almis personal blog

Seinfeld, sechs

Es gibt viele jüdische Elemente in Seinfeld, weil ja der Protagonist Jerry Jude ist. Er praktiziert seinen Glauben zwar nicht besonders intensiv, er lebt auch nicht koscher. Aber es fließen natürlich gewisse kulturelle Aspekte ein.

Der größte “jüdische Handlungsstrang”, wenn man so will, ist dass Jerrys Zahnarzt Whatley (übrigens verkörpert von Bryan Cranston, den viele später durch Breaking Bad kennenlernten, ich ja nicht, weil ich die Serie nie gesehen habe) vom Christen- zum Judentum konvertiert. Jerry regt das furchtbar auf, weil er der Meinung ist, dass Whatley nur die Religion gewechselt hat, um jüdische Witze machen zu können. Als er einen katholischen Priester trifft, spricht Jerry mit ihm über dieses Thema und der Priester fragt: “And this offends you as a jewish person?” Und Jerry daraufhin: “No, it offends me as a comedian.” Und weiter: “He has total joke telling immunity. He’s already got the two big religions covered, if he ever gets Polish citizenship there’ll be no stopping him.” Harhar. Einige Monate später fragt ihn Elaine, ob Whatley immer noch Jude sei und Jerry darauf: “Sure, without the parents, it’s a breeze.”

Apropos Eltern – Jerrys Eltern sind an sich eh ziemlich locker, aber als Schindlers Liste in die Kinos kommt, ist es ihnen sehr wichtig, dass Jerry sich den Film ansieht. Jerry tut das auch, allerdings mit seinem neuen Date und die beiden knutschen während Schindlers Liste, was sein Nachbar Newman beobachtet und Seinfelds Eltern in gehässiger Art verrät. Da sind die Eltern kurz entrüstet, aber fünf Minuten später ist es ihnen eh wieder egal. Hier trifft sich auch wieder Fiktion mit Realität. Seinfeld hatte nämlich erfahren, dass Steven Spielberg während des Drehs von Schindlers Liste immer wieder Seinfeld geschaut hat, um sich von diesem schweren Stoff abzulenken und hat deshalb eine Episode gemacht, die sich auf diesen Film bezieht.

Interessant ist, dass alle Hauptdarsteller der Serie, abgesehen vom Darsteller des Kramer, jüdisch sind, aber es in der Serie nur Jerry ist. Das liegt daran, dass schon so anfangs kritisiert wurde, die Show sei “too New York, too jewish”, weshalb sich viele nicht damit identifizieren würden. Na gut, ich glaube, dieses Vorurteil wurde dann doch eindrucksvoll widerlegt.

Coffee to go

Am Freitag war ich mit P. im Cafe Schopenhauer frühstücken.

Das Schopenhauer hat eine sehr witzige Frühstückskarte. Die Gerichte haben Namen wie Friedrich Nietzsche – das habe ich gegessen, es ist ein Laugencroissant mit Eierspeise, Paprika und Zwiebeln – Rosa Luxemburg, Thomas Jefferson oder Simone de Beauvoir; letzteres ist übrigens ein Espresso plus eine Zigarette, harhar. Generell sind die Namen aber origineller als die jeweilige Darbietung. Es war schon gut, aber jetzt nicht soo speziell anders als anderswo. Zum Sitzen ist es allerdings sehr urig und gemütlich. Ich war hier auch früher schon mit dem liebsten Menschen. Damals haben wir einen riesigen Cappuchio bestellt.

Am Samstag war ich wandern.

Industrieschnee? Zumindest sah der Schnee wirklich sehr künstlich aus

Das Kind macht ja im Sommer, wie bereits erwähnt, einen argen Wanderurlaub und so trainiert die Urlaubsgruppe (zu der ich nicht gehöre) schon fleißig. Ich habe den Vorteil, ich kann auch Bewegung machen, was sicher nicht schadet, muss aber nicht so superfit oder schnell sein. Ich kann also auch mit hängender Zunge hinterher kriechen, aber so schlecht war ich eh nicht.

Wir sind neun Kilometer gegangen, mit Coffee to go und einer Mittagspause im Gasthaus oben. Es war eiskalt, aber beim Wandern merkt man das Gott sei Dank nicht so.

Bei der Jägerwiese/Agnesbrünnl

Ich finde ja, am schönsten ist es, nach dem Wandern heimzukommen und sich aus Sofa zu legen. Harhar. Und dort kann man dann noch dutzende Male den Trailer zu We Live in Time anschauen und ein bisschen in schöner Traurigkeit schwelgen.

We Live in Time, zwei

ACHTUNG WIEDER SPOILER ZUM FILM MÖGLICH!

Liebesgeschichten zählen zu einem aktuell eher vernachlässigten Genres des Kinos, mit denen die Filmschaffenden wohl nicht so viel anzufangen wissen. Nach der Hochblüte der Rom Com tut man sich anscheinend damit schwer, über Beziehungen zu erzählen, und dabei den richtigen Ton zu finden. So schwer, dass uns Geschichten, die Missbrauch zum Thema haben, offensichtlich sogar on und off screen (It ends with us), beinahe auch schon romantische Filmhightlights verkauft werden.

We Live in Time hat einen gewissen frischen Ansatz, zeigt ein junges, sehr selbstbestimmtes Paar auch dabei, zu reflektieren. Über ihre Beziehung, aber auch das, was sie darüberhinaus und ohne diese sind und sein wollen. Almut ist Arbeit als Köchin sehr wichtig, während Tobias eher in der Vaterrolle aufgeht. Deshalb wird dann auch über Familienbild und Kinder gesprochen, letztlich aber auch über das Leben, seinen Wert und aus Gründen auch über die Wahlfreiheit, was medizinische Intervention betrifft. Almut sagt: “I am not interested in a treatment, that accidently wastes our time.” Weil längere Lebenszeit ja nicht automatisch auch mehr Lebensqualität bedeutet.

Mit Florence Pugh und Andrew Garfield hat man zwei Schauspieler gefunden, die für mich nie so glatt und angepasst waren – Pugh fand ich schon in Little Women super selbstbewusst und frech und Garfield hat eh gefühlt schon alles mit seinem eigenen Twist gespielt, von Spiderman zum Jesuitenpartner (Silence) und prekären Künstler (tick tick…Boom) und die beiden sind super zusammen, weil man ihnen tatsächlich in jeder Minute abnimmt, wirklich ein Paar zu sein.

Ich mag den Galgenhumor in diesem Film; nach einer Diagnose schlägt Almut vor, einen Hund zu kaufen, damit die kleine Tochter lernt, dass liebgewonnene Wesen auch wieder gehen müssen. Worauf Tobias meint, dann müssten sie aber einen alten Hund kaufen, “or to you want to end his live preamturley?” Überhaupt geht Regisseur John Crowley auf besondere Weise mit Krankheit und Endlichkeit um; im Gegensatz zu Filmen wie dem Pain-Porn Million Dollar Baby sehen wir Almut kein einziges Mal im Krankenhaus liegen. Und gerade wie Crowley diesen Film abschließt, ist so dezent, so unspektakulär, dabei auch auch extrem herzzerbrechend für mich. Und trotzdem ist da der Silberstreif am Horizont.


Ich musste durch die Umstände – das Kind von Almut und Tobias kommt zu Silvester zur Welt, was theoretisch bei meinem Kind auch möglich gewesen wäre – sofort wieder an diese sehr arge Zeit seines Lebensbeginns denken und hatte ein fast karthartisches Erlebnis voller Dankbarkeit, dass es bei ihm gut ausgegangen ist.

We Live in Time, eins

Derzeit sind sowohl Jesse Eisenberg (wie erwähnt Mark Zuckerberg in The Social Network) als auch Andrew Garfield (Zuckerbergs Rivale Eduardo Saverin in dem genannten Film) in den Kinos zu sehen. We Live in Time hat mir im Gegensatz zu A Real Pain, aber wirklich gut gefallen und mich aber gleichzeitig auch wesentlich mehr mitgenommen und sogar ein kleines bisschen zerstört – aber dann auch wieder aufgerichtet.

Es geht in diesem Film um Tobias (Garfield), Produktmanager und Almut (Florence Pugh), Haubenköchin, in einer anfangs typischen Boy meets Girl-Variation, fast könnte man es Rom Com nennen. Allerdings wird das Paar sehr bald mit einer Krebsdiagnose konfrontiert und Almut muss sich daraufhin nicht nur für eine Therapie entscheiden, sondern auch dafür, welche Art von Zukunft sie mit Tobias haben möchte. Ein Thema, bei dem sie bis zu diesem Zeitpunkt unterschiedlicher Meinung waren…

ACHTUNG SPOILER ZUM INHALT SIND AB JETZT MÖGLICH!!!

Ok, eine Beziehung, die sich einer schlimmen Diagnose stellen muss. Das kennen wir doch schon, oder? Aber We Live in Time hat dann doch einen anderen Ansatz als beispielweise Love Story. Denn die Krebsdiagnose bewirkt, dass Almut sich zu einem Zeitpunkt bewusst für oder gegen Kinder entscheiden muss; ihre letzte Beziehung ist daran gescheitert, dass sie eben keine Kinder wollte. Und hier brauchen wir dann schon eine Menge an Suspension of Disbelief, denn – und das ist noch nicht mal ein Spoiler, wir sehen es im Trailer – Almut entscheidet sich für ein Kind, obwohl damit nun ein nicht unbeträchtliches gesundheitliches Risiko einhergeht.

Das Film ist nicht chronologisch erzählt, was ich die beste Entscheidung für diese Geschichte halte. Es wird zwar da und dort gemault, dass es so unübersichtlich wäre, aber hey, Pulp Fiction ist 30 Jahre her, wir schaffen das, einer Geschichte zu folgen, die nicht von A nach B verläuft. Brian Tellerico schreibt in seinem Review zwar sehr pointiert: “The chronological jumble will be a dealbreaker for some people who like their weepers straightforward.” Doch in Wahrheit rettet uns (oder zumindest mich) diese Erzählform. Wenn man ganz verwegen wäre, könnte man sogar sagen, dass das, woran wir uns im Zuge eines möglicherweise nahenden Todes, erinnern werden auch keine “Ordnung” haben wird. Wir werden unser Leben vermutlich nicht chronologisch vor uns ablaufen sehen. Es werden sich Erinnerungen der schönsten Momente mit denen der bittersten Stunden wohl abwechseln.

Das große Thema hier ist Zeit. Etwas, das in diesem Film sehr lange eingeteilt, verwaltet und streng gemessen wird. So läuft permanent ein Countdown bei Almuts Kochwettbewerben mit, Tobias stoppt die Zeit, die ein Schwangerschaftstest braucht, um ein Ergebnis zu liefern, und später die Wehen(-Pausen). Chemotherapie Zyklen werden nach zeitlichen Schemata geplant und fixiert, Chancen und Risken in Wochen und Monaten berechnet. Almut fragt sich: Wann habe ich wieder Zeit für mein Kind? Wann kann ich wieder arbeiten? Wann kann ich wieder leben? Und wirft dann selbstbestimmt alles über den Haufen. We live in time. Heißt: Wir leben genau jetzt!

Ich brauche auch noch mehr Zeit, daher geht es morgen weiter.

Die Plazenta

Ich glaub, das wird einer meiner seltsameren Blogeinträge, siehe Titel, harhar.

Schuld daran ist We Live in Time, den ich gestern im Votivkino gesehen habe und der mich ordentlich mitgenommen hat; ich war dann emotional sehr verstört in Straßen- und Ubahn auf dem Heimweg. Ich empfehle ihn aber trotzdem, weil es wirklich ein schöner und sehr gut gespielter Film ist.

Jedenfalls schreibt Pia Reiser von fm4 zu diesem Film:

Aus Pia Reisers Review So viel Liebe, so wenig Zeit

Oh ja, genau dasselbe habe ich mir währenddessen auch gedacht. Denn ich persönlich habe davon überhaupt erst im Kreissaal erfahren, nachdem das Kind schon auf der Welt war. Mir wurde dieses Faktum eher beiläufig mitgeteilt und ich so: “Bitte was???” Ich habe wirklich geglaubt, das ist ein Scherz harhar. Gut, ich habe den Geburtsvorbereitungskurs nicht mehr erreicht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich auch die 31 Jahre davor nichts darüber gehört hatte, weil es niemals irgendwer erwähnt hat und mir Filme zwar über Geburten erzählt hatten, da aber nur über “heißes Wasser und Tücher”. Was auch immer damit zu tun ist.

Morgen dann mehr zu We Live in Time. Es geht ans Eingemachte!

A Real Pain

Der dieswöchige Nonstop-Kino Newsletter informiert darüber, dass der Film A Real Pain anläuft und vermerkt: “Ein Film, den man eigentlich nicht nicht mögen kann.” Oh doch, liebes Nonstop-Team, doch doch, das geht. Harhar. Alleine zum Filmtitel könnte man in diesem Fall daher schon etliche Kalauer loslassen, aber ich war in meiner Filmkritik für Uncut dann, finde ich, eh noch sehr wohlwollend, ich schrieb nämlich folgendes:

A Real Pain ist die zweite Regiearbeit von Jesse Eisenberg, der der Filmwelt bisher eher als Schauspieler (unter anderem als Mark Zuckerberg in The Social Network) bekannt ist. In seinem neuen Film, für den er auch das Drehbuch geschrieben hat, schildert Eisenberg die Reise zweier ungleicher Cousins – Eisenberg selbst als David, Kieran Culkin als Benji – in die Vergangenheit. Nach dem Tod ihrer Großmutter buchen beide eine geführte Tour durch Teile Polens, deren Heimatland.

Das Konzept diese Filmes ist, wenn man so will, quasi die 50 Shades of Pain entdecken, die zwischen dem schier unvorstellbaren Leid der Großmutter durch die Inhaftierung im KZ Lublin liegt, und dem für ihn selbst lächerlichen Schmerz von Benji, der das Gefühl hat, an seinem eigenen Leben zu scheitern, aber kein Recht dazu zu haben, darüber zu klagen; denn was ist schon seine eigene Verzweiflung gegen die, die seine Großmutter empfunden haben muss. Und damit es nicht zu traurig wird, hat Eisenberg Benji selbst gleich als Comic Relief eingebaut.

Die Idee hat etwas für sich, funktioniert nur leider in der Praxis überhaupt nicht. Denn obwohl der Gedanke offenbar war, Benji als impulsiv-rüpelhaften, aber doch warmherzigen und im Grunde liebeswerten Charakter zu etablieren, der eine durchaus tragische Backstory hat, und damit nicht nur das Herz der Reisegruppe, sondern auch das der Zuseher im Sturm gewinnt, geht diese Vision nicht auf. Benji ist vor allem ein furchtbar anstrengender, Energie ziehender Egoist, mit einem Verhaltensmuster eines Fünfjährigen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Auch der Humor, den er offensichtlich in den Film und damit in das schwere Thema bringen soll, passt großteils für mich überhaupt nicht. Er changiert zwischen Zoten, Körperkomik und reiner Provokation.

Eisenberg hat sich selbst als David Typ-gecastet; er spielt den höflich-zurückhaltenden, leicht neurotischen, beruflich und privat erfolgreichen Gegenpart zu Benji und das macht er erwartungsgemäß gut. Auch das Wiedersehen mit Jennifer Grey (Baby aus Dirty Dancing, aber seit ihrer Nasen-OP kaum zu erkennen) ist erfreulich, sie spielt die interessanteste Reisegruppen-Teilnehmerin überzeugend. Leider ist aber auch diese Gruppe sonst eher schablonenhaft geraten, allen voran der übermotivierte Vortragende mit frischem Oxford-Diplom und der ehemalige Flüchtling aus Ruanda, der zum Judentum konvertiert ist.

A Real Pain besteht großteils aus folgender, eher monotonen Abfolge: Besuch einer Sehenswürdigkeit, abendliches Kiffen, semi-ernsthaftes Gesprächs zwischen den Cousins, neuer, Benji-induzierter Eklat. Das alles untermalt von Chopin. Am besten ist der Film dort, wo er uns unkommentiert Eindrücke von Polen zeigt; nicht die touristischen Seiten, sondern die ein bisschen schmuddeligen Hinterhöfe, die unspektakulären Straßenecken, die kaputten Zäune, hinter denen die Sonne untergeht. Hier fühlt man irgendwie den Geist Polens auf sich wirken und es muss dafür kein einziges Wort gesprochen werden.

Vielleicht ist Eisenberg mit der Idee eines Roadtrips schon auf der richtigen Spur, denn er hat durchaus einen Blick für Räume und Stimmungen; an der Charakterzeichnung seiner Figuren sollte er meines Erachtens allerdings noch ein bisschen arbeiten.

Neue Aufgaben

Das Wochenende habe ich großteils mit Arbeit verbracht. Das brauche ich jetzt nicht an jedem Wochenende, aber diesmal war es ganz ok, es war eh eiskalt draußen. Am Montag am Vormittag habe ich dann alles abgegeben, weshalb ich jetzt ein “Schatz” bin, das hört man ja auch nicht ungern. harhar.

Dann gleich noch eine neue Arbeit angefangen und schnell mittaggegessen, bevor ich zu meinem “Vorstellungsgespräch” aufgebrochen bin.

Dafür musste ich zum Franz Josefs Bahnhof fahren, es war immer noch kalt und grau, aber ich habe daran gedacht, wie ich vor einiger Zeit dort öfters mittagessen war, und in einem Gastgarten gesessen bin und dann sind wir die Alserbachstraße hinauf gebummelt, es war geborgen und lustig. Das waren so schöne Erinnerungen, dass ich mich gleich richtig gut gefühlt habe.

Das Gespräch war dann sehr nett. Lustig mal wieder, jemanden gegenüber zu sitzen, der den eigenen Lebenslauf vor sich hat. Fragen zu beantworten und Fragen zu stellen. Nach zehn Minuten war aber eh schon alles klar und ich habe jetzt einen neuen Auftraggeber und ich freue mich sehr darüber und darauf.

First of the Gang to Die

Am Ende des Jahres habe ich mir wieder das Rolling Stones Magazin gekauft, das sein 30 jähriges Bestehen feiert und zu diesem Anlass die 300 Lieblingsalben der Redaktion in diesem Zeitraum bespricht. So etwas lese ich immer sehr gern, wie schon einmal erwähnt, vor allem wegen der Musikbeschreibungsprosa.

Dank dieser Liste, habe ich mich auch wieder an einige Songs erinnert, die ich früher sehr gerne gehört habe, so zum Beispiel an First of the Gang to Die von Morrisey, aus seinem Album You are the Quarry aus dem Jahr 2004. Hier bitte den Hinweis einfügen, wie “umstritten” angeblich Morrisey ist. Habe leider gerade keine Zeit, mich in diese Materie einzulesen harhar. Dieser Song hat jedenfalls wohl einen der skurillsten Texte in der Indie-Pop Geschichte. Es geht um eine, no na, Gang und ein Mitglied namens Hector, der eben als erstes stirbt und zwar natürlich durch eine Kugel, ich mein, wie sonst. “Such a silly boy!”

Jedenfalls kann man in First of the Gang to Die wunderbare Euphemismen für den Vorgang des Sterbens finden, wie beispielseise “to do time” oder “go under the sod”. Außerdem finden sich interessante Vorstellungen über Liebe, so singt er beispielsweise “You have never been in love until you’ve seen the dawn rise, behind the home for the blind.” Da kann sich jeder seinen eigenen Reim drauf machen, was das bedeuten soll.

Am allermeisten gefällt mir aber die Robin Hood-in-reverse-Attitüde von diesem besungenen Hector. Denn Robin Hood bestahl ja bekanntlich die Reichen, um die Beute an die Armen weiterzugeben. Nicht so Hector. Hector “stole from the rich and the poor and the not very rich and the very poor”. Das hat mich früher immer sehr amüsiert. Und nicht zu vergessen, “he stole all hearts away” – warum auch immer. Er dürfte eine Menge Charisma gehabt haben, dieser Hector. Wahrscheinlich war er so etwas wie Karl Moor aus Schillers Die Räuber.

Eine Petition

Gestern war es wieder da, das gerne gebrauchte, mir aber absolut verhasste Wort “alternativlos”, auch bekannt als Diskussionsstopper.

Wenn man sich nicht sachlich mit Einwänden auseinandersetzen will, dann ist etwas eben alternativlos; die inflationäre Verwendung dieses Wordings haben wir in den letzten Jahren ja immer wieder beobachten können. Seitdem bin ich da immer sehr hellhörig, wenn jemand diesen Begriff verwendet. Weil ich es als bedenklich erachte, dass alternativlos an sich schon quasi als Argument gilt.

Jetzt ist wieder einmal etwas “alternativlos”, nämlich, dass zwei Gründerzeithäuser in Wien für den Bau der Ubahnlinie U5 abgerissen werden sollen. Gestern gab es eine Demo gegen das geplante Vorgehen und man kann seit kurzem eine Online Petition unter dem Titel “Erhalt der historischen Eckbauten Elterleinplatz 8 und Währinger Gürtel 41” gegen den Abriss unterschreiben und sich nähere Informationen bei der Initiative Denkmalschutz einholen, die die Petition gemeinsam mit Architektur Rebellion initiiert haben.

Ich habe jedenfalls unterschrieben (unbezahlte Werbung), weil ich diese Handlungsweise einfach unmöglich finde.

The Seed of the Sacred Fig

Letztens habe ich im Kino The Seed of the Sacred Fig gesehen, ein sperriger Titel, auch im Deutschen nicht weniger – “Die Saat des heiligen Feigenbaums”. Dieser Film ist etwas außerhalb meiner Kino Komfortzone gelegen, weil ich sehe lieber fiktionales und brauche auch oft einen gewissen Ausbruch aus dem Alltag. Und das ist der Film eindeutig nicht, ganz im Gegenteil: Das ist ein sehr arger, schwerer Film, weil man eben auch weiß, dass die Geschichte zwar erfunden, die Verhältnisse, die er er beschreibt, aber tatsächlich Realität sind. Und man merkt es auch daran, dass Regisseur Mohammad Rasoulof den Film nicht nur geheim drehen musste, er musste danach sogar aus seinem Land, dem Iran, fliehen.

Es geht in diesem Film um die Familie eines iranischen Juristen, der eben zum Ermittlungsrichter befördert wurde und das gerade in einer Zeit der landesweiten Proteste im Jahr 2022 gegen das autoritäre Regime, was seine Familie auch einer nicht unbeträchlichen Gefahr aussetzt – sie müssen umziehen und sich an recht strenge Verhaltensregeln halten. Seine zwei (fast) erwachsenen Töchter verfolgen die Geschehnisse auf Social Media – im Film sind immer wieder echte Videos aus dieser Zeit zu sehen – und beginnen gegen das System und damit auch gegen ihren Vater zu rebellieren, als im eigenen Haushalt plötzlich die Dienstwaffe des Vaters verschwindet…

MILDE SPOILER MÖGLICH

Was ich sehr gut an diesem Film finde, ist die wirklich differenzierte Gestaltung seiner Protagonisten. Weil es wäre sehr leicht gewesen, Vater Imam als unsympathischen Despoten zu schildern und die Mutter Najmeh als passive “Erfüllungsgehilfin.” Tatsächlich ist Imam sehr gläubig und hat einen strikten Ehrenkodex, er ist aber auch ein liebevoller Vater, der anfangs auffallend defensiv und komplett aggressionslos gezeichnet wird und mit den Frauen auf Augenhöhe kommuniziert, auch Verständnis für andere Meinungen zeigt. Und Najmeh ist natürlich eine konservative Ehefrau, die gelernt hat, dass der Mann in der Familie die uneingeschränkte Autorität hat, aber sie versteht, auch wenn sie sich dagegen zu wehren scheint, dass ihre Töchter in einer anderen Zeit aufwachsen und sich viele Dinge nicht mehr gefallen lassen wollen.

Im Prinzip ist die Familie ja nicht per se “rückschrittlich”. Die Töchter besuchen höhere Schulen bzw. studieren, sie sind am Handy und gehen shoppen und leben in gewisser Weise so wie auch anderswo junge Frauen leben. Dennoch ist ihnen nur ein bestimmtes Leben zu leben erlaubt. Streng verboten ist es natürlich, ihr Haar in der Öffentlichkeit zu zeigen. Dass in diesem Film iranische Frauen ohne Schleier gefilmt werden (nämlich im Privathaushalt) bedeutet im “wirklichen Leben” große Schwierigkeiten für die Schauspielerinnen. Und hier verschwimmt dann die Fiktion endgültig mit der Realität. Dass ein Film, der über die Grenzen der Freiheit, vor allem für Frauen erzählt und gleichzeitig wegen Überschreitung von Grenzen quasi auf den Index gestellt wird, das ist schon sehr schmerzende Ironie.

Mir persönlich ist vor allem die Szene in Erinnerung geblieben, als die ältere Tochter, Rezvan, sich die Fingernägel lackieren will und die Mutter es ihr verbietet, mit dem Hinweis, sie könne später einmal, wenn sie verheiratet sei, ihren Mann um Erlaubnis dazu bitten. Und Rezvan antwortet sinngemäß, das wäre also ihr Schicksal, zuerst sagt ihr die Mutter, was sie zu tun hat und später ihr Mann. Wann werde sie das tun können was sie selbst möchte? Das ist schon arg, so etwas im Jahr 2025 zu hören.

The Seed of the Sacred Fig fängt dort an, wo Mond der österreichischen Regisseurin Kurtwin Ayub aufhört. Ihre Themen sind ähnlich, bleiben aber künstlerisch-schemenhaft, während bei Rasoulof wirklich alles auserzählt wird, was noch kein Qualitätskritierum an sich ist. Der Film erschüttert in seiner Unbarmherzigkeit allerdings auf jedenfall sehr. Übrigens ist The Seed of the Sacred Fig der deutsche (sic!) Beitrag zum sogenannten Auslandsoscar.