almis personal blog

San Remo 3

Jetzt habe natürlich nicht nur ich alleine festgestellt, dass Simone Christicchis Song nicht so ESC “tauglich” ist, das wurde auch auf Social Media diskutiert. Wobei das bei Italien eher egal ist, weil auch Lieder, die anscheinend nicht “hinpassen”, gut ankommen. 1992 hat Italien nach seinem Sieg im Vorjahr Peppino di Capri geschickt, der einen ur sperrigen Song im neapolitanischen Dialekt gesungen hat, nur, damit sie nicht wieder gewinnen und der wurde auch 7. harhar.

Bei Christicci hat jemand aber dann den guten Einwand gebracht: Er muss ja gar nicht hinfahren. Dieses Jahr mussten die Künstler schon vor dem Wettbewerb in einer Erklärung festlegen, ob sie im Falle eines Sieges zum ESC fahren möchten oder nicht. Weiters wurde bekannt, dass Simone Christicci gesagt hat, dass er im letzten Jahr – als Amadeus das Festival leitete und moderierte – abgelehnt wurde, rückblickend betrachtet, sich, laut eigener Aussage, aber eh unwohl gefühlt hätte. Carlo Conti, der dieses Jahr verantwortlich ist, hat tatsächlich einen anderen Stil, konservativer und gediegener kommt mir vor. Amadeus war sehr “divers”.

Wobei Sidestep, Amadeus hatte 2022 die Kunstfigur Drusilla zu Gast, und die meinte, sie wäre kein Fan vom Wort divers bzw. “diversità”. Weil das nämlich so ein trennendes Wort sei, das den Fokus darauf legt, wie anders jemand wäre. Ihr gefalle das Wort “unicità” besser, das “Einzigartigkeit” bedeutet. Jeder ist einzigartig, aber das wäre nicht so voneinander abgrenzend. Ich finde, die Argumentation hat schon was.

Naja, jedenfalls haben dann einige geschrieben, wenn Christicci sich schon bei Amadeus unwohl fühlt, seine Verletzlichkeit auf der Bühne zu zeigen, wie fühlt er sich dann beim Songcontest? Auch eine berechtigte Frage. Es könnte jedenfalls heute Abend (bzw. eher morgen Früh) spannend werden, falls Christicci tatsächlich gewinnen sollte und aber nicht zum ESC will. Das gabs schon länger nicht. Wer jedenfalls gar nicht abgeneigt wäre statt ihm zu fahren, ist definitiv Achille Lauro. Harhar. Wir werden sehen. Vielleicht gewinnt ja jemand ganz anderer.

San Remo 2

Voriges Jahr huldigte man der Langweile – Angelina Mango besang La Noia, heuer ist großteils ziemlich gedrückte und melancholische Stimmung beim Festival.

Einer der Favoriten scheint Simone Cristicchi zu sein, der Abend für Abend seine persönliche via dolorosa beschreitet. Ich versuche ja immer in sehr mühevoller Kleinarbeit die Texte der Lieder selbst zu übersetzen. Christicci besingt in seinem Song Quando sarai piccola jedenfalls die Demenzerkrankung seiner Mutter, und wie er ihr dabei hilft, sich daran zu erinnern, in welcher Straße sie wohnt, was der Ring an ihrem Finger bedeutet, wie viele Kinder sie hat und wann ihr Geburtstag ist, nämlich am 20. März. Ein Song, der im Sprechgesang dargeboten wird und – wie bei diesen Themen oft der Fall – irgendwo zwischen echter Rührung, Kitsch und auch ein bisschen unangenehmer Beklemmung liegt. Das kommt anscheinend irrsinnig gut an, wäre aber auch irrsinnig untauglich als ESC Beitrag harhar, was den Italienern traditionell eher wurscht ist.

Achille Lauro ist den Nerds schon lange bekannt und wird auch diesmal mit “Achilleeee” Rufen empfangen. Lauro, noch in guter Erinnerung als Stripper – dem Song, mit dem er halbnackt vor drei Jahren für San Marino angetreten ist – gibt sich diesmal sehr seriös, als Dandy, im Frack, später im Nadelstreif. Er erzählt uns eine traurige Geschichte mit dem Titel Incoscienti giovani, die Liebe, so Lauro, sei “so ist wie Regen in der Villa Borghese.” Das Paar, das er besingt, hat im Peugeot übernachtet und er hat sie vom Autogrill aus angerufen und gedroht: “Se non mi ami muoio giovane” – wenn du mich nicht liebst, werde ich jung sterben. Okaaay. Achille Lauro mit den großen Gesten, wie wir ihn kennen. Den Song mag ich sehr!

Achile Lauro performt Incoscienti giovani – Screenshot by me

Brunori Sas besingt L’albero delle noci, einen Nussbaum und er möchte ohne Worte singen – das hat mich ein bisschen an Queer von William S. Buroughs erinnert. Fedez will überhaupt gleich seinen Partner(in) in Therapie schicken. Auch Willie Peytone ist unzufrieden und meint Grazie, ma no grazie (“Danke, aber nein danke”), ein schwieriger Titel, finde ich, weil er zu so vielen bösen Kalauern einlädt. Sarah Toscano hat ihren Song Amarcord genannt, vermutlich als Homage an den wunderschönen Fellini Film.

Super auch Fuorilegge (“Ungesetzlich”) von Rose Villian. Nomen est Omen. Villian mit schönen blauen Haaren besingt Bonny und Clyde und die “Nostalgia Puttana” – Nostalgie, diese ähm Prostituierte. Das Wort müsste für den ESC auf jedenfall raus, aber ich glaube nicht, dass Villian Chancen auf den Sieg hat, obwohl ihr Song schon auf meiner Playliste ist.

Popera und ESC

Seit dieser Woche wissen wir also, wer Österreich heuer beim ESC vertreten wird.

Es ist jemand nicht ganz Unbekannter, sogar ich habe ihn einmal bei Starmania gesehen, während der Coronazeit. Und weil mich einige gefragt haben, was ich zu ihm, nämlich JJ, meine. Ich traue mich noch nicht wirklich etwas sagen, solange der Song noch nicht bekannt ist, der immerhin von Teya mitgeschrieben wurde. Teya, die vor zwei Jahren gemeinsam mit Salena nicht nur Who the Hell is Edgar performt, sondern auch geschrieben hat. Ich war ein großer Fan dieses Songs. Mein erster Gedanke war aber, nachdem JJ ein Opernsänger ist: Wie viel Popera verträgt der ESC?

In den letzten zehn Jahren gab es ja vereinzelt immer wieder Popera-Acts. Il Volo hat 2015 mit Grande Amore – einem zwar italienischen Song, dessen ganzen Text man aber problemlos “erfühlen” kann- sogar das Publikumsvoting gewonnen, insgesamt wurden sie Dritter. 2018 trat Elina Netšajeva mit La Forza, ebenfalls auf Italienisch interpretiert, für Estland an. Ein Song, den Alina Stiegler, Moderatorin des ESC Songchecks folgendermaßen kommentierte: “Genauso stelle ich mir eine Migräne mit Aura vor.” Harhar. Für diese Aussage kam Stiegler beinahe auf die Watchlist in Estland. La Forza landete aber doch auf dem achten Platz.

Und gleich im Jahr darauf, 2019, versuchte sich auch Australien mit Kate Miller-Heidke und Zero Gravity, einem Song, in dem sie über postnatale Depressionen singt, ebenfalls an diesem Genre. Ihr Auftritt wird aber vor allem wegen dem “Baumeln an meterhohen Stecken” in Erinnerung bleiben. Ein Staging, von dem Alkis vom Merci Cherie Podcast sagte: “Das war so großartig”. Das muss man auch erst mal schaffen, so zu singen, und dabei noch durch die Luft zu fliegen; ich hatte ja dauernd Angst, dass die Akteurinnen irgendwann einmal frontal zusammenstoßen. Sie wurde jedenfalls Neunte.

Also durchaus ganz gute Platzierungen. Heuer wird aber das Problem möglicherweise sein, dass Nemo erst im vorigen Jahr mit The Code den ESC gewonnen hat und The Code war ja auch “Popera” im weitesten Sinn, zumindest gab es einige opernhafte Passagen. Ich glaube daher, dass das Publikum heuer dann lieber etwas anderes sehen möchte, dass der Zeitgeist etwas Abwechslung verlangt. Aber vielleicht irre ich mich ja auch.

Frohes Fest, drei

Das Kind hat dann gemeint, als Little Drummer Boy von Bing Cosby und David Bowie lief, das sei so ein Song, der auch bei Opa gelaufen wäre. Ich finde es ja schön, dass er zumindest ein paar Erinnerungen an meinen Papa hat, den er selten gesehen hat, vornehmlich eben zu Weihnachten. Und da weiß er eben noch, dass der Opa Backhendel gemacht hat und welche Musik gespielt wurde. Das Kind nimmt die Dinge so wie sie sind, bewahrt sich die schönen Erinnerungen, hadert mit nichts, das bewundere ich an ihm.

Früher, in meinen eigenen Kindheitsweihnachten, habe ich meine Eltern dafür bewundert, wie sie den heiligen Abend “geschafft” haben. Meine Mutter musste immer bis Mittag arbeiten, dann gingen sie auf den Friedhof und dennoch gab es um 17 Uhr Bescherung mit großem geschmückten Baum und perfektem Essen. Den 24. selbst habe ich bei meinen Großeltern verbracht, wie sowieso den Großteil meiner Kindheit. Ich habe mit meinem Opa ferngesehen, alte Märchen und sonstiges heilig-Abend Programm und wir haben Karten mit Oma gespielt und es war immer sehr lustig. Als wir uns anzogen, um zu meinen Eltern zu gehen, habe ich jedes Jahr gehofft, dass das nicht das letzte Jahr sein wird, wo wir alle drei zusammen losgehen können. Einmal, als wir das Haus verließen, hat es wirklich viel geschneit und die Straße blieb schneebedeckt, weil keine Autos fuhren, das ist die beste Erinnerung. Die Stadt war ganz leise und nur wir drei waren auf der Straße, um zur Bescherung zu gehen. Ich hatte das Glück, dass ich längst erwachsen war, als es wirklich nicht mehr so war, dass wir zu dritt waren. In einem Jahr war ich bei meiner Oma im Spital, die zu mir meinte, sie hätte immer gedacht, es wäre furchtbar, zu Weihnachten im Krankenhaus zu sein, aber es sei irgendwie doch gar nicht so übel. Ein paar Jahre später war ich zu Weihnachten auf der Neugeborenen Intensivstation.

Letztendlich hatte meine Oma recht, auch wenn die Voraussetzungen nicht die besten sind, wenn man nicht in der Stimmung für Weihnachten ist, auch wenn einem das Herz gerade zu den Feiertagen manchmal schwer ist. Auch wenn man jemand sehr vermisst, kann man doch immer etwas schönes, gemütliches und tröstliches finden. Eine liebe Whatsapp-Weihachtnachricht von dem, an den man eh immer denkt oder wenn das Kind ins Zimmer kommt, um einem irgendwas auf TikTok zu zeigen oder etwas zu erzählen. Oder einfach nur stundenlang am Sofa Wer wird Millionär schauen als perfekter Eskapismus nach einem langem Abendspaziergang.

Wieder mal eine perfekte Frage für mich

Das Beste aus der Schweiz

Der Merci Cherie Podcast führte wieder eines seiner allseits beliebten Rankings durch. Wie jedes Jahr um diese Zeit sollen wir Hörer unsere Top 10 des diesjährig siegreichen Landes abgeben, was 2024 ja bekanntlich die Schweiz war. Marco Schreuder hat mich persönlich angeschrieben, ob ich nicht wieder mitmachen will. Also habe ich mich durch alle Schweizer Songs seit 1956 gehört, im Schnelldurchlauf.

Natürlich ist mir das näher, was ab den 1980er Jahren stattgefunden hat und die sehr aktuellen Songs hat man auch noch mehr im Ohr, aber irgendeinen Bias hat sowieso jeder. Außerdem neige ich nicht zu prätentiösen Listen, ich nehme einfach was mir gefällt, auch wenns uncool ist.

In diesem Sinne habe ich Celine Dion nach reiflicher Überlegung 12 Punkte gegeben für ihr Siegerlied von 1988 Ne partez pas sans moi. Sorry Marco, ich hab meine Wertung nicht eingesprochen, weil ich kann nicht französisch und es würde sicher furchtbar klingen, wenn diesen Titel ausspreche. Jedenfalls finde ich, dass dieser Song einen großen Empowermentfaktor hat und auch super gealtert ist. Trotzdem werden wir Celine Dion wohl nächstes Jahr nicht in Basel sehen, da sie mit dem ESC nicht mehr allzuviel zu tun haben will und angeblich angeblich immer erzählt, sie hätte irgendwann einmal einen “europäischen Gesangswettbewerb” gewonnen, um nicht das böse Wort “Song Contest” aussprechen zu müssen, harhar.

Knapp dahinter ist etwas recht aktuelles, nämlich Gjion’s Tears mit Tout L’Univers aus dem Jahr 2021. Ich verstehe zwar auch hier den Text nicht, aber trotzdem hat mich dieser Song von Anfang an berührt. Gjon’s Tears hat ja seinen Namen, weil sein Großvater immer geweint hat, wenn er gesungen hat, wieso also nicht auch ich. Sein Bühnenauftritt war dagegen aber richtig edgy und avangardistisch, was ein gutes Gegengewicht zum Pathos bildet. Ich habe übrigens auch den “Lost Song” von Gjon’s Tears aus 2020 in meiner Wertung, nämlich Répondez-moi, der ist ein bisschen sperriger, aber für mich auch sehr schön. Ach ja, Tout L’Univers hat damals die Jurywertung gewonnen und wurde insgesamt Dritter.

Auf Platz 3 in meinem Ranking ein wirkliches Guilty Pleasure Stück, nämlich She Got Me von Luca Hänni aus dem Jahr 2019. Das hat so irgendwie was Vorstadtcasanova-haftes, sowohl Hänni, als auch das Lied. Marco Schreuder meinte damals im Podcast, das wäre so ein richtiger Reißbrettsong, aber ein gut gemachter, und dem kann ich mich nur anschließen. Total catchy und lustig, kam auch live super an, weil das so ein richtiger Partyknaller ist. Hänni wurde Vierter.

Wenn man wissen will, wie die Podcast-Wertung insgesamt so ausgegangen ist, kann bzw sollte man sich die neue Folge von Merci Cherie anhören. Aber ich sage einmal so: ganz überraschend ist der Sieger oder vielleicht doch die Siegerin jetzt nicht. Harhar.

ESC: San Remo 2025

Auch das italienische Musikfestival San Remo, das immer in einer Woche im Februar über die Bühne geht, hat seine Teilnehmer bekannt gegeben.

Ich würde aber nicht so weit gehen, San Remo einen Songcontest Vorentscheid zu nennen, denn San Remo ist für Italienerinnen und Italiener immer wesentlich wichtiger gewesen, dort feiern sie ihre Musikszene und der ESC ist ihnen immer auch ein bisschen wurscht, kommt einem vor. Dass der Sieger angeboten bekommt, dann beim ESC anzutreten, ist halt ein nettes Zuckerl. Trotzdem (oder auch deswegen) zählt Italien zu den erfolgreichsten Nationen, nicht unbedingt was Siege betrifft – obwohl sie immerhin auch schon dreimal gewonnen haben, bei 13 Jahren, in dem sie auf eine Teilnahmer verzichtet haben- aber sie schaffen es fast immer in die Top zehn und sie haben auch immer super Songs, quer durch allen möglichen Genres.

Nächstes Jahr treten auch hier gleich drei ex ESC-Kandidaten an. Zum einen Achille Lauro, der von der Bubble als bizarrer Performance Künstler geschätzt wird. Ich gebe zu, ich kenne sein Gesamtwerk nicht so wirklich, aber er ist auf jeden Fall als Person interessant. Achille Lauro, eigentlich Lauro de Marinis, hat seinen Künstlernamen von einem 1994 gesunkenen Schiff. Nachdem er bei San Remo 2022 nicht siegreich war, trat er beim Vorentschein in San Marino an und gewann diesen mit dem Song Stripper. Selbst seine Fans war nicht so wirklich überzeugt von gerade diesem Lied und er kam damit auch nicht ins Finale. Mal sehen, wie es nächstes Jahr läuft.

Der zweite Wiederkehrer ist Francesco Gabbani. Gabbani war 2017 als sicherer Sieger mit dem sehr witzigen und coolen Song Occidentalis Karma nach Kiew gekommen. Er ist dort an mehreren Faktoren gescheitert. 1. Der Song musste auf drei Minuten runtergekürzt werden, und das wurde ziemlich stümpferhaft durchgeführt 2. Die Bühnenshow war eine Katastrophe 3. Laut Andi Knoll und anderen Insider hat er im Laufe der Zeit in Kiew seine Lockerheit verloren, vielleicht auch weil 4. plötzlich da ein junger Portugiese war, der kurz vor einer sehr gefährlichen Herzoperation stand und dessen Schwester ein wahnsinnig schönes, tieftrauriges Lied für ihn geschrieben hatte. Sie vertrat ihn auch in den Proben. Er stand beim Finale einfach nur da und sang seinen Song. Dieser Mann hieß Salvador Sobral und er gewann den Bewerb letztendlich mit Amar pelos dois, und wer kann es ihm verübeln. In der Reprise interpretierte er das Lied dann gemeinsam mit seiner Schwester. Ach ja und die Herz OP war erfolgreich. Gabbani wurde Sechster.

Die Dritte ist Francesca Michielin, die 2016 beim ESC dabei war. Sie hatte San Remo zwar nicht gewonnen, nachdem die Sieger aber damals nicht fahren wollten, trat sie in Stockholm an und belegte mit No Degree of Separation den, besondern für italienische Verhältnisse, recht enttäuschenden 16. Platz. Mehr kann ich dazu nicht sagen, ich habe diesen ESC tatsächlich nicht gesehen, weil ich auf einer Hochzeit war.

Jedenfalls kann man sich auf San Remo immer freuen und ich finde sicher wieder den einen oder anderen Song für meine persönliche Playlist.

ESC: Melfest 2025

“Dr. Eurovision” Irving Volter sagte einmal über Schweden als ESC Teilnehmer: “Die Schweden haben es einfach drauf, seelenlosen Massenpop so zu verpacken, dass man ihn gut findet.” In diesem Sinne News von, wenn man so will, Bayern München des ESC, und zwar vom Melodifestivalen, dem berühmten schwedischen Vorentscheid. Es werden nächstes Jahr gleich zwei ehemalige ESC-Stars erneut teilnehmen. Und in der Bubble alle so: Nicht schon wieder ein schwedischer Sieg.

Es handelt sich um Måns Zelmerlöw und John Lundvik. Ganz ehrlich: Ich hatte (und habe bis heute) keine Liebe für Too Late For Love, dem Song, mit dem Lundvik 2019 antrat. Ich mag solchen Soul-Gospel Schmalz ja überhaupt nicht und das Lied war so unfassbar generisch und altbacken, dass es für mich schwer auszuhalten war. Aber Gott sei Dank sind Geschmäcker ja verschieden und so wurde Lundvik trotz meines Unverständnisses Fünfter.

Zelmerlöw habe ich 2015 beim ESC in Wien live gesehen, wir erinnern uns ja alle, dass er diesen mit seinem Song Heroes auch gewann. Ich hatte andere Lieblinge, wie zum Beispiel das wunderschöne Goodbye to Yesterday aus Estland (7. Platz) das zu meinen all time ESC Favorits gehört oder den Disco Knaller Golden Boy aus Israel (9. Platz) mit den unsterblichen Zeilen: “And before I leave, let me show you Tel Aviv” Aber an Heroes fand ich zumindest den echt dunklen und beklemmenden Text super, harhar. Und Zelmerlöw war ja seitdem bei fast jedem ESC im Einsatz als Moderator, Sidekick und auch als Intervall Act. Irgendwie kann er nicht so richtig ohne Songcontest, aber die Fallhöhe ist halt enorm, wenn man schon einmal gewonnen hat.

Ich bin neugierig, ob wirklich einer von den beiden das Melodienfestivalen gewinnt und hoffe trotzdem auf eine halbwegs spannende ESC Saison.

ESC: Raab ist zurück, zwei

Mittlerweile hat Stefan Raab eine Pressekonferenz zu seinem ESC-Engagement gegeben. Es nennt sich “Chefsache ESC 2025”, was ich nett und auch selbstironisch finde. Er hat gesagt: “Natürlich fahren wir dahin, um zu gewinnen. Sollten wir nur Zweiter werden, können Sie mich gerne abstrafen, dafür stehe ich zur Verfügung.”

Das ist doch mal eine Ansage, nicht so wie sonst immer quasi “Dabeisein ist alles” und super, wenn wir es in die Top 15 schaffen, weil so klingt es dann leider auch. Das mag ich, wenn jemand sich wirklich engagiert, das spricht für die Motivation.

Leider wird Barbara Schöneberger anscheinend doch wieder moderieren und alle auf X so: “Whyyy?” Ja, warum, wir hatten in der Internet Schiene des WDR so viele tolle Leute, die die Songcheck-Sendungen gemacht haben, die den Bewerb lieben und ihn besser kennen als ich – also nicht, dass ich der Nabel der Welt wäre, aber das ist bei mir immer so eine Richtschnur, weil ich, denke ich, recht viel über den ESC speziell der letzten zehn Jahre weiß, aber da kann ich noch einiges dazulernen. Und die waren obendrein auch wirklich witzig.

Raab hat auch gesagt: “Das ist mal eine Veranstaltung, wo nochmal alle Leute zusammenkommen können, und vielleicht auch mal gemeinsam was genießen können, deswegen macht es so großen Spaß, sowas nochmal zu machen. In einer Zeit, wo ansonsten nur noch Blasen existieren, die parallel zueinander funktionieren, aber nicht miteinander.”

Ich glaube, da hat er den ESC heuer in Malmö nicht gesehen, harhar. Leider ist selbst der Songcontest nicht mehr von Spaltungstendenzen gefeit, aber ich weiß was er meint, und ich hoffe sehr, dass es im neutralen Basel nächstes Jahr wieder anders laufen wird.

ESC: Raab ist zurück

Wieder einmal ESC-News. Stefan Raab ist nicht nur (so halb) zurück im TV, sondern auch voll und ganz beim ESC. Er wird, wie es heißt, eine wichtige Rolle beim deutschen Vorentscheid spielen und das kommt ja nicht von ungefähr.

Deutschland tut sich seit Jahren beim Songcontest äußerst schwer, seit dem Sieg von Lena 2010 mit Satellite waren sie nur einmal in den Top fünf und dafür aber viermal gleich auf dem letzten Platz, dreimal auf dem vorletzten. Und sind wir uns ehrlich: Wäre Deutschland nicht als Mitglied der Big Five jedes Jahr fix gesetzt, hätten sie es meistens nicht ins Finale geschafft. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, die anderen der Big Five hätten es oft auch nicht leicht, Ausnahme Italien.

Der ganze deutsche Vorentscheid ist jedenfalls fast immer ein Trauerspiel – inklusive der ur schlechten Moderation von Barbara Schöneberger, die den Bewerb offensichtlich hasst. Das ist ihr gutes Recht, aber was macht sie dann dort. Jedenfalls waren die Songs in den letzten Jahren meistens eher von trauriger Qualität und man kann nur den Teilnehmer Jendrik zitieren, der im Jahr 2021 für Deutschland antrat und in seinem Lied die ikonischen Zeilen sang: “I don’t feel hate. I just feel sorry.”

Raab hingegen hat eine super Bilanz, mit seinen eigenen Kompositionen reichte es immer zu einem guten Platz. Guildo Horn belegte 1998 mit Guildo hat euch lieb in der noch Spaß-Ära des ESC den siebten Platz, Raab selbst wurde im Jahr 2000 Fünfter mit Wadde hadde dudde da. Legendär und auch eher ein singuläres Vergnügen: Österreich gab damals 12 Punkte. Max Mutzke wurde mit einer Raab Komposition 2004 Achter. Lenas Song hat Raab zwar nicht geschrieben, aber er hat sie ausgewählt und gemanagt, was 2010 zum Sieg führte. Ähnliches gilt für Roman Lob 2012 (8. Platz).

Natürlich ist viel Zeit vergangen, Raab ist wie wir alle älter geworden, ob er noch sein Mojo hat, keine Ahnung, aber viel schlechter kann es jetzt ja auch nicht werden, harhar. Also immerhin eine spannende Entscheidung und die Vorentscheidshow wird hoffentlich auch einen Quantensprung in Sachen Qualität erleben.

Fade to Black

Ich habe schon so lange nichts über den ESC geschrieben und jetzt habe ich endlich wieder einen Vorwand gefunden.

Nadir Rustamli, der Sänger, der 2022 für Aserbaidschan mit dem Song Fade to Black angetreten ist, hat gestern beim Formel 1 Grand Prix in Baku die Hymne seines Landes gesungen und ich habe ihn an der Stimme erkannt ohne hinzusehen! Mein ESC-bezogenes Wissen ist schon erstaunlich bis bedenklich harhar. Um Rustamli gab es damals eine Kontroverse, weil er es nämlich ausschließlich mit Jurypunkten ins Finale geschafft hat, er hat keinen einzigen Publikumspunkt bekommen. Er belegte im Finale den 16. Platz und danach wurde das Reglement geändert, nicht nur wegen ihm, aber auch; mittlerweile gibt es in den Semifinali nämlich nur noch eine Publikumswertung (was aber auch seine Tücken hat).

Im ESC Songcheck wurde Fade to Black besprochen und hat leider kaum Anklang gefunden. Der Song und das sehr stylische Video erzählen von einer gescheiterten Beziehung und Songchecker Consi Zöller meinte damals über Rustamli im Video, super, “(…) dass er seinen Schmerz gerade noch so lange zurückzuhalten konnte, bis sein Outfit on fleek war.” Und “Das ist halt wahnsinnig eitel, der wirkt so, als würde er parallel zu dem Video ein Covershooting für ein Herrenmagazin absolvieren.” Fazit: “Ich kauf dem irgendwie nichts davon ab, das wirkt total affektiv und aufgesetzt.” Ikonisch wurde allerdings in diesem Song die leidende Anklage an “the weather”, das ja im Prinzip am allem schuld ist, im Zweifelsfall auch am Ende einer Beziehung.

Was man allerdings sagen kann ist, dass Rustamli wirklich sehr gut singen kann, was ja beim ESC durchaus von Vorteil ist, weil es nicht für alle Kandidaten gilt. Und er hat auch gestern absolut sicher gesungen.

Ich könnte noch so viel zu Aserbaidschan beim ESC erzählen, aber das erspare ich uns allen. Vorläufig! harhar.