportler als Menschen gesehen werden, muss man ihnen Anschauungen zugestehen, die sie auch zum Ausdruck bringen dürfen.” Also ich bilde mir ein, dass Sportler in den letzten Jahren durchaus ab und zu ihre Meinung gesagt haben und die durften dann im Zweifel nicht mal mehr an Wettkämpfen teilnehmen, weil es leider die falsche Meinung war. Also was soll dieses Geheuchel? Nochmal: Ich bin durchaus dafür, über Klimaschutz zu sprechen, aber bitte mit einer anderen Attitüde. Sonst tut man der Sache nämlich gar nichts Gutes.

Mama ragt wieder, würde das Kind sagen.

Schweden?

Jetzt haben wir in der ESC Vorentscheid-Saison die interessante Situation bei den Wettquoten, dass Schweden auf Platz eins liegt, obwohl sie noch gar keinen Act haben.

Also na ja, anders, sie haben ja das Melodifestivalen, eine riesiges Vorentscheids-Spektakel, ähnlich wie San Remo, und das Finale ist erst am 11. März. Aber: Loreen ist in dieses Finale eingezogen. Ja genau, die Loreen, die 2012 den Songcontest mit Euphoria gewann. Aber es war nicht nur ein Sieg, Euphoria gilt als der populärste Siegertitel, wenn man mal von Waterloo absieht – und hat viele Menschen dem ESC (wieder) nähergebracht. Im Merci Cherie Songcontest Podcast müssen die Gäste immer ihren Lieblingsbeitrag aller Zeiten nennen und da kommt wirklich jedes 2. Mal Euphoria – Marco und Alkis sind schon bisschen gernervt davon, harhar.

Andererseits hieß es im ESC Songcheck einmal richtigerweise, als Alexander Rybak (Sieger 2009) 2018 erneut antrat, wieso tut man sich das an, als Sieger noch einmal zum ESC zu fahren, man kann ja quasi nur verlieren. Songcheck Kommentator Freshtorge meinte: “Außer du bist Johnny Logan, dann kannst du es machen.” Was richtig ist, Johnny Logan zweiter Siegersong – Hold me now – war sogar noch besser als der erste (Whats another year).

Wie dem auch sei, Loreen will es nochmal wissen mit einem Song names Tattoo und das kommt offensichtlich sehr gut an, auch wenn wir noch nicht wissen, ob sie das Melodifestivalen tatsächlich gewinnt. Sie hat international aber eine enorme Fanbase hinter sich, singen und performen kann sie sowieso. Mal sehen was passiert.

P.S. Finnland hatte seinen Vorentscheid UMK schon und Käärijä mit Cha Cha Cha ist derzeit auf dem dritten Platz bei den Wettquoten. Auf dem 2. Platz ist die Ukraine, aber einen nochmaligen Solidaritätssieg wirds hoffentlich heuer nicht geben.

Toto Wolff

Ich schaue mit dem Sohn gerade die 5. Staffel von Drive to survive, der Formel 1 Doku-Serie auf Netflix. Der Blick hinter die Kulissen ist durchaus spannend – wundere mich selbst, dass ich das mal sage harhar.

Toto Wolff, Teamchef von Mercedes, find ich immer gleichzeitig merkwürdig, aber auch sehr lustig und er hat beim Englischsprechen einen extremen Wiener Akzent.

Ich so zum Kind: “Der redet so Englisch wie ich.”

Kind: “Der redet schlimmer als du!”

Ich werte das mal als Kompliment.

Everything Everywhere All At Once

Gestern habe ich mir Everything Everywhere All At Once angesehen. Ehrlich gesagt, hätt ich mir den Film normalerweise nicht ausgesucht, aber nachdem er für unglaubliche elf Oscars nominiert ist und einige davon wahrscheinlich auch bekommen wird – eventuell sogar “Best Film”, wollte ich mir darüber selbst ein Bild machen.

Im Mittelpunkt steht Evelyn Wang (Michelle Yeoh), die gemeinsam mit ihrem Mann Waymond (Ke Huy Quan) einen Waschsalon in den USA führt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Steuer werden sie bei der Finanzbehörde zu einer Beamtin namens Deirde (Jamie Lee Curtis) vorgeladen, und das gerade als Evelyns Vater aus China zu Besuch ist und sich Evelyns Konflikt mit ihrer Tochter Joy (Stephanie Hsu) zuspitzt, die dem Großvater ihre Lebenspartnerin vorstellen möchte. Beim Betreten der Behörde wird Evelyn von einer Entität, die von ihrem Mann Besitz ergreift, darüber informiert, dass es diverse Universen neben dem tatsächlichen gibt und sie dort andere Leben führen kann – sie soll dort gegen eine gewisse Jobu Tupaki kämpfen, die das Multiversum bedroht…

Unpopular opinion: Ich konnte mit dem Film absolut gar nichts anfangen. Die Grundidee, dass es verschiedene andere Welten gibt, in denen man leben kann, wenn man an gewissen Weggabelungen des Lebens anders abgebogen wäre, ist ja ausgesprochen interessant. Nur wird diese absolut nicht auserzählt. Einerseits gibt es (viel zu) viele Erklärungen zum “Multiversum” – Waymonds Entität erzählt recht umständlich, was man in einem Film immer zeigen sollte – andererseits ergeben seine Erläuterungen nicht wirklich Sinn und der Zuseher (oder zumindest ich) hat keine Ahnung, worauf das alles hinauslaufen soll.

Stattdessen folgen minutenlange Martial Arts Kampfszenen, schnelle Schnitte zwischen den verschiedenen Universen, eine Parade von unzähligen Kostümen und Schauplätzen (die Kostümdesign-Oscarnominierung ist wirklich gerechtfertigt), dazwischen ein paar dünne Dialoge und humoristische Versuche mit mehr oder weniger Erfolg, dann aber auch wieder eher unbeholfene Animationen, wie aus einem B-Movie (wobei: vielleicht beabsichtigt) und dabei bewegt sich die Handlung keinen Zentimeter vorwärts. Ehrlich gesagt sehe ich auch die schauspielerische Brillianz nicht – es wurden immerhin alle vier oben genannten Darsteller für den Oscar nominiert; aber viel mehr als dass sie über weite Strecken recht begabt wie überzeichnete Comicfiguren agieren erschließt sich da für mich nicht.

Ich finde normalerweise Filme, die “out of the box” denken, und etwas neues versuchen, dass man noch nicht gesehen hat gut und spannend. Ich mag auch Filme, die verwirrend sind, etwas schräg, deren Handlung man vielleicht nicht sofort oder auch gar nicht durchblickt. Ich brauche auch nicht unbedingt viel an Handlung an sich, wenn der Film in der Lage ist, sehr gut Stimmungen zu transportieren. Aber hier hab ich leider gar nichts gefunden, was mich irgenwie gefesselt, inspiriert oder auch nur kurzweilig unterhalten hätte.

Auf Rediff.com hab ich folgende Einschätzung gelesen, der ich mich vollinhaltlich anschließen kann: “The lack of anything substantial, whether it is characterisation or plot, makes EEAAO crumble under its lofty ambitions. And so, instead of saying a lot with very little, this film says very little with a lot.” Aber das ist eines der wenigen Reviews, die sich kritisch äußern, die meisten sind überschwänglich positiv. In meiner Vorstellung waren ein paar 10, 11 jährige, die sich fabelhaft unterhalten haben. Also am besten – wie immer – selbst eine Meinung bilden.

Verpuppt

Diese Woche hab ich mir online eine Lesung von der Bachmannpreisträgerin 2022 Ana Marwan zu ihrem neuen Roman Verpuppt angesehen. Der Roman wurde aus dem Slowenischen übertragen, sie hat aber die Übersetzung nicht selbst gemacht. Nun hat der Moderator Manfred Müller sie gefragt wie das so ist, wenn sie ihren Text einen Tag auf Slowenisch, am anderen auf Deutsch liest. Ana Marwan sagte, sie habe lange darüber nachgedacht, wie sie das Gefühl beschreiben solle:

Es ist so wie wenn man klein ist und einen Kanarienvogel hat und dieser stirbt und die Eltern ersetzen ihn durch einen neuen und niemand merkt wirklich den Unterschied, aber du selbst weißt es ganz genau.

Und im Nachsatz:

Als ich das bei meiner letzten Lesung auf einer Bühne das erste Mal erzählt habe, hab ich fast geweint. Ich weiß nicht warum. Ich hatte nie einen Kanarienvogel.

Jedenfalls eine sehr schöne Metapher.