Jetzt hab ich doch tatsächlich eine gänzlich neue Serie auf Amazon Prime entdeckt. Eine Serie, die Harald Schmidt empfiehlt, die mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde und die nur aus zwei Staffeln besteht, zu je sechs Folgen. Und dennoch ist sie kultig. Sie heißt Fleabag.
Wenn man sich die Beschreibung durchliest, könnte man zunächst einen falschen, jedenfalls zu flachen Eindruck von Fleabag (Phoebe Waller-Bridge, die die Serie auch geschrieben und entwickelt hat) bekommen. Fleabag – das ist ihr Spitzname, ihr tatsächlicher Name wird nicht erwähnt – wird als chaotische, leicht perverse Frau beschrieben, die Pornos schaut, ständig wechselnde Männerbekanntschaften hat und sich durch London schnorrt. Das alles stimmt schon, dennoch ist sie viel mehr. Das wird schon in der allerersten Szene klar, in der sie nachts um zwei auf einen Mann wartet, der kurzfristig bei ihr vorbeikommen wollte. Dabei erzählt sie dem Publikum – mittels Durchbrechen der vierten Wand – , wie sich sich seit einer Stunde auf diesen Moment vorbereitet hat (geduscht, sich rasiert, eine halbe Flasche Wein getrunken) und jetzt so tun muss, als hätte sie fast vergessen, dass er vorbeikommt. Dabei gibt sie zu, wie aufgeregt sie ist. Alleine diese eine Szene gibt der Protagonistin Tiefe und Wahrhaftigkeit und als Zuschauer merkt man sich diese Szene und erkennt nach ein paar Sätzen bereits viel von ihrem Charakter – bei aller Flapsigkeit, die Fleabag im Verlauf dieser zwei Staffeln noch ausstrahlen wird.
Und die Flapsigkeit geht schon in der zweiten Szene los, als Fleabag und der Lover “gleich loslegen” und sie die folgende Tätigkeit als “durchschnittliches Rumgevögel” bezeichnet. Das ist das zweite, neben den sehr differenziert gezeichneten Charakteren, das an dieser Serie sensationell ist: diese absolut offene, tabulose Sprache, die dennoch nicht unnötig vulgär wird (es sei denn, man kann es prinzipiell nicht leiden, Dinge offen auszusprechen), sondern vorallem frech und erfrischend wirkt. Über ihre on/off Beziehung und ihren Freund Harry sagt Fleabag: “Er will immer nur Liebe machen. Warum kann er mich nicht einfach vögeln?” Und als sie ihrer Familie einen anderen, gerade aktuellen Freund vorstellt und sie fragen, wie sie sich kennengelernt haben, sagt sie (allerdings nur in Zwiesprache zum Publikum): “Er hat mich in den Arsch gefickt.” Wenn einem diese paar Zitate beim Lesen allerdings Schwierigkeiten bereiten, rate ich von dieser Serie eher ab. Harhar.
Fleabag hat natürlich eine Geschichte. Und die ist gar nicht mal so lustig. Sie besitzt ein kleines Cafe, das sie eigentlich mit ihrer Freundin Boo betrieben hat. Aber Boo ist gestorben – die Umstände sind skurill und gleichzeitig tragisch – und Fleabag kommt über ihren Tod nur schwer hinweg. Dazu kommt der Verlust ihrer Mutter, die ebenfalls noch nicht lange tot ist. Ihr namenloser Vater ist ein gutmütiger, herzlicher Mensch, die Stiefmutter (herrlich unsympathisch: Olivia Coleman) ist der passiv-aggressive Horror, den sie mit einer Menge Zuckerguß-Überfreundlichkeit zu überdecken versucht. Ihre Schwester Claire (Sian Clifford) ist verklemmt und neurotisch und hat ihr eigenes kompliziertes Leben. Die Familienzusammenkünfte sind teilweise bis an die Schmerzgrenze peinlich, aber irgendwie freut man sich als Zuseher darauf, wenn alle wieder zusammentreffen. Und ich denke Waller-Bridge geht es ähnlich, man markt ihr die diebische Freude an, die sie beim Schreiben dieser Szenen wohl gehabt haben dürfte.
…to be continued…