almis personal blog

Slingshot

Das Kind verbringt die letzten Schultage unter anderem mit seiner Klasse im Prater, wo er ein Video davon schickt, wie er mit einem Teufelsgerät namens Slingshot fährt.

Praktisch jeder, dem ich das Video zeige, kommentiert es mit: “Na das hat er aber nicht von dir.”

Sehr freundich, wie ihr den Begriff “Angsthase” umschrieben habt. Harhar. Aber mein Trost ist, dass er selbst unter Gleichaltrigen nur einen gefunden hat, der da mit ihm fahren wollte.

Das Wochenende

Die Bedeutung des Wochenendes ist im eigenen Leben einem gewissen Wandel unterworfen.

Als Schulkind habe ich die Wochenenden geliebt, aus den naheliegenden Gründen – ich gehörte wirklich nicht zu denen, die nach der Matura geweint haben (ja, solche gab es auch).

Als ich dann selbst ein kleines Kind hatte, waren die Wochenende ein Elend. Ich habe mir gerade einen Blogeintrag von früher wieder durchgelesen, der sehr lustig war, ich muss mich selbst loben; da schildere ich, wie ich mit dem Kind bei jedem Wetter rausgegangen bin, auch bei strömendem Regen, einfach um ihn auszupowern und dann wollte er auf der Straße “alleine gehen”, trotz Mörderverkehr und Unwetter, und ich vermerkte: “Da musste sein Willen leider gebrochen werden.” Boah, wie böse. Harhar. Also die Kleinkind-Wochenenden waren echt nicht mein Ding. Aber danach wurde es toll, als ich mit ihm essen gehen und dabei länger als fünf Minuten sitzen bleiben und richtige Gespräche führen konnte. Und dann ins Kino oder in eine Ausstellung oder ins Museum oder in den Motorikpark.

Wieder etwas später in meinem Leben gab es wunderschönen Wochenenden mit jemand besonderem, über die ich geschrieben habe, dass da “dieser kleine Raum war, in dem wir alles sagen konnten, uns alles erzählen, der einfach nur uns gehört hat”. An diese Wochenenden werde ich mich sentimental erinnern bis- ach einfach für immer. Irgendwie sind meine Blogeinträge nicht mehr so witzig-böse, dafür immer rührseliger, kommt mir vor, das ist sicher das Alter, harhar.

Und jetzt gerade lasse ich mich oft treiben; das Kind hat natürlich schon lang seinen eigenen Rhythmus und in der Zeit, wo sich unsere Wachphasen überschneiden, treffen wir uns zu Mahlzeiten oder zu Formel 1 Rennen, und dann geht er Scooter fahren und ich gehe ins Kino oder in den Garten. Manchmal sitze ich auch am Wasser, wie gestern, und trinke Holundersaft aus solchen Hipstergläsern und beim Anblick dieses Glases mit Minze und Zitrone und Eiswürfeln, was mir immer gute Laune macht, ist mir die Inspiration zu diesem Blogeintrag gekommen.

Holundersaft an der unteren alten Donau

Meryls Quiz

Gestern hatte Meryl Streep Geburtstag, was ich dadurch erfuhr, dass ich ungefähr zehnmal das gleiche Video in meiner Twitter Timeline hatte, in dem sie vor einigen Jahren in der Talkshow von Jimmy Kimmel zu Gast war und in einer Minute sämtliche ihrer Oscarnominierungen (damals 20, mittlerweile 21) aufzählen sollte.

Nun wirkt es wahrscheinlich überheblich, wenn man dann die Filme problemlos runterrattert, aber es hat wirklich so gewirkt als müsse sie nachdenken. Eingefallen sind ihr folgende Filme, in dieser Reihenfolge: The French Lieutenant’s Woman, Kramer versus Kramer, Silkwood, Sophie’s Choice, Out of Africa, A Cry in The Dark – wo Kimmel fälschlicherweise verneinte und sie dann: “What, why not?” Und er: “You were robbed!” Harhar. Also nach 1989 war ihr nichts in schneller Erinnerung, aber sie meinte, sie wisse eher Sachen, die vor 30 Jahren passiert sind, als was sie vergangenen Mittwoch gemacht hat. Also hat sie auch The Iron Lady nicht genannt, für den sie ja den Oscar tatsächlich auch bekommen hat, in jüngerer Vergangenheit. Dass es bereits ihr dritter Gewinn war, hat sie in ihrer Rede damals recht selbstironisch kommentiert:

“Oh my god, oh come on! Alright, thank you so much. When they called my name, I had this feeling I could hear half of America going: Oh nooo. Oh come on. Her? Again? You know…..but – whatever. (laughs)”

Meryl Streep bei den Oscars 2012

Es gibt übrigens eine Acceptance Speech Database, genial; aber das nur am Rande.

Schreibmaschinen

Schreibmaschinen haben mich immer schon fasziniert, ich wollte auf ihnen dicke Bücher schreiben.

Ich kann mich daran erinnern, als mir mein Papa damals, als ich so 11 oder 12 Jahre alt war, eine aus seiner Firma mitgebracht hat, die dort nicht mehr gebraucht wurde. Sie stand bei meinen Großeltern, wo ich große Teile meiner Kindheit verbrachte, irgendeines Morgens am Frühstückstisch. Ich habe dann selbst probiert, mir das Maschinenschreiben beizubringen. Habe es allerdings erst viel später gut geschafft, als meine Freundin mit der HAK anfing und mir ihr Lehrbuch geborgt hat

Das neue Poster in meinem Gartenbüro, so hab ich quasi als Mädchen meine 1. Schreibmaschine begrüßt harhar

Heute haben wir etwas effizientieres als Schreibmaschinen, nämlich Computer, aber ich habe dafür auf meinem Computer einen Schreibmaschinen-Snoopy, der mich beim Browsen begleitet.

Übrigens wusste ich bis vor kurzem gar nicht, dass Snoopy ein leidenschaftlicher Schriftsteller ist und immer, auf seiner Hundehütte sitzend, über irgendwelchen Texten brütet.

Und jetzt eine Welt-Überleitung: Das Kind wurde im Krankenhaus in Bozen von einer Ärztin “il nostro Snoopy” (unser Snoopy) genannt. Warum weiß ich nicht oder es war lost in translation bzw. ich hab es einfach nicht verstanden harhar, jedenfalls hier noch ein Foto vom Kind mit einer Schreibmaschine aus dem Jahr 2015 bei der Christine Nöstlinger Ausstellung.

Kinds of Kindness

Nachdem die Hauptkritik zu Kinds of Kindness bei Uncut schon vorhanden war, habe ich eine Kurzkritik verfasst.

Some of them want to use you/ Some of them want to get used by you/ Some of them want to abuse you/ Some of them want to be abused

Mit den Worten von Eurythmics, die den Film auch eröffnen, erzählt Giorgos Lanthimos in drei Kapiteln alles andere als konventionelle Geschichten, vielmehr handelt es sich um eine Art freie Assoziationskette voll bizarrer, surrealer und grotesker Elemente. Dennoch können wir uns jeweils an einem vagen Handlungsstrang festhalten.

Emma Stone, Jesse Plemons, William Dafoe und Konsorten verkörpern unterschiedliche Menschen auf der Suche nach Liebe – oder dem, was sie dafür halten. Dabei spielt hässliche Freizeitkleidung ebenso eine Rolle wie zertrümmerte Tennisschläger, schlecht gezogene Lidstriche, Amateurvideos, riskante Fahrmanöver und eine Prosektur.

Lanthimos interessiert sich dabei aber nicht für die Psyche seiner Figuren, sondern liefert lieber avantgardistische Detailbeobachtungen, popkulturelle Zitate und eine Menge an verquerter Symbolik, der man erst eine Bedeutung wird abringen müssen – sofern das überhaupt gelingen kann.

Poor Things erscheint im Vergleich dazu wie eine mild-nostalgische Erinnerung wenn Kinds of Kindness seine entschlossene und kompromisslose Radikalität auspackt, die allerdings nicht die Schwere von Lanthimos’ früheren Werke vermittelt, sondern im Gegenteil über weite Strecken herrlich böse-unterhaltsam ist.

Ein neuer Level von “Bonkers”.

Wie immer auch auf Uncut nachtzulesen.

P.S. Die Pressevorstellung war in OV, ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil ich Untertitel gewöhnt bin. Man versteht aber tatsächlich praktisch alles.

P.P.S Der Teaser, der einiges an Stimmung vermittelt.

Europapa

Ich war heute wieder mal in einer Pressevorstellung und der Film war so (für mich eigentlich unerwartet) gut – Kinds of Kindness, das neue Werk von Yorgos Lanthimos. Mehr dazu bald, ich muss mich erst noch sammeln.

Als ich dann jedenfalls heimgekommen bin, entspann sich folgender Dialog.

Ich: Rat mal, welches Lied es heute im Kino gespielt hat, nachdem ich aus dem Saal gegangen bin?

Kind: Kroatien?

Ich: Wieso denkst du immer, dass es ein Songcontest Lied sein muss?

Kind: Weil du du bist.

Ich: Pfff.

Kind: Also was wars?

Ich: Niederlande.

Harhar.

Ham kummst

Letztens habe ich mal wieder den Song Non succederà più von Claudia Mori (feat. Adriano Celentano) aus dem Jahr 1982 gehört und mir gedacht, das ist eigentlich die geheime Vorlage zu Ham kummst von Seiler und Speer.

Claudia Mori singt immer wieder monoton das gleiche, eine Anklage an ihren Ehemann, der nie da ist wenn sie schlafen geht und dann erst um drei Uhr nachts heimkommt, aber das wird nicht mehr passieren, wenn es nach ihr geht. Sie kündigt zwar keine so konkreten Maßnahmen an wie die Protagonistin bei Seiler und Speer, die ja direkt von Scheidung spricht, aber verklausuliert will Claudia Mori sicher dasselbe sagen, nur etwas poetischer. Am Ende singt dann noch Adriano Celentano, der tatsächliche Ehemann von Mori, sehr gelangweilt und auch ein bisschen genervt (wenn man mich fragt), dass er sie so liebt und sie eh die Einzige ist, während Mori im Vordergrund weiter jammert. Das Ganze könnte auch als Parodie empfunden werden, so wie ja auch Ham kummst ziemlich (schwarz)humorig ist.

Ich habe dann im sehr guten Buch Azurro von Eric Pfeil nachgelesen, in dem er sich 100 italienische Songs mit Backstory und Analyse widmet. Pfeil schreibt über Non succederà più als “unverwüstlichen Musica-leggera Hit” und “biografische Verarbeitung einer Ehekrise”; dass Mori und Celentano tatsächlich einmal getrennt waren, angeblich wegen Ornella Muti, die dann mit 70 oder so, als diese Gerüchte wieder aufkamen meinte, aber Mori hätte ja zuerst selbst einen anderen gehabt, echt italienischer Gossip.

Und auch wenn es vielleicht nach meiner Beschreibung nicht so klang, Non succederà più ist tatsächlich ein sehr schöner Song. Und Mori und Celentano sind noch oder wieder zusammen.

Safety Issues

Auf Twitter hat ein kanadischer Musikjournalist, dem ich gerne folge, weil er immer interessante Fragen stellt, unlängst dieses von seinen Followern wissen wollen:

Da kamen oft Dinge, die mit Autos zu tun haben – hinten am Pick Up Truck sitzen zum Beispiel, oder ohne Gurt im Auto fahren sowie einiges, was Rauchen betrifft – Rauchen im Büro, im Krankenhaus, aber auch Schokoladenzigaretten für Kinder; sehr oft wurden “Lawn Darts” genannt, was ich erst googlen musste. Aber tatsächlich schrieben die Leute auch sehr häufig sowas wie: Comedy, Fun, Free Speech und Common Sense. Interessant.

Daran musste ich denken, als ich kurz darauf im Kurier ein “Pro und Contra” las, zum Thema: Soll man bei der Fußball WM die Nationalflagge schwenken dürfen. Solche Diskurse führen wir ernsthaft im Jahr 2024? Ich mein: echt jetzt?

Früher war nicht alles besser. Sich als Mensch um mehr Sensibilität und Bewusstsein zu bemühen ist eine gute Idee. Aber irgendwo auf dem Weg haben wir komplett die Verhältnismäßigkeit verloren. Oder wie die Pop-Poeten der 1980er Jahre, Aha, sagten bzw sangen: “It’s not better to be safe than sorry.” Zumindest nicht immer und um jeden Preis.

Fall Guy

Das Kind war am Wochenende auf dem ESports Festival im Austria Center und hat mir ein Geschenk mitgebracht.

Ein Maxerl von Fall Guys. Unbezahlte Werbung. Fall Guys ist eine Art Multi Player Geschicklichkeitsspiel.

Das Kind: Das ist das einzige Spiel, das du manchmal spielst!

Ich: Und zwar schlecht. Harhar.

Aber ich mag das Spiel und das Maxerl “Lightning” ist süss und ich habe mich total darüber gefreut.

The Village, zwei

Nach Roger Ebert sage jetzt ich meine Meinung, SPOILER, im Zweifelsfall bitte nicht weiterlesen.

Zu den guten Aspekten des Filmes zählt seine Besetzung mit Darstellern wie William Hurt, Sigourney Weaver, Adrien Brody, Joaquin Phoenix etc. Ich glaube, ich habe Brendon Gleeson noch nie so sympathisch gesehen wie in diesem Film. Auch transportiert The Village so eine Art creepy Grundstimmung, die sehr gut funktioniert, obwohl es (Gott sei Dank) kein Horrorfilm ist. Der Plottwist selbst ist zwar vom Überraschungfaktor her gelungen, wirft aber dann eine Menge an Fragen auf, letzte Spoilerwarnung: Der Film spielt tatsächlich im Jahr 2004 und die Dorfgemeinschaft ist von einer Gruppe von Menschen gegründet worden, die ca 25 bis 30 Jahre vorher aus der Zivilgesellschaft ausgestiegen ist. Der Grund dafür ist, dass jeder von ihnen eine nahestehende Person durch eine Gewalttat verloren hat und sie dadurch den Glauben an die USA und ihre Strukturen aufgegeben haben. Sie haben eine Parallelgesellschaft gegründet, in der Verbrechen und Schmerz keine Rolle spielen sollen.

Gut und schön, aber wieso muss ich mich hier historisch korrekt verhalten und das 19. Jahrhundert komplett imitieren? Ok, der quasi-Chef William Hurt ist Geschichtsprofessor, aber muss ich penibel genau einhalten, welche technischen Geräte und medizinischen Errungenschaften es um 1890 gab und alles andere verbannen? Und wenn ich das tue, warum? Müssen Menschen an Krankheiten sterben, gegen die es bereits wirksame Medizin geben würde? Und – um Pia Reiser zu zitieren – müssen alle so furchtbar angezogen sein? Harhar. Man könnte ja auch eine Gemeinschaft gründen, die zwar technik- und digitalisierungskritisch ist und “einfach” lebt, aber gewisse Vorzüge dennoch mitnimmt; aber gut, vielleicht kriegt man das ideologisch tatsächlich nicht zusammen.

Die Schilderung der Dorfgemeinschaft ist mir jedenfalls viel zu klischeehaft-naturalistisch. Die meisten Bewohner wirken – sorry – mehr oder weniger naiv bis verhaltensauffällig und die Dialoge sind großteils furchtbar. Dazu sind die Namen so sprechend, dass sie auch super in einem Nestroy Stück funktionieren würden. Die Familie, die aus dem USA der Gegenwart hinausgeht heißt “Walker”. Diejenige, die später über eine Mauer klettern muss, heißt “Ivy”. Und der, der einer Blinden zur Seite steht, heißt “Lucius”. Da denke ich mir immer, eine Nummer kleiner wäre auch ok gewesen. Apropos blind: natürlich muss es am Ende eine blinde Person sein, die den Wald durchquert und wir sprechen hier von einem Fußweg über einen Tag; das ist wirklich gelinde gesagt ziemlich unplausibel.

The Village wurde damals von vielen als “post- 9/11”-Film rezipiert und man könnte ihn so interpretieren, dass die Abschottung des Dorfes, der Rückzug vor der Welt, die Sehnsucht nach Sicherheit etwas vom Zeitgeist der frühen Nullerjahre hat, in denen die USA den “war on terror” führt. Dem Volk wird eine Bedrohung von außen (im Film die “Those We Do Not Speak Of”, die von den Dorfältesten nur erfunden wurden) vorgegaukelt, damit nichts hinterfragt wird und sich alle nur in gewissen engen Grenzen bewegen; damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt wird, dass sich gegen andere “draußen” richtet. Hier wird Freiheit gegen (vermeintliche) Sicherheit getauscht. Im fm4 Filmpodcast wird The Village als “Metaphernfilm” bezeichnet und das ist wirklich zutreffend.

Positiv kann vermerkt werden, dass Shyamalan seine kleine Dorfutopie nicht als die Weisheit letzter Schluss verkauft. Denn natürlich leben auch dort Menschen, die menschliche Dinge tun, die Emotionen haben, die Eifersucht und innere Konflikte verspüren – weil man das Leben an sich mit Unfällen und Krankheiten, Gefahren, psychischen Problemen und Behinderungen nicht einfach aussperren kann. Natürlich ist auch eine solche Gemeinschaft letztendlich nicht vor Gewalt gefeit, was der Film auch ausdekliniert. Weil das Leben eben immer, egal was man tut, eines ist: komplex. Und das ist ja auch gut so.