almis personal blog

Leihhund

Heute war ich mit dem Kind bei der Oma, die gerade für eine Woche einen sehr kleinen Hund sittet

Großes Kind, kleiner Hund

Es war sehr lustig und auch in der Pizzeria entspannt. Der Hund hat nie gebellt, es muss einem aber halt wurscht sein, wenn man permanent neidvoll beim Essen beobachtet wird, harhar. Oder als Tischnachbarin auch mal dezent mit den Pfoten am Arm dazu aufgefordert wird, vielleicht ein bisschen Thunfisch von der Pizza abzugeben.

Der Hund in der Tasche

Danach haben wir noch ein bisschen mit ihm im Garten gespielt. Das Kind fand jedenfalls, es war ein sehr schöner Tag und das fand ich auch.

The Substance

Worum geht es also in The Substance? Das ist relativ schnell erzählt. Die Schauspielerin und Fitness Vorturnerin Elisabeth Sparkle (Demi Moore) erfährt zu ihrem 50. Geburstag von ihrem Boss Harvey (sic!!!) (Dennis Quaid), dass sie leider gefeuert ist. Es wird eine jüngere Nachfolgerin – bewerben können sich Frauen bis 30 – gesucht. Das stürzt Elisabeth, die weder irgendwelche Familie noch Freunde zu haben scheint, in eine veritable Depression. Zufällig kommt es zu einer Begegnung mit jemandem, der ihr sagt: Das muss doch nicht sein, es gäbe da so eine Substanz, die einen wieder jünger und begehrenswerter mache. Elisabeth bestellt daraufhin diese Substanz und beginnt mit der Duchführung des “Prozederes”…

Kleinere Spoiler können folgen

Ich mag Horrorfilme nicht besonders, aber The Substance ist m.E. kein Horrorfilm, zumindest über weite Strecken nicht. Es ist der Kampf um das Zurückholen der Jugend mit erstaunlichen Methoden und Konsequenzen. The Substance ist vor allem ein atmosphärisch, auditiv und visuell für mich extrem beeindruckener Film, der mich zwei Stunden total gefesselt hat – die letzten 20 Minuten habe ich nicht mehr hingeschaut harhar. Nicht alles ist ganz schlüssig, die Charaktere bleiben schon in gewisser Weise an der Oberfläche, aber dennoch gibt es zwei, drei extrem eindringliche Szenen, die komplett unter die Haut gehen. Der Film gesamt ist irgendwie die Langversion des Ratschlags “So jung wirst du nie wieder sein wie heute, also genieß es einfach.”

Zu den Diskursen, ob The Substance nun feministisch oder antifeministisch ist, würde ich sagen, ich denke nicht, dass die Regisseurin Coralie Fargeat unbedingt in diesen Kategorien denkt. Die Darstellerinnen Moore und Qualley sind sehr oft nackt zu sehen, die Kameraführung ist ein “Male Gaze”, oder wie Margaret Qualley sagte, ihr wurde die ganze Zeit nur auf den Hintern, den Busen und zwischen die Beine gefilmt, und das hat sie komplett fertig gemacht. Das verstehe ich auch total, dennoch geht es in diesem Film natürlich genau darum, um das Schauen und Beurteilen, um Begehrlichkeiten, um Aufmerksamkeit, um den Wunsch gesehen und gefeiert zu werden. Man kann und soll über das alles diskutieren, aber für mich ist es ein Film, den ich einfach abseits jedes Diskurses als Erlebnis genossen habe.

The Substance ist wahrscheinlich Demi Moores Pulp Fiction. Wie John Travolta damals war sie ewig weg von der Leinwand und kommt nun mit einer wirklich erstaunlichen “Signature-Rolle” zurück, die sie komplett ausfüllt. Margaret Qualley ist eigentlich ein “Nepo-Baby”, wobei ich sie in drei Filmen gesehen habe und sie super fand und erst dann erfahren haben, dass sie die Tochter von Andie MacDowell ist. Und Dennis Quaid wird hier sicher sehr gerne gehasst, für sein Portrait eines Mannes, der sich für unwiderstehlich hält und sich anmaßt, Frauen zu sagen, wann sie leider nicht mehr unwiderstehlich sind.

Hinzuweisen wäre vielleicht noch die Botschaft, die Elisabeth am Anfang über The Substance bekommt. Ihr Informant schreibt “It changed my life.” Und ganz ehrlich, wer denkt da nicht diesem Satz zunächst daran, dass das ein verheißungsvolles Versprechen ist? Besonders, wenn man sich gerade schrecklich fühlt. Wer denkt daran, dass Veränderung auch ganz etwas anderes bedeuten kann? Es kann durchaus auch eine Warnung sein.

Der “The Substance”-Diskurs

Während andere Menschen hitzig darüber diskutieren, ob der Film The Substance, der gerade in unseren Kinos läuft und Demi Moore auf die Leinwand zurückbringt, feministisch oder das Gegenteil, wenn nicht gar misogyn ist, trotz der weiblichen Regisseurin Coralie Fargeat, frage ich mich ganz etwas anderes.

Kein Spoiler, die folgende Information ist praktisch schon im Filmtitel ablesbar.

Also mal abgesehen davon, dass ich mir niemals eine Substanz von anonymer Quelle, die ich mir aus einem Postschließfach abhole, und die mich verjüngen soll, einfach so selbst injizieren würde: Woher weiß die Figur von Demi Moore komplett ohne Anleitung, wie sie sich “The Substance” zuführen soll? Ich mein, da gibt es Röhrchen und Spritzen und Flüssigkeiten und Pumpen, ich weiß nicht mal, wie das alles heißt, was sie in dem Päckchen vorfindet. Es sieht ja alles sehr stylisch aus, aber nirgendwo ist eine Gebrauchsanweisung dabei. Und ein You Tube Tutorial gibt es dazu natürlich auch nicht, das ist ja alles quasi unter der Hand.

Das wäre für mich der Moment als Demi Moore Figur, wo ich schon auf ganzer Linie scheitern würde. Harhar.

Bald werde ich mehr zu dem Film schreiben, der mich erstaunlich begeistert hat.

Verstörende Videos, sieben

Nach langer Zeit wieder etwas aus der Rubrik verstörende Videos, weil ich es nämlich zufällig gestern wieder mal gesehen habe. Björk und ihr Video zu Bachelorette.

Der Song ist von ihrem dritten Album Homogenic, aus dem Jahr 1997 und ich glaube, das ist mein liebster Song von ihr überhaupt, wobei ich zugeben muss, dass ich ihre Karriere schon länger nicht mehr wirklich verfolge. Jedenfalls ist der Regisseur des Videos Michel Gondry und da weiß man eh schon alles. Er hat zum Beispiel Regie bei Eternal Sunshine of the Spotless Mind geführt, das ist der Film, wo sich Jim Carrey die Beziehung mit Kate Winslet aus seinem Gedächtnis löschen lassen will. Der Film ist sehr super und sehr surreal und das ist auch das Markenzeichen von Gondry.

Auch Bachelorette ist surreal. Bjork lebt den Traum jedes Schriftstellers: “One day, I found a big book, burried deep in the ground (…) to my surprise, it started writing itself.” Sie macht folglich alles, was das Buch ihr erzählt, zu einem Verleger gehen, sich in ihn verlieben, er gibt den baldigen Bestseller heraus, in der Ubahn lesen alle ihren Roman, sie hält Lesungen auf großen Bühnen etc. Auf der Bühne stellt sie dann auch die Geschehnisse nach, die dann wieder nachgestellt werden und wieder und wieder….usw. Sehr meta. Am Ende macht sie alles ungeschehen, und geht wieder zurück in den Wald – der Triumph der Natur über den Kommerz?

NIcht nur das Video ist super, auch die Lyrics – “I am a fountain of blood, in the shape of a girl” oder “I am a tree that grows hearts, one for each that you take.” Hach. Das Magazin Rolling Stone schrieb über sie, in den 1990er Jahren “(…) musste man davon ausgehen, dass Björk uns den Pop der fernen Zukunft brachte. Doch diese ist bis heute leider nicht eingetreten.” Heute läuft Björk eher unter dem Radar, hat allerdings in den frühen Nuller Jahren noch einen Film mit Lars von Trier gemacht (Dancer in the Dark), den ich mir leider nicht anschauen kann, weil ich mich ein bisschen vor ihm fürchte, also vor dem Film, sonst habe ich schon einiges von von Trier gesehen. Björk hat damals eine Blinde gespielt und wurde für den auch sehr schönen, melancholischen Song I’ve seen it all für den Oscar nominiert. Sie hat den Song dann auch live gesungen, in diesem legendären Schwanenkleid.

Von Björk gäbe es noch viele andere verstörende Videos, eigentlich praktisch jedes. Harhar.

Go with the flow

In den letzten beiden Jahren ist im Gartrnumfeld immer wieder mal etwas vorgefallen, über das ich mich aufgeregt habe. Einmal war ich sogar richtig “mad” deswegen, wie das Kind sagen würde, inklusive hitziger Diskussion.

Am Wochenende hat mich jemand darauf hingewiesen, dass das wohl aktuell wieder der Fall wäre. Und ich habe geantwortet: Ja, ok.

Danach hab ich mir überlegt, ob es mir so geht wie in dem LCD Soundsystem Song namens Losing my edge. Dass ich jetzt einfach Dinge hinnehme, die mich früher sehr gestört haben. Aber tatsächlich bin ich im Garten gesessen und habe mir gedacht, jetzt ist halt eben einfach gerade wirklich ok. Davor war die Situation anders, ich war erschöpft und unzufrieden und ich musste es wohl über diese Sache “ausagieren”, wie der Laienpsychologe sagen würde. Jetzt denke ich mir lediglich: Vielleicht werde ich einmal ein ruhiges Gespräch darüber führen, wenn es sich ergibt.

Ich denke mir: Go with the flow. Es gibt viele Dinge, die gerade schön sind, schreiben und Kino, vorher ein Crossaint essen; The Fountainhead lesen (Seite 150, harhar) und Frühstücken gehen, Podcasts hören, hin und wieder Nachrichten von jemandem bekommen, bei dessen Name ich lächeln muss. Ich brauch gerade nicht mehr diskutieren.

Megalopolis, zwei

Mögliche Spoiler können folgen

Nun könnte man ja sagen ok, muss man in einem Film alles verstehen? Sind Leerstellen nicht auch manchmal spannend und inspirierend? Ich habe 2007 den Film Inland Empire von David Lynch gesehen – das ist der, in dem Menschen mit Hasenköpfen bügeln – und ich würde meinen, dass ich diesen Film über weite Strecken überhaupt nicht verstanden habe. Trotzdem hat er mich fasziniert. Das Problem bei Coppola ist hier ja auch nicht, dass sein Werk so avandgartistisch-subtil ist, dass man die Szenen deshalb nicht nachvollziehen kann, im Gegenteil: Großteils ist alles sogar sehr, wie man so schön sagt “on the nose”.

Beispiel Requisiten. Wir sind in New Rome. Also graben wir alles aus, was irgendwie “römisch” ist. Sandalen mit Riemen, die sich um den Unterschenkel schlängeln. Weintrauben, die man natürlich im Liegen isst. Überhaupt überall Obst. Die Frisur von Adam Driver. Die Namen, die man quasi im Liber Latinus nachgeschlagen hat. Togen, eine Kolloseum-artige Arena, Gladiatorenkämpfe. Shia Labeouf in Drag und so weiter. Beispiel Symbolismus. Man sieht vor dem Gerichtsgebäude eine Statue der Justizia, die eine Waage in der Hand hält, klar, sie ist dafür da, gerechte Urteile zu sprechen. Aber als Cesar mit seinem Wagen vorbeifährt, da bricht sie völlig verzweifelt in sich zusammen (CGI sei Dank). Was soll uns das natürlich sagen: in New Rome gibt es offenbar keine funktionierende Jusitz mehr.

Auch die Figurenzeichnung ist fragwürdig. Julia wird als oberflächliche Partygeherin eingeführt. Ist ja nichts dagegen zu sagen, aber später im Film, bei einem Essen mit ihren Eltern und Cesar, zitiert Julia dann längere Sentenzen von Mark Aurel flüssig und fehlerfrei (das war übrigens der Punkt, wo das Publikum zum ersten Mal gelacht hat). Vielleicht geht das zusammen: Vorliebe für das leichte Leben und gleichzeitig aber auch Schriften von alten Kaisern lesen und deklamieren. Aber wirklich stimmig wirkt es halt so übergangslos auch nicht.

Und letztendlich: Ich glaube, ich weiß, was Coppola sagen will, aber ich bin nicht sicher, ob er das wirklich auch sagt. Weil was bleibt zurück, vom genialen Cesar und seiner Utopie für die Zukunft? Eine Art 15 Minuten Stadt, die man per Laufband erschließt. Und dafür das ganze Drama?

Ich freue mich, dass Coppola diesen Film drehen konnte, obwohl der Narrativ: er hatte nur seinen Traum auch verkürzt ist. Seinen Traum und halt 120 Millionen Dollar, harhar. Ich bereue keineswegs, diesen Film gesehen zu haben. Aber mich hat Megalopolis leider überhaupt nicht erreicht.

Megalopolis, eins

Na gut, ich versuch es mal.

Worum geht es in Megalopolis? Die Stadt New Rome ist in der Krise. Der Architekt und Visionär Cesar Catilina (Adam Driver) will mit seinem neuem Werkstoff Megalon und viel Enthusiasmus die Stadt verändern, während der Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito) an der alten Ordnung, die von Korruption und Gier geprägt ist, festhalten will. Als Catilina Ciceros Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) kennenlernt und sich in sie verliebt, werden die Dinge noch komplizierter…

Mögliche Spoiler

Nun könnte man sich ja denken, ok, das Motiv jung gegen alt, modern gegen verstaubt, gut gegen böse, wenn man so will, ist ja nicht unbedingt neu. Trotzdem klingt die Konstellation in Verbindung mit einer Zukunftsvision für eine Stadt und deren Bürger ja nicht uninteressant. Das Problem ist nur: Diese Plotprämisse wird von so viel Nebenhandlung und anstrengendem Surrealismus überlagert, dass sie über weite Strecken komplett in den Hintergrund tritt.

Coppola hat sehr viele Ideen. Eine Idee ist zum Beispiel, seinen Protagonisten mit der Fähigkeit auszustatten, die Zeit anzuhalten. Dieses Motiv habe ich zuletzt in Worst Person in the World gesehen, als die Protagonistin zu einem Date aufbricht und alles Leben rund um sie herum stoppt, sie läuft quasi durch eine komplett unbewegte Welt. Das war eine wirklich tolle Szene, weil es dieses Gefühl, das man vielleicht selbst kennt, absolut auf den Punkt bringt. Man ist verliebt und es zählt gerade sonst nichts anderes auf der Welt als gleich die andere Person zu sehen. Was auch immer rund um einen geschieht, es ist egal. Was macht aber Coppola daraus? Nun, also Cesar hält ab und zu die Zeit an und das wars. Wie als würde er einen Zaubertrick üben. Diese Fähigkeit hat absolut keine Konsequenz für ihn persönlich oder seine Ziele.

Und so ist es mit vielen Einfällen von Coppola. Der revolutionäre Werkstoff Megalon ist einmal enorm wichtig und im Zentrum der Geschichte, dann hören wir wieder eine Stunde lang nichts mehr davon. Was kann man damit erreichen, welche Innovationen sind möglich, was macht ihn so bahnbrechend? Coppola erzählt es uns nicht. Ähnliches gilt für die private Historie von Cesar. Er war schon einmal verheiratet, seine Frau ist unter mysteriösen Umständen gestorben, irgendwie hat das vielleicht auch mit Cicero zu tun, aber was steckt wirklich dahinter? Was bedeutet dieser Tod für Cesar? Wie hängt alles mit Julia zusammen? Wir erfahren es nicht.

Es kann natürlich sein, dass Coppola, der den Film ja schon seit 40 Jahren machen will, mit der Zeit immer mehr neue Ideen gesammelt hat, die er alle irgendwie unterbringen wollte, und wo er aber keine davon wirklich ausgearbeitet hat. Dieser Befund hilft einem als Zuseher aber auch nicht wirklich weiter.

to be continued

Megalopolis Premiere

Gestern war ich auf der Megalopolis Premiere im Gartenbaukino.

Megalopolis, das ist der neue Film von Francis Ford Coppola, ein Regisseur, bekannt für Werke wie Der Pate 1-3, The Conversation und Apokalpyse Now. Ein Mann auch, der 85 Jahre alt ist, und der diesen Film so sehr drehen wollte, der dafür einen (hoffentlich nicht seinen einzigen) Weinberg verkauft hat. Megalopolis ist auch der Film, den Coppola seiner Frau widmet, die die Premiere in Cannes nicht mehr erlebt hat, sie ist kurz davor gestorben. Der Film ist also so aufgeladen mit Backstory, das man ihn kaum davon isoliert rezipieren kann.

Die Kritiken aus Cannes waren dann, um es vorsichtig zu sagen, polarisierend. Die einen feierten ihn als innovatives Meisterwerk, die anderen bezeichneten ihn als komplettes Disaster. Das Vulture Magazin hat es auf folgenden Punkt gebracht: “Megalopolis Is a Work of Absolute Madness”. Die Reviews in der Filmapp letterboxd sind ganz ähnlich, entweder hat der Film einen oder fünf Sterne, sehr wenig dazwischen. Viele schreiben sogar, sie könnten dem Film im Prinzip jede Wertung geben und alles wäre irgendwie gerechtfertigt.

Nun ja, gestern im Gartenbau war der Andrang nicht allzu massiv. Der zugegeben sehr große Saal war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Das Publikum vornehmlich, würde ich sagen, Arthouse-Freunde, also Menschen, die Erfahrung mit verstörenden Filmen haben. Und dann sitzt man drinnen und Megalopolis beginnt und lange ist alles ganz still, weil es ist Coppola und überhaupt und dann gibt es, so ungefähr in der Mitte, eine dramatische Szene und jemand im Saal fängt an zu lachen und endlich trauen sich dann auch die anderen lachen und naja. Es war eben keine lustige Szene. Ich glaube, das erklärt ganz gut die allumfassende Ratlosigkeit, mit der man letztendlich diesem Film gegenübersteht. Das gilt auch für mich. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.

Ich möchte gerne ein Review schreiben, aber ich weiß noch nicht wie. Für heute möchte ich die Kritik von “Josh” auf letterboxd zitieren, die im Moment meine Ansicht dazu am besten repräsentiert:

Favoriten

Am Dienstag war ich mit L. im Cinecenter und wir haben uns Favoriten angeschaut. Eigentlich wollten wir ins Votivkino, doch das war ausreserviert und auch unser Saal im Cine war letztendlich ausverkauft. Ich habe das Cine Kino noch nie so voll gesehen, wie an diesem Abend.

Favoriten ist die neue Dokumentation von Ruth Beckermann. Sie portraitiert darin eine Volksschulklasse in der Quellenstraße im 10. Bezirk. Über drei Jahre hat Beckermann Klasse begleitet, von 2020 bis 2023. Das war zwar teilweise in der Coronazeit, aber von Corona merkt man in dieser Doku glücklicherweise recht wenig, außer, dass immer irgendwo Masken herumkugeln.

Ich bin bei solchen “Sozialdokus” immer etwas skeptisch. Ich muss da an die Alltagsgeschichten von Elisabeth T. Spira denken, ihre Art der Befragung und des “Framings”. Für mich hat das oft etwas paternalistisches. Spira hat auch selbst einmal gesagt, sie muss quasi die Kronen Zeitung lesen, um sich auf das Niveau ihrer Darsteller zu begeben und das fand ich eine hm, schwierige Aussage. Bei den Alltagsgeschichten hatte ich auch immer ein Gefühl der Übersättigung. Wenn man selbst in Favoriten aufgewachsen ist, hat man eher die Sehnsucht nach Geschichten, die man nicht kennt, also vom Leben in Döbling zum Beispiel, harhar.

Ich muss allerdings sagen, Favoriten hat mich beeindruckt. Zunächst ist der Film extrem lustig. Man lacht eigentlich von der ersten Minute mit den Kindern, nicht über die Kinder, weil einfach so witzige und herzerwärmende Szenen entstehen. Alle paar Minuten sagten L. und ich: “Oh” und “Moiii”. Es war einfach süß und lieb. Denn, und das rechne ich Beckermann hoch an, sie mischt sich in ihre eigene Doku auch nicht ein. Es werden den Kindern keine Fragen gestellt, es werden keine Themen “abgearbeitet”, es ist wirklich fast durchgehend ein Portrait ohne irgendeinen Kommentar und darüber bin ich sehr froh.

Natürlich kann man zurecht sagen, sobald ich etwas beobachte, verändere ich die Dynamik. Das wird natürlich auch hier in gewisser Weise der Fall sein, allerdings denke ich, dass diese Gefahr bei Kindern weniger gegeben ist, weil sie wahrscheinlich die Kamera bald einmal vergessen, so wirkt es zumindest. So sehen wir die Kinder tanzen, wir sehen sie Rechenkönig spielen, Schularbeiten schreiben und auch weinen, wenn die Noten nicht wie erwartet ausfallen. Wir sehen einen Besuch der Moschee und einen im Stephansdom, wir sehen Konflikte, die die Lehrerin sehr feinfühlig moderiert, Referate, Gespräche über Streit und Krieg und über die eigene familiäre Situation. Wir sehen einen Elternsprechtag.

Natürlich sehen wir auch die Probleme, die es gibt. Oder sagen wir so, diese Klasse bräuchte eher fünf oder sechs Pädagoginnen und Pädagogen. Die Kinder bräuchten sehr viel (mehr) Förderung und Unterstützung, die meisten sind nämlich sehr interessiert und engagiert, aber es gibt Handicaps, sowie die kulturelllen Reibepunkte. Der Film bietet keine Lösung an, das wäre auch illusorisch. Aber er entlässt einem trotzdem mit einem positiven Gefühl und auch so etwas wie einer indifferenten Hoffnung und damit hatte ich ehrlicherweise gar nicht gerechnet.

Veni Vidi Vici

Jetzt noch ein bisschen etwas zum Film Veni Vidi Vici.

In diesem Film geht es um die superreiche Familie Maynard. Viktoria, Amon und ihre drei – teils adoptierte und deshalb äh kulturell-diverse – Kinder, die auf einem Anwesen man muss schon sagen residieren – inklusive Infinity Pool im Wohnzimmer (!). Um seinen Reichtum noch weiter zu vermehren, geht Amon Bündnisse mit der Politik ein und in seiner Freizeit geht er zur Jagd. Doch er jagt keine Tiere…

Ich weiß bei dem Film eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Zunächst einmal: Er sieht nicht aus wie ein österreichischer Film und das ist positiv gemeint, er hat intensive Bilder und vermittelt interessante Stimmungen, eine Szene ziemlich am Ende hat mich sehr überrascht und den Film noch ein wenig gerettet. Auch die Schauspieler spielen gut. Aber ansonsten ist es ziemlich zum Haare raufen, was sich Regisseur und Drehbuchautor Daniel Hoesl hier einfallen hat lassen. Nach eigener Aussage beschäftigt er sich in einer gewissen Bessensheit mit reichen Menschen und das ist ja ok. Jeder hat irgendwelche Lebensthemen, an denen er sich abarbeitet. Aber wenn ich mich schon so eingehend mit einem Themenkreis auseinandersetze, wieso füge ich dem Narrativ nichts neues hinzu? Wieso bin ich maximal in die zweite Schicht unter der Oberfläche vorgedrungen?

Einen Erkenntnisgewinn gibt es bei Veni Vidi Vici nämlich nicht. Dass “böse” reiche Menschen zwar äußerlich nett auftreten und es aber fausdick hinter den Ohren haben, dass sie sich alles erlauben können, dass Reichtum oft mit Politik und Korruption verbunden ist, ja eh. Dass sie oft “davonkommen”, siehe das Ayn Rand Zitat, auch. Aber was weiter? Hoesl hat in einem Interview gesagt, er will die Menschen aufrütteln, dass sie sich wehren, so wie Michelle Obama in einer Rede gesagt hatte: “Do something!”. Ok, also wenn ein progressiver Regisseur eine Person, die die absoluten Elite der USA Gesellschaft repräsentiert zitiert, die mit einem ehemaligen US-Präsidenten verheiratet ist, und die ihrem Volk ausrichtet, dass es doch bitte irgendwas machen soll gegen Missstände in der Gesellschaft, dann weiß ich nicht, soll ich lachen oder weinen? Oder war das satirisch gemeint?

Wobei wir beim nächsten Problem sind. Satire. Sie hält einen auf Distanz, eigentlich zwangsläufig. Aber sie sollte zumindest irgendwie funktionieren. Die Figuren können sich schon komplett over the top verhalten, trotzdem sollte es in sich stimmig sein. Und das ist es in diesem Film, meines Erachtens, nicht. So komme ich den Protagonisten nicht nur nicht nahe, ich kann viele und gerade die folgenschwersten ihrer Handlungen nicht nachvollziehen. Und das nimmt dem Film irgendwie dann auch wieder die Schärfe, wenn ich mir denke, das ist eh alles mehr oder weniger Fantasy-Satire.

Außerdem ist Veni Vidi Vici voll von Zitaten und Anspielungen auf andere Filme. Die drei Kapitelstruktur Veni-Vidi-Vici erinnert stark an Triangle of Sadness, ein Film, der auch nicht gerade subtil war, aber dann doch etwas mehr um die Ecke gedacht hat. Ich habe hier auch etwas von A Clockwork Orange gesehen, von American Psycho, Parasite und Joker und der ORF Serie Tohuwabohu (nach eigener Aussage eine Lieblingsserie von Hoesl). Ehrlich gesagt musste ich auch an die Batman Verfilmungen von Christopher Nolan denken – der Butler heißt dort interessanterweise auch Alfred. Ich finde Zitate schon ganz reizvoll, wenn sie dosiert eingesetzt werden, aber wenn der Film überhaupt keinen eigenen Ton findet, dann sind sie eher kontraproduktiv.

Ich bin also mit sehr gemischten Gefühlen aus dem Kino gegangen, aber nachgedacht habe ich doch darüber. Das ist ja auch was.