almis personal blog

Erika Freeman

Dirk Stermann hat ein Buch über Erika Freeman geschrieben, eine aus Österreich stammendene jüdische Psychoanalytikerin, die als Kind in die USA emigrieren musste und dort die Therapeutin diverser Hollywoodstars wurde. Das Buch heißt Mir gehts gut, wenn nicht heute dann morgen.

Stermann hatte Freeman als Gast in seiner (und Grissemanns) Sendung Willkommen Österreich im Jahr 2019 kennengelernt, damals war sie erst 92, und die beiden haben sich schnell angefreundet. Nachdem Freeman nach einer Operation während der Coronazeit nicht mehr nach New York zurückreisen konnte, lebt sie seitdem im Wiener Hotel Imperial. Stermann hat sie monatelang jeden Mittwoch dort besucht, mit ihr gefrühstückt und über das (und vor allem ihr) Leben gesprochen.

Herausgekommen ist keine klassische Biografie, denn Freeman regt Stermann immer dazu an, nicht zu chronologisch zu denken und zu schreiben, sondern eher assoziativ; dennoch weiß man am Ende sehr vieles aus ihrem Leben, die mit zwölf Jahren alleine in die USA zu Verwandten ausgewandert ist, welche sie aber nicht bei sich haben wollten. Die sich von da an alleine durchgeschlagen und studiert hat, erfolgreiche Analytikerin wurde und früh den Ehemann verloren hat. Dabei immer eine erstaunlich positive Lebenseinstellung bewahrt hat, in der sie nichts schwarz/weiß sieht und Verständnis für alle Menschen, ja sogar eine wirklich authentische Liebe zu ihnen vermittelt. Und viel Humor und Lebensklugheit.

An sich wollte Stermann das Buch “Erika, mittwochs” nennen, doch das war ihm zu schlüpfrig, vor allem, als ein Freund zu ihm gesagt hat, ob das mit Freeman denn so eine Art Harold und Maude-Geschichte werden würde. Worauf Stermann meinte, dazu sei er nicht knabenhaft genug, es wäre eher Maude/Maude. Der tatsächliche Titel ist eine Aussage von Freeman, nachdem sie nach einer lebensbedrohlichen Situation wieder ins Imperial zurückgekehrt war und Stermann sie gefragt hatte, wie es ihr denn gehe. Freeman selbst findet den Titel etwas zu lang.

Es gibt soviel zitierenswertes in dem Buch, dass es schwerfällt, etwas speziell herauszupicken, und am besten mal liest es selbst, weil es auch sehr stimmungsvoll verfasst ist, aber zwei Dinge möchte ich schon erwähnen. Zum einen die Aussage: “Manche Menschen brauchen mal ein Durcheinander, wenn sie Angst haben vor einem Miteinander.” Darüber hab ich länger nachgedacht. Sehr schön fand ich auch, als Stermann Freeman eine Mesusa schenkt, die sie dann am Türpfosten ihres Zimmer befestigen lässt und der Hotelangestellte, der das macht, stellt anschließend fest, dass sie schief aufgehängt ist. Worauf Freeman sagt: “Das ist in Ordnung. Nur Gott kann Dinge richtig machen, Menschen machen Fehler”. Das ist doch tröstlich, oder?

P.S. Wie immer unbezahlte Werbung und ich möchte meiner Freundin L. danken, die mir das Buch bei einem Buchhandlungsbesuch, bei dem wir herumgestöbert haben und ich daran Interesse zeigte, quasi hinter meinem Rücken gekauft und geschenkt hat. Große Freude darüber.

Bester Dialog

Heute wurde der Bachmannpreis verliehen und zwar an Ana Marwan. Mir gefällt ihr Text sehr gut.

Den besten Dialog der diesjährigen TDDL lieferten Vea Kaiser und Philipp Tingler, die sich gegenseitig nicht besonders grün sind, zumindest in der Außenperspektive. Es ging dabei um den Text von Elias Hirschl.

Vea: Es wird nie gesagt, dass der Sprecher, die Sprecherin (des Textes, Anm.) eine Frau ist, das kann genauso ein Mann sein.

Tingler: Nicht wirklich.

Vea: Es gibt keinen Hinweis darauf, ich hab es extra nochmal gelesen.

Tingler: Sie ist auf Tinder.

Vea: Na und?

Tingler: Wenn sie ein Mann wäre, wäre sie auf grindr um Jonas zu finden und nicht auf Tinder.

Vea: Da kenn ich mich zuwenig aus

Tingler: Ja offenbar. Das ist der Hinweis.

Vea: (…) Das eine schließt das andere nicht aus, weil das ist ja die Welt von übermorgen, vielleicht sind dann übermorgen auch Männer auf Tinder.

Tingler: Es sind Männer auf Tinder – schon jetzt.

Vea: Männer, die Männer suchen.

Tingler: Aha.

Neues Leben, achtzehn

Die nächste Ablenkung für mich ist da und zwar in Form der Tage der deutschsprachigen Literatur, aka Ingeborg Bachmann Preis. Habe heute einiges verfolgt.

Den Anfang machte Hannes Stein, der Text gefiel mir nicht, aber er endete mit: “(…) nicht einmal ein Sterbenswort”. Was eventuell ein ganz toller versteckter Hinweis auf Ingeborg Bachmann selbst sein könnte, ihr Gedicht Ihr Worte endet sie nämlich genau so: “Kein Sterbenswort, ihr Worte!” Ich war etwas enttäuscht, dass in der Jury keiner darauf Bezug nahm. Bedeutet das, dass ich eine besonders schlaue Germanistin bin oder, dass ich etwas heillos überinterpretiere?

Sehr amüsant war der Text von Leon Engler Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten. Alleine bei dem Titel schrillen natürlich alle Alarmglocken und Schilder mit “Vorsicht Popliteratur” tauchen vor dem geistigen Auge auf, dazu Namen wie Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad Barre. Natürlich völlig zurecht. Das, was Engler da schreibt, ist Popliteratur in der Tradition der späten 90er.. Aber wie gesagt sehr unterhaltsam. Die Juroren diskutieren danach über den Text und sprechen über die Kant-Krise bei Kleist. Daraufhin komme ich mir gar nicht mehr wie eine schlaue Germanistin vor, denn in 15 Jahren Studium (alles in allem) habe ich niemals von der Kant Krise bei Kleist gehört. Aber der Begriff eignet sich ziemlich gut zum Angeben, finde ich.

Außerdem lese ich gerade viel Ratgeberliteratur und manches passt so gut auf meine Situation und meinen Charakter, zu meiner Lebensgeschichte, meinen Voraussetzungen, eben alles, was mich dahin geführt haben, wo ich jetzt eben bin, dass ich wirklich staunend davorsitze. Ich lese 70 Seiten eines Buches und es ist so als würde mir das Buch eine ganze Beziehung erklären. Es tut gut, alles besser zu verstehen was passiert ist und wie es passiert ist. Ihn, uns, aber vor allem mich selbst.

TDDL, eins

Für solche Jurorenkommentare liebe ich die Tage der deutschsprachigen Literatur:

“Der Text führt alles aus, es bleibt kein Raum mehr, es bleibt keine intellektuelle Manövriermasse.”

Michael Wiederstein über den Text Die andere Frau von Magda Woitzuck

Ich finde, Wiederstein hat mit seinem Befund recht, was aber nicht heißt, dass der Text nicht seine Geheimnisse hat. Ich habe am Ende etwas vermutet, was keiner der JurorInnen angesprochen hat und jetzt weiß ich nicht, ob ich komplett auf dem Holzweg bin oder die anderen.

Schicksal

Jetzt ist mir der Content ausgegangen.

Nein, ich hab sehr viel Arbeit (als Selbstständige kann man schwer sagen, sorry, ich bin schon gut ausgelastet, wenn ein “Stammkunde” schreibt) und heute kam dieses Buch per Paketpost. Dafür lass ich mich gern um 8.15 am Samstag in der Früh rausklingeln:

Ganz neu, diese Woche erschienen. Jetzt muss ich nur Zeit finden, es auch zu lesen. Ich habe ja sämtliche Bücher von Zeruya Shalev gelesen und sie sind alle wunderbar geschrieben, voller Beziehungschaos, Schicksalsschlägen und Sex, also so wie ich das mag. Harhar.

TDDL, vier

Wie erwartet hat Helga Schubert den diesjährigen Bachmannpreis gewonnen und das zurecht. Es war sehr rührend, wie berührt sie selbst davon war. Und ein Glück war das außergewöhnliche Setting, zuhause, für sie obendrein, weil sie ihren pflegebedürftigen Mann nicht alleine lassen musste.

Erstaunlicher war für mich eher, dass Lydia Haider mit ihrer Hundevergiftungssuada tatsächlich den Publikumspreis gewonnen hat. Das erstaunt mich doch einigermaßen – ich habe für Hanna Herbst gevotet. Und als beste JurorIn hab ich Insa Winke, weil sie ihre Argumente immer begründet hat, taktvoll und feinsinnig die Texte besprochen hat. Wobei ich zugeben muss, dass Philipp Tingler schon auch einen enormen Unterhaltungswert hatte, trotz seiner Untergriffigkeit und Überheblichkeit. Aber zuviel Harmonie ist in der Jurydiskussion halt auch immer eher fad.

Die Männer hatten heuer eher das Nachsehen. Außer Egon Christian Leitner, der den Kelag Preis bekam, konnte niemand reüssieren. Das war aber auch der Text, der mich von den männlichen Autoren am meisten angesprochen hat.

Bücher, Bücher, Bücher

Diese Woche waren wir mit der Klasse des Kindes noch in der (neuen) Bücherei in Floridsdorf. Sehr schön, leider (noch?) nicht klimatisiert.

Man kann dort jetzt aber rund um die Uhr Bücher zurückgeben mittels Automaten. Laut Page allerdings erst im Probebetrieb. Und man kann Bücher auch alle so ausleihen, halt während der Öffnungszeiten.

Mein Lieblingsregal:

Da ich dem Kind immer noch jeden Abend eine gute Stunde vorlese, komm ich jetzt in den Genuß auch jener Nöstlinger Bücher, für die ich dann schon zu alt war. Ich lese das immer so gerne vor, weil es wirklich witzig ist und das Kind ist derselben Meinung. Zeitlos in bestem Sinn!

Blogparade: Theater an der Hand

Der nette Andreas Moritz vom Kinder-Puppentheater Lilarum hat eine tolle Aktion gestartet: sie heißt Theater an der Hand und ruft alle interessierten Blogger auf, über ihre eigenen Theatererfahrungen als Kind, sowie über die Erfahrungen mit ihren Kindern (so vorhanden) zu schreiben. Das finde ich eine sehr schöne Idee und deshalb mache ich sehr gerne mit.

Meine Erinnerungen ans Theater beginnen mit dem Kasperl -und, dass ich dort nie, nie, nie hinwollte. Ich war überhaupt ein etwas eigenartiges Kind, ich wollte nie großartig etwas unternehmen, ich wollte immer am liebsten für mich sein und nachdenken, mir selbst Geschichten überlegen. Ok, damit ist das Blogpost beendet, nein, so schlimm ist es auch nicht, irgendwann ging ich doch ins Theater und sah mir mit meiner Mama Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte im Burgtheater an. Ich kann mich an das Stück nicht mehr wirklich erinnern, sehr wohl allerdings daran, dass es lustig war, dass gesungen wurde, dass ich mich in der Pause schminken ließ. Und, dass der Fernsehclown Enrico damals die Hauptrolle spielte. Natürlich habe ich auch – wie fast alle Kinder meiner Generation – mit Begeistertung Cats gesehen. Ich muss zugeben: ein wirklicher Theaterfreak ist aus mir trotz späterem Theater der Jugend-Abo nicht geworden. Aber ich liebe das doch irgendwie verwandte Medium Kino, wie die meisten meiner Leser wohl schon bemerkt haben.

Mit meinem Sohn war ich erstmals im Dschungel-Theater, da war er zweieinhalb. Und es war… interessant. Ich hab dazu schon mal gebloggt. Adrian wollte permanent, von der ersten Minute an, wieder gehen. Und er wollte das nicht nur, er artikulierte das auch häufig und ich schwitze sehr viel in diesen vierzig Minuten. Klar, er hatte damals noch nicht die Ausdauer, aber es war wohl auch das falsche Stück fürs erste Mal, zu experimentell. Nicht mal ich als Erwachsene verstand genau, worauf die Darsteller eigentlich hinauswollten. Mit dem Kindergarten fingen für ihn die regelmäßigen Besuche im Lilarum an und schließlich gingen wir als Familie zusammen hin als er vier war. Ich schreibe das nicht nur, weil das Lilarum diese Aktion gestartet hat, das Theater und das Stück Der kleine Vogel Tikidu hat auch Mr. Almi und mich sehr angesprochen, zum Beweis mein Eintrag im Blog von damals. Weil es gleichermaß total niedlich, aber auch klug und witzig gestaltet war. Weil es Kinder als Zuseher ernst nimmt, weder kindisch-verkitscht, noch übertrieben “anders” sein will.

Adrian saß mit den sprichwörtlichen leuchtenden Augen da und staunte. Und wir staunten mit. Über das Stück und über ihn. Und dieser Theaterbesuch bescherte uns einen dieser typischen Eltern-Momente, wo man die Zeit am liebsten anhalten möchte, und wo man feuchte Augen bekommt und sich fragt, wann man eigentlich so weich geworden ist. Aber man findet das völlig ok. Das bereitete den Boden für weitere, verschiedenste Theaterbesuche, sowie Zirkus Roncalli und ja auch Cats und es ist immer wieder ein Erlebnis.

Und offen gestanden: ich genieße das Theater mit Kind um sehr vieles mehr als das Theater zuvor.