In weiser Voraussicht habe ich keine Freundin gefragt ob sie mit mir in die Karl Kraus Ausstellung im Rathaus gehen möchte, weil ich mir nicht sicher war, wie groß diese “Ausstellung” tatsächlich ist. Ich dachte, da schaue ich mal lieber einfach so vorbei, wenn ich in der Nähe bin. Und wie sich herausgestellt hat, hatte ich den richtigen Riecher. Ich spreche von der “Ausstellung” über Karl Kraus und seine Familie, die sich Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben nennt.
Zunächst einmal: Was geboten wird, ist tatsächlich sehr interessant. Es wird die Familiengeschichte von Karl Kraus beleuchtet, der Jude war und acht Geschwister hatte, von dem nur eines früh verstarb, was in der damaligen Zeit eher ungewöhnlich war. Er selbst war der Zweitjüngste, ein eher kränkliches Kind. Aus Böhmen kam die Familie nach Wien als Karl drei Jahre war, es wurde gerade an der Ringstraße gebaut und Karl verbrachte viel Zeit mit seiner Mutter in Weidlingau, weil die Luft dort besser war. Er galt als Mama-Kind.
Zu seinem Vater hatte er ein eher ambivalentes Verhältnis. Jacob Kraus war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der unter anderem das “Plastiksackerl” erfand. Mit seinem intellektuellen Sohn hatte er wenig Berührungspunkte. Dennoch ermöglichte der relative Reichtum seiner Familie Kraus erst seine Tätigkeit als Herausgeber. Es gab also nicht die Situation, dass Kraus sich gegenüber seines Elternhaus emanzipieren und alleine bestehen musste, was Kraus sehr pointiert so ausdrückte:
Die verkommenste Existenz eines Menschen ist die, der nicht die Berechtigung hat, ein Schandfleck seiner Familie und ein Auswurf der Gesellschaft zu sein
Karl Kraus
Das engste Verhältnis hatte Kraus zu seiner Schwester Marie, die zwar heiratete, aber kinderlos blieb, wie einige der Geschwister. Ihre Wohnung wurde von Adolf Loos (!) eingerichtet. Die Brüder waren wie gesagt robuster und “praktischer” veranlagt, sie arbeiteten im Unternehmen des Vaters. Es gab zwar ab und zu Spannungen, aber keine wirklich großen Konflikte, auch wenn Kraus meinte: “Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit”. Auch Kraus selbst hatte keine Kinder und war mit der Fackel verheiratet.
Furchtbarerweise starben alle Geschwister, die zu dem Zeitpunkt des NS-Staates noch lebten, in Konzentrationslagern – nur einer Schwester (Malvine) gelang die Flucht in die USA.
Soviel zu den Basic Facts, es wäre interessant, noch viel mehr zu erfahren, aber die “Ausstellung” ist wirklich nur ein Schauraum, wo man alles nachlesen und ein paar Fotos ansehen kann, aber tatsächlich ist es eher mager.
Und damit es nicht so wirkt, als würde nur ich immer nörgeln (harhar): mich hat die andere Besucherin, die gerade dort und enttäuscht war darauf angesprochen, ob ich es mir auch viel größer vorgestellt habe. Naja nein, harhar. Eine wirklich große Ausstellung über Karl Kraus wäre natürlich auch mal was schönes.