Kurze ESC-Pause für eine sentimentale Einschaltung.
Da hat man gerade noch dem Kind das Flascherl gegeben, es herumgetragen und ist ihm (oft!) hinterher gelaufen, als er abgehaut ist, wollte ihn an seiner Kapuze schnappen und hatte dann eben diese in der Hand, weil man die abknöpfeln konnte. Danke an die Kinderkleidunghersteller, ihr macht es uns auch nicht leichter. Ja, und jetzt hat er seinen ersten Sommerjob, mit heute fix, den er sich selbst organisiert hat, weil er sich ein neues Handy kaufen wollte.
Aber tatsächlich stimmt das gar nicht, ich bin eh nicht sentimental, ich finde das super und es ist ja kein Geheimnis, dass ich es toll mit einem großen Kind finde. Und außerdem wurde ich von ihm schon zum Essen eingeladen, weil er hat dann ja mehr Geld. Harhar.
Ich entschuldige mich schon mal, dass es diese Woche hier hauptsächlich um den Songcontest gehen wird, oder wie das Kind sagt: “Heidi wieder komplett obsessed.” Ja, da müssen wir jetzt durch.
Heute findet also das erste Semi statt, das m.E. das schwächere der beiden ist und von den Big Five performen Deutschland und Großbritannien, dazu das Siegerland Schweden. Zu UK hab ich ja gestern schon etwas geschrieben, bei Deutschland finde ich die Lyrics des Songs Always on the run recht mutig. Wenn man bedenkt, dass Deutschland in den letzten Jahren relativ oft Letzter geworden ist, leider auch durchaus mit null Punkten und, dass ein Vorwurf lautete, die Songs wären zu unspektakulär, dass der neue Song dann mit den Zeilen “I am nothing but the average” anfängt, Respekt für die Selbstironie. Izaak hat eine tolle Stimme, ich weiß nur nicht, ob diese “Fernsehgarten brennt” Inszenierung so eine gute Idee war. Und Schweden ist halt wie Schweden meistens ist. Das musikgewordene Billyregal.
Heute werden natürlich Kroatien, Ukraine, Litauen mit starken Songs weiterkommen. Irland war mit einem sehr polarisierenden Beitrag lange im hinteren Bereich der Wettquoten, seit gestern ist es in den Top 5. Da bin ich gespannt, wie das heute Abend auf der Bühne wirkt, weil ich kann nicht sagen, ob mir das gefällt oder nicht. Dann gibt es auch einiges durchschnittliches. Beispielsweise ist fraglich, ob es Australien heuer ins Finale schafft. Ich freu mich ja immer, dass Australien dabei ist und sie haben auch wirklich schon sehr interessante Songs gebracht, einmal auch knapp dem Sieg vorbeigeschrammt, aber One Milkali/One Blood ist gar nicht meines. Das Ganze soll ein bisschen Aborigines-mäßig angehaucht sein (siehe auch Songtitel), aber das Staging puh, das ist mir ein bisschen zuviel Folklore. Und Lyrics, in denen es heißt “It’s raining love”, sorry, aber da bin ich raus. Später kommt noch ein Didgeridoo dazu und da halte ich es mit dem Kommentator Max von ESC Bite: “Für mich ist das ganze Lied mehr so ein Didgeri – don’t” Harhar. Ja, es ist leider so.
Ähnliches ist über Island zu sagen. Island hatte schon so wunderbare, auch skurille Songs, 2020 hätten sie ziemlich sicher gewonnen und mein vielleicht allerliebster ESC-Lieblingssong stammt aus Island (1997, Paul Oscar, Minn hinsti dans); wie ich durch Marco Schreuder erst gestern erfahren habe, war das der ersteoffen homosexuelle Act überhaupt beim ESC. Minn Hinist dans ist seiner Zeit sehr voraus gewesen, während Hera Björks Scared of Heights doch mindestens 20 Jahre zu spät kommt. Broder hat bei den Reaction Videos so einen schönen Begriff dafür verwendet, bei dem es mir richtig leidtut, dass er mir nicht eingefallen ist, weil er so genial ist, er nannte den Song nämlich “Sektfrühstücks-Pop” und genau das ist es. Oder wie es auch im Reaction-Video heißt: Es ist ein langweiliges Lied, aber es ist ein nettes langweiliges Lied. Charmant gesagt.
Heute beginnt die schönste Woche des Jahres für mich, die ESC-Woche. Eine Woche, in der ich beschäftigt bin mit ESC-Content und Vorfreude und Aufregung und wo man die eigenen “Struggles” mal vergessen kann. Und wie der Slogan so schön sagt: United by Music.
Ich habe jetzt tagelang in den Stories und Posts die Öresundbrücke gesehen, die alle in der Bubble, die vor Ort sind, anscheinend befahren. Es handelt sich um die Brücke zwischen Kopenhagen und Malmö. Die Städte liegen offenbar so nahe, dass manche, die sich das live vor Ort ansehen, in Kopenhagen wohnen.
Die Semifinali finden am Dienstag und Donnerstag statt – Österreich ist am Donnerstag dran. Das Finale am Samstag. Was ist nach den Rehearsals der vergangenen Woche zu sagen? Es wurde ja bereits von jedem Land ein 30-sekündiger Ausschnitt von den Proben veröffentlicht, und wir Nerds haben das natürlich alles angeschaut. Das Staging und die Live-Performance ändert oft den Eindruck, den man von Songs hat – zum besseren oder leider auch umgekehrt. Und auch die Wettquoten ändern sich nun täglich. Am bemerkenswertesten ist, dass Kroatien nun wieder mit doch deutlichem Abstand vor der Schweiz auf Platz 1 liegt; ich war eigentlich bis zu den Proben sicher, dass die Schweiz heuer gewinnen wird.
Zwei Auftritte aus den Proben haben mir eine Gänsehaut gemacht und zwar erstens die Ukraine. Ich mag das Lied sowieso sehr gern, aber live ist es nochmal um einige Klassen stimmungsvoller, weil die Stimme von Jerry Heil, die in der Studioversion brav mit den Backing Vocals mitsingt, hier eindeutig dominiert und großartig ist. Und das Bühnenbild ist auch eindrucksvoll.
Zweite Gänsehaut: UK, wenn auch anders. Ich finde den Song von Olly Alexander ok, wenn auch nicht außergewöhnlich, aber das Staging erinnert so derart an das George Michael Video zu Outside, was ja, wie wir alle wissen, eine tatsächliche Begebenheit in einer öffentlichen Toilette in Los Angeles persifliert. Und was Olly Alexander wiederum hier zitiert, zumindest meines Erachtens. Sehr spannend, diese Szenerie auf eine ESC Bühne zu stellen, dazu passt irgendwie der Begriff “raw”.
Weil ich mich wieder mal über Aussagen auf Social Media geärgert habe – Ok, es mag sein, dass ich mir leicht rede, weil ich mit “meinem” Jugendlichen keine Themen habe, weil er so unkompliziert und auch so ausgeglichen ist und weil er im Grunde genommen das Leben viel leichter nimmt als ich selber. Wir haben es meistens sehr lustig.
Aber wenn ich lese, wie Eltern sich über ihre jugendlichen Kinder in Foren und Gruppen unterhalten, dann denke ich mir oft, es ist schon auch ein bisschen Einstellungssache, wie man mit dieser Zeit umgeht. Alleine schon die Begrifflichkeiten, wenn ich mein Kind unironisch “Pubertier” nenne und alles abwerte, was er oder sie macht, wenn ich schon mit der Erwartungshaltung reingehe, dass alles ganz schlimm werden wird, und dass es sich erst bessert, wenn das Kind auszieht (habe ich tatsächlich schon mehrfach gelesen) das ist dann schon auch eine selbsterfüllende Prophezeihung.
Ich verstehe nicht, wieso man sein eigenes Kind plötzlich als fremd bzw. als Alien empfindet und quasi nur noch in der dritten Person von ihm oder ihr spricht. Am besten noch mit allen anderen um einen herum, anstatt mit dem Kind selbst. Dass man alles Mögliche verbietet und androht und womöglich noch die Interessen des Kindes schlechtredet, anstatt versuchen zu verstehen, was das Kind daran fasziniert, mit einem Wort: dem Kind das Leben in den eigenen vier Wänden möglichst unterträglich macht, so als wäre man selbst der trotzige Jugendliche, der irgendeinen Machtkampf führt, wieso? Und es geht nicht darum, seinem Kind nicht auch mal ehrlich zu sagen, wenn einen etwas nervt und wenn gewisse Sachen nicht gehen, aber das kann man doch auch einfach besprechen. Man muss nicht alles von vornherein problematisieren und bewerten.
Da bin ich auch immer froh, dass ich meinen Blog habe, wo ich ungestört “ranten” kann, wie “mein” Jugendlicher sagen würde.
Heute aus der Rubrik Büchereien in Wien, weil ich eine neue besucht habe, und zwar die Bücherei Hernals in der Hormayrgasse im 17. Bezirk (unbezahlte Werbung). Diese Bücherei hat die Besonderheit, das sie im ersten Stock eines normales Wohnhauses liegt.
In der Gegend bin ich so gut wie nie, aber als ich aus der Straßenbahn ausgestiegen bin, habe ich das griechische Restaurant auf der Hernalser Hauptstraße wiedergesehen, wo ich ein paarmal mit sehr lieben Menschen im sehr hübschen Garten gegessen bin und woran ich sehr schöne Erinnerungen habe. Da ist man emotional sofort wieder in einer anderen Dimension.
Die Bücherei selbst ist gemütlich und hat nette Leseplätze. Warum ich in diese Gegend überhaupt gefahren bin, liegt darin begründet, dass praktisch alle Patricia Highsmith Romane dort vorrätig waren (jetzt allerdings nicht mehr, harhar). Ich habe gerade eine gewisse Highsmith-Obsession entwickelt, weil ich draufgekommen bin, dass ihre Bücher keine Krimis sind, sondern eher psychologische Porträts von Menschen und weil Highsmith eine sehr gute Beobachterin ist und ich mir da Inspirationen holen kann.
Abgesehen davon hat diese Bücherei eine große Graphic-Novel Sektion – ein Genre, in das ich allerdings noch nicht hineingekippt bin.
Als ich am letzten Freitag Challengers sah, ist mir im Kino etwas passiert, was mir zuvor noch nie passiert ist. Ich gehe die Stufen zum Saal 3 im Votiv hinunter, da kommt mir eine Frau ungefähr in meinem Alter entgegen, grinst mich an und sagt (über diesen Film, der auch in der vorigen Vorstellung lief): “Der ist so gut! Sie können sich freuen!” Zweieinhalb Stunden später wusste ich, was sie gemeint hatte. Und ich hätte am Ende genau das auch jedem sagen können, der mir entgegen gekommen wäre.
Challengers ist der neue Film vom italienischen Regisseur Luca Guadagnino. Einer meiner Lieblingsfilme ist ebenfalls von ihm, nämlich Call me by your name. Über den werde ich sicher noch ein anderes Mal schwärmen. Außerdem hab ich von ihm I am Love gesehen, den ich auch mochte. Beides sehr poetische, langsam erzählte, oppulente Filme. Challengers ist absolut nichts davon und trotzdem genial.
Der Film beginnt quasi in der Gegenwart und erzählt uns dann nach und nach, was in den 13 Jahren zuvor im Leben von drei Tennisspielern passiert ist. In der Gegenwart coacht die einst als Tenniswunderkind gefeierte Tashi (Zendaya) ihren ehemals erfolgreichen Ehemann Art (Mike Faist), der sich aktuell aber in einem Formtief befindet. Deshalb meldet sie ihn zu einem Challenger-Turnier, wofür er eigentlich zu alt und auch zu gut ist (oder war). Bei diesem Turnier treffen sie auf Patrick (Josh O’Connor), mit dem beide eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Die Rahmenhandlung des Filmes bildet eben dieses Tennismatch von Art und Patrick gegeneinander.
Ich weiß nicht, ob es von Guadagnino so intendiert war, aber nachdem wir ja ein Match verfolgen, schlagen wir uns vielleicht automatisch auf die Seite des einen oder des anderen Spielers, die wir ja beide durch die Rückblenden (die durch Wetterlagen, Haarschnitte und T-Shirts zeitlich schön identifiziert werden können) immer besser kennenlernen. Zumindest bei mir war es so. Ich fand einen der beiden deutlich sympathischer durch das, was wir von ihm erzählt bekommen, und natürlich wünscht man sich dann auch, dass dieser das Match – das, wie sich herausstellt, wesentlich mehr bedeutet als ein Sieg bei einem Challenger-Turnier – gewinnt.
Die Charakterzeichnung bei Challengers geht zwar vielleicht nicht ganz so tief wie bei den vorher erwähnten Guadgagnino-Werken, aber wir erfahren durchaus einiges von Tashi, Art und Patrick und es ist schon auch eine Charakterstudie. Es ist nicht, wie in den meisten Reviews zu lesen ist, eine (platte) Dreiecksgeschichte, es steckt viel mehr dahinter; das hat mit Tennis zu tun, Tennis ist aber auch eine Metapher. Aber natürlich macht der Sport den Film besonders körperlich. Es wird viel geschwitzt und es werden Schläger zertrümmert, aber in diesem gesitteten “Quiet please” Rahmen, den professionelles Tennis eben automatisch hat. Der Film ist sehr schnell, weil viele Dialoge bzw. Konfrontationen gefilmt wurden als wären sie ein Match. Dazu trägt auch die Musik bei, die von Trent Reznor und Atticus Ross stammt und deren Soundtrack brettert manchmal regelrecht über die Ballwechsel und Konfrontationen, diesbezüglich hat er mich ein bisschen an The Social Network von David Fincher erinnert.
Wichtig ist es auch, den Film sehr aufmerksam zu verfolgen, denn es passiert etwas, das man sich merken sollte, um den Showdown am Ende zu verstehen, weil Guadagnino sein Publikum für intelligent genug hält, um es ihm nicht nochmal extra erklären zu müssen.
Also: Challengers ist überraschend, temporeich, interessant und seeehr unterhaltsam, mit drei wirklich überzeugenden Schauspielern – ich kenne jetzt auch Zendaya und sie ist toll. Josh O’Connor fand ich vielleicht noch eine Spur beeindruckender. Ein perfekter Freitagabendfilm für mich. Klare Empfehlung!