almis personal blog

Reminiszenz

Heute vor 18 Jahren war ein schrecklicher Tag. Er gehört fix, frei nach High Fidelity, zu den fünf schlimmsten Tagen meines ganzen Lebens.

In Schwangerschaftswoche 24 plus fünf Tage kam ich ins Krankenhaus Brixen, wo mir der Arzt sagte, mein Kind würde wohl bald auf die Welt kommen und er sei “an der Grenze zur Lebensfähigkeit”. Ich war in einem solchen Schockzustand, dass ich nicht mal die Lungenreifungsspritze spürte, die man mir gab und meinte, sie wäre sehr schmerzhaft. Ich durfte nicht mehr aufstehen, “für die restliche Schwangerschaft”, wie es hieß. Die “restliche Schwangerschaft” dauerte dann immerhin noch sechs Tage.

Jemand sagte zu mir, ich müsse jetzt stark sein und ich antwortete dann so etwas wie: Das bin ich aber nicht. Ein Pfleger legte mir die Hand auf die Schulter und meinte: “Es wird alles gutgehen. Und wenn nicht, dann schaffen Sie es auch. ” Komischerweise empfinde ich das bis heute als extrem tröstlich.

Ja und dann wurde ich nach Bozen geflogen und alles weitere kann man in meinem Buch nachlesen. Spoiler: Es geht eh gut aus. Harhar.

Obwohl das nur der Anfang einer sehr schwierigen Zeit war, ist mir dieser Tag trotzdem als am ärgsten in Erinnerung, weil die Erschütterung und das nicht-begreifen-wollen so groß war. Weil sich in mir alles dagegen sträubte, zu akzeptieren, dass sich rein gar nichts mehr an dieser absoluten Sch… Situation ändern lässt, dass ich gefangen war, in einem Albtraum aus Hilflosigkeit und Verzweiflung. Oder wie John Lennon es etwas poetischer formulierte: Life is what happens to you while you’re busy making other plans.

Permeabel

Jetzt habe ich Der Horizont von Patrick Modiano ausgeborgt, weil er dort von Jahreszeiten in Jahreszeiten schreibt, das fasziniert mich irgendwie.

Nämlich zum Beispiel:

“In welcher Jahreszeit war er bloß? (…) Wahrscheinlich Frühling im Winter, wie er die schönen Tage im Januar und Februar gerne nannte. Oder Sommer im Frühling, wenn es im April schon sehr heiß ist. Oder einfach Nachsommer, im Herbst – all diese Jahreszeiten, die miteinander verschmelzen (…)”

Patrick Modiano, Der Horizont, S. 164

Das hat mich an den Roman Der Himmel kennt keine Günstlinge (sperriger Titel) von Erich Maria Remarque erinnert, den ich in meiner Dissertation analysiert habe. Remarque schreibt da von einer jungen Frau, die unheilbar krank ist und der folgendes durch den Kopf geht:

“Sie hat keine Zeit für Wiederholungen (….)” viel mehr will sie “jetzt eine Stunde leben, aus meinem fünfzigsten Jahr – dann eine aus meinem dreißigsten, dann eine aus meinem achzigsten – alle in einem Tag, wie ich gerade Lust habe (…)”

Erich Maria Remarque, Der Himmel kennt keine Günstlinge, S. 237

Diese Stellen passen zusammen oder empfinde das nur ich so?

Und es passt auch ein bisschen dazu, was mir selbst manchmal durch den Kopf geht, wenn ich zum Beispiel mit geschlossenen Augen auf dem Sofa liege und nur auf die Geräusche von draußen höre. Kann man, so denke ich oft, nur anhand der Geräusche feststellen, in welcher Zeit man lebt? Was gerade so passiert auf der Welt? Haben sich die Geräusche draußen seit meiner Kindheit geändert? Die Motoren der Fahrzeuge, das Geschrei am Spielplatz, das Brummen der Flugzeuge, das Türenknallen, das Vogelgezwitscher? Und wenn ja, auf welche Weise?

Redford

Gestern ist Robert Redford gestorben. Ich habe erst vorige Woche einen seiner berühmtesten Filme gesehen und auch hier besprochen.

Meine Mama hat mir geschrieben: Das ist traurig, aber er hatte ein gutes Alter, ein schönes Leben. Es ist uns immer ein Trost, wenn wir das über jemanden sagen können, zumindest wenn wir diesen Eindruck haben. Hat Redford das selbst auch so gesehen? Zumindest als Künstler schon, wenn er meint: “As an artist, I just can’t think of a better life than the one that I’ve been blessed with” Privat war es etwas anders. Er verlor seine Mutter früh, lese ich, hatte dadurch Probleme mit Alkohol. Später starben zwei seiner Kinder, eines schon als Baby, ein anderer Sohn vor einigen Jahren an Krebs.

Was auffällt, wenn man gestern und auch heute noch auf diversen Social Media Plattformen unterwegs war: es gab zwar irrsinnig viele Postings zu Redford, aber ich habe kein einziges gesehen, dass irgendwie auch nur den Hauch einer Ambivalenz vermittelte. Das kommt selten vor. Menschen quer durch alle Milieus, Kulturkreise und Überzeugungen scheinen sich auf Redfords besondere “legacy” einigen zu können. Bei Cinephilen kommt natürlich oft der Verweis auf das Sundance Filmfestival, das Redford 1981 gegründet hat, weil er Filme unterstützen wollte, die für das große Studio-System nicht attraktiv erschienen. Menschen wie Quentin Tarantino, die Coen Brüder, Richard Linklater oder Jim Jarmusch starteten ihre Karriere dort.

Robert Redford war auch “easy on the eyes”, wie man so schön sagt. Es ist natürlich wahnsinnig oberflächlich das zu schreiben, aber es stimmt halt auch, harhar. Ich finde, er war auch einer der wenigen Männer, die ohne Bart besser aussahen als mit. Und er war einer der auch recht wenigen großen männlichen Filmstars, die blond waren.

Das Gartenbaukino wird aus Anlass seines Todes eine In Memoriam Reihe starten, was ich gehofft habe und sehr begrüße. Ich habe zwar schon relativ viele Filme mit ihm gesehen, aber mir fehlt peinlicherweise zum Beispiel immer noch Out of Africa, ein Film, den sowohl meine Mutter als auch mein Vater mochten, was selten war, diese Übereinstimmung. Und vieles würde ich auch gerne einfach nochmal auf der großen Leinwand anschauen.

Noch ein Zitat habe ich gestern von ihm gelesen, das ich sehr inspirierend finde: “If you believe in something strongly enough, you just keep at it until it happens.” Bei Redford glaubt man daran, dass es mehr ist als eine hoffnungsvolle Utopie.

Mein Jahr der Ruhe & Entspannung

Wenn man die Autorin Ottessa Moshfegh kennt, vielleicht das Buch Eileen gelesen oder den gleichnamigen Film gesehen hat, dann ahnt man natürlich, wenn “Ruhe und Entspannung” draufsteht, dann geht es wahrscheinlich um das genaue Gegenteil. Die Ausgangslage ist zwar diese, dass die Protagonistin für ein Jahr (2000-2001) in einen Dauerschlafzustand begeben will, um sich zu regenerieren und quasi “neu geboren” zu werden. Aber nachdem wir keine Bären, Murmeltiere oder Igel sind, schaffen wir das nicht auf eine physiologisch gesunde Art und Weise. Und wer, wie gesagt, Moshfegh kennt, ahnt, was kommt.

Das Cover ist super, weil es – wie der Titel – den Inhalt komplett konterkariert

Die Protagonistin von Mein Jahr der Ruhe und Entspannung schießt sich – nachdem sie eine “Therapeutin” gefunden hat, die sich ausschließlich der Medikamentenmedizin verschrieben hat – regelmäßig mit verschreibungspflichtigen Psychopharmaka, die teilweise auch noch kontraindiziert sind, ab. Natürlich nicht “einfach so”, es liegt eine schwere Depression dahinter; sie hatte eine lieblose Kindheit, dann sind die Eltern gestorben, der Lover war er Arsch, die Nebenjobs zum Studium bedeutungslos und der Sinn des eigenen Lebens will sich nicht einstellen.

Nun ist ja die Prämisse jemand will ein Jahr schlafen – fast das Gegenteil von Schlafes Bruder übrigens – vielleicht theoretisch interessant als Idee, aber funktioniert das als Roman, der ja eigentlich davon lebt, dass irgendwie doch auch erzählenswerte Dinge passieren? Meine Antwort: Nicht wirklich. Es sei denn, man hat einen Medikamentenfetisch, dann werden einen die seitenlangen Schilderungen der Wirkweise von Schmerzmittel und Barbituraten bezaubern. Sehr oft liest man auch detailiert, wie weggetreten und psychotisch die Protagonistin wird und ich fand das einerseits höchst unangenehm, weil ich selber Kontrollverlust durch Substanzen recht fürchte; andererseits aber auch ziemlich redundant und, ja, langweilig, obwohl Moshfegh gut schreibt.

Ein bisschen Abwechslung entsteht dadurch, dass es Rückblenden gibt, die Schilderungen der vereinzelten Besuche von der besten Freundin der Protagonistin und einmal verlässt sie das Haus länger, um ein Begräbnis zu besuchen. Die meiste Zeit aber versumpert sie in ihrer Wohnung, wird immer dünner und ungepflegter (bisschen Charlotte Roche Vibes hier) und man fragt sich, wie hält der menschliche Körper das aus? Gleichzeitig vermisst man aber jegliche Form von Tiefe oder “Analyse”. Ja, vermutlich ist das Absicht, weil die Protagonistin sich ja eben nicht mit ihren Problemen beschäftigen will, sondern diese ganz bewusst “wegschläft”. Konsequent, aber man bleibt als Leserin dann eben irgendwie ebenso leer zurück wie die Protagonistin.

Montag

Ein kurzes Wort zur Emmy Verleihung: Einmal im Leben möchte ich so überzeugt von meinem Wissen über hochkomplexe (politische) Geschehnisse auf der Welt sein und mich in Besitz der einzigen und undifferenzierten Wahrheit zu fühlen wie diverse high profile Celebrities in Hollywood. Ricky Gervais to the rescue!

Anyway. Ich selbst habe derweil einen wichtigen Etappensieg im Kampf Mensch gegen Maschine erreicht. Das kam so, dass mich eine Kollegin eines Auftraggeber angerufen hat, mit der Aussage, die KI hätte eine unverständliche 25- seitige englisch-deutsche Sprachwurst ausgespuckt und ob ich das vielleicht besser könnte. Na klar, harhar. Die Textwurst war übrigens wirklich unlesbar.

Wo ich schon mal in der Gegend war, habe ich gleich meinen “Lokalaugenschein” auf der Praterstraße gemacht. Lokalaugenschein deshalb, weil diese ein Schauplatz meines in Arbeit befindlichen Romans sein soll. Ich finde, ich kann ganz gut Menschen beschreiben, aber Orte, da tue ich mir so schwer, obwohl sie mich oft faszinieren, und auch wie sich der Charakter der Stadt manchmal schon binnen zwei Straßenzügen ändert, durch einen Perspektivenwechsel, durch Licht und Schatten, Geschäfte und Lokale, Gerüche.

Wenn ich zum Beispiel an diesem Platz bin…

…dann spüre ich so viel, aber ich kanns kaum in Worte fassen. Dieses Eck nämlich, am Anfang der Praterstaße, neben der Abzweigung Zirkusgasse, hat irgendwie etwas total mystisches für mich. Eine echte Herausforderung, es zu beschreiben.

Ein bisschen rette ich mich darüber, was ich über die Gegend weiß, ich habe einmal eine sehr interessante Führung mit der Initative Denkmalschutz entlang der Praterstraße gemacht. Und im Buch Sprechende Fassaden wird genau dieses “Wohnhaus zum Jonas”1 auch näher beschrieben, vor allem die grünen Jalousien, ursprünglich aus dem Orient kommend. Sie ermöglichten den Blick nach außen, schützen aber die Privatsphäre, vor allem der Frauen. “Leben hinter grünen Jalousien” war auch ein Synonym für Wohlstand.


  1. Sprechende Fassaden von Klaus Jürgen Bauer, S. 62f. ↩︎

Verantwortung

So mal wieder ein leichteres Thema, die Projektwoche des Kindes.

Wir haben von der Schule Informationsblätter bekommen, eine Einpackliste, diverse Verhaltenshinweise, auch wofür die Eltern verantwortlich sind. Nämlich eh für alles. Wenn das Kind “Blödsinn” macht, sind die Eltern dran. Es ist ein bisschen wie bei der Gebrauchsanweisung eines Medikamentes. Nachdem man es gelesen hat, hat man keinen Bock mehr drauf harhar.

Nein, das war ein Witz. Aber ganz ehrlich, in bald 18 Jahren quasi 24/7 Verantwortung in letzter Instanz – auch wenn es nie ein Problem gab – denkt man sich als Elter auch mal, bitte lassts mich in Ruhe, harhar. Ich persönlich gehöre nicht zu den Eltern, die das Erwachsenwerden ihrer Kinder betrauern, weil diese nun dem elterlichen Einflussbereich abhanden kommen und ihre eigenen Entscheidungen treffen sollen und auch werden. Ich stell mir das durchaus auch entlastend für alle Beteiligten vor.

Das Kind wird zur Mitte der Reise volljährig. Ich so zu ihm: Ich sags dir gleich, ab Donnerstag bin ich raus. Harhar.

Über Recherche

Noch etwas zu Charlie Kirk, weil es so bezeichnend für die Berichterstattung von (zu vielen) Medien in der heutigen Zeit ist.

Bei Markus Lanz gestern hat der ZDF Washington Korrespondent Elmar Theveßen behauptet, Charlie Kirk hätte gesagt, dass Homosexuelle gesteinigt werden müssten. Eine unfassbare, absolut menschenverachtende Aussage, die betroffen macht, die einen direkt emotionalisiert. Doch im Grunde sollte man als erstes fragen: Hat Kirk das tatsächlich so gesagt?

Wenn man sich die Mühe macht zu recherchieren, was dieser Korrespondent eines immerhin öffentlichen rechtlichen Fernsehsenders (Bildungsauftrag!), der dafür bezahlt wird, genau das zu tun, aber auch andere Journalisten, sowie der bekannte Autor Stephen King, offensichtlich nicht gemacht haben, wenn man sich also das Video zu dieser Aussage ansieht, dann stellt sich heraus: Kirk hat das keineswegs gefordert. Er hat vielmehr im Gespräch mit einer LGBTQ Aktivistin, die Levitikus aus der Bibel zitiert hat, um diesem eine gewisse Queeraffinität zu attestieren, etwas ironisch ein anderes Zitat von diesem genannt, in dem Levitikus (!) davon spricht, dass Homosexuelle gesteinigt werden sollen. Er wollte auf eine Widersprüchlichkeit hinweisen und dieser Zusammenhang sollte erwähnt werden.

Interessanterweise hat zumindest Stephen King seinen Fehler eingesehen und sich heute auf X dafür entschuldigt, die Fakten nicht gecheckt zu haben, wie er selbst schrieb, was ich anständig fand.

Ich bin gespannt, ob große öffentlich-rechtliche Medien (looking at you, ZDF) diesem Beispiel folgen werden und eingestehen, dass sie ebenfalls schlampig und oberflächlich recherchiert haben. Wir wollen ihnen ja nicht unterstellen, dass sie Kirk mit Absicht missverstanden haben.

Ich habe schon vor einigen Jahren in äußert interessanten Gesprächen mit jemand für mich mitgenommen, dass ich bei Aussagen wie diesen, wo Dinge einfach mal behauptet werden, immer versuche, an das Originalmaterial zu kommen, mir Originalquellen zu lesen. Und nicht gutgläubig das zu übernehmen, was Journalisten (ganz egal welcher Medienhäuser und Coleur), Wikipedia oder auch “Faktenchecker” behaupten oder für mich “einordnen”.

Ich kann das sehr empfehlen. Es hat meinen Medienrezeption, die, glaub ich, nie unkritisch war, da oder dort aber vielleicht doch zu naiv, nachhaltig verändert.

Charlie Kirk

Ich habe heute viele Think Pieces und Tweets zu Charlie Kirk (den ich bisher nur flüchtig kannte) gelesen. Ich möchte zwei hervorheben, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind.

Der erste von Faika El-Nagashi, einer ehemaligen Wiener Grün-Politikerin, die erst vor wenigen Monaten ihre Partei verlassen hat, weil sie von den eigenen Kollegen für ihre “abweichende Ansichten” angegriffen wurde.

Der zweite kommt von Geoff Norcott, einem englischen Comedian und es ist kaum zu glauben, aber wirklich wahr.

Ich könnte da jetzt einen ordentlich Rant anhängen, aber es ist mir heute zu unerträglich, mich näher damit zu beschäftigen.

Was besser ist, an Voltaire erinnern. Zeitlos gültig.

Die Dauer der Liebe

Ich habe das Feedback bekommen, dass meine Buchbetrachtungen recht beliebt sind. Danke. Ich muss aber zugeben, ich tue mir viel leichter damit, über Filme zu schreiben als über Bücher. Ich bin noch dabei zu ergründen, warum das so ist. Weil nach fünf Jahren Basisstudium “Deutsche Phliologie” und einem f**cking Jahrzehnt anschließendem Doktorratsstudium, sollte ich es ja doch (besser) können.

Jedenfalls mache ich es transparent und sage gleich, ich tue mir schwer, etwas über Sabine Grubers Roman Die Dauer der Liebe zu schreiben, aber etwas daran hat mich trotzdem enorm inspiriert. Es geht darum, dass Bruno der Lebenspartner der Protagonistin Renata, einer Südtirolerin, die in Wien lebt, überraschend stirbt und sie nun damit und mit anderen Dingen, wie etwa die Brutalität von Brunos (Nordtiroler) Familie fertig werden muss. Es geht um Geldgier, Respektlosigkeit, ja Hartherzigkeit. Ich finde den Roman formal um einiges überzeugender als inhaltlich. Es war mir über weite Strecken zu schwer und erdrückend, aber gleichzeitig auch zu distanziert, was irgendwie ein Widerspruch zu sein scheint, für mich in diesem Fall aber nicht ist.

Es bedarf einer übermenschlichen Anstrengung, nicht dauernd zu denken: Die (Nord)Tiroler sind ein eigener Menschenschlag (harhar) und die Südtiroler aber eh auch, es wird wirklich so eine Art Binarität hergestellt. Ich kenne Nordtirol kaum, fast nur vom Durchfahren, ich kenne Südtirol ziemlich gut und ich finde, Gruber trifft den Vibe schon ziemlich, den Vibe, dem ich irgendwie immer noch unschlüssig gegenüberstehe. Vielleicht ist auch einiges einfach “lost in translation” – und damit meine ich nicht Italienisch.

Letztendlich habe ich mich in der Art, wie Renata trauert, einfach nicht ganz wiedergefunden. Es war mir etwas zu wenig “Aufarbeitung” und Weiterentwicklung. Ich habe das Gefühl, wenn ich einen so tiefen, existentiellen Schicksalschlag erfahre, noch dazu völlig überraschend, dann werde ich auch ein bisschen ein anderer Mensch, und dafür brauche ich Zeit. Renatas Umgebung meint, das ginge alles viel zu langsam bei ihr, dabei sind erst ein paar Monate vergangen. Wieso hat sie nicht schon wieder eine neue Beziehung, fragen sie. Ich habe vor einiger Zeit mit einer Freundin gesprochen, die fragte mich etwas und ich sagte darauf “Drei Jahre” und sie, das ist ja nichts. Und ja. Insofern sind ein paar Monate wirklich gar nichts. Und schon ist Renata (wenn auch halbherzig) wieder auf Tinder. Mir gibt der Roman aber gleichzeitig auch ein bisschen das Gefühl, dass mich das überhaupt nichts angeht, harhar.

Was mich inspiriert hat, ist tatsächlich das Ende, der Verweis auf den Roman Der Horizont von Patrick Modiano, weil der hat über “Jahreszeiten in den Jahreszeiten” geschrieben. Solche Beobachtungen interessieren mich immer sehr. Es heißt: “Die Romanfigur liebe den Frühling im Winter. (…) den Nachsommer im Herbst (….)” Ok, auch irgendwie komisch, dass das beste jetzt der Verweis auf ein anderes Buch ist. Aber es ist auch nicht nichts. Harhar.

Die drei Tage des Condor

Aus der Rubrik: Filme, die meine Mama liebt. Etwas mit Agenten, wo aber nur ein bisschen geschossen, sondern eher “psychologisiert” wird. In diesem Fall: Die drei Tage des Condor, zu sehen auf Prime, auf dem Arthouse Kanal, den ich abonniert habe und liebe (unbezahlte Werbung)

Joseph Turner (Robert Redford), Codename Condor, ist Mitarbeiter in der Literaturabteilung (!) des CIA, die sich damit befasst, internationale Romane, Erzählungen, Artikel nach bestimmten Gesichtspunkten auszuwerten, nämlich danach, ob sie Strategien enthalten, die für den Geheimdienst von Nutzen sein können. Eines Tages geht Turner das Mittagessen für alle holen und als er an seinen Arbeitsplatz zurückkommt, macht er eine schreckliche Entdeckung…

ACHTUNG WIE IMMER EINIGE SPOILER

…seine Arbeitskollegen wurden in seiner Abwesenheit allesamt erschossen. Ich schwöre, das ist die beste Agentenfilm Prämisse, die man sich vorstellen kann. Weil als Zuschauer kriegt man sofort extreme Paranoia, die einen auch bis zum Ende nicht mehr verlässt. Denn eines ist klar, “sie” – wer auch immer “sie” sind – wollen natürlich auch Turner töten.

Und weil das ein Film von Sydney Pollak ist, ein Film des “New Hollywood”, einer filmischen Schaffensperiode, die gesellschaftskritisch ist und die bisherigen Genres modernisiert oder dekonsturiert, die ambivalente “Helden” ins Zentrum stellt, geht es hier nicht darum, dass Gut gegen Böse kämpft; sondern (vermeintlich) Gut gegen (vermeintlich) Gut, sofern man einen Geheimdienst als gut sehen möchte und da beginnen schon die Probleme. Nach ein paar Szenen und flotten Wendungen ist Turner klar; das war ein Inside Job. Weil genau er etwas aufgedeckt hat, was er nicht aufdecken sollte. Und das macht den Film natürlich auch enorm hoffnunglos, denn wohin soll sich Turner nun wenden? Von wem kann er sich Hilfe erwarten? Ist sein Überleben überhaupt noch eine Option?

Was mir bei diesem Film sofort aufgefallen ist, ist das handwerkliche Geschick von Regisseur Pollak. Denn wie er es schafft, in den wenigen Anfangszenen im Büro zu erreichen, dass man eine Verbindung zu den Angestellten dort aufbaut, die ja bald danach erschossen werden, was uns Zuschauern ja möglichst nicht wurscht sein soll, das ist schon erstklassig. Abgesehen davon wird auch Turner sofort und ganz nebenbei charakterisiert. Er kommt zu spät, “schon wieder”, trotzdem mögen ihn alle, sie lächeln nachsichtig über ihn, er ist beliebt. Turner sieht alles ein bisschen lockerer, er verlässt das Gebäude regelmäßig durch den Hintereingang, was streng verboten ist. Botschaft: Er hat ein entspanntes Verhältnis zu (für ihn sinnlosen) Regeln. In einem beiläufigen Dialog erfahren wir auch sofort, dass er Schwierigkeiten damit hat, niemand erzählen zu dürfen, was seine tatsächliche Tätigkeit ist. Das alles passiert in den ersten vielleicht zehn Minuten und zwar ohne, dass uns ein Voice Over Erzähler oder irgendwelche patscherten Monologe das vermitteln müssen. So wie es im Film auch sein sollte: Show, don’t tell.

Ich mochte auch sehr die Besetzung, ich mein Redford eh klar, aber auch Faye Dunaway, die er zu einer Komplizin wider Willen macht und Max von Sydow als Auftragsmörder mit Prinzipien. Eine Figur, die fast gar nicht fassbar ist und der man sich trotzdem (oder deswegen) kaum entziehen kann. Und: Bitte wie cool ist die Arbeit in dieser Literaturabteilung? Also abgesehen von dem extrem hohen Berufsrisiko, das damit verbunden ist. Aber den Job an sich stelle ich mir super vor, harhar.

Und weil wir hier einen New Hollywood Film sehen, bleibt das Ende vage.