almis personal blog

Pfingstwochenende

Das Pfingstwochenende begann gefühlt Donnerstagabend, als bei Germany’s Next Topmodell das Driving Bed Shooting (oder so ähnlich) am Programm stand. Hierfür müssten sich die je fünf verbleibenden Frauen und Männer zu einem Paar zusammentun, das sich dort am Bett etwas näher kommt und dabei durch L.A. fährt. Davor sahen sie ein Musikvideo, wo Heidi K. etwas ähnliches mit Pedro Pascal tut. Alle waren so schockiert, es war schon wieder sehr lustig. Und wenn man dann Fotos mit jemand machen muss, den man nicht leiden kann – klappt das nicht wirklich. Manche konnten sich aber leiden, harhar.

Am Freitag war ich mit L. bei Joseph auf der Landstraße frühstücken. Sie haben dort eine neue Karte, wir haben uns aber wie meistens für einen Ei-Muffin entschieden, uns dann aber noch ein Müsli mit Emmer, Einkorn, Joghurt und frischen Früchten geteilt, mhmm, sehr gut.

Freitagsfrühstück bei Josephbrot – halb drinnen, halb draußen sitzend

Danach sind wir noch in die Innenstadt zu NewOne gefahren (unbezahlte Werbung), L. wollte Armbänder kaufen und so kam es, dass ich am Ende – out of the blue – auch ein Freundschaftsarmband bekommen habe, danke <3 Habe eine große Freude damit und werde es wohl nie wieder abnehmen, schon alleine deshalb, weil es mir die Verkäuferin ganz genau angepasst und dann verschlossen hat und ich keine Ahnung habe, wie es wieder aufgeht harhar.

Am Wochenende war das Wetter “quasi quasi”, wie meine italienische Schüleraustauschpartnerin es immer treffend bezeichnet hat. Ich war trotzdem im Garten und habe bei strömendem Regen und nassem Eichhörnchen am Baum daneben geschrieben, Malina gelesen und Podcasts gehört. Am Sonntag lief außerdem eine Doku von Ostfilm, an der ich wieder mitgearbeitet habe und zwar ist das Thema diesmal, recht aktuell auch, Hachschara – Israels Pioniere aus Österreich. Hierfür habe ich viele englische Interviews von Jüdinnen und Juden gehört und transkribiert.

Besonders berührt hat mich ein älterer Mann, der erzählt hat, dass sein Vater damals im zweiten Weltkrieg mit der Jugendbewegung nach Israel gekommen ist, dessen Vater wiederum, also sein Großvater, es aber nicht geschafft hat, er wurde mutmaßlich auf der Reise in einem Lager ermordet. Und dieser Mann hat bis zu seinem Tod darauf gewartet, trotzdem er selbst schon Kinder und Enkelkinder hatte, dass sein eigener Vater doch auch noch irgendwann in Israel ankommt und er ihn wiedersehen kann. Ich finde, das erzählt auch etwas darüber, wie sehr ehrliche Hoffnung jeder Logik und Vernunft trotzen kann. Manchmal braucht man diese Art der Hoffnung auch einfach, um weiterleben zu können.

Blick von der Rahlstiege in Richtung Top Kino und Bar

Zum Abschluss des Wochenendes ging es ins Top Kino, wo ich ewig nicht war und wo ich mich, wie im Schikander, recht deplatziert gefühlt habe. Jedenfalls habe ich endlich Oslo Stories: Liebe gesehen. Und das war tatsächlich für mich der sperrigste Teil der Trilogie. In Kürze dann mehr dazu.

Frühstück bei mir: Andre Heller

Immer wenn es irgendwo eine Sendung, ein Interview mit Andre Heller anzuschauen oder hören gibt, dann verfolge ich das. Weil es für mich persönlich immer irrsinnig bereichernd und inspirierend ist, ihm zuzuhören. So auch letzte Woche in Frühstück bei mir. Heller sagt “Gnädige Frau” zu Claudia Stöckl, siezt sie und fragt sie, wie oft sie traurig ist.

Sie sprechen viel über Hellers Park ANIMA in Marokko. Pro Tag habe dieser etwa 500 Besucher, was auch so die Grenze ist, damit er nicht übervoll wird. Heller meint, die Leute gehen dorthin um sich “auszuzittern”, vielleicht zu weinen und auch wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Es haben ihm schon einige erzählt, dass sie im Park beschlossen haben, sich scheiden zu lassen oder den Beruf zu wechseln. Manche sagten ihm, sie seien beim Hinausgehen mutiger gewesen als ich beim Hineingehen. Heller begreift den Park als Ort der Heilung und eine Absage daran, sich selbst zu belügen.

Sich selbst belügen, das sei auch ihm nicht fremd; in jungen Jahren habe ihm ein Darmverschluss aufgrund seiner zeitweiligen Drogenabhängigkeit fast das Leben gekostet. Er sei er “ein rachitisches Knochenbouquet” gewesen, ohne Kraft, gleichzeitig aber auch größenwahnsinnig. Er beschreibt sich als “frech, gemein und unverschämt” zu sehr vielen Menschen. Er habe dann gemerkt, dass er sich ändern müsse. Überhaupt sei sein ganzes Leben bestimmt vom Lernen und der Weiterentwicklung. Er meint: “Wenn etwas Schreckliches ins Leben kommt, muss man sich fragen – warum kommt das?” Nichts passiere grundlos. Niederlagen gäbe es für ihn aber nicht, nur Erfahrungen.

Besonders interessant habe ich gefunden, was er bereut, das seien vor allem seine Feuertheater in Lissabon und Berlin (1983 & 1984) gewesen. Aufgrund der angespannten budgetären Situation habe man die Show nicht proben können, sondern nur einmal aufführen. In Lissabon sei alles so eskaliert, dass er ein paar Stunden gefürchtet hätte, es wären dabei Menschen ums Leben gekommen. Ein Zuseher, der in Berlin dabei war, habe ihm am Wiener Graben einmal geohrfeigt, weil er so in Panik geraten sei. Dazu Heller: “Ich habe die Ohrfeige total verstanden, habe ihn umarmt und wir haben uns gegenseitig vergeben.”

Launig erzählt er dann noch, dass er ein “Rausgeher” sei, aus Filmen, die ihm nicht gefallen, aus Opern und Theaterstücken. “Warum soll ich da sitzen bleiben? Da ist es doch gescheiter, ich geh im Stadtpark spazieren.” Und wenn jemand seine Programme verlässt? “Dann weiß er hoffentlich warum.” Das habe er aber nur einmal beobachtet: “Vielleicht hat er aber Durchfall gehabt, das kann ja auch sein.” Er persönlich kaufe immer nur Ecksitzplätze und er arbeitet an einem Theater, das nur aus Ecksitzen besteht. Harhar, das wär was für mich. Generell sagt er viele Dinge ab. Er gehe nicht zu Einladungen, wo er weiß, sie werden ihm nicht guttun und er führe auch aus diesem Grund viele Gespräche nicht.

Zeit sei das Kostbarste, findet er. Jeden Abend prüfe er: “Habe ich meine Talente sorgfältig genug genützt? Habe ich mich aufgeplustert, um jemand zu imponieren?” Dann mache er noch eine Stunde etwas sinnvolles und gehe mit einem guten Gefühl schlafen.

Wirklich ein sehr schönes Gespräch.

Literatur und Herkunft, zwei

Ich habe mich übrigens nicht auf der “Where are you from” Wand verewigt, weil ich dachte, ich bin halt ein Einzelkind einer Mittelschicht Familie aus Wien, ur fad. Mir ist auf die Schnelle nichts poetisches oder skurilles in den Sinn gekommen, was mich interessanter machen hätte können. harhar.

Beim näheren Nachdenken ist mir immerhin eingefallen, dass ich väterlicherseits Vorfahren aus Osteuropa habe, wie eh die meisten Wiener. Mütterlicherseits gibt es dagegen einen Giftmörder und “generell sehr viele Wahnsinnige” – wie es mein Vater gern formuliert hat. Politisch korrekt würde man sie eher suchtkrank oder depressiv nennen. Meine Großmutter (mütterlicherseits) wurde von ihrem ersten Mann angeschossen und durfte sich deshalb in den 1930er Jahren scheiden lassen und hat dann meinen Großvater geheiratet, der damals gerade verwitwert war. Ich habe beide nicht mehr kennengelernt, sie waren über 15 Jahre älter als meine anderen Großeltern.

Ich selbst bin vorwiegend bei meinen Großeltern (väterlicherseits) aufgewachsen und das war sehr schön. Ich habe mich aber auch früh darauf vorbereitet, dass sie mich auf meinem Weg nicht allzu lange begleiten würden können. Glücklicherweise war ich aber bereits erwachsen, als ich sie loslassen musste. Das Verhältnis zu meinen Eltern würde den Rahmen hier sprengen und, um mit Thom York zu sprechen, ich will es nicht trivialisieren.

Als Mädchen war ich im Ballett – nicht unbedingt weil ich das wollte oder ein spezielles Talent dafür hatte, sondern weil meine Eltern es gut fanden, dass ich beschäftigt war. Die Ballettschule wurde von einem netten Ehepaar geleitet und wir mussten immer unsere Mitgliedskarte abstempeln lassen, wobei mich der Mann oft mit: “Oh unsere lyrische Heidi” begrüßte. Ich wusste echt sehr lange nicht, was er damit meinte. Aber wahrscheinlich bestand ein Zusammenhang damit, dass ich wirklich sehr viele Stunden am Tag in einer Art Traumwelt lebte. Das haben mir einige Leute mit anderen Worten immer wieder mal gesagt, ich sei eben eine “Künstlerin”.

Das hat sich aber nicht im Tanz, sondern im Schreiben manifestiert, mein Leben ist irgendwie untrennbar damit verbunden. Deshalb gibt es auch diesen Blog und dafür, dass mir im Museum nichts eingefallen ist, habe ich mich hier aber ganz schön ausgelassen. Harhar

Literatur und Herkunft

Gestern habe ich es noch schnell ins Literaturmuseum mit freiem Eintritt geschafft.

Obwohl diese Aktion jetzt vorbei ist, kann ich die aktuelle Ausstellung Woher wir kommen. Literatur und Herkunft nur sehr empfehlen. Wie auch schon bei der Ingeborg Bachmann-Schau vor zwei Jahren ist das Thema ungeheuer interessant und auch umfangreich aufbereitet. Ich war fast eineinhalb Stunden dort und da war ich schon recht zügig unterwegs.

Ich, wie ich Christine Nöstlinger lausche – bei uns im Bau und nemau, Tia an Tia, lem Leid wia mia.

Das Thema Herkunft wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Sowohl auf die “Klassenzugehörigkeit” und die ökonomischen Möglichkeiten bezogen, wie auch auf die jeweilige Familiensituation/Konstellation, oder auch in Hinblick auf den kulturellen Background, einen etwaiger Migrationshintergrund bzw. Mehrsprachigkeit. Vorgestellt werden dabei verschiedende Autoren bzw. Autorinnen und ihre dazu passenden Texte (oft handschriftlich), wie auch Alltagsgegenstände und private Fotos, die das Thema illustrieren.

Mir gefällt das sehr gut, wie das Museum es schafft, auch visuell gewisse Stimmungen zu vermitteln:

Wir lesen, dass das Überwinden der eigenen Klassengrenzen ein Hauptthema bei der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux war. Wir lesen über die Südtiroler Autorin Anita Pichler, die über “die zwei Orte” reflektiert, zwei Sprachen, zwei Lebensweisen und wie sie diese Binärität auch in ihrem weiteren Leben immer wieder sucht. Wir erfahren natürlich über Ingeborg Bachmann und Klagenfurt, über Peter Handke und seine Rückkehr nach Griffen nach dem Suizid seiner Mutter. Die ganze Ausstellung dreht sich um die Pole: Ankommen, wegfahren, anderswo ankommen, zurückkehren. Herkunft wieder finden, von ihr fliehen.

Eine spannende Frage, die ich mir selbst tatsächlich so noch nie gestellt habe – also was den Ort betrifft

Es gibt auch sehr inkonventionelle Interpretationen von Herkunft. In einem Gedicht von Wilhelm Szabo heißt es: “Mein Vater der Regen, meine Mutter der Wind, ich bin des Nebels, des Graugewölks Kind. (…) Ich bin gebürtig aus jeglichem Land, entsprosse den Tundren, den Hainen, dem Sand.”

Lustig ist Ödon von Horvaths Kurzbeschreibung seines Lebens. Er schildert gewisse Ereignisse in Bezug zu seiner jeweiligen Körpergröße: “Mein Interesse für Kunst, insbesonders für die schöne Literatur, regte sich relativ spät, bei einer Höhe von 1,70 Meter. Mit 1,69 hatte ich mein erstes ausgesprochen sexuelles Erlebnis (…) Heute gehe ich nur mehr in die Breite, aber hierüber kann ich Ihnen noch nichts mitteilen, denn ich bin mir halt noch zu nah.”

Am Ende kann man noch über seine eigene Herkunft reflektieren:

Es gibt dann noch auf zwei Stöcken eine Dauerausstellung über die (österreichische) Literaturgeschichte, da war ich aber nur kurz, weil schon so voller Eindrücke. Ich werde sie mir mal separat ansehen.

Thom Yorke

Man kann zum Nahost-Konflikt ja geteilter Ansicht sein und ist das in der Regel auch.

Manchmal wünscht man sich da zuweilen aber etwas mehr Beschäftigung mit diesem sehr komplexen Thema, wenn man sich schon öffentlichkeitswirksam zu Wort meldet.

Eine Wohltat war da kürzlich das Statement des Radiohead Sängers Thom Yorke. Denn dieser Mensch ist einer der, zumindest gefühlt, ganz wenigen Künstler, die den Mund öffnen, und dabei wirklich fähig sind, differenziert zu formulieren und auch sagen, wie schwierig eine Stellungnahme an sich immer auch ist. Er kritisiert Netanyahus Politik und aber auch die Hamas gleichzeitig. Man hält es nicht für möglich, es geht wirklich beides, man muss sich gar nicht zwangsläufig auf eine Seite stellen.

Yorke sagt, er hätte jetzt ein Statement abgeben müssen, weil er für sein Schweigen kritisiert und alles mögliche hineininterpretiert wurde: “That silence [was] my attempt to show respect for all those who are suffering and those who have died, and to not trivialise it in a few words (…)”

Genau, “not to trivialise it” – ein ganz guter Ratschlag für so viele Dinge im Leben.

Wochenstart

Nach einem schönen und auch nachdenklichen Wochenende wie dem letzten geht es in eine neue Woche.

Es ist ok, Dinge zu fühlen. Es ist ok, darüber zu schreiben, egal was andere darüber denken mögen. Mir ist gar nicht mehr wichtig, was andere über mich denken. Es hat eh keiner was gesagt, harhar, nur so allgemein.

Wie auch immer, diese Woche gibt es jedenfalls auch wieder ein paar Highlights aus dem niederen (siehe: mir ist egal, was andere denken harhar) und höheren Kulturbereich, die mir Freude machen werden. Heute endlich wieder mal Wer wird Millionär und einen Fm4 Filmpodcast zum Film Austroschwarz. Da habe ich den Trailer bereits mehrfach gesehen, weiß aber ehrlich gesagt nicht so recht, was ich davon halten soll. Außerdem will ich es bis Mittwoch noch ins Literaturmuseum schaffen, weil freier Eintritt und es gibt eine Ausstellung zum Thema Literatur und Herkunft, was für mich sehr interessant klingt.

Ins Kino “muss” ich auch in Kürze, Oslo Stories – Liebe. Und dann ist ja noch Germanys Next Topmodell, die “Knutschfolge” und ganz viel Arbeit habe ich im übrigen eh auch immer noch. Wobei es heute schon etwas weniger geworden ist, ich sitze seit sechs Uhr früh am Schreibtisch und es geht voran. Das ist auch ein gutes Gefühl, was zu schaffen und zu erledigen.

Außerdem hatte das Kind heute einen Kurs und schrieb mir: Gleich zwei neue Freunde gefunden. Und ein paar Minuten später: Dritten Freund gefunden. Ich freue mich, dass es so einfach für ihn ist. Zu mir hat die Billa-Kassiererin heute gesagt: “Ich hab sie schon lange nicht gesehen. Wie schön, dass Sie wieder einmal da sind.” Da habe ich mich auch gefreut. Und jetzt am Abend regnet es, ganz beruhigend.

Und ja, die Erinnerungen sind sowieso bei mir und der letzte Gedanke jeden Tag gilt immer jemandem. Auch wenn ich dann von Wendeltreppen träume ist das schön. Ich bin wieder in der Spur.

Langes Wochenende

Das mit den Skriptum zum Monatsende fertigkriegen hat im Mai gar nicht funktioniert. Das lag glücklicherweise nicht an mir, ich habe auch am Feiertag gearbeitet, aber das Modul war so umfangreich, dass die Deadline um eine Woche nach hinten verschoben werde musste. Ich brauchte aber eh eine Pause.

Am Donnerstagabend habe ich mir beim Bügeln Germanys Next Topmodell angesehen, es war die Folge, in der die noch verbliebenen Kandidaten in L.A. Besuch von ihren Lieben bekommen. Ich sah, am Bügelbrett stehend, zu und mir sind die Tränen über die Wangen gelaufen, keine Ahnung warum. Ich kenne ja keinen von den Menschen persönlich und es ist auch niemand schwerkrank oder sonst was, sie sehen sich halt nach ein paar Wochen wieder. Das ist wirklich next level cringe harhar, aber ok.

Am Freitag war ich dann wie gesagt im Kino und das Wochenende habe ich im Garten verbracht. Am Samstag gab es eine Grillerei, wo sich die Gespräche um Aquaplaning, Beschleunigungsstreifen und “verkehrsleitende Anlagen” drehten und ich so: “Das hören wir jetzt drei Monate, oder?” harhar. Außerdem war ich erstmals diese Jahr im Wasser, das angeblich 24 Grad hat, die sich aber eher wie 19 Grad anfühlten. Aber – Standardspruch – wenn man mal drinnen ist, ist es eh angenehm.

Heute gab es ein Outdoor Frühstück:

Und denn endlich wieder einmal schreiben, nachdenken, ganz viel erinnern, schreiben. Auch das war sehr emotional, aber das gehört manchmal dazu.

Ich wäre zwar gerade im Flow, trotzdem ist jetzt erstmal wieder Arbeit dran.

Oslo Stories: Sehnsucht

Apropos Träume. Nachdem ich schon den 2. Teil der Oslo Trilogie, eben Träume gesehen habe, habe ich mir gestern Sehnsucht im Votivkino angesehen.

Zwei Rauchfangkehrer sitzen im Pausenraum ihres Unternehmens. Der namenlose Teamleiter (Thorbjorn Harr) erzählt dem namenlosen Arbeiter (Jan Gonnar Roise) von einem Traum, den er in der Nacht zuvor hatte. Daraufhin erzählt ihm der Arbeiter etwas sehr intimes und daraus entwickelt sich dann die Handlung harhar sorry, man kann kaum etwas zu diesem Film sagen, ohne zu spoilern. Wobei es bei diesem Film irgendwie egal ist, weil es nicht darum geht, was großartig verraten wird, sondern um die Gespräche, die sich daraus ergeben.

TROTZDEM AB HIER SPOILER

Im Traum des Teamleiters geht es darum, dass ihm David Bowie begegnet und ihn so ansieht, als wäre er, der Teamleiter, eine Frau. Im Erlebnis des Arbeiters geht es darum, dass ihn ein Kunde (männlich) gefragt hatte, ob er Sex mit ihm haben will und der Arbeiter hat dann eingewilligt. Beide Protagonisten sind heterosexuelle Männer in ihren 40-ern, schon lange verheiratet, mit Kindern im Teenageralter.

Das Schöne an diesem Film ist, obwohl er natürlich, wenn man so will, sehr queere Themen hat, von möglicher Bisexualität bis zu Geschlechtsdysphorie: er hat überhaupt keine Agenda. Das hat mich an Jaques Audiards Emilia Perez erinnert, auch wenn die Filme sonst gar nichts gemeinsam haben. Aber in beiden wird eine Geschichte erzählt, ohne irgendeine gesamtgesellschaftliche Diskussion anstoßen oder irgendjemand von irgendwas überzeugen zu wollen. Im Gegenteil, hier geht es ganz viel darum, selbst auzuloten, was eigentlich genau passiert ist, welche Gefühle man deswegen empfindet, ob sich diese Gefühle mit der bisherigen Lebensweise vereinbaren lassen und was eigentlich die eigenen Frauen so dazu sagen.

Obwohl der Falter geschrieben hat, das wäre der sperrigste Film der Trilogie, fand ich ihn, trotz der nicht ganz unproblematischen Thematik – die Frau des Arbeiters stürzt in eine schwere Krise – sowohl sehr poetisch, wie phasenweise auch extrem witzig. Speziell im Mittelteil gibt es einige Szenen, wo das ganze Publikum laut gelacht hat. Zum Beispiel die, als über Tattoos geredet wird und das Kind vom Abteilungsleiter seiner Ärztin erzählt, dass sich sein Lehrer “I love my familiy” auf den Arm tätowiert hätte. Diese daraufhin: “Oh, grausamer Phantomschmerz getarnt als Empathie” harhar. Schön fand ich, wie der Arbeiter dem Abteilungsleiter erzählt, dass seine Frau sich mit einer Freundin trifft, um mit ihr “die Situation” zu besprechen und, dass er Angst davor hat. Der Abteilungsleiter daraufhin: Was ist diese Freundin für ein Typ? Ist sie jemand, bei der die Welt größer wird, wenn man mit ihr redet oder bei der die Welt kleiner wird?” Finde ich einen total interessanten Gedanken. Der Arbeiter darauf: Bei ihr wird die Welt weder größer noch kleiner harhar.

Ich hätte es nicht erwartet, aber dieser Film ist ein kleines Highlight in diesem bisherigen Kinojahr, das für mich aus durchwegs eher so okayen Filmen bestanden hat. Mich haben sowohl die Gespräche, die so persönlich und voller tiefer Reflexionen sind, komplett abgeholt, wie auch die unspektakulären Alltagsbilder mit kleinen Details. Einmal schwenkt die Kamera etwa über den Herd der einen Familie, daneben steht ein Pfefferstreuer und ich denke mir so, wenn bei mir ein Pfefferstreuer neben dem Herd steht, dann ist meistens auch Pfeffer auf dem Herd verstreut (harhar), auch wenn das Kochen schon lange beendet worden ist. Und genau das sehen wir hier. Das gibt uns das Gefühl, dass wir wirklich einen Alltagsschauplatz beobachten und nicht nur ein Filmset.

Große Empfehlung jedenfalls. Zumindest wenn man “Laberfilme” mag. Jetzt muss ich mir Teil 3 (bzw. eigentlich Teil 1, Liebe) wohl auch noch ansehen.

Die Wendeltreppe

Wieder und wieder habe ich diesen Traum. Ich gehe eine Wendeltreppe hinauf. Das Haus sieht immer etwas anders aus, auch die Lichtverhältnisse sind unterschiedlich, aber es ist jedes Mal eine Wendeltreppe, und ich bin nach wenigen Schritten schon atemlos vor Freude. Noch ist alles möglich.

Mit jedem Schritt komme ich ihm näher. Dann sehe ich ihn endlich, aber nur aus der Ferne, durch ein Fenster. Er ist beschäftigt und bemerkt mich nicht. Ich kann ihn auch nicht rufen, mir bleibt die Stimme weg vor Aufregung, vielleicht habe ich aber auch gar keine Sprache für diese Situation.

Es ist so schön, ihn zu sehen, aber gleichzeitig so schmerzhaft, ihm nicht näher kommen zu können. Manchmal irre ich noch eine Weile durch das Haus, nur um seine Energie weiterhin zu spüren. Mit diesem Gefühl wache ich dann auf. Nachdem ich mich beruhigt habe, kann mich entscheiden, was ich aus diesem Traum mitnehme.

Und immer entscheide ich mich für das warme, weiche, geborgene Gefühl, das ich empfunden habe. Und behalte es bei mir, so lange wie möglich.