almis personal blog

Peter Hujar’s Day

Peter Hujar’s Day ist der neue Film von Regisseur Ira Sachs, der dieses Jahr beim Sundance Filmfestival Premiere hatte.

Peter Hujar (1934-1987) war ein Fotograf ukrainischer Abstammung, der in New York lebte. Er war mit der Schrifstellerin Linda Rosenkrantz befreundet, die eine Art Sozialstudie geplant hatte. Menschen aus ihrem Umfeld sollten an einem beliebigen Tag alles notieren, was sie gemacht haben und danach in einem Gespräch mit Rosenkrantz darüber sprechen. Rosenkrantz war interessiert daran herauszufinden “how people fill up their days”. Das Projekt verlief leider im Sand, erst 2021 wurde das Gespräch mit Peter Hujar als Einzelwerk veröffentlicht. Aus diesem Gespräch hat Sachs nun vorliegenden Film gemacht.

SPOILER IN DEM SINN GIBT ES HIER NICHT

Mich hat dieser Film von Anfang an fasziniert. Vielleicht auch, weil ich mich selbst beruflich sehr viel mit Transkripten von Interviews beschäftige und das oft erstaunlich interessant ist und viel über Menschen erzählt. Es geht ja nicht nur darum, was erzählt wird, sondern auch wie es erzählt wird, mit welchem Tonfall, mit den Pausen, Zwischentönen, wie die Geschehnisse gewichtet werden, welchen Erlebnissen Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Natürlich passiert in diesem Film per se gar nichts aufregendes. Peter Hujar (wunderbar: Ben Whishaw) besucht Rosenkrantz (der wichtige Sidekick: Rebecca Hall) in ihrer Wohnung, sie reden über den besagten Tag, Hujar raucht Kette, sie essen zusammen, trinken Kaffee und Whiskey, stehen auf ihrer Dachterasse, liegen im Bett, hören Musik, tanzen, zünden Kerzen an. Ein klassisches Kammerspiel also, wenn auch nicht in Echtzeit, während sie sprechen, vergehen einige Stunden. Die beiden sitzen oder liegen oft eng beieinader, was ihre vertrauensvolle Beziehung zeigt, sie berühren sich, sie lachen, als Zuseher merkt man, dass sie sich gut kennen. Es gibt etwas surreale Einschübe vom Sonnenuntergang, Passagen, wo die Kamera die beiden Personen in einer Art Porträt zeigt, immer wieder wird auch das Aufnahmegerät fokussiert.

An seinem Tag hat Hujar den Poet und “Vater” der Hippie Bewegung Allen Ginsberg getroffen. Er hat mit vielen Menschen, unter anderem Susan Sontag, telefoniert. Er hat in seiner Dunkelkammer gearbeitet und ein Nickerchen gemacht. Ein Freund kam zum Duschen vorbei und Hujar hat für beide chinesisches Essen geholt. Auch Fran Lebowitz, die mir quasi auf Schritt und tritt begegnet, ist Thema, Hujar war auch mit ihr befreundet (und hat tolle Fotos von ihr gemacht). Das Gespräch ist lustig, klug, denkt um die Ecke, reflektiert auch die eigenen Erinnerungen, das, was wirklich geschah, das worüber man dachte, es würde geschehen. Kurz kommt an seinem Tag auch eine französische Redakteurin der Elle bei Hujar vorbei und er erzählt Rosenkrantz, er hätte sich vorgestellt, wie sie ihn – den homosexuellen Bohemian – verführt. Aber dann wäre sie “short” und eher unvorbereitet gewesen.

Das alles ist ein Porträt von Hujar, der meint “nothing much happens, and I wasted another day”, was bei genauerer Betrachtung aber keineswegs stimmt. Es ist auch ein (grobkörnig gefilmtes) Porträt von seiner Zeit, seinem New York der 1970-er Jahren, von seinen Weggefährten. Für mich ist es sehr interessant und inspirierend gewesen. Ein Beweis auch, dass an einem “gewöhnlichen” Tag so viele kleine, feine, schöne Dinge passieren, denen man oft viel zu wenig Beachtung schenkt.