Nach Roger Ebert sage jetzt ich meine Meinung, SPOILER, im Zweifelsfall bitte nicht weiterlesen.
Zu den guten Aspekten des Filmes zählt seine Besetzung mit Darstellern wie William Hurt, Sigourney Weaver, Adrien Brody, Joaquin Phoenix etc. Ich glaube, ich habe Brendon Gleeson noch nie so sympathisch gesehen wie in diesem Film. Auch transportiert The Village so eine Art creepy Grundstimmung, die sehr gut funktioniert, obwohl es (Gott sei Dank) kein Horrorfilm ist. Der Plottwist selbst ist zwar vom Überraschungfaktor her gelungen, wirft aber dann eine Menge an Fragen auf, letzte Spoilerwarnung: Der Film spielt tatsächlich im Jahr 2004 und die Dorfgemeinschaft ist von einer Gruppe von Menschen gegründet worden, die ca 25 bis 30 Jahre vorher aus der Zivilgesellschaft ausgestiegen ist. Der Grund dafür ist, dass jeder von ihnen eine nahestehende Person durch eine Gewalttat verloren hat und sie dadurch den Glauben an die USA und ihre Strukturen aufgegeben haben. Sie haben eine Parallelgesellschaft gegründet, in der Verbrechen und Schmerz keine Rolle spielen sollen.
Gut und schön, aber wieso muss ich mich hier historisch korrekt verhalten und das 19. Jahrhundert komplett imitieren? Ok, der quasi-Chef William Hurt ist Geschichtsprofessor, aber muss ich penibel genau einhalten, welche technischen Geräte und medizinischen Errungenschaften es um 1890 gab und alles andere verbannen? Und wenn ich das tue, warum? Müssen Menschen an Krankheiten sterben, gegen die es bereits wirksame Medizin geben würde? Und – um Pia Reiser zu zitieren – müssen alle so furchtbar angezogen sein? Harhar. Man könnte ja auch eine Gemeinschaft gründen, die zwar technik- und digitalisierungskritisch ist und “einfach” lebt, aber gewisse Vorzüge dennoch mitnimmt; aber gut, vielleicht kriegt man das ideologisch tatsächlich nicht zusammen.
Die Schilderung der Dorfgemeinschaft ist mir jedenfalls viel zu klischeehaft-naturalistisch. Die meisten Bewohner wirken – sorry – mehr oder weniger naiv bis verhaltensauffällig und die Dialoge sind großteils furchtbar. Dazu sind die Namen so sprechend, dass sie auch super in einem Nestroy Stück funktionieren würden. Die Familie, die aus dem USA der Gegenwart hinausgeht heißt “Walker”. Diejenige, die später über eine Mauer klettern muss, heißt “Ivy”. Und der, der einer Blinden zur Seite steht, heißt “Lucius”. Da denke ich mir immer, eine Nummer kleiner wäre auch ok gewesen. Apropos blind: natürlich muss es am Ende eine blinde Person sein, die den Wald durchquert und wir sprechen hier von einem Fußweg über einen Tag; das ist wirklich gelinde gesagt ziemlich unplausibel.
The Village wurde damals von vielen als “post- 9/11”-Film rezipiert und man könnte ihn so interpretieren, dass die Abschottung des Dorfes, der Rückzug vor der Welt, die Sehnsucht nach Sicherheit etwas vom Zeitgeist der frühen Nullerjahre hat, in denen die USA den “war on terror” führt. Dem Volk wird eine Bedrohung von außen (im Film die “Those We Do Not Speak Of”, die von den Dorfältesten nur erfunden wurden) vorgegaukelt, damit nichts hinterfragt wird und sich alle nur in gewissen engen Grenzen bewegen; damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt wird, dass sich gegen andere “draußen” richtet. Hier wird Freiheit gegen (vermeintliche) Sicherheit getauscht. Im fm4 Filmpodcast wird The Village als “Metaphernfilm” bezeichnet und das ist wirklich zutreffend.
Positiv kann vermerkt werden, dass Shyamalan seine kleine Dorfutopie nicht als die Weisheit letzter Schluss verkauft. Denn natürlich leben auch dort Menschen, die menschliche Dinge tun, die Emotionen haben, die Eifersucht und innere Konflikte verspüren – weil man das Leben an sich mit Unfällen und Krankheiten, Gefahren, psychischen Problemen und Behinderungen nicht einfach aussperren kann. Natürlich ist auch eine solche Gemeinschaft letztendlich nicht vor Gewalt gefeit, was der Film auch ausdekliniert. Weil das Leben eben immer, egal was man tut, eines ist: komplex. Und das ist ja auch gut so.