Außer Atem – der gerade am Arthouse Kanal von Amazon Prime läuft – ist ein Film aus dem Jahre 1960 und die Initialzündung der Filmströmung Novelle Vague. Buch und Regie: Jean-Luc Godard.
Die Nouvelle Vague zeichnet sich formal durch einen experimentellen Zugang mit Handkameras, einem quasi-dokumentarischem Stil und vielen Außenaufnahmen, dem Spiel mit Licht und Schatten aus. Inhaltlich korrespondierend bricht sie mit herkömmlichen Erzählweisen, stellt oft einen Antihelden in den Mittelpunkt und gibt sich komplex und pessimistisch-ambivalent.
Der Plot von Außer Atem ist rasch umrissen. Der Kleinkriminelle Michel (Jean-Paul Belmondo) ist mit einem gestohlenen Wagen unterwegs als er in eine Straßensperre gerät und in Panik einen Polizisten erschießt. Er hat vor, nach Italien zu flüchten und versucht seine amerikanische on/off Geliebte Patrica (Jean Seberg), die in Paris studiert, zu überreden mit ihm zu kommen…
KAUM SPOILER UND DER FILM IST AUCH SCHON SEHR ALT
Ausser Atem ist, wenn man so will, eine Variante des Film Noir. Michel wäre gerne ein unerschrockender Charakter wie sein Vorbild Humphrey Bogart, doch tatsächlich verbirgt sich hinter seiner arrogant-unsympathischen Fassade, seinem Anspruch, auf alles eine Antwort zu haben, ein sehr unsicherer Mensch, der seinen Platz in der Welt noch sucht. Er ist Patricia nicht nur intellektuell unterlegen, er fühlt sich auch als Mann von ihr nicht ernst genommen. Patrica selbst weiß ebenfalls nicht so recht was sie will, obwohl auch sie rein äußerlich sehr selbstbewusst erscheint. Sie strebt eine Karriere als Journalistin an und ist ehrgeizeig; sie sehnt sich gleichzeitig nach einer Partnerschaft aber ebenso danach, frei sein. Auch dahinter liegen Unklarheit und Zweifel.
Während Michel in die Kriminalität flüchtet, sucht Patricia Trost in der Kunst und Philosophie. Deshalb hören wir hier sehr viele äußerst interessante Wortwechsel. Michel sagt einmal: “When we talked, I talked about me, you talked about you, when we should have talked about each other.” Und als Patricia ihn fragt, was er wählen würde, Trauer oder das Nichts, antwortet er: “Grief is stupid, l’d choose nothing. It’s not better, but grief is a compromise. l want all or nothing.” Insofern braucht man sich über die weiteren Entwicklungen in diesem Film auch nicht besonders wundern…
Obwohl in diesem Film Zigaretten und (Festnetz)Telefonie extrem wichtig sind – Michel erklärt Patricia etwa, dass der größte Vorteil eines berühmten Paris Kaufhauses darin bestünde, dass man von dort nach überallhin telefonieren könne – und es beides in dieser Form mit den damaligen Konnotationen nicht mehr gibt; und obwohl Frauen und Männer heute (hoffentlich) anders miteinander umgehen als Michel mit Patricia und vice versa, wirkt dieser Film erstaunlich modern und heutig. Vor allem wohl wegen der atemlosen (!) Kameraführung und den aufgeworfenen existentiellen Fragen, die doch irgendwie immer diesselben bleiben, wohin wir uns als Menschen auf technologischer und humanistischer Ebene auch entwickeln mögen.
Auf der Viennale werde ich am Freitag den Film Nouvelle Vague von Richard Linklater sehen, der sich mit den Dreharbeiten zu Außer Atem beschäftigt und ich bin jetzt sehr gespannt.
