Und um auch nochmal auf San Remo zurückzukommen: Gewonnen hat schließlich, wie durchaus erwartet, Marco Mengoni mit Due Vite. Der Song ist ein klassischer Popsong ohne große Überraschungen, aber es ist ein solider, guter Song. Und Mengoni ist ein extrem sicherer Sänger und überzeugender Performer. Nun überlegt er offenbar, mit einem anderen Song zum ESC zu fahren. Das ist möglich, weil San Remo keine Vorentscheidungsshow im klassischen Sinn ist.
Ich bin trotzdem dagegen. Ist Due Vite ein revolutionäres Stück Musik, wie Italien es in den Jahren 2018 bis 2022 geschickt hat? Mit Mahmood (x2, einmal im Duo mit Blanco), Ermal Meta und Fabrizio Moro, und nicht zu vergessen Maneskin. Nein natürlich nicht. Es hätte aber im diesjährigen Bewerb mit Madame, Lazza, Colapesce/Dimartino einige Kandidaten gegeben, die unkonventionelle Beiträge performt haben. Diese wurden, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausgewählt. Jetzt haben wir halt einen klassischen italienischen Hadern und das ist durchaus ok, denn es gab auch in der Vergangenheit klassiche italienische Hadern beim ESC – nicht zuletzt 2013 von Mengoni selbst performt, aber auch Antonio Diodato hätte 2020 mit Fai Rumore einen solchen abgeliefert; und auch Il Volo mit Grande Amore haben 2015 in Wien einen Pop(era)-Song geschmettert, der sogar das Publikumsvoting gewonnen hat (insgesamt: 3. Platz).
Ich denke, Mengoni wird jetzt, wenn er ein anderes Lied auswählt oder sogar noch schnell eines schreibt, trotzdem etwas ähnliches bringen, weil es einfach sein Ding ist, er ist Popsänger. Er wird nicht plötzlich eine 180 Grad Drehung machen, und einen Song vorstellen, den wir von ihm nicht erwarten. Also warum dann nicht gleich den Song nehmen, für den immerhin 46 Prozent der Menschen am Ende bei San Remo gevotet haben? Natürlich sind nie alle begeistert, aber die, die Due Vite mögen, werden einem neuen Song vermutlich eher kritisch gegenüberstehen und dass die anderen einen neuen Song (lieber) mögen ist ja auch nicht gesagt. An Mengonis Stelle würde ich meine Anstrengungen darauf verwenden, Due Vite anständig zu kürzen, was nicht allzu leicht wird, denn er ist 45 Sekunden zu lang; und das bitte nicht so verunglückt, wie das bei Francesco Gabbani der Fall war (das hat echt wehgetan, und ich fand Occidentali’s Karma wirklich super in der San Remo Version). Und die heiklen Ausdrücke, die der EBU nicht gefallen werden, müssen auch raus. Und dann so inbrünstig singen wie bei San Remo und eine gute Platzierung in Liverpool ist gewiss.
Soviel zu diesem lebenswichtigen Thema. In Kürze dann: Die EBU und die Zensur, am Beispiel des kroatischen Siegers der Vorentscheidungsshow Dora, Let3 mit Mama ŠČ!