almis personal blog

Too Much, Folgen 2-5

Achtung Spoiler zu den oben genannten Folgen dieser Serie

Also bei der zweiten Folge habe ich mir gedacht, hm, das wird besser. Jessicas Bürokollegen schön schräg, pointierte Dialoge. Dann holt Felix Jessica mal aus dem Spital ab (sie hat sich selbst versehentlich in Brand gesetzt) und sie geht auf die rechte Seite vom Auto, wie praktisch alle Menschen auf der Welt, außer, richtig Briten. Und er so: Ok you do wanna drive me home? Harhar. Ich bin vielleicht schlicht, aber das fand ich witzig.

Die dritte Folge war als Konzept super, sie zeigt eine Nacht von Felix und Jessica, in der sie nur Sex haben und reden und Sex haben und reden und dagegen ist wirklich nichts zu sagen. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass Regisseurin und Autorin Lena Dunham das Leben nicht irgendwie romantisiert zeigen will, insofern sind es patscherte Sexszenen und die Gespräche sind auch nicht super deep, aber es ist ok.

Und dann die vierte Folge: Purer Hass meinerseits!! Harhar. Dabei war die Prämisse auch hier gut. Der Chef (der immer sehr weirde Richard E.Grant) lädt seine Mitarbeiter zu einer Party bei sich ein, auch Jessica plus 1 (Felix). Sie trägt einen tollen Mantel, sie gehen durch Notting Hill und denken an den Film, es ist eine gewisse Nervosität vorhanden, bezüglich des Abends und dann betreten sie das Haus des Chefs und jegliche (gute) Komik und alles, was hier möglich wäre, geht sofort komplett den Bach runter. Denn am Tisch werden ausschließend unpassende Gespräche geführt, extremes Oversharing (es ist immer noch der Chef!), sehr vulgär, und sehr drüber und dann wird gekokst und es ist alles nur noch traurig und abstoßend. Da stört das riesige Plothole, dass Felix erst nach drei Stunden checkt, dass der Chef der Vater seiner Ex-Freundin ist, auch nicht weiter. Grau-en-haft.

Folge fünf leider auch nicht viel besser. Jessica ist plötzlich als anxious-attached identifziert, also das ist ihr Bindungsstil. Weil das auch meiner ist, macht das nicht wirklich viel Sinn, in der Art, wie sie bisher porträtiert wurde, welche Aktionen sie setzt. Sie lernt den Freundeskreis von Felix kennen und auch hier wieder alle ur unsympathisch, bitte wieso gibt es in der Serie keine einzige liebenswerte Person? harhar Dann geht sie nach Hause, um zu weinen und wir sehen das Recap ihrer vorherigen Beziehung, die sie gerade verarbeitet und leider bringt uns das ihr ebenfalls nicht näher. Eine schöne Szene gibt es, nämlich als Jessicas Mutter (Rita Wilson) It’s too late aus dem Jahr 1971 singt, der so viel mehr Stimmung zu vermitteln vermag als die ganze Folge. Naja.

Heute schau ich weiter, harhar.

Dienstag

Heute bis nach Mittag im Pyjama an zwei Projekten parallel gearbeitet. Dazwischen wollte ein Nachbar was, und ich musste ihm in diesem Aufzug öffnen harhar.

Danach endlich geduscht und etwas gegessen.

Anschließend in den Garten gefahren und mit dem Kind geschrieben, das jetzt für sieben Tage an einem Ort ohne Internet ist. Ja sowas gibt es tatsächlich. Daran gedacht, dass ich selbst fast auf den Tag genau vor 20 Jahren nach Vancouver geflogen bin und wie sehr das ein anderes Leben war.

Gelesen, dass Ozzy Osbourne gestorben ist. Wird jetzt manche überraschen, aber Ozzy war tatsächlich ein Teil meiner Jugend. Als Solokünstler, weniger bei Black Sabbath, das war mir zu hart. Aber aufgrund dessen, dass mein Freund in einer Indieband war, habe ich viel Rock gehört. Wer immer aller jetzt einen Nachruf schreibt, zitiert bitte Goodbye to Romance, da finden sich viele passende Zeilen und es ist so ein schöner, trauriger Song. Schnüff.

Am Abend unterm Baum gelegen und mein neues Buch fast ausgelesen.

Jetzt in meinem Haus, in meinem Raum zum Schreiben sitzen und eben schreiben. Aus dem Fenster schauen.

Danach werde ich schlafengehen und an jemand denken.


I guess that we’ll meet, we’ll meet in the end

(Ozzy Osbourne)

Ein Bücherkauf

Heute habe ich einen Arbeitstag in der Wohnung eingelegt, wegen Wetter und auch wegen Skripten formatieren, das geht am PC mit dem großen Bildschirm besser.

Ich war aber auch kurz bei Bücher am Spitz (unbezahlte Werbung). Dort gehe ich sehr gern hin, weil es so gemütlich ist, weil es dort liebe Hunde gibt, die freundlich herumtrotten und weil die Buchhändlerin mir mal einen super Buchempfehlung gegeben hat, aufgrund der beiden Bücher, die ich damals gekauft hatte. Und das empfohlene Werk war besser als die, die ich mir selbst ausgesucht hatte harhar. Heute kam ein Kunde und hat ein “Buch-Abo” bestellt, das bietet sie persönlich an. Man gibt an, welches Genre ungefähr und dann bekommt man einmal pro Monat ein eigens kuratiertes Buch und wenn man – wie dieser Kunde – zufällig gegenüber der Buchhändlerin wohnt, wird es auch noch persönlich geliefert. Das alles habe ich mitgelauscht, sorry.

Ich selber habe mich, als Germanistin, mit der irrsinnig elaborierten Frage hervorgetan: “Haben Sie schon das neue Buch von Doris Knecht? Ich habe es gestern im Kurier gesehen.”

Das ist nur eine Spur besser als “Es sind Blumen am Cover”, das Äquivalent zu “Was für ein Auto?” – “Es ist blau”. Aber ich habe mir den Titel wirklich nicht gemerkt. Er lautet übrigens: Ja. Nein. Vielleicht.

Der Buchhändler, männlich, hat dann die an diesem Morgen gelieferte Kiste ausgepackt und sie zu mir: “Lassen wir ihn noch ein bisschen schwitzen” harhar. Dann meinte sie noch, um die Knecht würden sich alle reißen (ja eh, ich auch) Und es werde wohl in Kürze geliefert werden.

Anyway, ich hab ein anderes, tolles Buch dort gefunden – weil man dort immer auch weniger bekanntes ausstellt und zwar:

Quasi für mich geschrieben, hat auch Blumen am Cover

Und das neue Knecht Buch, mit den Blumen am Cover, kaufe ich dann auch dort.

Too Much, Pilot

Ich habe mir jetzt dann doch noch die Pilotfolge Too Much angeschaut, die neue Serie von Lena Dunham, die mit Girls sehr erfolgreich war. Eine Serie, die komplett an mir vorübergegangen ist. Aber über Too Much habe ich jetzt so viel gelesen, dass die Neugier gesiegt hat.Hier ungefiltert und random meine ersten Eindrücke. Spoiler möglich.

Also Too Much schon mal ein schwieriger Titel, weil er sich für alle möglichen Kalauer der Rezensenten anbietet. Andererseits nimmt man ihnen auch gleich den Wind aus den Segeln. Die Episoden der einzelnen Folgen sind Anspielungen an literarische Werke (zum Beispiel von Jane Austen), was mir schon mal sehr gut gefällt. Die erste heißt “Nonsense and Sensibility”. Es gibt auch cineastische Referenzen. Felix sagt zu Jessica, sie wäre wohl ein Love, Actually-Girl und das ersetzt gleich mal zwei Seiten Charakterisierung, wenn man diesen Film kennt.

Obwohl es also ein paar nette Einfälle und Dialoge in dieser Pilotfolge gibt, hat es bei mir leider gar nicht klick gemacht. Jessica (Megan Stalter), die Protagonistin, aus New York, um die 30 und im TV Business tätig, wurde verlassen und leidet wie ein Hund. Sie bricht bei ihrem Ex und dessen Neuer, einer Influencerin ein, und macht eine wütende Szene. Auch ihre Schwester Nora (Lena Dunham selbst) hat eine Trennung hinter sich und liegt seitdem auf dem Sofa und isst zuviel. Wie auch alle anderen Coping Mechanismen bei Trennungen funktioniert beides nicht, aber hier kommt halt noch eine Menge Selbstzerstörungspotential dazu.

Und wenn wir schon von Essen reden. Was war es nicht 2001 für ein Aufreger, dass Bridget Jones “dick” war und wie viel musste Renee Zellweger nicht zunehmen, für diese Rolle, wo sie die unglaublich dicke Bridget Jones spielen musste. Es war auch unglaublich deppert. Jessica wiegt locker 25 Kilo mehr und ihre Schwester toppt das noch, doch mittlerweile haben wir “Body Positivity” und es ist jedem wurscht. Lakonisch sagt die Mutter mal, wenn Nora so weitermacht, wird sie bald sterben. Das ist mir dann doch etwas zu nonchalent.

Am schlimmsten in der Folge ist aber ein Dialog von Jessica mit Schwester Nora, der Mutter und Großmutter über Männer und Sex. Ich weiß, es soll quirky und skurill sein, aber ich kenne nicht nur keine einzige Familie, in der sich Verwandte miteinander so über Sex unterhalten würden, nein: ich bin auch heilfroh darüber. Natürlich soll hier gezeigt werden, wie offen alle sind, aber tatsächlich halte ich gewisse Grenzen in so einem Gefüge für ausgesprochen vernünftig. Für Zuseher ist es nur peinlich und unangenehm und ich glaube nicht, dass ich besonders prüde bin.

Kleiner Sidestep, zum Beweis: Ich liebe die Serie Fleabag, in der auch sehr viel über Sex geredet wird, sehr unverblümt und dennoch hat das alles so viel mehr Stil, und leider auch um einiges mehr Witz als Too Much.

Vielleicht auch, weil ich Fleabag als Charakter so mochte, weil ich so mit ihr mitfühlen konnte. Jessica wurde also verlassen und fängt in London neu an, ich empfinde aber nichts. Ich begreife die Figur einfach (noch?) nicht. Und ihr neuer Londoner Love Interest Felix (Will Sharpe), der Sänger einer Indieband, macht es auch nicht besser. Außerdem eine für mich riesige Red Flag bei heterosexuellen Männern: Er hat lackierte Fingernägel. Harhar.

Also so viel mal zur Pilotfolge.

Ma

Heute in der Früh bin ich in den Garten gefahren und habe den Podcast von Michel Friedman (zu dem ich ein zwiespältiges Verhältnis habe), Friedman im Gespräch gehört. Nämlich die Folge, wo er Lars Eidinger zu Gast hatte. Eidinger mag ich als Schauspieler sehr und er sagt auch interessante Dinge, die immer ein bisschen subversiv sind. Ich muss aber zugeben, dass Friedman auch halbwegs ok war, harhar.

Es ging viel um Sprache. Gemerkt habe ich mir spontan, dass Eidinger meinte, durch das Gesagte wird Wirklichkeit geschaffen, zum Beispiel in der Politik. Da ist es gar nicht mehr wichtig, ob es sich dabei um eine Lüge handelt. Das war schon bei Shakespears Richard III so.

In Japan, erklärte Eidinger dann, gibt es ein Wort für die Stille, für die Pause, für das “dazwischen” im Gespräch. Und das wird dort “Ma” genannt. In Japan wird ein Mensch höher geschätzt, der zuhören kann als jemand, der gut reden kann. Ich glaube, mich daran erinnern zu können, so etwas auch mal über Architektur, über freie Räume zwischen Gebäuden gelesen zu haben, und wie wichtig die sind, nicht nur als Leerstelle, sondern um eben zum Beispiel Häuser so richtig zur Geltung zu bringen.

Gasthund beim Sonnenbad

Themenwechsel, aber doch nicht so ganz. Angenehm warm war es heute im Garten. Und wieder habe ich das gespürt, was ich auch gestern schon gespürt habe, als ich während des Sommerregens auf den Balkon gegangen bin, nämlich dass mich bestimmte Wetterlagen und die dabei entstehenden Gerüche der Luft, die Art, wie der Wind geht, oder wie die Sonne meine Haut wärmt, immer wieder so sehr an jemanden erinnern, oder vielmehr, dass ich ihm bei der Begegnung mit diesen Phänomen auch ihm immer wieder begegne, so quasi metaphysisch. Ich tue mir schwer, es zu beschreiben, ich möchte es so gerne in Worte fassen, aber ich kann es noch nicht.

Vielleicht ist es auch so eine Art “Ma”, ein “dazwischen”, eine Stille, ein freier Raum, der auf etwas, jemanden, hinweist.

Frühstück Yppster

News aus der Rubrik Frühstück, heute das Yppster.

Dank der Verkehrsplanung der Stadt Wien frühstücke ich derzeit bevorzugt entlang der U6 harhar. Heute war ich mit P. im Yppster beim Yppenplatz, wie immer unbezahlte Werbung. Wie der Name und die direkte Umgebung zum Brunnenmarkt schon suggeriert, handelt es sich um eine Art gentrifiziertes Cafe und so sieht es von außen aus:

Wär an sich cool zum Draußensitzen, aber im heißesten Juli seit Menschengedanken wars immer noch zu frisch dafür

Ich kenne die Gegend praktisch gar nicht. Da musste ich auch an jemand denken, der immer sagte, du bist ja aus Wien, natürlich kennst du das nicht. Ich bin in einem Wien ohne Brunnenmarkt aufgewachsen harhar. Wir hatten den Viktor Adler Markt bitte.

P. hat sich für das Yppster Frühstück entschieden, was Biorührei mit Schafskäse und eine Menge Gemüse ist, ich habe die porchierten Eier cremig gewählt, was porchiertes Ei auch mit viel Gemüse ist, dazu gab es Pitabrot und so sah es aus, nämlich sehr chic:

Ein sehr gesundes Frühstück

Zu besprechen gab es neben der Matura ihres Sohnes (Kindergartenfreund vom Kind) auch brandaktuell die Begebenheit beim Coldplay Konzert und die hunderten Memes, die seitdem entstanden sind. Auf X schrieb jemand, Coldplay hätte es geschafft das Internet zu vereinen. Zwar in Schadenfreude, aber ok.

Hipper Innenraum vom Yppster

Gegenseitig upgedatet, haben wir dann das Lokal Richtung vielleicht doch mal wieder Sommerwochenende verlassen.

E-Bow the Letter

Apropos Patti Smith, auch wenns konstruiert klingt: ich habe in den letzten Tagen und Wochen immer wieder einen Song gehört, der gleichzeitig eh der einzige Song ist, den ich von ihr kenne, nämlich E-Bow the Letter. Eigentlich ist es ein REM Song, Smith singt hier die Backing Vocals und wurde von der Band als große Einflussgröße genannt.

Der Song war die erste Single aus dem REM Album New Adventures in Hi-Fi aus dem Jahr 1996 und als solche völlig ungeeignet. Weil sie ist ur lang, über fünf Minuten, sperrig und er hat halt auf keiner Ebene das Zeug zum Ohrwurm, was ja die erste Single schon immer haben sollte, wenn man nach den Pop-Markt-Gesetzmäßigkeiten geht. Das Video ist ebenfalls sehr Arthouse (verwackelt, unscharf, etc) und es geht viel ums (Weg)Fahren und unterwegs sein.

Ich mag E-Bow the Letter aber immer schon sehr gerne, weil der Song etwas tut, was ich total schätze. Und zwar, komplett unmusikwissenschaflich erklärt: Die Musik macht das eine, der Sänger (hier Michael Stipe) singt irgendwie daneben vorbei und in diesem Fall gibt es eben noch Patti Smith, die auch wiederum ihr eigenes Ding macht. Es ist niemals ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten, sondern ein parallel geführter Alleingang, jeder könnte gefühlt auf einem anderen Planeten sitzen, wenn man so will, es ist aber trotzdem stimmig.

Ich hab jetzt recherchiert und Stipe hat den Song für den verstorbenen Schauspieler River Phoenix geschrieben, mit dem er befreundet war. Es ist ein frei assoziierender Brief und der “E-Bow” ist, habe ich auch erst jetzt herausgefunden, ein Zusatzgerät bei einer E-Gitarre, das die Saite in elektromagnetische Schwingungen versetzt und damit einen lang anhaltender Ton erzeugt. Also quasi ein Brief, der schwingt, vielleicht?

Der Text ist irrsinnig schwer zu dechiffrieren, man könnte sagen, Stipe philisophiert über Sucht und Ruhm und Sinn. Er erschuf hier die extrem strange, aber auch interessante Zeile: “This fame thing, I don’t get it. I wrap my hand in plastic to try to look through it” Diese Zeile spürt man eher, als man sie versteht. Er singt auch, sehr berührend: “I wear my own crown of sadness and sorrow” und er stellt fest: “Aluminum tastes like fear.” Alles irgendwie eigenartig, aber wirklich schön.

Der Wiener Kreis

Weil ich in der Nähe war, habe ich mir gleich die Ausstellung Orte des Wiener Kreises in der Wienbibliothek im Rathaus angesehen.

Ich dachte, das wird wieder so eine Mini-Ausstellung wie Karl Kraus vor einem Jahr, tatsächlich ist diese aber doch eine Spur umfangreicher und auch ansprechender gestaltet. Es gibt einen eigenen “Ausstellungsgang”, aka Kabinett, den man selbstständig abgehen kann, auch mit audiovisueller Unterstützung. Insofern empfehlenswert, wenn man in der Gegend ist und ein bisschen Zeit mitbringt.

Überraschend war für mich, hier auch die Musikerin Patti Smith zu sehen, die auf der Philosphenstiege der Hauptuni, wo Moritz Schlick, der Gründer des Wiener Kreises, 1936 erschossen wurde, eine Meditation ihm zu Ehren abgehalten. Eine Verbindung der beiden ist irgendwie skurill, die Google KI weiß gar nichts davon harhar, aber Smith hat tatsächlich sogar einen Kurzfilm über diese “Begegnung” mit Schlick gedreht.

Bei der Ausstellung werden, Nomen est Omen, die Orte porträtiert, an denen der Wiener Kreis tätig war. Es gibt in der Ausstellung dementsprechend verschiedene Sektionen wie unter anderem die Universität selbst, die Boltzmanngasse 6, wo das Mathematikinstut beheimatet war, das Kaffeehaus an sich (siehe auch Kaffeehausliteraten), die Privatwohnungen, das Palais Epstein und das Volksheim in Ottakring – alles Orte, an denen sich die Wissenschafter regelmäßig getroffen und ihre Gedanken ausgetauscht haben. Der Wiener Kreis wurde übrigens so genannt, um positive Assoziationen zum Beispiel zum “Wiener Walzer” zu evozieren.

Nebenbei wird auf vielen Schautafeln erklärt, worum es dem Wiener Kreis eigentlich ging, was aber schon eine recht komplexe Materie ist. Grundsätzlich verband die Teilnehmer “(…) der Versuch einer Verwissenschaftlichung der Philosophie mit den Mitteln der modernen Logik und das Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung” (siehe wikipedia)

Viele, nicht alle, Protagonisten des Wiener Kreises wollten auch das Wissen quasi demokratisieren und unterstützen das Entstehen von Volksbildungsstätten und die Entwicklung von Volkshochschulen.

Der harte Kern des Wiener Kreises umfasste 19 Personen, interessant dabei war, dass auch Studenten und verhältnismäßige viele Frauen Teilnehmerinnen bei den Treffen waren.

Die Ausstellung wird sehr lebendig durch die Tagebuchaufzeichnungen einiger Teilnehmer wie Rudolf Carnap und Kurt Gödel, die über die Zusammenkünfte berichteten. Carnap notierte zum Beispiel: “Wittgenstein scharf gegen Popularisierung der Wissenschaft. Waismann dafür aufgrund seiner Volksheimerfahrung. Nachher beide gegen Okkultismus, Wittgenstein sehr heftig ” Und Gödel philosophierte: “Je mehr ich über Sprache nachdenke, desto mehr wundert es mich, dass die Menschen sich je verstehen”

Eine gewisse menschliche Note erhält das Ganze auch durch ein Zitat von Karl Popper, der dem Wiener Kreis nicht angehörte, allerdings, wie er sagte, nicht aus Ablehnung, sondern: “Tatsache ist einfach, daß Schlick mich nicht eingeladen hat, an dem Seminar teilzunehmen. Das war nämlich die Form, in der man Mitglied des Wiener Kreises wurde.” Irgendwie interessant, dass es in allen Gesellschaftschichten und quer durch die Bildungsniveaus Ressentiments und auch ein gewisses “Gatekeeping” gibt.

Letztendlich wurde der Wiener Kreis durch das Emporkommen der NSDAP und der Emigration vieler Proponenten langsam ausgehöhlt. Das Ende fand die Gruppe, wie gesagt, in der Ermordung von Moritz Schlick.

Funny Games

Ich habe bisher noch keinen Michael Haneke Film gesehen. Ich weiß, es ist arg, sich als Cineastin zu bezeichnen und Haneke zu boykottieren, weil man auf gewisse Weise Angst vor seinem Werk hat. Gestern habe ich es aber doch, mit viel Unwohlsein, endlich gewagt, weil im Arthouse Kanal gerade Funny Games läuft.

Funny Games erzählt die Geschichte einer gutsituierten österreichischen Familie, bestehend aus Mutter Anna (Susanne Lothar), Vater Georg (Ulrich Mühe) und dem Sohn Georg junior, genannt Schorschi (Stefan Clapczynski). Sie fahren mit dem Hund in ihr Landhaus, um ein paar unbeschwerte Sommertage zu verbringen, Golf zu spielen, und Ausfahrten mit dem Boot auf dem nahegelegenen See zu unternehmen. Die befreundeten Nachbarn, die sie beim Ankommen treffen, haben offensichtlich Besuch von zwei jungen Männern Peter und Paul. Peter (Frank Giering) kommt schon kurze Zeit später bei der Familie vorbei, um sich im Auftrag der Nachbarn Eier zu borgen, doch dabei handelt es sich nur um einen Vorwand, tatsächlich hat er ein ganz anderes Ansinnen…

ACHTUNG MASSIVE SPOILER

Nachdem ich jetzt also endlich diesen Film gesehen habe, habe ich eigentlich nur eine dringende, aber, wie ich finde, sehr sachliche und wohlreflektierte Verständnisfrage: Was soll dieser kranke Scheiß? Harhar.

Gut, der Fairness halber möchte ich sagen, dass man diese Frage auch Clockwork Orange von Stanley Kubrick stellen könnte. Einem Film, den ich extrem schätze (lieben kann man bei dem Thema kaum sagen), und, der meine unmittelbare Assoziation zu Funny Games war, weil es da wie dort um extrem gewalttätige Home-Invasions geht. Aber als ich Clockwork Orange zum ersten Mal gesehen habe, war ich erheblich jünger, habe, glaub ich, noch mehr ausgehalten und war von Beethoven abgelenkt (bei Haneke ist es Händel). Kubrick hat zwar einen ähnlichen Ansatz, macht aber aus der Problematik skrupellose, wahnsinnige, weiß gekleidete (!) junge Männer, die Gewaltorgien veranstalten, dann doch etwas völlig anderes. Clockwork Orange ist artifiziell überhöht und für mich auch irrsinnig ästhetisch. Der Film wirbelt die Frage nach Schuld und Sühne so komplett durcheinander, dass man am Ende erstmal nicht weiß, wo oben und unten ist.

Das ist bei Haneke anders. Funny Games ist sehr naturalistisch, extrem langsam erzählt, und Fragen werden innerhalb dieses Settings im Prinzip nicht gestellt. Die Fragen gehen nach außen. Man kann Funny Games als Versuchsanordnung sehen, im Sinne von: Ist es nicht das, was wir als Zuseher im Kino sehen wollen, ungeschminkte Brutalität und Gewalt? Sollten wir, wären wir bei Verstand nicht aufspringen, unseren Unmut äußern und diesen Film schon im Ansatz boykottieren? Macht es uns nicht zu Komplizen der Täter, wenn wir einfach gar nichts tun, außer weiter zuzusehen? Auf dieser Ebene funktioniert Funny Games tatsächlich zumindest als Experiment ganz gut. Andererseits könnte man aber auch sagen, Haneke spielt sich als moralische Instanz auf, sein Film macht aber dann formal auch nichts anderes als das von ihm kritisierte.

Tatsächlich haben mir bei Funny Games die, eher seltenen, subtilen Elemente am besten gefallen. Gleich ganz zu Beginn etwa, als die Familie in ihrem Domizil ankommt und über den Zaun hinweg mit den Nachbarn redet. Die Nachbarn verhalten sich körpersprachlich und in ihrer Art zu sprechen so eigenartig, dass das auch für den Zuseher ganz merkwürdig erscheint. Anna und Georg artikulieren diese Beobachtung und suchen die Schuld gleich mal bei sich. Sind die Nachbarn sauer, haben sie selbst vielleicht etwas falsch gemacht? Tatsächlich, und das merkt man dann im weiteren Verlauf des Filmes, haben Peter und Paul einfach zu diesem Zeitpunkt die Nachbarn schon in ihrer Gewalt, tun das, was sie bald darauf mit Anna, Georg und Georg Junior machen werden, nämlich kranke “Spiele” spielen. Die Vorstellung finde ich jedenfalls extrem unangenehm, dass niemanden geholfen werden kann, obwohl die anderen ja noch “frei” waren. Und: Während Peter irgendwie ein Komplexler ist, der gefühlsmäßig in diese “Sache” irgendwie hineinstolpert, ist Paul (Arno Frisch) das personifizierte Böse und das macht er sehr gut.

Haneke hat zehn Jahre später eine US Version dieses Filmes gedreht, die offenbar Szene für Szene komplett gleich aufgebaut ist, nur eben mit amerikanischen Schauspielern, warum weiß ich nicht.

Zum Abschluss eine Überlegung, die ein letterboxd User angestellt hat, und sie ist nicht ganz unberechtigt: “Has Michael Haneke ever experienced a positive emotion in his life?” Harhar.

Privileg

Letztens saß ich eine Stunde auf einer Parkbank am Rennweg, weil ich warten musste. Und ich ließ alle Gefühle und Assoziationen zu diesem Ort, vielmehr dieser Gegend geschehen.

Daran musste ich auch denken. Aber es war nicht dunkel. Es war ganz hell.