Wien Floridsdorf, wo sich Fuchs und äh Ente gute Nacht sagen…
Keine Angst, der Enterich hat sich nicht verlaufen, er ist nur am Weg zu dem kleinen Vorgarten, wo er seinen Zweitwohnsitz hat
my little place on the web…
Wien Floridsdorf, wo sich Fuchs und äh Ente gute Nacht sagen…
Keine Angst, der Enterich hat sich nicht verlaufen, er ist nur am Weg zu dem kleinen Vorgarten, wo er seinen Zweitwohnsitz hat
Das war eine schöne Woche.
Ich hatte ziemlich viel zu arbeiten, ein paar relativ heikle Deadlines, war aber dann doch früher fertig als erhofft, worauf mir mein langjähriger Auftraggeber schrieb: “Das war ja wirklich im Eiltempo. Shampoo wie Marko Arnautovic sagen würde.” Harhar
Dann gabs einmal Kebap zu Mittagessen mit dem Kind, selbst gekauft von mir, da keine Zeit zu kochen (siehe oben). Danach hat er mich ein paar Sachen für sein Biologiereferat zum Thema Frühgeburt gefragt – ich mein, wer sollte so ein Referat halten, wenn nicht er. Am Ende meinte er, er könnte jetzt bei der Quellenangabe “Mama” dazuschreiben. Ja, das ist tatsächlich das einzige naturwissenschaftliche Thema, bei dem ich mich wirklich auskenne.
Außerdem hab ich mir zwei Bücher des Drehbuchautors William Goldman bestellt, in denen er über seine Arbeitsweise erzählt, und lese natürlich gerade zahllose Artikel zum Thema: The Oscar – Who will win/Who should win. Das war echt ein herausragendes Filmjahr. Hier eine sehr liebevoll gemachte Montage, die nochmal alle Nominierten in der Kategorie “Best Film” vorstellt, es wird gelacht, es wird geweint, es wird geträumt und philosophiert, es gibt große Gefühle, wie im richtigen Leben:
Und last but not least habe ich diese Woche sehr liebe und aufmerksame Nachrichten von jemanden bekomme, an den ich viel denke und das macht mich so froh, ich kanns gar nicht sagen.
Gestern habe ich mir Jonathan Glazers The Zone of Interest angesehen, laut Steven Spielberg der beste Holocaust Film seit Schindlers Liste. Spielberg ist offenbar von sich überzeugt. Harhar. Tatsächlich ist The Zone of Interest ein ganz anderer Film als es Schindlers Liste war, denn er porträtiert das Leben der Täter.
The Zone of Interest basiert lose auf dem Roman von Martin Amis und auf der tatsächlichen Lebensgeschichte von SS-Obersturmbandführer Rudolf Höss (Christian Friedel), der das Lager Ausschwitz aufbaute und mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und den fünf Kinder auch direkt angrenzend an dieses Lager wohnt. Die Familie hat ein großes Haus und einen noch größeren Garten und wir sehen in diesem Film, wie diese Familie lebt. Viel mehr passiert nicht, es ist eher ein Konstrukt als eine Geschichte. Wir als Zuschauer sehen keinen einzigen KZ-Insassen, keine Gewalt, kein Verbrechen. Und doch ist der Film so arg-intensiv, weil wir die ganze Zeit, während wir dieser Familie bei ihrem Alltag zusehen, Ausschwitz hören. Tag und Nacht hören wir Schreie, Befehle, Klagen, hören wir Verzweiflung und Schüsse. Das ist die Soundkulisse, mit der Familie Höss lebt als wäre nichts.
Hedwig ist so stolz auf ihren Garten. Als ihre Mutter zu Besuch kommt, zeigt sie ihr das Glaushaus, die roten Rüben, den Fenchel, was sie alles anbaut und die Pergola – mit Blick auf das Lager; da bemerkt sie nur: “Wir lassen darüber noch Efeu wachsen”. Die Mutter ist eine wichtige Figur in diesem Film, weil sie “von außen” kommt. Der Film lebt von Szenen wie dieser, von ganz vielen, wie nebenbei eingestreuten Details. Wie der Hausdiener die Stiefel von Höss wäscht, und sich dabei das Wasser rot färbt. Wie Hedwig einen Nerzmantel anprobiert, den Höss einmal mitbringt (von wem dieser ist, kann man nur mutmaßen). Wie die Familie einmal im Fluss badet und dann ist ihre Haut voller Asche. Thematisiert wird das nicht. Auch laute Worte fallen in dieser Familie nie und Rudolf Höss ist ein eher sanfter Mann, der sich sehr um seine Kinder kümmert, sie ins Bett bringt, ihnen vorliest. Das macht alles noch skuriller, weil er dann gleichzeitig “dauernd arbeitet” – wie Hedwig sagt – was bedeutet, sich zu überlegen, wie er Ausschwitz noch “effizienter” machen kann.
Es sind distanzierte und gleichzeitig eindringliche Bilder, die wir von dieser Familie sehen. Das Zusammenspiel von Bild und Ton erinnert manches mal an Stanley Kubrik. Die meiste Zeit ist es einfach nur beklemmend, auch wenn wir nichts direkt beklemmendes sehen. Als Zuschauer fragt man sich, wie kann man diese Familienidylle glauben und leben, wenn man weiß, was nebenan passiert?Oder hat man eine Rechtfertigung dafür gefunden, dass es das Lager geben muss, dass es in Ordnung ist, Menschen so zu behandeln, so sehr zu quälen? Aber dafür gibt es keine Rechtfertigung. Gegen Ende bringt Glazer eine Menge an sehr subtiler, aber brillianter Symbolik in seinen Film; Höss arbeitet an der Endlösung mit und eine Operation wird nach ihm benannt. Heute weiß man, wenn eine Operation des Naziregimes mit dem eigenen Namen bezeichnet wird, wird das für denjeinigen wohl kein gutes Ende nehmen. Aber auch dazu erklärt der Film nichts weiter. Und das ist gut so. Gerade diese Leerstellen machen den Film aus, weil vieles auch einfach unsagbar ist.
The Zone of Interest ist für fünf Oscars nominiert, u.a. als bester Film und als bester fremdsprachiger Film, weil zwar ein Brite Regie führt, die Darsteller aber alle Deutsch sprechen. Hier würde mich interessieren, wie die Zusammenarbeit lief, da ich nicht sicher bin, ob Glazer Deutsch kann. Aber dazu habe ich noch keine Information gefunden.
Hier der Trailer:
Am Wochenende habe ich mir nochmal die Serie Fleabag – von und mit Phoebe Waller-Bridge- angeschaut. Das schafft man gut, weil es nur 12 Folgen sind. Ich finde es interessant, eine Serie nach einer gewissen Zeit nochmal zu sehen. Interessant war besonders, dass mir beim ersten Mal Sehen die erste Staffel besser gefallen hat, diesmal allerdings eindeutig die zweite.
SPOILER möglich.
In Staffel 1 hat Fleabag (Phoebe Waller-Bridge) viele kurzlebige und bedeutungslose Affären. Schon in der allerersten Szene schafft Waller-Bridge es, ihre Hauptfigur ungemein vielschichtig zu zeigen, sodass der Zuseher keine Sekunde lang glaubt, dass es sich hier um eine Frau handelt, die völlig skrupel- und emotionslos ist, obwohl ihre scheinbar oberflächliche Lebensweise das vielleicht vermuten lassen würde. Später erfahren wir, dass sie sich schwere Vorwürfe wegen eines Fehlverhaltens ihrerseits macht, das schlimme Folgen hatte. Fleabag wartet also hier auf einen Mann, der sie mitten in der Nacht angerufen hat, ob er vorbeikommen kann und erklärt dem Publikum – eines der Markenzeichen der Serie ist, dass Fleabag mit dem Publikum interagiert – dass sie nun extra geduscht und sich die Beine rasiert hätte, Wein getrunken und jetzt gleich so tun wird, als hätte sie vergessen, dass er vorbeikommt. Sie tut auf supercool, ist aber nervös und gibt das vor dem Publikum auch zu. Das ist total sympathisch. Am Ende der Staffel kann sie endlich mit jemandem reden, der ihr sagt: “Menschen machen Fehler”, was irgendwie eine Selbstverständlichkeit ist, aber manchmal muss man das von jemand anderem hören, um es auch glauben zu können.
Meine allerliebste Folge ist Folge 1 von Staffel zwei, als sich Fleabags Familie zum Abendessen trifft, praktisch die ganze Folge spielt in dem Restaurant. Ihr Vater, dessen Lebensgefährtin, ihre Schwester Claire mit Mann und der Priester, der Fleabags Vater und seine Freundin bald trauen wird. Die toxische Dynamik innerhalb der Familie wird sehr notdürftig durch das gediegene Ambiente unterdrückt bzw neutralisiert. Dazu kommt eine “needy waitdress”, die viel zu viel präsent ist und dauernd helfen will, dabei aber nur zusätzlich Unruhe in die Runde bringt. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Menschen miteinander reden und dabei ausschließlich Banalitäten austauschen, die aber quasi seitenlange Fußnoten als Subtext haben. Fleabags zukünftige narzisstische Stiefmutter ist over the top freundlich, aber nur um ihren fast schon pathologischen Widerwillen gegen ihre Stieftöchter in spe zu verschleiern; der Vater ist liebenswert-hilflos der Situation ausgeliefert, er bemüht sich zwar, aber er steht zwischen seiner neuen Frau und den Töchtern, mit Tendenz zur neuen Frau. Fleabags Schwester ist ein lieber Mensch, aber in ihrem Perfektionismus gefangen, außerdem will sie es immer allen recht machen; ihr Schwager ist rüpelhaft und laut und der Priester, den Fleabag an diesem Abend kennenlernt, ist so entwaffend menschlich und liebenswert, dass sich Fleabag natürlich in ihn verliebt. Am Ende lösen sich die aufgestauten Emotionen in einer Schlägerei, an der Fleabag natürlich ursächlich beteiligt ist, weil sie es ablehnt, die Fassade weiterhin aufrecht zu erhalten. Als sie mit ihrer Schwester in einem typischen Londoner Cab ins Krankenhaus fährt, sagt die Schwester: “The priest is quite hot” und Fleabag: “So hot!”
Waller-Bridge schreibt so gute Szenen und Dialoge, sowas bewundere ich wirklich sehr, sie schafft auch so interessante (Frauen)figuren. Ja und der “hot priest” wurde dann ein Meme, weil sich herausstellte, dass ihn alle lieben und außerdem ist Andrew Scott noch in anderen Rollen großartig, derzeit in All of us Strangers und bald als Ripley in einer neuen Serie.
Ich hab einen Grant.
Heute wurde bekanntgegeben, dass es heuer keine NDR Songchecks geben wird. Das waren die Sendungen, die vornehmlich im Internet präsentiert wurden, in denen in den letzten Jahren die ESC-Songs im Detail, Song für Song besprochen wurden, mit vielen Menschen, die sich eingehend mit dem Songcontest beschäftigen und den Bewerb lieben. Es war immer sehr witzig und inspirierend, aber auch ungeheuer warmherzig und natürlich war es auch nerdig bis zum Abwinken und was für Freaks, aber die ESC-Bubble hat es geliebt und ich sage es ehrlich, ich hab mich auf die Songcheck-Woche mindestens ebenso gefreut wie auf die tatsächliche ESC-Woche. Es gab sogar Zeiten, da waren mir die Songchecks ein großer Trost. Wir brauchen nicht darüber reden ob das weird ist, ich geniere mich jedenfalls nicht dafür.
Und jetzt verzichtet der WDR einfach darauf und obwohl ich nichts zum deutschen ESC-Vorentscheid schreiben wollte, weil wenn man nichts positives zu sagen hat, kann man auch einfach mal nichts sagen, aber ganz ehrlich: Dafür war Geld da??? Und damit meine ich nicht die Künstler, sondern die Sendung an sich. Für eine absolut lieblose Show, bei der die Moderatorin Barbara Schöneberger sich einmal mehr als komplett desinteressiert am Songcontest geoutet hat, und nicht mal die Basics des Bewerbs verstanden und ihr ESC-Mindset aus den Nullerjahren sowieso nie hinterfragt hat. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Deutschland fast jedes Jahr so schlecht abschneidet, weil dem NDR, der dafür verantwortlich ist, offenbar so wenig an dem Bewerb an sich liegt, aber wenn man es nicht mit Herzblut macht, dann kann man es auch gleich lassen. Oder um Marco Schreuder zu zitieren: “Es war ganz grauenhaft, ganz schrecklich.”
Ja, Dinge ändern sich und man sollte sich im Leben eh an nichts zu sehr gewöhnen, aber trotzdem ist es enttäuschend und fies und auch traurig. Aber die Bubble wird um die Rückkehr der Songchecks kämpfen, lieber NDR, da bin ich ganz sicher, in den social medias rumpelt es schon gewaltig. Diabolisch-lächelnd gesendet.
Am Donnerstag war ich mit K. bei der Neueröffnung des Kunsthauses Wien. Spoiler: Wir haben beide keine gröbere Veränderungen wahrnehmen können, außer das eine oder andere Exponat, aber es war freier Eintritt und es war ein schöner Ausflug.
Eines der ersten Bilder, das wir gesehen haben, trug den Namen “Zwei Kuverts auf langer Reise”, woraufhin K. meinte, das erinnert sie an ihren Weihnachtsbrief an ihre kleine Enkelin, der bis heute nicht angekommen ist, sie sollte wohl ein Foto von dem Bild an die Wiener Post schicken. Harhar. Dann haben wir über Namen von Bildern geredet. K. meint, es wäre eigentlich eine Zumutung, wenn Maler ihren Werken keine Titel geben oder vielleicht noch “Ohne Titel” schreiben, weil man mit Titel soviel mittransportieren kann und das sehe ich absolut genauso.
Ich weiß noch als ich das erste Mal im Guggenheim Museum in Venedig war und ein Bild gesehen habe, das sich The sun in its jewel case nannte; der Name hat mich fast mehr beeindruckt als das Bild selbst und Hundertwasser kann das mit den Titeln auch sehr gut. Außerdem kann man von ihm Zitate auf den Wänden lesen wie: “Die gerade Linie ist gottlos” und “Unser wahres Analphabetentum ist das Unvermögen schöpferisch tätig zu sein.”
Auch ein sehr interessanter Titel und Bild:
und:
“Eifersuchtsschlaflosigkeit” – wer kennt es nicht?! So gut. Auch spannend:
Außerdem kann man im Kunsthaus verfolgen, was Hundertwasser noch so alles gemacht hat, zum Beispiel das Thermenhotel in Bad Blumau und dessen Umgebung gestaltet. Außerdem gibt es Briefmarken von ihm und er hat das Cover der Bibel, des Brockhaus’ und des Stowasser’ auf seine Art und Weise neu kreiert. Der Stowasser ist ja ein Lateinisch-Deutsch Schulwörterbuch und es ist insofern noch interessanter, weil Hundertwasser eigentlich Stowasser hieß. Dann gibt es noch die Pfarrkirche Bärnbach zu sehen und natürlich eine Nachbildung von der Müllverbrennungsanlage Spittelau.
Nach dem Rundgang waren wir noch auf einen späten Mittagskaffee und ein Mittags-Schokocroissant (ich) und haben geredet. Ich bin K. dankbar, dass ich ihr wie eine hängengebliebene Schallplatte immer wieder dasselbe, das mich so sehr beschäftigt, erzählen darf und sie immer einen so bereichernden Blickwinkel darauf hat und mich auf Dinge aufmerksam macht, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.
Heute wurde der österreichische Song für den ESC 2024 vorgestellt – Kaleen singt We will rave. Naja, der Name ist Programm würde ich sagen. Oder auch: Eurodance ist zurück!
Ich war ja ein sehr großer Fan von unserem letztjährigen Song Who the hell is Edgar von Teya und Salena, weil ich ihn als witzig und sophisticated empfunden habe. Die Backstory mit Edgar Allen Poe und wie wenig man als Musiker heutzutage verdient – 0,003 Dollar für das einmal-Streamen seines Songs auf Musikplattformen, so dass man sich nur “Gasstation Champagne” leisten kann, das war interessant. Eine Botschaft mit einer Menge schwarzem Humor vorgetragen, dazu ein außergewöhnlicher musikalischem Charakter, das hat man so irgendwie noch nie gehört gehabt.
We will rave steht dazu im krassen Gegensatz, den Song hat man nämlich gefühlt die halben 1990er Jahre gehört, ich rieche da irgendwie Frittieröl vom Langos im Prater. Harhar. Und der Song hat keine Schichten, aus denen man ihn erstmal neugierig befreien muss, um zu einem verborgenen Kern zu kommen. Das ist ein Banger vom ersten Moment an, was ein Vorteil sein kann, weil er sofort in die Beine geht. Aber sehr viel Seele hat er halt dann auch nicht, also das ist kein Song, in den man sich unsterblich verliebt, das ist eher guilty pleasure.
Das Dance-Break an sich ist ein Phänomen der jüngeren ESC Geschichte, siehe Elena Foureira (Fuego) aus Zypern 2018, Chanel (SloMo) aus Spanien 2022 oder voriges Jahr Noa Kirel aus Israel (Unicorn) – die das Publikum ja gleich vorwitzig gefragt hat: “Do you wanna see me dance?” und gar keine Antwort abgewartet hat. Alle diese Songs landeten übrigens in den Top 3. Also das ist irgendwie schon “a thing” beim Songcontest gerade. Und Kaleen ist ja Tänzerin und war schon öfters als Choreografin und Stand In beim ESC im Einsatz. Und es ist ja kein Fehler, wenn man sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert.
In den Wettquoten bewegen wir uns gerade Richtung Top 10 (jetzt, Freitag Vormittag auf Platz 11).
Dieses Jahr wurden zehn Filme in der Oscar-Kategorie “Bester Film” nominiert. Ich habe fast alle davon gesehen. Einer davon, American Fiction, hat mich thematisch sehr interessiert, es war aber kein Starttermin in Österreich in Sicht. Also habe ich mir gedacht, ich zäume das Pferd von hinten auf und lese zuerst das Buch. Nachdem es die deutsche Version schwer verfügbar war, habe ich mir das Original bestellt.
Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich es nicht auf Deutsch gelesen habe, weil die Sprache in diesem Buch eine sehr wichtige Rolle spielt. Diese Woche wurde der Film still und heimlich auf Amazon Prime veröffentlicht und jetzt kann ich also ein paar Dinge dazu schreiben, nämlich auch zur Beziehung zwischen Buch und Film. Erasure ist im Gegensatz zu Die geheime Geschichte, von der ich kürzlich schrieb, überhaupt kein Buch, das dazu einlädt, es zu verfilmen. Es ist eher eine Collage, bestehend aus Zitaten, Gesprächsfetzen, einem Roman im Roman etc. Deshalb Hut ab für Cord Jefferson, der das Drehbuch schrieb und auch Regie führte.
Die Hauptfigur in American Fiction ist Literaturprofessor und Schriftsteller Thelonius Ellison (Jeffrey Wright), genannt “Monk”; ein Mann in den besten Jahren quasi und er ist schwarz. Er lebt alleine an der Westküste, muss aber nach Boston, um nach seiner Mutter zu sehen, die an Alzheimer erkrankt ist. Monk hat einen eben erst als homosexuell geouteten Bruder, Cliff (schrill: Sterling K. Brown) und die Schwester Lisa, beide Ärzte. Monk schreibt sehr intellektuelle Bücher – etwa jüngst über Aischylos – die niemand lesen will. Auf einer Buchmesse in Boston kommt ihm das Buch We’s Lives In Da Ghetto (sic!) unter, das Buch einer schwarzen Autorin, das große Erfolge feiert. Sie wird als “neue schwarze Stimme Amerikas” bejubelt. Monk ist von diesem Buch angewidert, da es nur schwarze Stereotypen reproduziert, das Leben der Romanfiguren besteht ausschließlich aus Drogen, Gefängnis, unerwünschten Schwangerschaften, Armut und Gewalt. Außerdem strotzt es vor bewussten Rechtsschreibfehlern, um es “authentischer” zu machen. Monk setzt sich hin und schreibt aus Jux einen Roman in einem ähnlichen Duktus, dass er My pafology nennt (ursprünglich “My pathology”, aber er schreibt es absichtlich falsch). Sein Literaturagent lacht ihn aus, bis ihnen ein Verlag 750.000 Dollar für das Manuskript bietet…
Wenn es um den Literaturbetrieb geht, ist das Buch und auch der Film sehr witzig. Monk versteht die Welt nicht mehr, dass er mit seinem satirischen Text nicht nur für voll genommen wird, sondern ein unglaubliches Honorar geboten bekommt. Er ist nun in der Zwickmühle. Kein Autor wird Autor, weil er reich werden möchte – da gibt es erfolgversprechendere Wege – sondern weil er sich mitteilen will, wie er sich nur schreibend mitteilen kann. Weil er das, was in seinem Kopf ist, irgendwie zu Papier bringen muss, vielleicht auch, weil er verstanden und erkannt werden möchte, weil er damit sein eigenes Leben aufarbeitet. Er möchte dabei sein bestes geben. Andererseits braucht Monk das Geld dringend, weil er seine Mutter in einem Pflegeheim unterbringen muss. Also legt er sich für diesen Roman ein Pseudonym zu. Die Szenen, in denen er mit weißen Autoren diskutiert, die My pafology lieben, während er es in der Luft zerreißt sind sehr amüsant. Ebenso eine Szene mit seinem Agenten, in der dieser ihm drei verschiedenen Sorten einer Whiskeymarke präsentiert und Monk fragt: “Verstehst du die Metapher?” Monk: “Nein.” Harhar. Es geht grob gesagt darum, dass auch billiger Alkohol betrunken macht.
Die privaten Momente von Monk sind melancholisch. Im Alltagsleben kann er sich nicht so gut mitteilen. Er tut sich schwer, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten. Auf seiner Familie lastet quasi “generational trauma” und ein schlecht gehütetes Geheimnis. Dass die Familie schwarz ist, spielt dabei eine gewisse, aber eher untergeordnete Rolle. Muss es eine Rolle spielen? Will Monk die tatsächliche Geschichte seiner Familie erzählen? Könnte er das, eine wirklich schwarze Stimme sein? Will er das überhaupt? Ist seine Perspektive “schwarz”? Diese und ähnliche komplexe Themen deuten sich an. Der Film geht über das Buchende hinaus, in dem er es quasi persifliert. Das ist genial gemacht.
Ich kann Buch und Film nur empfehlen, wenn man beides vergleichen möchte, dann sollte man hier unbedingt das Buch zuerst lesen.
Disclaimer: Ich weiß nicht, ob “schwarz” und “weiß” politisch korrekt ist, ich habe diese Formulierungen aber aufgrund der einfacheren Lesbarkeit gewählt.
Weil ich jetzt gefragt worden bin, was die Pulp-Anspielung im Film Saltburn war. (Spoiler!)
Also. Die britische Indiepop Band Pulp hat ja diesen Song Common People, angeblich sogar ihr Signature-Song quasi, in dem Jarvis Cocker darüber singt, dass er (bzw. der Protagonist des Songs) am St. Martin’s College eine reiche griechische Studentin “with a thirst for knowlegde” kennenlernt, die ihm sagt, sie möchte wissen, wie es sei, quasi ein gewöhnlicher Mensch zu sein. “I wanna live like common people, I wanna do whatever common people do” usw. Und er geht dann mit ihr in den Supermarkt und gibt ihr ein paar Hinweise, wie es ist arm zu sein, aber sie wird es trotzdem nie wirklich verstehen, schlussfolgert Cocker, weil sie jederzeit ihren Vater anrufen und um Geld fragen kann. Bezeichnenderweise ist der Song auf Pulps Konzeptalbum Different Class erschienen.
Naja und in Saltburn gibt es die Figur der Elspeth, die reiche Mutter des Studenten Felix, die den jungen Leuten erzählt, dass sie früher Modell war und mit diesen ganzen Britpop-Bands Blur, Oasis, Pulp herumgezogen ist und dann kam Common People raus und sie sagt: “Everybody thought it was written about me. Which was ridicolous. I barely knew Jarvis. She came from Greece, she had a thirst for knowledge. It could not have been me. I’ve never wanted to know anything.”
So super, tatsächlich gab es damals ja wirklich Spekulationen, über wen dieser Song sein könnte und erst viel später, 2015, erhärtete sich der Verdacht, es sei vielleicht die Frau vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gemeint, die aus einer reichen Familie stammte und zur fraglichen Zeit am St. Martin’s College studierte.
So, ich hoffe, ich hab es jetzt verständlicher erklärt, aber ich bin nicht sicher.
Die Frühstückslokal Entdeckungsreise geht weiter. In diesem Monat: Das Orient Occident.
Seit unsere Kinder groß genug sind, dass sie nicht mehr im Hof spielen, haben meine Nachbarin A. und ich uns kaum mehr gesehen, dann kam noch Corona und das Leben an sich und man sagt nur noch freundlich “Hallo”, wenn man sich begegnet. Letztens haben wir uns mal wieder zufällig bei der Haustür getroffen und sie hat mich zum Frühstück eingeladen und gefragt ob mir der Naschmarkt zu weit ist. War er mir nicht, ich bin immer froh, wenn ich neue Lokale kennenlerne. Dort habe ich mich (wieder mal) für Eggs Royale entschieden – porchierte Eier mit Räucherlachs, Spinat und Schnittlauch und Sauce Hollandaise auf einem Muffin. Es war herrlich und ausreichend bis zum Abend.
Bei den Frühstückerinnen gibt es ja immer bei den Frühstückstests den Eintrag: Dauer bis der erste Cappucino serviert wird. Das sind meistens so drei, vier Minuten. Wenn man jemand wiedertrifft, den man so lange nicht gesehen hat, könnte man die Rubrik erfinden: Dauer bis man zum “Realtalk” kommt, wo man darüber spricht, was einen wirklich beschäftigt. Bis man sich das traut, dauert es jedenfalls deutlich länger als das mit dem Cappuccino, harhar.
Wir haben uns aber auch an früher erinnert, wo wir mit unseren insgesamt vier Kindern vom Haus zur Bücherei Weisselbad gegangen sind und nachdem die Kinder damals 6, 5, 3 und 1 Jahre alt waren, haben wir zweieinhalb Stunden gebraucht, für einen Weg, den eine erwachsene Person im Normalfall in 25 Minuten schaffen kann. Aber alle paar Minuten hat sich ein anderes Kind aus nicht näher bekannten Gründen auf den Boden geworfen, dann waren Proviant kaufen bei Billa, anschließend haben die Kinder bei den Straßenmusikern am Bahnhof Floridsdorf mitgetanzt usw. Ein anderes Mal waren wir im Jänner trotz Jänner stundenlang im Wasserpark, öfter mal bei Regen mit Gummistiefel im Hof, sowie Bioobst und Gemüse kaufen am Acker next door, was man halt so macht mit kleinen Kindern. Jetzt gehen alle Kinder oder eher Jugendliche ins gleiche Gymnasium, in die 6., 4. und 2. Klasse. Dann haben wir noch ein bisschen über andere Nachbarn gegossipt und sie hat erzählt, dass sie am Pulp Konzert in Liverpool war und ich hab ihr gesagt, dass ich der ur Pulp Fan war, mit 18 oder 19 und ich hab ihr von der Pulp-Referenz im Film Saltburn erzählt, aber ich glaub ich hab es nicht gut genug erklärt harhar. Gesprächsstoff gabs jedenfalls genug für fast drei Stunden.
Sie ist dann mit dem Rad nachhause gefahren und ich mit Öffis, wo ich an der Oper vorbeigekommen bin; an dem Tag war Opernball, von dem ich abends aber nicht eine Minute gesehen habe, weil ich lieber ins Kino gegangen bin, aber davon hab ich schon berichtet.