almis personal blog

Die Affäre der Sunny von B.

Heute etwas Retro-Kino.

Letztens habe ich Die Affäre der Sunny von B. erstmals gesehen, ein Film aus dem Jahr 1990, in dem Jeremy Irons eine Hauptrolle spielt und dafür den Oscar erhalten hat. Der Film beruht auf der wahren Geschichte der Sunny von Bülow (im Film Glenn Close), einer millionenschweren US-amerikanischen Erbin, ihrer (zweiten) Ehe mit Claus von Bülow (Irons) und ihrem, wenn man so will, langen Tod. Sie fiel 1980 ins Koma und starb letztlich 2008, ohne noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Im Film wird Claus beschuldigt, seine Frau mit Insulin vergiftet zu haben, weil die Ehe in einer schweren Krise war. Bei der ersten Insulinüberdosis dauerte das Koma nur einen Tag. Ein Jahr später wiederholte sich das Ereignis, mit den bekannten Folgen. Claus von Bülow wurde erstinstanzlich des Mordes für schuldig befunden und zu 30 Jahren Haft verurteilt. Mit Hilfe des Harvard Professors Alan M. Dershowitz (Ron Silver) rollt er den Fall neu auf und genau davon handelt der Film.

Dieser Film, dessen englischer Originaltitel natürlich wesentlich passender The Reversal of Fortune heißt, läuft zunächst auf ein klassisches Gerichtssaal-Drama Szenario zu. Anwalt Dershowitz versammelt seine begabtesten Studenten um sich, und zwar sprichwörtlich in seinem eigenen Haus, damit sie ihn bei der Recherche und letztlich Entlastung des Angeklagten helfen, jeder bekommt ein eigenes Themenfeld. Und das, obwohl Dershowitz selbst zunächst nicht sicher ist, ob von Bülow schuldig ist oder nicht.

Gleich zu Beginn will eine der Studentinnen, die idealistische Minnie (Felicity Huffman) aussteigen, weil sie sich als eine moralische Instanz begreift – und von Bülow für den Täter hält; folglich kann sie ihn nicht vertreten. Dershowitz hält ihr daraufhin eine äußerst amüsante, flammende Rede, die nicht von Moral handelt, Zitat: “If lawyers only defended innocent clients there would only be twelve defense attorneys and none of you would be able to find a job.” Sie handelt vom Recht auf eine Verteidigung für jeden, denn, so Dershowitz zu Minnie: “You’re sure he is guilty, a hundred percent sure?” Er spricht von Ambivalenzen und er spricht davon, dass von Bülows Stiefkinder den ersten Prozess durch ihre finanziellen Mittel in die Bahn gelenkt haben, die sie wollten. Soll Geld zukünftig über Schuld oder Unschuld entscheiden?

Die Affäre der Sunny von B. ist eine dialoglastige Persönlichkeitsstudie gleich mehrerer Personen, nicht nur Claus, sondern auch Alan und Sunny (die teilweise als nicht-allwissende Erzählerin zum Einsatz kommt und aus dem Koma spricht) Sunny ist bzw. war schwer depressiv, von diversen Drogen abhängig und ohne Sinn im Leben, da hilft das ganze Geld nichts. Claus ist ein schwer zu fassender Charakter, mit seiner manierierten Sprechweise (quasi wie sich ein Deutsch-Däne einen britischen Akzent vorstellt) und seiner stocksteifen Haltung, seinem trockenem Humor, der nicht ankommt, weil Claus zu diabolisch für Ironie wirkt, und seinem Drang danach, endlich wieder arbeiten zu dürfen (ein ewiger Streitpunkt mit Sunny, die ihm das nicht erlauben will). Und schließlich im Gegensatz dazu Alan, der arbeiten “darf”, für den sein Beruf auch alles ist, der das Haus mit Menschen und Arbeit füllt um – wie seine Ex, ebenfalls eine mithelfende Juristin nebenbei feststellt – über nichts anderes nachdenken zu müssen.

Den großen Gerichtshow Moment erleben wir hier ebensowenig wie ein abschließendes Resümee über Claus von Bülow oder der High Society an sich. Ich mag den Film, weil er so unklassisch inszeniert ist, hin und her springt und herrlich skurille Szenen hat, wie die als Claus mit dem ganzen Studentenrudel in einem chinesischen Lokal isst – wie ein kompletter Fremdkörper und doch endlich einmal so etwas wie fröhlich erscheint. Die Mahlzeiten in der Bülow’schen Villa, so sagt Claus etwas später im Film, wären immer sehr ernst und wortkarg verlaufen.

Man hätte diesen Film sehr viel konzentrierter gestalten können, mit einem Nervenkitzel-Showdown, von mir aus der amerikanischen Flagge und Justitia, die Recht gesprochen hat, die Gerechtigkeit, die triumphiert (oder auch nicht, je nach eigener Sichtweise) Jedenfalls mit ganz viel Pathos, aber mir gefällt gerade diese Hemdsärmeligkeit, dieses irgendwie Improvisierte, dieser Hybrid auch aus verschiedenen Genres. Dass man nicht das bekommt, was man erwartet hat, finde ich hier eine sehr reizvolle Symbolik angesichts der erzählten Geschichte.

Gebrauchsanweisung für den Sommer

Das neue Jahr fängt am ersten Jänner ein, ein bisschen aber auch immer am ersten richtig warmen Wochenende.

Weil das Leben einem vorspielt, es würde einfacher werden, es tatsächlich aber schwieriger wird. Weil alles draußen stattfindet, weil man sich nicht mehr verstecken kann. Weil die Ameisen kommen und die Fliegen, die sich in den Vorhängen verheddern. Weil man wieder die Gespräche der Nachbarn mithört, die man fast vergessen hatte. Weil einem das schlimmste Geräusch des Sommers einfällt, die Lautsprecherdurchsagen im Stadion. Das schief gesungene Son of a Preacher Man und Proud Mary. Weil man konzentrierter hätte schreiben sollen, als es dunkel und kalt war, weil sich das Kino jetzt oft falsch anfühlt. Weil. Weil man sich daran erinnert, wie jemand im Frühling gerochen hat, weil die Sonne einen blendet, weil die Füße schmerzen, von den neuen Schuhen.

Weil man jetzt gut gelaunt sein soll, weil man jetzt Antworten haben soll, weil man schon weiter sein soll als man ist, mit allem. Weil. Weil das erste Grillen das beste ist und das erste Bier und das erste Eis. Weil man nicht weiß, was man anziehen soll, weil es immer etwas anderes ist, in der Früh, zu Mittag und am Abend. Weil alles gleich ist, weil alles anders ist. Weil nach dieser ersten Wärme eine noch größere Wärme kommt. Weil man zu viel sagen will, weil man gar nichts sagen will. Weil man Illusionen hat, weil man nicht verreisen möchte, weil man darauf wartet, dass alle in ihre Autos steigen und aus der Stadt hinaus fahren, weil man an die jungen Frauen an den Bushaltestellen denkt, früher, als man ein Kind war, und an den Bub, der immer mit Krücken gegangen ist, weil man da immer weinen wollte, als man ihn gesehen hat. Weil.

ESC – Mein Ranking 24

Nachdem mir Marco Schreuder persönlich gewhatsappt hat, ob ich nicht meine ESC-Wertung für den Merci Cherie Podcast abgeben will, was ich sehr nett fand – hier kann man übrigens mitmachen – habe ich also heute tatsächlich mein diesjähriges ESC-Ranking der besten 10 eingereicht. Dazu noch eine Sprachnachricht, warum ich wem 12 Punkte gegeben habe. Ich schreibe ja lieber, aber naja, zu hören dann in zwei Wochen.

Und weil es sicher alle vor Neugier platzen (harhar), hier meine Wertung im Detail:

12 Punkte – Belgien – Mustii – Before the party is over

10 Punkte – Schweiz – Nemo – The Code

8 Punkte – Ukraine – Alyona Alyona & Jerry Heil – Teresa & Maria

7 Punkte – Litauen – Silvester Belt – Luktelk

6 Punkte – Israel – Eden Golan – Hurricane

5 Punkte – Estland – 5miinust & Puuluup – “(nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) …”

4 Punkte – Kroatien – Baby Lasagna – Rim Tim Tagi Dim

3 Punkte – Griechenland – Marina Satti – Zari

2 Punkte – Niederlande – Joost Klein – Europapa

1 Punkt – Italien – Angelina Mango – La Noia

Ich finde meine Wertung eigentlich sehr divers (harhar), Frauen, Männer, nonbinäre Personen, Nord bis Süd, Ost bis West, Landessprachen und Englisch, Balladen, Rap, Elektro, Pop/Rock, lustig, traurig, alles dabei.

Dass die ukrainischen Teilnehmerinnen gerade über Mutter Teresa und Maria singen (und rappen) ist überraschend, ich bin froh, dass dieses Jahr mal wieder über den Song an sich gesprochen wird. Aber bitte kauft keine Waffen mit der etwaigen Siegerprämie. Wie ich schon geschrieben habe, halte ich The Code für den vielleicht innovativsten Song des Bewerbs und er hat die ewige ESC-Botschaft “sei der, der du bist” – auch wenn einiges Zeitgeist-Posing dabei ist, das hat was. Na und Belgien liebe ich einfach, weil so schön und schmerzvoll gleichzeitig, und Mustii gibt einem Philipp Hochmair-Vibes deluxe.

Verflogen

Da trifft man jemanden, den man lange nicht gesehen hat und zuerst ist es ein bisschen eigenartig und schwierig und man hat Angst, dass der andere gleich wieder wegläuft. Aber dann sitzt man nebeneinander und beginnt zu reden und der andere hält die eigenen Hände fest, und alles ist auf einmal gut, vertraut und geborgen.

Und dann läutet der Wecker, weil es ist ein (früher) Formel 1 Sonntag. Schade.

Aber schön wars trotzdem.

Ripley neu

Vor einigen Tagen hatte eine neue Miniserie auf Netflix Premiere – Ripley, basierend auf dem Patricia Highsmith Roman Der talentierte Mr. Ripley (unbezahlte Werbung)

Sie umfasst acht Teile, jeder Teil dauert etwa eine Stunde (mal etwas kürzer, mal etwas länger), und wenn man bedenkt, dass der Roman jetzt nicht extrem dick ist, ist das ganz schön viel. Nachdem ich sowohl den Roman erst kürzlich gelesen, als auch die Verfilmung von Anthony Minghella aus dem Jahr 1999 gesehen habe, war ich sehr gespannt, was Regisseur und Drehbuchautor Steve Zaillian daraus gemacht hat. Zudem spielt Andrew Scott (der “hot priest” aus Fleabag) die Titelrolle. Ich habe zwei Abende mit Ripley verbracht und einige Zeit in der Sonne, um darüber zu schreiben.

Viel kann ich noch nicht verraten, weil ich alles in meiner Kolumne für Uncut ausführlich besprochen habe, aber gerade die ersten Folgen waren durchaus herausfordernd. Weil die Serie ist langsam, wirklich langsam erzählt. Und das sage ich als jemand, der damit an sich kein Problem hat. Und: Sie ist komplett schwarz/weiß gedreht. Sie ist sehr düster und quasi das komplette Gegenteil zum Minghella-Film, der bunt und voller Lebensfreude war.

Einer der besten Freunde von Dickie Greenleaf (im Film Jude Law), jener Dickie, den Tom Ripley (Matt Damon) in Italien aufspüren und nach Hause bringen soll, ist Frederick Miles (Philipp Seymour Hoffmann). Miles ist ein richtig oberflächliches amerikanisches Arschloch, das sich einbildet, der bessere Italiener und überhaupt ein Geschenk Gottes an die Welt zu zu sein, komplett von sich eingenommen und total neben der Spur. Und so großartig gespielt! Auf Twitter wurde das gerade gewürdigt:

Solche Szenen sieht man in Ripley nicht. Freddie Miles wird in der neuen Version von einer nonbinären Person (Eliot Sumner, das Kind von Sting) gespielt, der/die zwar eindrucksvoll ziemlich abseitig agiert, aber quasi das komplette Gegenteil des flamboyanten Schwerenöters der Vorlage (und des Filmes) ist.

Ein User schreibt in der Internet Movie Database über Ripley: “I’m 5 episodes in and I want to jump off a tall building.” Harhar. So schlimm fand ich es jetzt nicht, aber ich habe doch einige Fragen. Bald in meiner Kolumne zu lesen, die ich hier, wie man merkt, anteasere.

ESC 24, Schweiz

Die Auftritte der heurigen ESC Künstler bei den Prepartys am vergangenen Wochenende haben einen Wechsel an der Spitze der Wettquoten gebracht.

Bisher war Baby Lasagna (sic!) mit Rim Tim Taga Tim der uneingeschränkte Favorit gewesen. Rim Tim Taga Tim, was man durchaus als Onomatopoesie bezeichnen könnte (harhar, das Kind muss gerade literarische Figuren lernen) war ja quasi die legitime Antwort auf Cha Cha Cha vom letzten Jahr. Die ESC Nerds wollen ihren Banger haben, allerdings gibt es für mich auch so etwas wie eine zu eingängige Melodie. Cha Cha Cha war da durchaus elaborierter. Wie dem auch sei, nun ist die Schweiz auf Platz 1 und zwar Nemo mit The Code.

Im Merci Cherie Podcast Interview hat Nemo erzählt, dass sein Name kein Künstlername wäre, sondern er tatsächlich so heiße und zwar deswegen, weil seine Eltern ihn “Niemand” nennen wollten, damit er “alles” werden konnte. Das ist so wie wenn Eltern ihr Kind ohne Religion aufziehen und meinen, das Kind kann sich ja seine Religion dann mit 18 aussuchen. Nemo hat sich seine Religion auch ausgesucht, er ist nämlich non-binär (ein Scherz, bitte kein Shitstorm). The Code ist jetzt nicht mein Lieblingssong, aber doch der vielleicht originellste Beitrag des heurigen Bewerbs.

Denn Nemo, der diese kleinen Björk-1990er Jahre-Plastiktränchen unter den Augen hat, erzählt genau diese, seine Geschichte in The Code. Er hat nämlich den Code zwischen 0 und 1 gebrochen (nonbinär) und es war ein Struggle und er hat gelitten und es war die Hölle und jetzt ist er aber zufrieden und tut was er will und fühlt sich im Einklang mit sich selbst und das ist ja durchaus ein erstrebenswerter Zustand. Musikalisch ist der Song sehr unkonventionell aufgebaut, opernhafte Passagen wechseln mit Rap, kleiner Popmelodie und eventuell sogar Drum and Bass?! (bin keine Musikerin).

Im Video fährt Nemo klimafreundlich mit der Bahn von Zürich nach Malmö – ein weiteres gut gemachtes Zug-Video nach Trenujetul von Zdob si Zdub aus 2022. Dieser Song hat tatsächlich Siegchancen und wird m.E. auf alle Fälle in die Top 3 kommen.

Kafka – die Frauen, Dora

Im letzten Jahr seines Lebens lernt Kafka Dora Diamant an der Ostsee kennen. Sie betreut dort Flüchtlingskinder. Es wird schnell deutlich, dass sie eine Helferin ist, ein Mensch, der sich um andere kümmert. Und Kafka ist jemand geworden, der jemand anderen braucht, der sich um ihn kümmert. Er ist totkrank. Kafka lässt sich in der Arbeit beurlauben, nimmt Abschied von seiner Familie – entzieht sich damit auch endlich dem Einfluss seines Vaters – und zieht mit Dora nach Berlin.

Die Entscheidung, Kafka in Dora quasi nur noch als Sterbenden zu zeigen, bewirkt, dass diese Folge teilweise sehr schwer anzusehen ist. Kafka und Dora werden praktisch nur im Kontext des drohenden Todes miteinander gezeigt. Ich weiß nicht, ob das in den Tatsachen begründet liegt – im Juni wird ein Film namens Die Herrlichkeit des Lebens in die Kinos kommen, der sich ausschließlich dieser Beziehung widmet, wo die beiden noch mehr miteinander erleben – oder ob Schalko das Gewicht auf die Symbolik legen wollte, was Dora für Kafka ist. Sie ersetzt auch ein bisschen Max Brod als denjenigen, der sich vollumfänglich um Kafka sorgt.

Wie es der blinde Oskar Baum bei einem Treffen der Verbliebenen des Prager Kreises sagt, die Krankheit habe Kafka das gebracht, was er immer wollte: “Eine Frau, die ganz für ihn da ist und voller Liebe und doch nichts von ihm verlangt, was er nicht geben möchte.” Darauf Felix Welten: “Willst du damit sagen, die Krankheit hat Vorteile?” Baum: “Sie hätte Vorteile. Krank sein hat immer Vorteile, wenn man nur nicht krank wäre.” Baum betont, dass es ihm mit seiner Blindheit auch so ginge- Blindsein wäre großartig, könnte man dabei sehen.

Dora und Kafka ziehen dann nach Kierling um, wo Kafka in ein Sanatorium verlegt wird. Milena kommt ihn noch einmal besuchen; ihr schenkt Kafka seine Tagebücher und sagt ihr, sie kann damit machen was sie will. Die Tagebücher werden später veröffentlicht. Dora wiederum übergibt Kafka seine letzten Notizen und Texte, mit der Bitte sie zu verbrennen, was Dora allerdings nicht macht. Diese werden ihr von der Gestapo – Dora heiratete später einen Kommunisten – abgenommen und liegen bis heute unter Verschluss im Bundesarchiv in Berlin.

Am Ende stirbt Kafka und unser Erzähler sagt uns, mit Anspielung darauf, dass er nie wusste, wie er zu erzählen beginnen soll: “Egal wie man anfängt, so hört es auf.” Eine wirklich fabelhafte Serie! Bitte mehr davon Herr Schalko und Herr Kehlmann. Schnitzler würde ich zum Beispiel auch gerne sehen – dieser kommt in Kafka nur in einer ganz kurzen Szene vor.

Kafka – die Frauen, Milena

Die Folge Milena ist die poetische und romantische Folge der Serie. Es ist quasi eine Folge in Echtzeit, wir sehen einen Spaziergang von Kafka und Milena im Wienerwald, es kommen in der ganzen Folge praktisch nur diese beiden Figuren vor, und ihre Gespräche, Zärtlichkeiten, aber auch tiefgehende Konflikte.

Milena nennt Kafka “Frank” und erzählt von sich, dass sie schon mal etwas stiehlt, wenn es sich ergibt, dass es ihre Lebensaufgabe wäre, ihren Vater zu enttäuschen, dass sie auch schon einmal versucht habe, sich zu töten. Als Kafka darauf entsetzt reagiert, entgegnet sie, dass das doch jeder einmal wolle. Milena sagt, man könne nur produktiv sein, so lange man jung ist.

Milena: “Sobald einem der Schmerz nicht mehr endlos vorkommt, bleibt man stehen und lebt vom Ersparten.”

Kafka: “So schlimm war Ihre Jugend?”

Milena: “So schön war sie!”

Kafka – Folge Milena

Sie essen im einem Gasthaus, wo es die beste Leberknödelsuppe überhaupt gibt und dann liegen sie in der Wiese, wo sie sich gegenseitig vorlesen. Danach geht es darum, wann Kafka zu Milena nach Wien kommt, um sie quasi abzuholen. Sie möchte sich von ihrem untreuen Mann trennen und mit ihm zusammen zu sein. Bei der Planung dieser Aktion verliert sich Kafka in Ausflüchte, an dem einen Tag kann er nicht kommen, da hat er eine Dienstreise und an dem anderen Tag muss er auch arbeiten, und am Wochenende gehen die Züge zu ungünstigen Zeiten; umständlich erklärt er Milena dabei den Zugfahrplan.

Milena wird wütend und schreit Kafka an, dass er sich ständig als Opfer stilisiert, dass er sich klein und schwach und unbedeutend gibt und alle, sein Freunde, seine Schwestern, seine Frauen fragen sich ständig, wie man dem armen Franz helfen kann. Sogar in einen Käfer verwandle er sich, sagt Milena, damit man ihn in Ruhe lässt und zu nichts zwingt. Sie wirft ihm absolute Kompromisslosigkeit vor, er schreibe ja nicht einmal seine Texte fertig – Kompromisse seien für andere, nicht für den großen Franz Kafka. Nur eine Macht gäbe es, der sich Kafka beugt, sagt Milena: “Dem beschissenen Zugfahrplan!”

Kafka muss grinsen, aber es wird klar, dass es auch mit Milena keine Zukunft geben kann, Kafka ist nicht bereit dafür. Die Bontempi-Orgel setzt ein, die diese ganze Folge untermalt, sie soll die naive Vorstellung eines unbeschwerten Nachmittags voller Glück und Sorglosigkeit vermitteln, aber irgendwann wird es kühler und die Sonne verschwindet und der Nachmittag ist zuende und damit in gewisser Weise auch alles was war, und eine Wiederholung ist ausgeschlossen. Die Musik der Bontempi-Orgel wirkt nun wie ein parodistischer Nachhall – die große Liebe gibt es für Kafka nur für kurze Momente.

Kafka – die Frauen, Felice

Kafka lernt Felice Bauer über seinen Freund Max Brod kennen. Sie ist eine selbst- und bodenständige Frau, die ihn vor allem auf intellektueller Ebene herausfordert und fasziniert. Sie sagt von sich selbst, dass sie nicht gerne isst und Zionistin ist, worauf Kafka sagt, das sei er auch – “glaube ich”. Felice spricht Kafka auf Hebräisch an, daraufhin antwortet er ebenfalls auf Hebräisch: “Von allen Sprachen, die ich nicht beherrsche, ist Hebräisch die Schönste.” Nach dieser ersten Begegnung schreibt Kafka Felice viele Briefe, die Felice begeistert liest und einmal in die Kamera sagt: “Es sind schon sehr schöne Briefe”.

Felice verhält sich aber auch bestenfalls gedankenlos, eventuell aber auch absichtlich verletztend. Kafka schickt ihr sein neues Buch und als sie sich wiedertreffen, fragt er gespannt, wie ihr dieser Text gefallen habe. Felice sagt daraufhin, sie sei noch nicht dazugekommen, sie lese gerade Arthur Schnitzler: “Ich mag ihn sehr!” Das trifft Kafka merklich, er macht eine abfällige Bemerkung über Schnitzler (“Widerlich. Man kann ihn nicht tief genug hinterstoßen.”). Man kann also sogar ein Franz Kafka sein und literarisch quasi zurückgewiesen werden.

Kafka verlobt sich mit Felice, zögert aber eine mögliche Hochzeit hinaus. Einmal wird er von ihr und zwei Freundinnen im Hinterzimmer eines Hotels befragt, warum er sich vor dieser Verpflichtung drückt und hier schafft Schalko den Kunstgriff, dass er den Erzähler sagen lässt: “Sie rufen jetzt vielleicht, dass das nicht so abgelaufen sein kann. Das ist ja wie — aus einem Kafka Roman. Wenn Sie das sagen, kann ich nur antworten: Denken Sie bitte kurz nach warum.” Kafka und Felice treffen sich dann noch einmal in einem Hotel und Kafka nutzt die Zeit ausschließlich, um Felice aus einem neuen Text vorzulesen. Vielleicht die Rache für die Schnitzler-Aussage? Jedenfalls wird die Verlobung dann gelöst.