almis personal blog

Trilogie des Landlebens

Gestern habe ich den ersten Film im Rahmen des Nuovo Cinema Italia Festivals im Votivkino gesehen

Und zwar Lazzaro Felice (Glücklich wie Lazzaro) aus dem Jahr 2018 von Alice Rohrwacher. Es ist der zweite Teil ihrer Trilogie über das rurale Italien. Der erste Teil, Le Meraviglie, aus 2014 sehe ich nächste Woche, den dritten Teil La Chimera (2023), habe ich vor einigen Monaten angeschaut und ihn wirklich hervorragend gefunden.

Alle ihre Filme besetzt Rohrwacher teils mit Laiendarstellern, teils auch mit immer wieder denselben Schauspielern und Schauspielerinnen – bestes Beispiel Rohrwachers Schwester Alba, die auch überregional bekannt ist.

Die sehr schönen Stiegen ins Votivkino hinunter

Man denkt sich ja ok, das ländliche Italien der 1980er Jahre, Landarbeiter in verfallenen Häusern, Schmutz, Armut, auch Ungerechtigkeit und Brutaliät, klingt jetzt nicht extrem sexy. Italien sieht hier auch fast nie wie das Italien aus, das wir alle kennen und lieben, keine Spur von Strand, Dolce Vita und Urlaub, ganz im Gegenteil. Die Menschen sprechen eine grobe Sprache, die überhaupt nicht so lieblich ist, wie wir es gewöhnt sind. Will ich mir sowas wirklich im Kino ansehen, ist das nicht eher ein Stoff für eine kritische Dokumentation?

Aber Rohrwacher macht etwas anderes aus der jeweils tristen Ausgangssituation. Sie setzt der harten Realität einen merkwürdigen Zauber entgegen, sie verwendet mehr oder weniger märchenhafte Elemente und erfüllt alles mit zarter Poesie. Sie spielt mit verschiedenen Zeitebenen, lässt sich von Mythen inspirieren und erschafft beeindruckende, zugleich tröstliche Bilder. Und sie regt unsere Phantasie an. Es ist alles traurig und wunderschön gleichzeitig. Das ist eine besondere Gabe, sie ist eine herausragende Regisseurin. Ich habe einmal gelesen, sie sei “the future of cinema”. Und ja, das kann ich mir gut vorstellen.

Soviel einmal vorab, bevor ich mehr über Lazzaro Felice erzähle.

Über Mahmood

Nachdem jetzt der italienische Sänger Mahmood mit Sarah Jessica Parker Werbung für Zalando (unbezahlte Werbung harhar) macht – eine relativ überraschende Paarung – habe ich endlich einen Vorwand, über ihn zu schreiben, was ich schon lange machen wollte.

Mahmood ist 2019 am außer-italienischen Radar aufgetaucht. Er hat 2019 San Remo mit dem Song Soldi gewonnen und ist dann zum ESC gefahren. Das hat dem Politiker Matteo Salvini nicht so gut gefallen, was wieder eine Kontroverse ausgelöst hat etcetera. Bei den ESC Songchecks meinte Constantin Zöller damals über Mahmood: “Ich finde er hat so eine seltsame Aura. Absolut nicht sympathisch.” Harhar, das ist wirklich eine zutreffende Beschreibung. Und über Soldi sagte er: “Das ist so abwechslunsgreich und anders, und dann noch auf Italienisch. (…) Wenn es nach mir geht, gewinnt er.” Gewonnen hat schließlich Arcade von Duncan Lawrence, weil alle mitgelitten haben, bei dessen Song über eine tragische Liebesgeschichte. Der musikalisch interessantere Song war aber Soldi, ein Lied über den Vater (ein Kernthema des ESC), der den Sohn verlassen hat und ihn, als er erwachsen ist, nach Geld (Soldi!) fragt. Unsterbliche Zeile: “Beve champagne sotto Ramadan” – “Er trinkt Champagner im Ramadan.” Mahmood wurde Zweiter.

2022 trat Mahmood mit dem Jungstar Blanco wieder bei San Remo an und gewann erneut. Diesmal sangen die beiden über eine tragische Liebesgeschichte. Der Song hieß Brividi (Schaudern), polarisierte aber stark, weil beide teilweise sehr hoch sangen und das nicht unbedingt die Komfortzone von Mahmood ist. Man fragte sich immer: Schafft er den nächsten hohen Ton auch noch? Ich persönlich fand das aber total stimmig, weil es geht in dem Lied ja auch ums Scheitern: “E ti vorrei amare, ma sbaglio sempre” – Ich will dich lieben, aber ich scheitere immer.” Und das hat sich nach dem Prinzip “form follows function” eben auch in der Darbietung widergespiegelt und für mich funktioniert. Live war der San Remo Auftritt aber deutlich besser als der beim ESC. Die beiden erreichten den sechsten Platz.

Zwei Jahre später, nämlich 2024, trat Mahmood nochmal bei San Remo an, mit dem Song Tuta Gold (Goldener Jogginganzug, das ist mal ein Songtitel). Viele meinten, das wäre sein bester Song bis dato, ich neige durchaus dazu, dem zuzustimmen, aber er gewann San Remo diesmal trotzdem nicht, obwohl es ein super ESC Lied gewesen wäre. Aber Italien hat eh nie Mangel an guten Beiträgen.

Mahmood im Tuta Gold Video

Das Interessante an Tuta Gold ist unter anderem das Video. Denn Mahmood hat einen arabischen Vater und ist homosexuell. In dem Video inszeniert er sich aber als, naja sagen wir Mann der Straße, mit seinen Kumpels, er trägt naja, sagen wir Streetwear und Goldzähne und irgendwie flirtet ein bisschen mit dem Klischee des toxischen Talahons – so ich habs geschrieben; was natürlich durch seinen Background alles doppelt bricht. In dem Video kommen außerdem leicht brutalistische Plattenbauten und aber auch Kühe vor, die dort grasen. Ich weiß nicht warum sie das tun, aber ich finde es interessant.

Wir werden sicher noch einiges von Mahmood hören.

Armand

Nach dem Ausflug ins Topkino, zurück im vertrauten Votiv, wo die WCs nicht so angeschmiert mit Parolen sind und generell alles ein bisschen gemütlicher, wo ich meinen Holundersaft trinke, ach herrlich. Wie so eine Rentnerin, wie die Jugendlichen sagen harhar. Ich habe mir Armand angesehen, schon wieder einen norwegischen Film mit Renate Reinsve, der “Worst Person in the World” – aus dem gleichnamigen Film. Worum geht es hier?

Die Schauspielerin Elisabeth (Reinsve) wird von der Klassenlehrerin ihres sechsjährigen Sohns Armand überraschend in die Schule beordert. Anwesend sind auch Sarah und Anders, die Eltern von Jon. Jon hat gegenüber seiner Lehrerin schwerwiegende Anschuldigungen gegen Armand geäußert, die in diesem Gespräch aufgearbeitet werden sollen. Zu einem späteren Zeitpunkt stoßen auch noch der Direktor und die Administratorin der Schule dazu…

HIER GIBTS NICHT MAL ORDENTLICHE SPOILER HARHAR

Wer sich nun im ersten Moment denkt, das wäre so etwas wie Das Lehrerzimmer (steht absurderweise auch auf dem Plakat) oder gar wie Carnage, wo das Ehepaar Kate Winslet und Christoph Waltz ein streckenweise sehr amüsantes eineinhalbstündiges Eskalations-Streitgespräch mit Jodie Foster und John C. Reilly führen – nein, Armand hat damit, außer der Tatsache, dass es um Kinder geht und deren Eltern, gar nichts zu tun.

Alles an diesem Film ist höchst eigenartig. Dauernd geht der Feueralarm der Schule los, die Administratorin hat laufend Nasenbluten, was die Lehrerin ganz nonchalant zur Bemerkung veranlasst, das wäre oft ein Zeichen für Leukämie, ähhh? Alle beklagen sich, wie heiß es ist, niemand ist aber dementsprechend angezogen. Irgendwann hat Elisabeth einen fünfminütigen Lachanfall und ich spreche hier von Echtzeit. Ich meine, ich bewundere die schauspielerische Leistung, aber: What the f***? Denn: Alle diese Skurrilitäten (und ich mag Skurilles), all den Surrealismus (auch das mag ich), den der Film hier auffährt führt letztendlich nirgendwohin. Während Armand formal, wenn man so will, alle Stückerl zu spielen versucht, und auch ein bisschen elevated Horror Elemente hat, ohne ein Horrorfilm zu sein, ist inhaltlich so gut wie gar nichts dahinter.

Ja, irgendwie geht es darum, was Kinder so erzählen und wie viel davon man glauben kann. Es geht auch darum, was dahintersteckt, wenn Kinder auffällig werden, welchen Einfluss das familäre Umfeld auf die Verhaltensweisen von Kindern haben kann. Alles gut und schön, prinzipiell auch total interessant, aber kein Thema wird wirklich bearbeitet. Stattdessen haben wir Ausdruckstanz, flackerndes Licht, dunkle Schulgänge, Pseudo-Symbolismus, alles ist irrsinnig zäh und ermüdend, gibt aber vor quirky zu sein. Der Grat zwischen dem, was noch avantgardistisch ist und was schon prätentiös, ist immer recht schmal, hier kippt aber für mich alles in Richtung zweiterem. Das Ende ist dafür wie ein deutscher TV-Movie geraten.

Der Regisseur und Autor des Films, Halfdan Ullmann Tøndel ist übrigens der Enkel von Liv Ullmann und Ingmar Bergmann, auf deren Erbe er sich hier irgendwie beruft. Aber naja. Auf Letterboxd habe ich folgende Aussage gefunden: “One thing is not knowing where the story is going as an audience member, another ist not know as a writer.” Harhar ja das stimmt leider, es kommt einem zumindest so vor.

Jetzt ist erstmal Schluss mit den norwegischen Filmen, denn im Votivkino gibt es Nuovo Cinema Italia!

Treffen der Generationen

Am Wochenende waren das Kind und ich mit der Oma in der Pizzera Al Capriccio, gleich bei uns im Wildgarten (unbezahlte Werbung) Mittagessen. Das Lokal wird von Italienern geführt und es schmeckt nicht nur extrem gut, es wird auch total stilvoll serviert. Ich bin immer sehr froh, dass das Kind auch so gerne isst und essen geht wie ich, harhar.

Spagetthi Carbonara und Lasagne mit fancy Garnierung und Strohhalmen

Das ganze Ambiente ist so mediteran-sommerlich, das Lokal ist echt eine Bereicherung in der Gegend und am Ende gibts dann noch Grappa oder Limoncello nach Wahl aufs Haus, zumindest für Stammgäste.

Beim Essen wurde philosophiert, die Oma erzählte etwas über eine Bekannte und formulierte den poetischen Satz: “Die hat gar keine Zeit für ihr Leben”. Später fragte das Kind die Oma übers Alter aus und sie meinte: “Alt sein ist eh gut, man kann halt nicht mehr so und muss wissen, wann es genug ist. Diesen Punkt ignoriere ich meistens.” Harhar. Ich so: “Words of wisdom.”

Der nette Gastgarten der Pizzeria

Im Garten haben wir dann versucht, das neue Magenta TV, was sich wundersamer Weise irgendwie verstellt hat, wieder zum Laufen zu bringen. Ein 17-jähriger, eine 49- und eine 78-Jährige, und etwas passiv aggressive Vibes von weiblicher Seite, also jeder Comedy-Autor hätte seine Freude gehabt, bei der Schreierei und dem Chaos, irgendwann haben wir nur noch gelacht. Letztlich hat es aber, durch viel unkontrolliertes Drücken auf der Fernbedienung meinerseits, wieder funktioniert.

Außerdem sind die Kirschen reif, wir haben gemeinsam gepflückt. Sie sind jetzt in dem Stadium, das direkt vor dem Stadium kommt, wo, wenn du unterm Baum liegst, diverse Würme auf dich herunter fallen. Auch jetzt schon sollte man vor dem Verzehr, auf keinen Fall in die Kirsche hineinschauen, harhar, ja es ist einfach so, vertraut mir.

Schön sind sie schon

Das Treffen der Generationen klang dann harmonisch-sommerlich und mit einem Besuch im Pool aus.

Die Ausläufer der Ungargasse

Tatsächlich habe ich auch so meine Erfahrungen mit der Ungargasse.

Ich habe einige Jahre lang dort gearbeitet. Ich war auch ab und zu am italienischen Konsulat, das gleich daneben war und was technisch gesehen ja ein Niemandsland ist. Ich habe versucht, mich auf Italienisch zu verständigen, man will auf einem Konsulat ja nichts falsch machen. Nach dem Kindergarten sind das Kind und ich einmal bei einer O-Wagen Haltestelle in gerade dieser Gasse gestanden und das Kind hat mir vorgelesen, was auf einem Bus vorne draufsteht. Das sind so die Momente, wo viele Eltern glauben, ihr Kind ist hochbegabt, harhar. Das dachte ich nicht, er war ja schon im letzten Kindergartenjahr, aber überrascht war ich schon auch, weil ich hatte ihm die Buchstaben nicht beigebracht.

Ich habe den dritten Bezirk immer sehr gern gehabt. Zu manchen Gegenden spürt man ja kaum eine Verbindung, manchmal sogar eine gewisse Abneigung, zu anderen fühlt man sich hingezogen, auch wenn man es sich gar nicht so richtig erklären kann. Auf der Landstraßer Hauptstraße war ich öfter mal im Eos Kino, die alten Sitzgelegenheiten dort taten der Rezeption von Der Pianist besonders gut, so einen Film sollte man nicht in einem gemütlichen Polstermöbel sehen. Das Kino gibt es leider schon lange nicht mehr. Gegenüber war damals meine Psychotherapeutin, ich hab sie mir vor allem wegen der Adresse ausgesucht. In deren Nebenhaus ist das heute halb verfallende Palais Mautner-Jäger.

Etwas weiter Richtung Wien Mitte steht das Palais Rasumofsky, von dem mir jemand erzählt hat, dass es diesen großen Portikus hat, weil früher Gärten davor waren, wo heute einfach Gassen sind. Deshalb wirkt dieser so leicht überdimensioniert. Ich hoffe, ich habe mir das richtig gemerkt. Das sind so Gespräche, an die ich viel denke, ich möchte mich an jedes kleine Detail erinnern.

Überhaupt wurde mir durch diesen einen Menschen der Bezirk nochmal ganz neu und anders geschenkt, als Ort der Aufregung, der Magie und Liebe. Mit einer Wohnung, in der es keine Rolle spielte, welcher Tag gerade war, und welche Jahreszeit, ob es draußen hell oder dunkel war, es regnete, stürmte oder schneite. Es waren Stunden, wo ganz andere Dinge wichtig waren, mit den vertrautesten Gesprächen, ganz geborgen. Das wird mich immer mit diesem Bezirk verbinden.

Bozen und die Ungargasse

In meinem Buch Geboren in Bozen (Werbung in eigener Sache) habe ich mir damit schwergetan, die Stadt Bozen zu beschreiben. Nachdem ich jetzt wieder mal reingeschaut habe, war ich generell sehr überrascht, wie anders mein Stil damals war, wie kurz ich mich gefasst habe, es war tatsächlich ein eher knappes Protokoll. Damals hab ich noch nicht soviel gebloggt, harhar. Ich glaube, da habe ich mich doch sehr weiterentwickelt.

Es gibt ein paar Verweise, zum Beispiel auf die Pizzaschnitten dort, das Licht auf den Straßen wie auf einer typisch italienischen Piazza und auf den Sprachduktus. Ich habe festgestellt, dass man bei den Südtiroler Ärzten und Pflegern oft nicht wusste, ob sie deutsch oder italienisch “native” sind, auch die Nachnamen waren oft nicht hilfreich; sie sprachen manchmal beide Sprachen so, als wären es Fremdsprachen für sie, das fand ich total interessant.

Ich habe von den angelehnten Fahrrädern am Bahnhof geschrieben, die alle vor dem Schild standen auf dem darauf hingewiesen wurde, dass man hier keine Fahrräder anlehnen dürfe. Ich habe das Merkantilmuseum in der Silbergasse kurz geschildert, das Ortsschild der Stadt, das direkt in einem Weinberg steht, den Bahnsteig, wo ich fast lautlos geweint habe, mit nur kleinen Geräuschen, wie ein Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt. Ich habe geschrieben, dass Bozen für meine Zimmerkollegin anders fremd war als für mich, sie kannte die Stadt und hatte festgestellt, dass sie fremd ist, für mich war sie fremd im Sinne von “unbekannt”.

Und ja, in der Nacht nach der Geburt des Kindes habe ich über Bozen geschrieben: “Ich löschte das Licht und draußen war Bozen. Mild und ruhig und dunkel lag es vor meinem Fenster, als läge es auf der Lauer. Als würde es mich bewachen.”

In meinem neuen Text wird Wien natürlich auch eine gewisse Rolle spielen. Ich habe in den letzten Tagen Malina von Ingeborg Bachmann gelesen, wegen der Inspiration, wegen ihres “Ungargassenlandes” und oh mein Gott wie experimentell und unzugänglich ist dieser Roman phasenweise, ich bin froh, dass ich den auf der Uni nie analysieren musste.

Nicht unzugänglich aber ist der Einstieg, eben das Ungargassenland, über das Bachmann – sogar ein bisschen pointiert – schreibt:

Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien, aber die kommen in anderen Bezirken vor, und es geht ihnen wie den zu schönen Frauen, die man sofort ansieht mit dem schuldigen Tribut, ohne je daran zu denken, sich mit ihnen einzulassen. Noch nie hat jemand behauptet, die Ungargasse sei schön, oder die Kreuzung Invalidenstraße-Ungargasse habe ihn bezaubert oder sprachlos gemacht. So will ich nicht erst anfangen, über meine Gasse, unsere Gasse unhaltbare Behauptungen aufzustellen, ich sollte vielmehr in mir nach meiner Verklammerung mit der Ungargasse suchen (…)

Ingeborg Bachmann: Malina, Seite 16.

Ja, so macht man das.

Oslo Stories: Liebe

Gestern habe ich nun den dritten Film der Oslo Stories gesehen, er heißt Liebe.

Im Mittelpunkt steht die pragmatische Ärztin Marianne (Andrea Bræin Hovig), in ihren 40ern, Single und kinderlos, die von ihrem Arbeitskollegen, dem sensiblen homosexuellen Krankenpfleger Tor (Tayo Cittadella Jacobsen), in die Welt des Datings – oder eher des “Cruisings” – was er am liebsten auf einer Fähre von Nessoden, einer vorgelagerten Insel, nach Oslo praktiziert, eingeweiht wird. Marianne ist hochinteressiert, denn auch sie hat ein Thema mit “konventionellen” Beziehungen…

ACHTUNG SPOILER MÖGLICH

Bei der Recherche zu diesem Post, habe ich gerade festgestellt, dass Liebe zwar als erster Film angelaufen ist, tatsächlich aber der dritte Teil der Trilogie – nach Sehnsucht und Träume – ist. Und ich würde die Filme auch in dieser, ihrer ursprünglichen, Reihenfolge empfehlen wollen. Für mich ist Liebe der Teil, den ich tatsächlich am wenigsten stimmig finde. Das ist natürlich Jammern auf höherem Niveau, denn auch Liebe ist sehenswert, allerdings mangelt es ihm, meines Erachtens an Humor, der in den beiden anderen Teilen sehr präsent war und den ich gerade auch in Beziehungsfilmen sehr entlastend finde, und er ist mir auch thematisch zu unfokussiert.

Denn der eigentliche Sachverhalt, welche Beziehungsformen gibt es zwischen unverbindlichen sexuellen Begegnungen mit einer mehr oder weniger fremden Person und einer konventionellen, dauerhaften Paarverbindung, die Menschen “gewöhnlich” eingehen, wird mit dem irrsinnig schweren und komplexen Thema der Prostatakrebserkrankung (und ihren Folgen) verbunden; was ich in diesem Zusammenhang fast schon ein wenig moralisierend finde. Denn der unkonventionelle Tor verliebt sich in einen Patienten, und erstmals (?) tritt der körperliche Aspekt des Zusammenseins in den Hintergrund, weil er das zwangsläufig muss. Marianne wiederum trifft einen geschiedenen Mann, der Kinder hat und steht vor der Frage, wie viel Verantwortung sie, die prinzipiell gar lieber keine tragen möchte, zu übernehmen bereit wäre. Dazu kommt noch, anlässlich einer Feier der Stadt Oslo, etwas willkürlich das Thema Stadtverwaltung ins Spiel – Mariannes Freundin ist dort beschäftigt. Also…naja. Da hätte ich persönlich plottechnisch gerne etwas entrümpelt.

Was ich bei Liebe wieder sehr schön fand ist das Vermitteln von Stimmungen. Die Atmosphäre auf der Fähre bei der Überfahrt. Das abendliche Schwimmen vor der Insel Nessoden, obwohl es immer kalt wirkt in Oslo, es ist Sommer und es werden aber durchaus auch Pullover getragen. Eine Szene ist besonders interessant: Ein Datum wird eingeblendet, eine Augustsonntag-Nacht, es ist dunkel, wir sehen das Rathaus Oslo für ungefähr eine halbe Minute. Wir denken, ah es passiert sicher gleich irgendwas, aber: es passiert gar nichts. Schnitt. Neues Datum, neuer Tag. Einen Reim darauf kann man sich selbst machen.

Was alle Oslo Stories abseits der großen Themen, die sie besprechen, eint, ist die Figur des Bjorn, der in jedem Teil vorkommt – was mir ehrlich gesagt nicht aufgefallen wäre. In Sehnsucht ist er aber auch nur sehr kurz von hinten zu sehen. Alles in allem tolles norwegisches Kino, schön, diese Hauptstadt nach The Worst Person in the World wiederzusehen und noch näher kennenzulernen.

Pfingstwochenende

Das Pfingstwochenende begann gefühlt Donnerstagabend, als bei Germany’s Next Topmodell das Driving Bed Shooting (oder so ähnlich) am Programm stand. Hierfür müssten sich die je fünf verbleibenden Frauen und Männer zu einem Paar zusammentun, das sich dort am Bett etwas näher kommt und dabei durch L.A. fährt. Davor sahen sie ein Musikvideo, wo Heidi K. etwas ähnliches mit Pedro Pascal tut. Alle waren so schockiert, es war schon wieder sehr lustig. Und wenn man dann Fotos mit jemand machen muss, den man nicht leiden kann – klappt das nicht wirklich. Manche konnten sich aber leiden, harhar.

Am Freitag war ich mit L. bei Joseph auf der Landstraße frühstücken. Sie haben dort eine neue Karte, wir haben uns aber wie meistens für einen Ei-Muffin entschieden, uns dann aber noch ein Müsli mit Emmer, Einkorn, Joghurt und frischen Früchten geteilt, mhmm, sehr gut.

Freitagsfrühstück bei Josephbrot – halb drinnen, halb draußen sitzend

Danach sind wir noch in die Innenstadt zu NewOne gefahren (unbezahlte Werbung), L. wollte Armbänder kaufen und so kam es, dass ich am Ende – out of the blue – auch ein Freundschaftsarmband bekommen habe, danke <3 Habe eine große Freude damit und werde es wohl nie wieder abnehmen, schon alleine deshalb, weil es mir die Verkäuferin ganz genau angepasst und dann verschlossen hat und ich keine Ahnung habe, wie es wieder aufgeht harhar.

Am Wochenende war das Wetter “quasi quasi”, wie meine italienische Schüleraustauschpartnerin es immer treffend bezeichnet hat. Ich war trotzdem im Garten und habe bei strömendem Regen und nassem Eichhörnchen am Baum daneben geschrieben, Malina gelesen und Podcasts gehört. Am Sonntag lief außerdem eine Doku von Ostfilm, an der ich wieder mitgearbeitet habe und zwar ist das Thema diesmal, recht aktuell auch, Hachschara – Israels Pioniere aus Österreich. Hierfür habe ich viele englische Interviews von Jüdinnen und Juden gehört und transkribiert.

Besonders berührt hat mich ein älterer Mann, der erzählt hat, dass sein Vater damals im zweiten Weltkrieg mit der Jugendbewegung nach Israel gekommen ist, dessen Vater wiederum, also sein Großvater, es aber nicht geschafft hat, er wurde mutmaßlich auf der Reise in einem Lager ermordet. Und dieser Mann hat bis zu seinem Tod darauf gewartet, trotzdem er selbst schon Kinder und Enkelkinder hatte, dass sein eigener Vater doch auch noch irgendwann in Israel ankommt und er ihn wiedersehen kann. Ich finde, das erzählt auch etwas darüber, wie sehr ehrliche Hoffnung jeder Logik und Vernunft trotzen kann. Manchmal braucht man diese Art der Hoffnung auch einfach, um weiterleben zu können.

Blick von der Rahlstiege in Richtung Top Kino und Bar

Zum Abschluss des Wochenendes ging es ins Top Kino, wo ich ewig nicht war und wo ich mich, wie im Schikander, recht deplatziert gefühlt habe. Jedenfalls habe ich endlich Oslo Stories: Liebe gesehen. Und das war tatsächlich für mich der sperrigste Teil der Trilogie. In Kürze dann mehr dazu.

Frühstück bei mir: Andre Heller

Immer wenn es irgendwo eine Sendung, ein Interview mit Andre Heller anzuschauen oder hören gibt, dann verfolge ich das. Weil es für mich persönlich immer irrsinnig bereichernd und inspirierend ist, ihm zuzuhören. So auch letzte Woche in Frühstück bei mir. Heller sagt “Gnädige Frau” zu Claudia Stöckl, siezt sie und fragt sie, wie oft sie traurig ist.

Sie sprechen viel über Hellers Park ANIMA in Marokko. Pro Tag habe dieser etwa 500 Besucher, was auch so die Grenze ist, damit er nicht übervoll wird. Heller meint, die Leute gehen dorthin um sich “auszuzittern”, vielleicht zu weinen und auch wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Es haben ihm schon einige erzählt, dass sie im Park beschlossen haben, sich scheiden zu lassen oder den Beruf zu wechseln. Manche sagten ihm, sie seien beim Hinausgehen mutiger gewesen als ich beim Hineingehen. Heller begreift den Park als Ort der Heilung und eine Absage daran, sich selbst zu belügen.

Sich selbst belügen, das sei auch ihm nicht fremd; in jungen Jahren habe ihm ein Darmverschluss aufgrund seiner zeitweiligen Drogenabhängigkeit fast das Leben gekostet. Er sei er “ein rachitisches Knochenbouquet” gewesen, ohne Kraft, gleichzeitig aber auch größenwahnsinnig. Er beschreibt sich als “frech, gemein und unverschämt” zu sehr vielen Menschen. Er habe dann gemerkt, dass er sich ändern müsse. Überhaupt sei sein ganzes Leben bestimmt vom Lernen und der Weiterentwicklung. Er meint: “Wenn etwas Schreckliches ins Leben kommt, muss man sich fragen – warum kommt das?” Nichts passiere grundlos. Niederlagen gäbe es für ihn aber nicht, nur Erfahrungen.

Besonders interessant habe ich gefunden, was er bereut, das seien vor allem seine Feuertheater in Lissabon und Berlin (1983 & 1984) gewesen. Aufgrund der angespannten budgetären Situation habe man die Show nicht proben können, sondern nur einmal aufführen. In Lissabon sei alles so eskaliert, dass er ein paar Stunden gefürchtet hätte, es wären dabei Menschen ums Leben gekommen. Ein Zuseher, der in Berlin dabei war, habe ihm am Wiener Graben einmal geohrfeigt, weil er so in Panik geraten sei. Dazu Heller: “Ich habe die Ohrfeige total verstanden, habe ihn umarmt und wir haben uns gegenseitig vergeben.”

Launig erzählt er dann noch, dass er ein “Rausgeher” sei, aus Filmen, die ihm nicht gefallen, aus Opern und Theaterstücken. “Warum soll ich da sitzen bleiben? Da ist es doch gescheiter, ich geh im Stadtpark spazieren.” Und wenn jemand seine Programme verlässt? “Dann weiß er hoffentlich warum.” Das habe er aber nur einmal beobachtet: “Vielleicht hat er aber Durchfall gehabt, das kann ja auch sein.” Er persönlich kaufe immer nur Ecksitzplätze und er arbeitet an einem Theater, das nur aus Ecksitzen besteht. Harhar, das wär was für mich. Generell sagt er viele Dinge ab. Er gehe nicht zu Einladungen, wo er weiß, sie werden ihm nicht guttun und er führe auch aus diesem Grund viele Gespräche nicht.

Zeit sei das Kostbarste, findet er. Jeden Abend prüfe er: “Habe ich meine Talente sorgfältig genug genützt? Habe ich mich aufgeplustert, um jemand zu imponieren?” Dann mache er noch eine Stunde etwas sinnvolles und gehe mit einem guten Gefühl schlafen.

Wirklich ein sehr schönes Gespräch.