almis personal blog

ESC – aftermath

Ich wollte ja nichts mehr zum ESC schreiben, aber was bleibt mir über? Wir hatten vier glückliche Tage, bis das ganze Elend über uns hereingebrochen ist.

Auch in unserer WhatsApp Gruppe wurde die Aussage von JJ zu Israel diskutiert und ich habe geschrieben: Si tacuisses, philosophus mansisses.

Das muss man aber auch erklären. Natürlich kann JJ sagen was er möchte, immerhin haben wir Meinungsfreiheit. Und ich halte ihn wegen dieser einen Aussage nicht für einen Antisemiten, weil man darf natürlich Israels Politik und Vorgehen kritisieren. Aber ich finde gleichzeitig auch, dass man den Nahostkonflikt nicht auf ein, zwei Sätze in einem verwackelten Zoom Call herunterbrechen kann, weil das schnell unterkomplex wird. Und die Trennung von Künstlerin/Künstler und der Politik ihres Landes ist nochmal was anderes.

Aber, above all: Bitte können wir endlich wieder beim ESC über Musik reden und nicht nur andauernd über Politik? Ich habe nämlich ein bisschen Angst, dass wir, wenn es so weitergeht, in zwei, drei Jahren keinen Songcontest mehr haben werden. Weil die einen wollen ein Land (oder in weiterer Folge vielleicht auch andere Länder, wer weiß, was noch passiert) ausschließen und drohen damit, nicht teilzunehmen, wenn das nicht geschieht. Die anderen wiederum wollen nicht mehr mitmachen, wenn eben das geschieht.

Ich habe in meinem Leben schon manches loslassen müssen, das ich sehr geliebt habe, der ESC war mir da oft ein Trost. Andererseits, wie sang ausgerechnet die israelische Teilnehmerin Yuval Raphael dieses Jahr so wirklich schön: “Darkness will fade, all the pain will go by, but we will stay, even if you say goodbye….a new day will rise. New day will rise.” Da interpretiert jeder etwas anderes hinein und assoziert es mit dem, was ihn am allermeisten schmerzt. Und trotzdem geht es irgendwie weiter. Ich hatte Tränen in den Augen.

Zurück zum ESC: Das Motto ist bekanntlich United by Music. Eine schöne Phrase, die super klingt, wenns um nichts geht oder wollen wir sie doch lieber mit Bedeutung füllen?

Casual Thursday

Gestern hatte ich ein bisschen einen ruhigeren Tag, weil das Wochenende wieder etwas arbeitsintensiver wird mit Skripten-Monatsdeadline, Review zu The Phoenician Scheme fertigschreiben und einem weiteren kurzfristig aufgetauchten Projekt.

Jedenfalls war ich mit L. im Hidden Kitchen (unbezahlte Werbung), diesmal zum Mittagessen und gegen eins ist dort richtig viel los. Und es war mit Abstand mein gesündestes Mittagessen dieser Woche. Es gab Zuchini Quiche mit Kichererbsen und Cashews, sowie dazu griechischen Salat und Karotten Tricolore mit Bröseltopfen, Minze und Multiseeds. Crazy diese Zusammenstellung, aber sehr schmackhaft.

Als Nachspeise habe ich mich für den Vanilla Buttermilk Cake mit Himbeeren und Jasmin Frosting entschieden, mhmm. Dazu Cappucino. Wir haben über den ESC, Bill und Tom Kaulitz, den Schulendspurt und noch vieles anderes gesprochen, danach sind wir wieder bis Wien Mitte zu Fuß gegangen, so nett!

Zuhause habe ich mit dem Kind geredet, der am Montag seine letzte Schularbeit in diesem Semester hat. Endlich, die 7. Klasse ist schon etwas zach. Ich so zu ihm, es wäre gut, würde er Note x kriegen, dann hätte er im Zeugnis xy (ich wahre die Privatsphäre harhar), er hat mich dann erinnert, dass ich selbst die 7. Klasse wiederholt habe, ich wusste, dass mir das irgendwann auf den Kopf fällt harhar. Ich so: “Wenn du so schlecht in der Schule wärst, wie ich es gewesen bin, würde ich auch überhaupt nicht auf diese Idee kommen” Harhar. Tatsächlich ist mir das Zeugnis eh egal, es geht mir nur ums Prinzip.

Am Abend habe ich dann wieder guilty pleasure-mäßig Germany’s Next Topmodell angeschaut, was gestern sehr amüsant war. Es gab nämlich ein Nacktshooting, für das die Modells Fake Tattoos bekommen haben. Und der Tattoo Artist meinte, sie müssten sich rasieren und zwar alles weg “vom Kinn abwärts”. Die Blicke der jungen Männer, göttlich, ich musste so lachen, allein am Sofa. Hab dann meiner Mama, die auch schaut, eine Whatsapp geschickt, weil ich so amüsiert war. Der Wiener Pierre meinte dann: “Wie kann es sein, dass ich am Arsch mehr Haarwuchs habe als im Gesicht”, harhar.

Mit diesen nachdenklichen Worte wünsche ich schon mal ein schönes Wochenende.

ESC 25, Semi 1

Mahhh Portugal ist weiter, ich packs ja nicht. Ich hab geglaubt, das gefällt nur mir. harhar Eine richtig schöne Überraschung in Semifinale 1.

Ok, aber mal der Reihe nach. Unsere ESC Whatsappgruppe wurde aus dem Dornröschenschlaf geholt, und zwar von C. mit den resoluten Worten: “Ok, dann wollen wir mal. Es geht los und ich hoffe/erwarte, dass hier jeder bereits dementsprechend aufgeregt und erfreut ist.” Ich: “Absolut!” C: “Nichts anderes erwartet, Heidi.” harhar.

Von den Kandidaten hat mir gestern der Fan-Favorit der Nerds, Albanien mit dem Song Zjerm richtig gut gefallen. Die Studioversion fand ich ok, live ist das wirklich toll anzusehen und zu hören, gerade die richtige Mischung aus Drama, Ethno, Spookyness, und Sendungsbewusstsein. Lucio Corsi aus Italien vermittelt Glamrock, aber auf fragile Art und Weise. Ich glaube, das wird besser abschneiden als viele denken. Thommy Cash aus Estland trinkt seinen Espresso Macchiato gleich vorm “Winners Cafe” – sehr selbstbewusst. San Marinos Tutta l’Italia wird sicher der Sommerhit an der Adria. Schweden ist wirklich der super Favorit, auch in der Halle, die Choreografie sitzt, ich warte trotzdem immer noch darauf, mich in den Song zu verlieben. Bei der Schweiz meinte Andi Knoll: “Auch schön, wenn mal gar nichts passiert”, und so war es, nur eine Sängerin, die wie ein Gemälde aussieht. Zu Kroatien habe ich folgendes auf X gefunden:

Btw. alle Songs, die ausgeschieden sind, waren auf Englisch. Es gibt beim ESC definitiv und schon länger den Trend der Rückkehr zur Landessprache oder generell zu einer Sprachdiversität. In diesem Semifinale gab es nur einen Song, der weiterkommen ist und ausschließlich auf Englisch war, nämlich Norwegen.

Was gibts zum Gastgeber zu sagen? Die Halle in Basel ist recht klein. Die Bühne ist eher so laufstegartig angelegt und mit einer Art Bilderrahmen rundherum versehen. Mir gefällts eigentlich nicht harhar. C schrieb über die Presenter: “Also bei den Moderationen ist noch Luft nach oben. Gott sei Dank kommt die Hunziker am Samstag.” Ja das ist wirklich wahr, da haben wir schon anderes gesehen. Der Intervall Act, in dem die Schweiz behauptet sie hätte die Demokratie erfunden – Geschmackssache. Dass man den Celine Dion Siegersong Ne partez pas sans moi von Teilnehmern aus dem letzten Jahr covern lässt: super Idee. Aber warum so langsam wie einen Trauermarsch? Gerade die Empowerment Energie ist doch das, was diesen Song ausmacht. Überrascht war ich von Dions Videobotschaft, anscheinend geniert sie sich doch nicht mehr dafür, dass sie mal den ESC gewonnen hat.

Ok, hat Almi eigentlich irgendwas von der Show rund um die Acts gefallen? Oh ja! Als am Schluss einer der Olsen Bruders Fly on the Wings of Love gesungen hat. Ich habe dem Kind erzählt, dass dieses Lied im Jahr 2000 gewonnen hat, und es war so ein “Opa erzählt vom Krieg” Moment. Dann habe ich vorm Fernseher getanzt, obwohl ich komplett nüchtern war. Das Kind ist extra aus der Küche gekommen, um sich das anzuschauen und er hat gar nicht gesagt, es sei “cringe” harhar. In dem Moment war ich echt glücklich. Dieses ESC Glück, wo ich zwei, drei, vier Stunden einmal alles vergessen kann, auch das, was schmerzt. Ich würde nur gern jemand davon erzählen. Andererseits ist er sowieso immer präsent, in meinen Gedanken.

Nun steigt die Aufregung – morgen Semi 2 mit JJ.

In Cannes

Diese Woche ist nicht nur ESC – es startet auch das Filmfestival in Cannes. Und es gibt dort einige, finde ich, sehr interessante Filmpremieren.

Zunächst einmal – Out of Competition – Mission Impossible Final Reckoning. Ich habe den Vorgängerteil mit dem Kind im Kino gesehen, natürlich nicht im nonstop Abo, aber er hat uns wirklich sehr gut unterhalten. Tom Cruise schafft es irgendwie, jedesmal arge Stunts, die er großteils selbst durchführt, mit extremer Selbstironie zu verbinden. Ich meine speziell die Szene mit dem Fiat 500 in Rom. Wir kennen das ja, Actionstars steigen in präperierte Autos, die sie aber noch nie zuvor gesehen haben und fahren einfach los. Nicht so hier, zuerst geht die Tür nicht zu, dann drückt Cruise auf einen Knopf und die Scheibenwischer schalten sich ein, er drückt auf einen anderen, die Scheibenwischer werden schneller, ihm ist das vor der Frau, die ihn begleitet, peinlich, er entschuldigt sich und fährt los und touchiert gleich die Mauer, herrlich. Das könnte ich sein harhar.

In Competition finden wir natürlich den neuen Wes Anderson Film mit dem fast unaussprechlichen Titel The Phoenician Scheme, den ich nächste Woche für Uncut sehen werde. Ich bin ja Anderson-affin, was seine Weirdness betrifft, würde mir aber mal wieder einen etwas “wärmeren” Film von ihm wünschen, wo man sich auch mal mit irgendjemand identifizieren kann. Interessiert bin ich auch an dem neuen Film von Richard Linklater namens Nouvelle Vague, der sich der Entstehung des Jean Luc Godard Films Außer Atem widmet. Auch Joachim Trier hat nach seinem Überraschungserfolg The Worst Person in The World einen neuen Film, der sich Sentimental Value nennt und ein Familiendrama ist; Renate Reinsve, aus vorher genanntem Werk, spielt hier wieder mit und die fand ich damals ja sehr toll.

Die Coen Brüder haben sich quasi entzweit und machen derzeit getrennt Filme, was bis jetzt nicht unbedingt als Erfolgsrezept gelten kann harhar. Jedenfalls hat auch der neue Ethan Coen Film Honey Don’t in Cannes Premiere, mit “Nepo Baby” Margaret Qualley (auch sie finde ich richtig super). Skeptisch bin ich hingegen bei Eddington von Ari Aster, dessen Filme mich irgendwie gleichermaßen faszinieren, wie auch abschrecken. Und Eddington ist auch noch ein Western, was jetzt nicht unbedingt mein Lieblingsgenre ist.

Am allermeisten freue ich mich auf The History of Sound über zwei Musikwissenschafter. Diese werden nämlich von Paul Mescal und Josh O’Connor gespielt und beide, aus UK bzw Irland stammend, sind vielleicht die interessantesten männlichen Nachwuchsschauspielstars mit Indie-Schlagseite aktuell. Mescal hat uns in Aftersun und auch All of us Strangers das Herz gebrochen, O Connor hat ähnliches in La Chimera gemacht – er war aber auch der Superstrizzi in Challengers, ich war in dieser Dreiecksgeschichte voll in seinem Team. Ein Film von beiden kann meinerseits nur zu höchsten, quasi unerreichbaren Erwartungen führen, harhar.

Bei den Dokus finde ich Orwell: 2+2=5 spannend. Der Titel spielt auf den Roman 1984 an, in der Orwell eine Welt schildert, in der die Menschen politisch und medial manipuliert werden. Immer aktuell. Eher nicht anschauen werde ich mir Bono: Stories of Surrender. Bono ist, so gesamt gesehen, eine einzige Red Flag für mich, ich halte ihn einfach nicht aus. Vor einigen Jahren ist ein Interview mit ihm auf (damals noch) Twitter diskutiert worden, das jemand als “Goldstandard für absurde Äußerungen egomanischer Altherren ohne Self-Awareness” bezeichnet hat. Obwohl ich so Aussagen a la alte weiße Männer nicht so gern mag, hier finde ich es genial formuliert.

Oslo Stories: Träume

Am Samstag habe ich mir, nach einem langen Spaziergang durch die Innenstadt und in der Sonne sitzen, den zweiten Teil der Oslo Stories von Dag Johan Haugerud angesehen und zwar im Votivkino. Dieser Teil heißt Träume und erhielt im Februar den goldenen Bären bei der Berlinale.

Träume handelt von Johanne (Ella Øverbye), einer 16 jährigen Schülerin, die sich in ihre Französischlehrerin Johanna (Selome Emnetu) verliebt. Nach einiger Zeit besucht sie die Lehrerin unvermutet zuhause, eine Art von Beziehung beginnt, über die Johanne einen – auch sexuell – expliziten Roman schreibt, um die Ereignisse festzuhalten. Sie gibt den Text ihrer Großmutter (Anne Marit Jacobsen), die eine erfolgreiche Autorin ist, um deren Meinung zu erfahren…

SPOILER WIE IMMER MÖGLICH

Ich sage bei Filmen ja manches Mal: Das wäre besser fürs Fernsehen geeignet. Oder: Das wäre eher Stoff für eine Serie. Bei Träume sage ich: Das hier ist im Prinzip ein Hörbuch. Denn fast ganze erste Hälfte des Filmes wird mit einem Voice Over von Johanne begleitet. Voice Over in Filmen: Immer etwas schwierig.

Ich zitiere den bekannten amerikanischen Filmkritiker Roger Ebert. Ebert hat einmal einem anderen Filmkritiker widersprochen, der kritisierte, dass Fellini im Film 8 1/2 die Bilder wichtiger wären als die Ideen dahinter. Ebert schrieb daraufhin: “I celebrate it. A filmmaker who prefers ideas to images will never advance above the second rank because he is fighting the nature of his art. The printed word is ideal for ideas, film is made for images”

Bei Träume hören wir Johanne endlos sprechen. Die Bilder, die wir dazu sehen, sind nicht schlecht, oft sogar beeindruckend, aber sie lenken eher davon ab, was Johanne uns erzählt, es entsteht keine Einheit der beiden Komponenten. Trotzdem muss ich sagen: Die Sätze, die Johanne sagt, sind wunderschön und voller Poesie, sie erzählen so viel von Gefühlen und Liebe (kaum über Sex by the way, auch wenn das quasi der Aufhänger des Filmes ist, wer deshalb ins Kino geht, kann es sich sparen harhar).

Träume ist stellenweise auch recht witzig, vor allem die Gespräche von Johannes Oma und Mutter. Einmal diskutieren sie über den Film Flashdance und die Oma findet diesen enttäuschend, weil die Hauptfigur am Ende dann doch Tänzerin wird. Drauf die Mutter: Ist es feministischer, eine Schweißerin zu sein als eine Tänzerin? Eine gute Frage! Schön ist auch wie Oslo gezeigt und beschrieben wird. Ein ewiges persönliches Thema für mich: Wie beschreibt man Städte? Das finde ich sehr schwer.

Was ich auch interessant fand: Einmal trifft sich Johannes Mutter mit der Lehrerin, nicht um sie zu verurteilen, sondern einfach zum Reden und diese erscheint hier komplett anders als davor, schroff, nicht wirklich zugänglich, nicht mal ein bisschen empathisch. Da fragt man sich als Zuschauerin: War die Darstellung der Lehrerin davor einfach nur die (verliebte) Projektion von Johanne? Ist die Lehrerin gar nicht so toll, wie wir sie im ersten Teil – durch die Augen von Johanne – erlebt haben?

Träume wäre vielleicht ein noch besseres Hörbuch, es ist aber auch ein sehenswerter Film, gerade wenn man vielleicht selbst gerne schreibt oder eine Trennung verarbeiten muss. Oder beides.

Die ESC Woche

Ich hab mir schon fast Sorgen gemacht, dass wir in der diesjährigen ESC Woche nur über die Songs und die Künstler, über die Bühnenshows, sowie die Kostüme sprechen werden und dazu ein bisschen gossipen und Spaß haben. Aber nein, Vorjahressieger Nemo möchte natürlich genau jetzt lieber Israels Teilnahme am ESC diskutieren, die er falsch findet. Und vielleicht geht es sich ja doch noch aus, dass wir einen ähnlich polarisierenden Bewerb mit jeder Menge negativer Vibes bekommen wie voriges Jahr. [Roten Wut Emoji einfügen]

Ursprünglich sollte der Songcontest mal eine völkerverbindende Veranstaltung sein, in der die Politik möglichst beiseite gelassen wird und Künstler und Fans ein friedliches Fest miteinander feiern, aber das ist irgendwie ein bisschen in Vergessenheit geraten. Gott sei Dank gibt es diese Momente aber doch noch. Gestern habe ich kleine Videos gesehen, die Marco Schreuder von den Vorab-Events, die gerade in Basel stattfinden, gemacht hat. Wo der belgische, der niederländische und der österreichische Teilnehmer miteinander singen und zwar ihre Songs gegenseitig, aber auch alte Hadern wie Rise Like a Phoenix. Das ist Eurovision, wie ich es verstehe und liebe.

Ansonsten hat man von der Probenwoche wenig erfahren, da seit heuer nicht mehr alles minutiös dokumentiert werden darf, sondern nur ausgewählte Bilder und Ausschnitte freigegeben werden – was natürlich wieder Vorteile wie auch Nachteile hat. Die Wettquoten haben sich allerdings ein bisschen verändert und wie wir aus dem Eurovison Year Kalender wissen “It’s time to start paying attention to them”:

Der humoristische, aber auch wahre ESC Kalender, wenn auch nicht mehr ganz aktuell. Luxemburg ist zb. schon zurück

Schweden liegt immer noch auf dem ersten Platz, hat aber ein paar Prozentpunkte verloren, die Österreich als Zweiter gewonnen hat. Letztes Jahr wurde der Wettquoten Erste Kroatien am Ende Zweiter und die Schweiz als Quoten-Zweiter hat gewonnen. Just saying harhar.

Ich werde die kommende Woche jedenfalls genießen, denn nächsten Sonntag befinden wir uns schon wieder in der Post Eurovison Depression.

Details

Nachdem ich anlässlich der Papstwahl an meinen Opa erinnert worden bin und auch gerade im Buch Die Geschichten in uns über die Charakterentwicklung von Figuren lese, wie wichtig es ist, diese mit vielen Details auszustatten, ist mir ein Detail zu meinem Opa eingefallen.

Natürlich gibt es unzählige Merkmale, die seine Person ausgemacht haben, etwa dass er einen Regenschirm “Parapluie” genannt hat, dass er meinte, es bringe Unglück, wenn man Schuhe auf einen Tisch stellt, dass er mir gerne Ham and Eggs und Tee mit ein bisschen Rum gemacht hat und sein konstantes Fluchen, wenn er an seiner Nähmaschine gearbeitet hat. Aber besonders gern erinnere mich daran wie er mich – ich war noch recht klein – immer auf seine Füße gestellt hat und so mit mit mir durchs Wohnzimmer getanzt ist.

Mehr als 35 Jahre Jahre später hat jemand erstmals seine Füße auf meine gestellt, ganz vorsichtig, und hier war es wie eine ganz besondere Um”armung”. Dabei habe ich an die Geborgenheit mit meinem Opa gedacht und jetzt denke ich an die Geborgenheit in diesen Momenten und an die Parallelen, vor allem, wie glücklich ich jeweils war und wie sehr ich dachte, dass diese beiden Situationen zusammengehören. Ich weiß gar nicht, ob ich das damals ausgesprochen habe. Eines von vielen Details von jemand, die ich alle nie vergessen möchte.

Hard Truths

Diese Woche habe ich Hard Truths in OV gesehen, der ausschließlich und auch nur wenige Tage im Gartenbau lief.

Regisseur Mike Leigh porträtiert darin Pansy (Marianne Jean-Baptiste), eine Frau in mittleren Jahren die vom Leben frustriert ist und ihrer Wut Luft macht. Wenn sie den Mund aufmacht, dann spricht sie nicht, sie schreit. Sie streitet mit allen Menschen, denen sie begegnet – ob es die Kassiererin im Supermarkt ist, ihre Zahnärztin und die Verkäuferin im Möbelgeschäft. Ihr Mann Curtley (David Webber) und ihr erwachsener Sohn Moses (Tuwaine Barrett) haben aufgehört, zuhause zu sprechen, sie sitzen beim Abendessen nur schweigend daneben, wenn Pansy ihre endlosen Tiraden loslässt. Einzig ihre Schwester Chantelle (Michele Austin) scheint auf die Hintergründe von Pansys Unausstehlichkeit blicken zu wollen…

SPOILER MÖGLICH

Mike Leigh, mittlerweile 81, gilt als ein Regisseur, der sich mit Vorliebe dem sogenannten Kitchen Sink Realism widmet, also den Erzählungen über die “normalen” Menschen, oft aus der Arbeiterschicht, und deren Kämpfe im Leben. Deshalb habe ich auch noch nichts von ihm gesehen harhar. Ich gehe persönlich nicht so gerne ins Kino, um dort dann reine Sozialdramen zu verfolgen. Aber Hard Truths wurde als witzigster Film von Leigh angepriesen und das hat mich neugierig gemacht. Jetzt kann ich sagen: Ich hab schon mehr gelacht.

Das ist natürlich ein Film über Depression. Denn Pansys furchtbar nervige, oft auch gemeine Art anderen gegenüber ist klarerweise ein Zeichen dafür, dass bei ihr rein gar nichts in Ordnung ist. Ihre Wut ist eigentlich Trauer, die sie nicht anders zeigen kann. Worüber sie traurig, das erfahren wir so stückchenweise, vor allem in ihrer Interaktion mit Chantelle. Der Vater der beiden hat sich früh aus dem Staub gemacht, die Mutter musste die Familie über Wasser halten; Pansy hatte als ältere Tochter viel Verantwortung zu tragen, fühlte sich gleichzeitig aber von der Mutter ungeliebt. Curtley hat sie vor allem geheiratet, um nicht allein zu bleiben. Sie mag weder ihn noch den eigenen Sohn besonders gern. Vielleicht mag sie niemanden.

Irre witzig, was? Harhar. Ich habe kein Problem mit traurigen und auch schweren Themen. Aber wenn es, wie hier, nicht den Funken irgendeines Silberstreifs am Horizont gibt (ok einen winzigen gibt es, wenn auch nicht für Pansy) und sei er noch so schwach, wenn hier nur Elend abgebildet wird, dann, denk ich, muss ich das nicht unbedingt sehen. Dazu kommt auch noch, dass Leighs Film – ich möchte nicht sagen handwerkliche Schwächen, denn er wird wissen was er tut – aber sagen wir handwerkliche Besonderheiten hat, deren Sinn ich persönlich nicht verstehe. Es kommen nämlich Figuren nur für eine einzige Szene vor, die sonst absolut nichts mit der Handlung zu tun haben, und es gibt auch einige Szenen mit Nebendarstellern, die ins Nichts führen. Ich kann nicht nachvollziehen, was Leigh uns damit sagen will.

Letztendlich muss ich auch leider sagen: Ich kann den Schmerz von Pansy zwar nachvollziehen, aber ich finde es schwer, Sympathie für sie zu haben, wenn ich sehe, wie ihr 22 jähriger Sohn aufwachsen musste, was für einen Schaden er sichtlich davongetragen hat. Ich denke mir: Egal wie viel Schmerz ich empfinde, wenn ich mich für jemanden “zusammenreiße”, dann für mein Kind. Andererseits: Hurt people hurt people. Trotzdem tut mir Moses so leid, wenn er im Bett liegt und ein Buch namens “Everything about planes” oder so liest – anscheinend ein Buch aus seiner Kindheit. Das ist so, so traurig und man würde ihn am liebsten umarmen und trösten.

Damit dieser Eintrag nicht ebenso deprimierend endet, drei Kommentare, die ich auf letterboxd gelesen habe: “This was my first Mike Leigh movie. And also my last Mike Leigh movie.” Harhar. Und: “Would rather have watched a 9 hour version of The Brutalist instead”. Sowie “Someone get Moses out of that house and onto a plane.” Genau!

Die Geschichten in uns

Mit großer Neugier habe ich begonnen, Benedict Wells Buch Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und vom Leben, zu lesen Wells schildert darin die Anfänge seines Schaffens und auch, wie man einen Roman schreibt.

Zunächst geht es aber um seine Biografie. Benedict Wells war ein Scheidungskind und nicht nur das, er wuchs teilweise in Internaten auf, weil seine Mutter immer wieder längere Zeit in psychiatrischen Einrichtungen verbrachte. Deshalb war auch die Beziehung zu seiner Schwester als Kind relativ distanziert, weil er zu ihr, die einige Jahre älter ist, auch einfach kaum Kontakt hatte. Das änderte sich später. Für Wells gilt sicher, was die Schriftstellerin Ursula Le Guin gesagt hat: “The creative adult is the child who has survived.”

Interessant ist, dass Wells :

a) seinen tatsächlichen Namen “von Schirach” ablegte und sich Wells nannte, wie die Hauptfigur in John Irvings Gottes Werk und Teufels Beitrag. Sein Großvater Baldur von Schirach war kunstaffin, hatte Germanistik und Kunstgeschichte studiert, vor allem aber hatte er mehrere hochrangige Ämter in der NS-Zeit inne und wurde nach dem Krieg zu 20 Jahren Haft verurteilt. Wells hat sich nach längerer Überlegung entschieden, das in seinem Buch nicht zum Thema zu machen, es würde den Rahmen sprengen. Sein Vater Robert und seine Schwester Ariadne, beide ebenfalls Schriftsteller, haben ihren Geburtsnamen auch für ihre künstlerische Tätigkeit nicht abgelegt.

b) nach der Matura beschloss, Schriftsteller zu werden. Also ohne doppelten Boden. Er begann nicht zu studieren oder zu arbeiten und nebenbei zu schreiben, sondern er versuchte tatsächlich, diesen Beruf als Haupttätigkeit auszuüben. Zwar hatte er natürlich ein paar Gelegenheitsjobs, um sich sein Leben irgendwie zu finanzieren, tatsächlich lebte er aber weitgehend asketisch, aß wenig und erlaubte sich kaum Freizeitvergnügen, um Geld zu sparen und möglichst viel Zeit zum Schreiben zu haben.

Sein Traum war es, einmal bei Diogenes verlegt zu werden, “die weißen Cover hatten für mich eine fast mystische Aura”, erklärt er. Er schickte seine Manuskripte aber nie dorthin, weil er es nicht verkraftet hätte, von Diogenes abgelehnt zu werden. Er wurde stattdessen von vielen, vielen anderen Verlagen abgelehnt, bis er einen Litertauragenten von sich überzeugen konnte, der dann schließlich seinen Roman bei Diogenes vorstellte. Und so unglaublich es auch klingt: Diogenes war letztendlich der Verlag, der Wells ersten Roman Becks letzter Sommer verlegte. Wells war damals 23 Jahre alt.

Wells sagt: “Vielleicht ist auch mein Schreiben geprägt von dem unmöglichen Versuch, die Brüche im Leben meiner Eltern oder in meiner Kindheit zu reparieren. (…) von der Hoffnung (…) endlich von anderen Menschen gesehen zu werden und all die unausgesprochenen in mir schlummernden Gefühle, Ängste und Gedanken mit ihnen zu teilen.”1

Ich glaube, so ähnlich empfinden es viele Menschen, die schreiben.

1 Benedict Wells: Die Geschichten in uns, Seite 99.

Zufriedenheit

Heute habe ich auf einem Blog einer mir (virtuell) bekannten Frau gelesen, dass sie sich selbst für sehr unzufrieden hält, obwohl es keinen wirklichen Grund dafür gibt. Aber irgendwie geht ihr beim Aufstehen schon alles auf die Nerven. Ich finde das sehr mutig, darüber zu schreiben und es ist immer interessant zu erkennen, wie andere das Leben sehen und es dann mit seiner eigenen Perspektive zu vergleichen.

Ich bin zufrieden. Alle sieben, acht Jahre geschieht in meinem Leben zwar etwas, was zu einer mittleren bis schweren Lebenskrise führt, wo ich mich wie ein Passagier fühle, im Sinne von: Ich bin nicht fähig, irgendetwas an dieser Situation zu ändern, ich muss sie jetzt einfach so hinehmen. Bevor das Kind zur Welt kam, hieß es zum Beispiel, er habe eine 50 Prozent Chance zu überleben, sofern er die Geburt übersteht. Neben der ganzen Angst und Verzweiflung habe ich mir gedacht: Wieso kann bei mir eigentlich nie irgendwas problemlos klappen? So als würde mir das Leben regelmäßig ein Bein stellen. Aber ich erhole mich irgendwie immer wieder davon und dann fällt mir noch mehr auf, was alles trotzdem gut ist.

These: Vielleicht denke ich gerade so, weil eben immer wieder etwas passiert, was mich halbwegs auseinandernimmt? Und ich einfach froh bin, wenn ich, so wie an diesem langen Wochenende, stundenlang unterm Kirschbaum liegen, lesen, schreiben und nachdenken kann und nichts um mich herum ist als Frieden und Vogelgezwitscher.

Ich vermisse fast nichts. Und ich habe einen Weg gefunden, dass ich das, was ich vermisse, trotzdem immer irgendwie nah bei mir haben kann, in Gedanken, Erinnerungen, beim Schreiben. Manchmal kommt auch eine Nachricht und die Freude darüber, die ich auch hier gern äußere, nehme ich wieder mit, in meinen Alltag.

Und nein, es ist trotzdem nicht immer alles einfach. Aber unzufrieden, nein, das bin ich nicht.