almis personal blog

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Es eskaliert gerade ein bisschen, harhar:

Knausgård hat mit diesen Büchern, seinem autobiografischen Projekt, eine riesige Kontroverse ausgelöst. Nicht nur, weil er sie im Original Mein Kampf genannt hat – im Buch Kämpfen reflektiert er tatsächlich auch über Hitlers Schrift, aber soweit bin ich noch nicht – sondern auch, weil alle Menschen, die in seinen Romanen vorkommen, bei ihrem wirklichen Namen genannt werden. Es ist schon klar, dass Autorinnen und Autoren immer auch über ihr eigenes Umfeld schreiben, dass Personen in den Werken vorkommen, die es irgendwie auch real “da draußen” gibt, zumindest Puzzleteile von Menschen. Aber Personen bei ihrem tatsächlichen Namen zu nennen, ist natürlich wieder eine andere Nummer. Ich kenne einen ganz lieben Menschen, der auch mal namentlich in einem Buch erwähnt wurde, nur ist der Autor halt nicht so bekannt wie Knausgård und deshalb wissen wenige davon harhar.

Nun kann man aber auch sagen, es ist trotzdem Knausgårds Ansicht zu beispielsweise seinen Frauen. Er schildert sie, wie er sie sieht und empfindet, aber es ist eben auch nicht mehr als das, eine bzw. seine Perspektive, es ist keine objektive Beschreibung eines Menschen, eine “Wirklichkeit” über einen Menschen. Kann man andere Personen oder auch sich selbst überhaupt objektiv sehen? Gibt es eine einzige Wahrheit über eine Person? Die Frauen empfinden es selbst (klarerweise) anders, obwohl sie ihre Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben haben.

Knausgårds zweite Frau, Linda Boström Knausgård, ist auch Schriftstellerin. Sie sagte nach der Veröffentlichung: “His view of me was so limited, he saw only what he wanted to see.” Geht es uns nicht allen manchmal so? Dass wir nur Dinge sehen, die wir sehen wollen? Auch eine sehr interessante Fragestellung. Boström Knausgård hat dann eben auch ein Buch geschrieben, aus ihrer Perspektive, was die Ehe mit Knausgård betrifft. Es heißt Oktoberkind und dieses liegt bei mir schon neben den Büchern ihres Ex-Mannes.

Widmungen

Ich weiß schon lange, wem ich meinen Roman widmen werde, wenn er denn einmal fertig ist.

Bisher habe ich aber nie darüber nachgedacht, ob ich noch ein Zitat an den Anfang stellen möchte, wie bei meiner Doktorarbeit. Da habe ich über kranke Frauen und ihre Männer geschrieben und folgendes Zitat von Coldplay aus dem Song Clocks der vorangestellt: “Am I a part of the cure or am I a part of the disease?” Dachte mir immer, das Zitat ersetzt mindestens 20 Seiten Analyse harhar.

Na jedenfalls hab ich kürzlich wieder die Tante Jolesch von Friedrich Torberg gelesen, es gibt auch einen zweiten Teil, der mindestens so gut ist. Und da erzählt Torberg, dass er seinen Erstlingsroman Abschied. Geschichte einer ersten Liebe dem damals gefürchteten Literaturkritiker Ernst Polak mit der Bitte um Rückmeldung geschickt hat. Torberg hatte dem Roman ein Hölderlin Zitat vorangestellt und ihn seinem Freund Max Brod gewidmet. Als er nun Polak traf, erhielt er von diesem folgendes Urteil: “Der Titel”, hob Ernst Polak an, “ist nicht schlecht.” Er blätterte weiter und deutete auf das Hölderlin-Zitat. “Das hier ist sogar hervorragend. Hier” – er war bei der Widmung an Max Brod angelangt – “wird’s schon etwas schwächer. Und der Rest taugt überhaupt nichts.”1

Das ist eine meiner Lieblingsanektoden aus der Tante Jolesch und zeigt, dass sich selbst heute arrivierte Autoren mit vernichtenden Kritiken auseinandersetzen mussten.

Gestern hab ich dann jedenfalls nach langem wieder mal den Song Leaving New York von REM gehört, den ich sehr mag von dem ich mir aber denke, dass ihn viele vermutlichecht ur fad finden, weil in diesem Song kaum etwas passiert. Jedenfalls singt Michael Stipe da “It’s easier to leave than to be left behind”. Da dachte ich mir, das wär ein super Zitat für den Anfang. Auch und gerade, weil ich mir nicht sicher bin, ob das überhaupt stimmt.


1 Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch. DTV, München 1981, S. 63.

Alltagsfreude

Aus der Rubrik Freuden des Alltags.

Das Kind erzählte unlängst, dass in der Schule über den Umgang mit KI, speziell beim Schreiben von Texten im Deutschunterricht, gesprochen wurde. Die vortragende Person meinte dann, man würde den KI Einsatz bei Texten immer erkennen und es gäbe pro jeweiliger Klasse maximal vielleicht ein Elternteil, das so gut schreiben würde wie eine KI.

Daraufhin habe sich sein Freund zu ihm rüber gebeugt und gemeint: Deine Mutter!

Und ich so: Ohhh jööö, wie liiiieb!

Ich wusste gar nicht, dass mir so etwas zugetraut wird. Zumal es auf der Uni immer hieß, ich schreibe populärwissenschaftlich und das ist im deutschsprachigen Raum nie ein Kompliment, harhar.

Ich habe einmal einen Text von diesem Freund auf seinen Wunsch hin gelesen und ihm Feedback gegeben. Vielleicht habe ich deswegen jetzt diesen Ruf. Jedenfalls hat es mich gefreut. Voll gefreut, wie die KI sagen würde harhar.

Erika Freeman

Dirk Stermann hat ein Buch über Erika Freeman geschrieben, eine aus Österreich stammendene jüdische Psychoanalytikerin, die als Kind in die USA emigrieren musste und dort die Therapeutin diverser Hollywoodstars wurde. Das Buch heißt Mir gehts gut, wenn nicht heute dann morgen.

Stermann hatte Freeman als Gast in seiner (und Grissemanns) Sendung Willkommen Österreich im Jahr 2019 kennengelernt, damals war sie erst 92, und die beiden haben sich schnell angefreundet. Nachdem Freeman nach einer Operation während der Coronazeit nicht mehr nach New York zurückreisen konnte, lebt sie seitdem im Wiener Hotel Imperial. Stermann hat sie monatelang jeden Mittwoch dort besucht, mit ihr gefrühstückt und über das (und vor allem ihr) Leben gesprochen.

Herausgekommen ist keine klassische Biografie, denn Freeman regt Stermann immer dazu an, nicht zu chronologisch zu denken und zu schreiben, sondern eher assoziativ; dennoch weiß man am Ende sehr vieles aus ihrem Leben, die mit zwölf Jahren alleine in die USA zu Verwandten ausgewandert ist, welche sie aber nicht bei sich haben wollten. Die sich von da an alleine durchgeschlagen und studiert hat, erfolgreiche Analytikerin wurde und früh den Ehemann verloren hat. Dabei immer eine erstaunlich positive Lebenseinstellung bewahrt hat, in der sie nichts schwarz/weiß sieht und Verständnis für alle Menschen, ja sogar eine wirklich authentische Liebe zu ihnen vermittelt. Und viel Humor und Lebensklugheit.

An sich wollte Stermann das Buch “Erika, mittwochs” nennen, doch das war ihm zu schlüpfrig, vor allem, als ein Freund zu ihm gesagt hat, ob das mit Freeman denn so eine Art Harold und Maude-Geschichte werden würde. Worauf Stermann meinte, dazu sei er nicht knabenhaft genug, es wäre eher Maude/Maude. Der tatsächliche Titel ist eine Aussage von Freeman, nachdem sie nach einer lebensbedrohlichen Situation wieder ins Imperial zurückgekehrt war und Stermann sie gefragt hatte, wie es ihr denn gehe. Freeman selbst findet den Titel etwas zu lang.

Es gibt soviel zitierenswertes in dem Buch, dass es schwerfällt, etwas speziell herauszupicken, und am besten mal liest es selbst, weil es auch sehr stimmungsvoll verfasst ist, aber zwei Dinge möchte ich schon erwähnen. Zum einen die Aussage: “Manche Menschen brauchen mal ein Durcheinander, wenn sie Angst haben vor einem Miteinander.” Darüber hab ich länger nachgedacht. Sehr schön fand ich auch, als Stermann Freeman eine Mesusa schenkt, die sie dann am Türpfosten ihres Zimmer befestigen lässt und der Hotelangestellte, der das macht, stellt anschließend fest, dass sie schief aufgehängt ist. Worauf Freeman sagt: “Das ist in Ordnung. Nur Gott kann Dinge richtig machen, Menschen machen Fehler”. Das ist doch tröstlich, oder?

P.S. Wie immer unbezahlte Werbung und ich möchte meiner Freundin L. danken, die mir das Buch bei einem Buchhandlungsbesuch, bei dem wir herumgestöbert haben und ich daran Interesse zeigte, quasi hinter meinem Rücken gekauft und geschenkt hat. Große Freude darüber.

Bester Dialog

Heute wurde der Bachmannpreis verliehen und zwar an Ana Marwan. Mir gefällt ihr Text sehr gut.

Den besten Dialog der diesjährigen TDDL lieferten Vea Kaiser und Philipp Tingler, die sich gegenseitig nicht besonders grün sind, zumindest in der Außenperspektive. Es ging dabei um den Text von Elias Hirschl.

Vea: Es wird nie gesagt, dass der Sprecher, die Sprecherin (des Textes, Anm.) eine Frau ist, das kann genauso ein Mann sein.

Tingler: Nicht wirklich.

Vea: Es gibt keinen Hinweis darauf, ich hab es extra nochmal gelesen.

Tingler: Sie ist auf Tinder.

Vea: Na und?

Tingler: Wenn sie ein Mann wäre, wäre sie auf grindr um Jonas zu finden und nicht auf Tinder.

Vea: Da kenn ich mich zuwenig aus

Tingler: Ja offenbar. Das ist der Hinweis.

Vea: (…) Das eine schließt das andere nicht aus, weil das ist ja die Welt von übermorgen, vielleicht sind dann übermorgen auch Männer auf Tinder.

Tingler: Es sind Männer auf Tinder – schon jetzt.

Vea: Männer, die Männer suchen.

Tingler: Aha.

Neues Leben, achtzehn

Die nächste Ablenkung für mich ist da und zwar in Form der Tage der deutschsprachigen Literatur, aka Ingeborg Bachmann Preis. Habe heute einiges verfolgt.

Den Anfang machte Hannes Stein, der Text gefiel mir nicht, aber er endete mit: “(…) nicht einmal ein Sterbenswort”. Was eventuell ein ganz toller versteckter Hinweis auf Ingeborg Bachmann selbst sein könnte, ihr Gedicht Ihr Worte endet sie nämlich genau so: “Kein Sterbenswort, ihr Worte!” Ich war etwas enttäuscht, dass in der Jury keiner darauf Bezug nahm. Bedeutet das, dass ich eine besonders schlaue Germanistin bin oder, dass ich etwas heillos überinterpretiere?

Sehr amüsant war der Text von Leon Engler Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten. Alleine bei dem Titel schrillen natürlich alle Alarmglocken und Schilder mit “Vorsicht Popliteratur” tauchen vor dem geistigen Auge auf, dazu Namen wie Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad Barre. Natürlich völlig zurecht. Das, was Engler da schreibt, ist Popliteratur in der Tradition der späten 90er.. Aber wie gesagt sehr unterhaltsam. Die Juroren diskutieren danach über den Text und sprechen über die Kant-Krise bei Kleist. Daraufhin komme ich mir gar nicht mehr wie eine schlaue Germanistin vor, denn in 15 Jahren Studium (alles in allem) habe ich niemals von der Kant Krise bei Kleist gehört. Aber der Begriff eignet sich ziemlich gut zum Angeben, finde ich.

Außerdem lese ich gerade viel Ratgeberliteratur und manches passt so gut auf meine Situation und meinen Charakter, zu meiner Lebensgeschichte, meinen Voraussetzungen, eben alles, was mich dahin geführt haben, wo ich jetzt eben bin, dass ich wirklich staunend davorsitze. Ich lese 70 Seiten eines Buches und es ist so als würde mir das Buch eine ganze Beziehung erklären. Es tut gut, alles besser zu verstehen was passiert ist und wie es passiert ist. Ihn, uns, aber vor allem mich selbst.

TDDL, eins

Für solche Jurorenkommentare liebe ich die Tage der deutschsprachigen Literatur:

“Der Text führt alles aus, es bleibt kein Raum mehr, es bleibt keine intellektuelle Manövriermasse.”

Michael Wiederstein über den Text Die andere Frau von Magda Woitzuck

Ich finde, Wiederstein hat mit seinem Befund recht, was aber nicht heißt, dass der Text nicht seine Geheimnisse hat. Ich habe am Ende etwas vermutet, was keiner der JurorInnen angesprochen hat und jetzt weiß ich nicht, ob ich komplett auf dem Holzweg bin oder die anderen.

Schicksal

Jetzt ist mir der Content ausgegangen.

Nein, ich hab sehr viel Arbeit (als Selbstständige kann man schwer sagen, sorry, ich bin schon gut ausgelastet, wenn ein “Stammkunde” schreibt) und heute kam dieses Buch per Paketpost. Dafür lass ich mich gern um 8.15 am Samstag in der Früh rausklingeln:

Ganz neu, diese Woche erschienen. Jetzt muss ich nur Zeit finden, es auch zu lesen. Ich habe ja sämtliche Bücher von Zeruya Shalev gelesen und sie sind alle wunderbar geschrieben, voller Beziehungschaos, Schicksalsschlägen und Sex, also so wie ich das mag. Harhar.

TDDL, vier

Wie erwartet hat Helga Schubert den diesjährigen Bachmannpreis gewonnen und das zurecht. Es war sehr rührend, wie berührt sie selbst davon war. Und ein Glück war das außergewöhnliche Setting, zuhause, für sie obendrein, weil sie ihren pflegebedürftigen Mann nicht alleine lassen musste.

Erstaunlicher war für mich eher, dass Lydia Haider mit ihrer Hundevergiftungssuada tatsächlich den Publikumspreis gewonnen hat. Das erstaunt mich doch einigermaßen – ich habe für Hanna Herbst gevotet. Und als beste JurorIn hab ich Insa Winke, weil sie ihre Argumente immer begründet hat, taktvoll und feinsinnig die Texte besprochen hat. Wobei ich zugeben muss, dass Philipp Tingler schon auch einen enormen Unterhaltungswert hatte, trotz seiner Untergriffigkeit und Überheblichkeit. Aber zuviel Harmonie ist in der Jurydiskussion halt auch immer eher fad.

Die Männer hatten heuer eher das Nachsehen. Außer Egon Christian Leitner, der den Kelag Preis bekam, konnte niemand reüssieren. Das war aber auch der Text, der mich von den männlichen Autoren am meisten angesprochen hat.

Bücher, Bücher, Bücher

Diese Woche waren wir mit der Klasse des Kindes noch in der (neuen) Bücherei in Floridsdorf. Sehr schön, leider (noch?) nicht klimatisiert.

Man kann dort jetzt aber rund um die Uhr Bücher zurückgeben mittels Automaten. Laut Page allerdings erst im Probebetrieb. Und man kann Bücher auch alle so ausleihen, halt während der Öffnungszeiten.

Mein Lieblingsregal:

Da ich dem Kind immer noch jeden Abend eine gute Stunde vorlese, komm ich jetzt in den Genuß auch jener Nöstlinger Bücher, für die ich dann schon zu alt war. Ich lese das immer so gerne vor, weil es wirklich witzig ist und das Kind ist derselben Meinung. Zeitlos in bestem Sinn!