almis personal blog

Leave the World behind

Netflix hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr rund um Weihnachten die fröhliche Apokalypse zu feiern.

2021 gab es Don’t look up, 2022 White Noise und 2023 jetzt Leave the World behind. Ich weiß nicht genau, wie ich den Film als Film finden soll, der CGI-Einsatz ist nicht unbedingt virtuos, und man kann sich auch an diversen Klischees stoßen (zb. dass Leute sich teilweise auf die dümmstmöglichste Art und Weise verhalten), als Angsteinflößer hat er bei mir aber hervorragend funktioniert. Ich habe mich die ganze Zeit soo unwohl und latent bedroht gefühlt. Wollte schon das Kind rufen. Harhar.

Worum geht es? Eine Familie aus der gehobenen Mittelklasse, bestehend aus Amanda (Julia Roberts) und Clay (Ethan Hawke), sowie ihren beiden jugendlichen Kindern Rose und Archie, ansässig in New York, mietet sich spontan ein Air BnB auf (mutmaßlich) Long Island, um “ein bisschen raus zu kommen”. Aber schon der erste Tag des Getaways verläuft eigenartig, die Internetverbindung bricht zusammen und als sie am Strand sind, passiert auch einiges unvorhergesehenes (keine Spoiler hier, aber es ist ARG). Am späten Abend, als die Kinder schon schlafen, klopfen plötzlich G.H. (Mahersala Ali) und seine 20-something Tochter Ruth (My’hala) an die Tür und geben sich als die Besitzer des Luxushauses aus. Sie seien eigentlich in New York in der Oper gewesen, aber es gäbe einen Blackout und nun wären sie also hier. Amanda ist sehr skeptisch, da sie keine Ausweise bei sich haben, aber sie lassen die beiden dann doch hineinkommen…

Geschildert wird danach eine beginnende Ausnahmesituation plus eben der Tatsache, dass nun zwei Familien quasi aufeinander zurückgeworfen sind, die wahrscheinlich sonst keine Berührungspunkte gehabt hätten. Natürlich wird suggeriert, dass Amanda aus (latent) rassistischen Motiven – denn eigentlich ist sie Demokratin – derart skeptisch ist, allerdings darf man nicht vergessen, dass sie in einem Anwesen fernab von allem sind (der nächste Nachbar ist zehn Minuten entfernt) und es keine Beweise gibt, dass die Menschen tatsächlich das sind, was sie vorgeben. Nachdem Amanda schon in der Anfangsszene sagt: “Ich hasse Menschen” denke ich nicht, dass es nur daran liegt, dass die beiden schwarz sind. Bzw. wäre es echt mal originell, die umgekehrte Situation zu sehen – eine schwarze Familie, die von einer weißen überrascht wird. Ich jedenfalls hätte Mahersala Ali tendenziell alles geglaubt, weil er halt wirklich so nett und vertrauenserweckend wirkt, nur wenn man sich ehrlich ist, ist Clay in seiner jovial-verständnisvollen Art doch auch ziemlich naiv.

Leave the World behind ist kein Horrorfilm, wo man dauernd irgendwelche Splatterattacken oder sonstigen Brutalitäten ausgesetzt wird. Alles ist viel subtiler und deshalb – zumindest für mich – um einiges bedrohlicher. Friedliche Waldtiere spielen dabei eine erstaunlich beklemmende Rolle, wie auch weiße Teslas und Flugzeuge (die mir sowieso immer suspekt sind), ebenso die Serie Friends, die als eine Art dramaturgische Klammer wirkt. Rose wollte nämlich gerade die letzte Folge sehen als das Internet ausfiel. Und während alle rundherum die Nerven wegschmeißen, geht es ihr nur darum, irgendwie herauszufinden, ob Rachel und Ross im Finale zusammenkommen. Interessant ist außerdem, dass die eher links-liberalen Protagonisten angesichts der immer prekäreren Lage an ihre Grenzen kommen und der Einzige, der der Situation Herr zu sein scheint, der Verschwörungstheorie-Prepper von nebenan ist, der eh schon immer mit dem Schlimmsten gerechnet hat.

Viel mehr kann ich nicht verraten, ich würde mir auch den Trailer nicht anschauen, weil der viel zu viel spoilert; interessant ist vielleicht noch, dass Barack Obama Mitproduzent dieses Films war – weiß er irgendwas, was wir nicht wissen, frage ich mich? Nun, ich hoffe nicht.

Anatomie eines Falls

Nachdem vermutlich nächste Woche wieder einmal eine nicht-englischsprachige Schauspielerin für einen Schauspieloscar nominiert werden wird – ich hoffe, ich verschreie es jetzt nicht – möchte ich noch über Anatomie eines Falls berichten, einen Film, den ich schon im November gesehen habe und der mich sehr beeindruckt hat.

Die Schriftstellerin Sandra (Sandra Hüller), ursprünglich aus Deutschland kommend, lebt mit ihrem Mann Samuel und dem stark sehbehinderten Sohn Daniel (sehr beeindruckender Kinderdarsteller, Milo Machado Graner) in einem Chalet bei Grenoble. Der Film beginnt damit, dass Sandra zuhause ein Interview geben möchte, dieses aber abbrechen muss, da Samuel im Obergeschoss die Musik so laut aufgedreht hat, dass eine Unterhaltung unmöglich wird. Gemeinsam mit der Journalistin verlässt auch Daniel das Haus, um eine Runde mit dem Blindenhund zu gehen. Als er zurückkommt, findet er Samuel tot im Schnee liegen. Verzweifelt ruft er nach Sandra, die genauso schockiert ist wie er. Bald stellt sich heraus: Bei diesem Sturz handelt es sich nicht um einen Unfall, es war entweder Suizid oder Mord. Weshalb sich Sandra bald vor Gericht verteidigen muss…

Der Titel ist schon recht zwei- oder sogar mehrdeutig, denn es geht um einen Kriminalfall – große Teile des Filmes spielen sich in einem Gerichtssaal ab -, um einen Sturz aus großer Höhe und um den Niedergang einer Partnerschaft, einer Familie. Samuel und Sandra haben aus verschiedenen Gründen keine glückliche Ehe mehr geführt, in erster Linie weil sich Samuel Sandra allumfassend unterlegen fühlt. Sie ist kreativer und erfolgreicher, sie verdient viel mehr Geld, zudem hat sie Affären mit anderen (auch Frauen). Dazu kommt, dass Samuel sich irrationale Vorwürfe bezüglich Daniels Beinahe-Erblindung macht. Sandras Anwalt Vincent (Swann Arlaud) ist ein enger Vertrauter, wie eng genau, wird nicht ganz klar, der ihr zu verstehen gibt: Es geht nicht darum, ob sie die Tat begangen hat oder nicht, es geht darum, eine gute Geschichte für das Gericht und die Presse zu entwickeln.

Anatomie eines Falls greift ganz verschiedende Themen auf wie eben die Frage, ob es sowas Wahrheit gibt, ob es überhaupt möglich ist, der Wahrheit in einem Gerichtssaal auf die Spur zu kommen bzw. ob das tatsächlich das Anliegen der Justiz ist und ob in weiterer Folge ein Urteil gerecht sein kann. Hier ist besonders interessant, wie ungut und schon fast aggressiv der Staatsanwalt (Antoine Reinartz) dargestellt wird – er sieht mit seinem kahlrasierten Kopf auch ein bisschen aus wie ein Radikaler; was dazu führt, dass man sich als Zuseherin vielleicht etwas mehr an die Seite von Sandra stellt. Doch auch Sandra ist sehr ambivalent gezeichnet, keine besonders einnehmende oder zugängliche Person, die wenig liebeswertes an sich hat und eigentlich alle auf Distanz hält, der man auch als Zuseher nicht wirklich näher kommen kann. Alles an diesem Film ist komplex, widersprüchlich (der fast blinde Sohn als der einzige “Augenzeuge”), verschließt sich einfachen Deutungen und voreiligen Schlüssen, das hält die Spannung bis zur letzten Minute aufrecht. Und Hüller zieht einen in ihren Bann, sie trägt diesen Film, dessen grobkörnige Optik genau die Rauhheit widerspiegelt, die diese Frau ausmacht.

Obwohl an diesem Film wirklich nichts lustig ist, fand ich doch amüsant, dass der Song, der am Anfang des Filmes so penetrant laut und repetitiv gespielt wird, mutmaßlich um Sandra zu ärgern, eine Instrumentalversion von 50 Cents P.I.M.P ist, die einem wirklich schnell schwer auf die Nerven geht. Im Gerichtssaal wird Samuel quasi posthum Misogynie vorgeworfen, weil die Lyrics so problematisch wären. Darauf ein kleinlauter Einwurf: “Aber er hat ja die Instrumentalversion gespielt”.

Empfehlenswert ist, sich Anatomie eines Falls in OmU anzusehen, weil die Vermischung zwischen Französisch und Englisch ein integraler Bestandteil der Handlung ist. Sandra fühlt sich nicht fähig, sich auf Französisch adäquat auszudrucken (und damit zu verteidigen), aber auch Englisch ist nicht ihre Muttersprache. Tatsächlich hören wir Sandra niemals in ihrer eigenen Sprache sprechen, diese Problematik schwebt als ein weiteres Thema in der Luft, gerade auch, weil ihr als Schriftstellerin Sprache so wichtig ist.

Hier der Trailer:

The return of the Vitaminstars

Das Kind und naja, okay vor allem ich hatten eine kleine Regression und im Zuge derer das alte Vitaminstars-Stoffobst und Gemüse von Billa (unbezahlte Werbung) wieder hervorgeholt. Dabei habe ich dann recherchiert, das uns ein paar Figuren fehlen, die es damals nur bei Penny gab. Also hab ich die bei willhaben zu drei Euro pro Stück bei einer Privatperson gekauft und es hat sich total gelohnt, sie sind wie neu.

Nachdem die anderen Figuren alle Namen hatten – von Carlos Banana über Gina Aubergina bis Leonardo di Paprika – und wir die Namen dieser drei nicht wussten, haben wir uns einfach selber welche ausgedacht.

Die Ananas heißt Anna. Ok, noch nicht der Gipfel der Kreativität.

Den Karfiol habe ich Karl Fiol genannt. Das Kind so: “Boah unglaublich…”. Ich find es aber super. Hihi.

Und die Melone (Achtung, der braucht ein bisschen) Giorgia.

Priscilla, Elvis und Co., zwei

Ok, also Baz Luhrmann. Seinen Film Moulin Rouge habe ich fast auswendig mitsprechen gekonnt, in einer Phase meines Lebens hat er mir sehr viel bedeutet. Entgegen meiner Erwartungen fand ich es ganz wunderbar, wie Nicole Kidmann und Ewan Mc Gregor in Paris der Jahrhundertwende miteinander singen. Ja, Moulin Rouge ist so überladen und voller Pathos und man kann das auch cheesy finden, gleichzeitig ist es aber auch herrlich selbstironisch und ich war wirklich hin und weg, ich habe ja so einen kleinen soft spot für gegen-den-Strich gebürstete Filmmusicals, mit Menschen, die nicht eigentlich keine Sänger und Tänzer sind (siehe La La Land). Denn eines hat Luhrmann mit Sofia Coppola gemeinsam, er setzt auch gerne moderne Musik in ganz andere Zusammenhänge – in Moulin Rouge mischt er Whitney Houston, Elton John, Sting, Beatles, David Bowie und noch einige andere zusammen und macht dann doch etwas ganz anderes daraus.

Jetzt füllt sein Elvis genau die Leerstellen, die bei Priscilla entstanden sind. Während Priscilla eigentlich fast ausschließlich die schwierige Beziehung zwischen eben Priscilla und Elvis zeigt und sonst wenig aus Elvis’ Leben, beleuchtet das Baz Luhrman Werk die toxische Verbindung von Elvis und seinem Manager Colonel Tom Parker – Tom Hanks angelegt am Rande einer Karikatur. Dieser Colonel kommt bei Coppola nur am Telefon vor, nie im Bild, während er in Elvis quasi der Erzähler ist, der sich unschuldig am Tod von Elvis wähnt, definitiv aber eine ziemlich zwielichtige Rolle in seinem Leben gespielt hat und ganz sicher nicht alle Entscheidungen zu dessen bestem getroffen hat.

Und auch wenn mich Elvis als Person wie gesagt eher weniger interessiert und ich ihm auch in diesem Werk kaum näherkomme, mag ich diesen unverkennbaren Luhrman Stil immer noch, dieses over-the-top, die Kamera, die das Bild einmal im Kreis dreht, seine vielen kleine originellen Ideen – über Gebäuden steht zum Beispiel in riesigen stylischen Lettern, wo wir uns befinden, und auch das Klotzen statt Kleckern, was sonst nicht unbedingt so meines ist. Der Film ist so modern und jetzig, während Priscilla komplett im Stil der späten 60ziger und frühen 70-er verhaftet bleibt. Wie erwartet haben die beiden Filme praktisch gar nichts miteinander zu tun. Aber man bekommt ein umfassenderes Bild, weil der Zugang so unterschiedlich ist.

Viel mehr Parallelen finden sich erstaunlicherweise von Priscilla zu Maestro, von und mit Bradley Cooper. Maestro erzählt ja kaum etwas vom Musiker und Dirigenten Leonard Bernstein – wenn einen die musikalische Komponente ins Kino lockt, ist man bei TAR viel besser aufgehoben – sondern es geht hauptsächlich um die Beziehung zwischen Bernstein und seiner Frau Felicia. Wie wir jetzt alle wissen, war Bernstein bisexuell und hatte nebenbei Beziehungen zu Männern und das ist das Hauptthema des Films. Und eigentlich ist es , wie bei Prisicilla, oft auch ein Film über die Frau an der Seite von einem sehr berühmten Mann, wobei die Problemlage der beiden Ehen natürlich unterschiedlich gelagert ist. Und obwohl der Film Maestro heißt, gilt der erste Monolog in diesem Film Felicia, ebenso das letzte Bild, mit dem man dann das Kino verlässt.

Priscilla, Elvis und Co., eins

Ich muss ehrlich sagen, ich kann mit Elvis Presley nichts anfangen. Meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin, mochten ihn nicht. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass er bei meinem Musik-affinen Vater irgendwo zwischen Bob Marley, Jazz und Wagner-Opern mal aufgetaucht wäre. Und ich persönlich konnte ebenfalls gar nicht andocken, weder musikalisch noch am Phänomen Elvis.

Insofern war ich nicht allzu gespannt auf Priscilla, den neuen Film von Sofia Coppola. Denn auch wenn es in diesem Film nicht direkt um Elvis geht, sondern eben um seine Frau, dachte ich mir, wenn ich den (ziemlich faden) Trailer sehe, kenne ich die gesamte Problematik. Nämlich: Die beiden heiraten sehr jung – Priscilla war 14 als sie sich kennenlernten – und dann verräumt Elvis sie auf Graceland, während er selbst um die Welt reist und Karriere macht. Auch wenn Coppola irgendwie auf die “Sad girls” abonniert ist und die mitunter auch hervorragend porträtiert – Lost in Translation ist nach wie vor einer meiner Lieblingsfilme und da passiert jetzt plottechnisch auch wenig – war ich skeptisch, ob Coppola da wirklich viel mehr herausholen kann. Aber dennoch war ich natürlich auch neugierig, weil ich unter anderem eine tolle Besprechung im FM4 Filmpodcast gehört habe (den ich diese Woche entdeckt habe, und der ganz super ist).

Nachdem ich den Film jetzt gestern gesehen habe, muss ich leider sagen, dass er mich tatsächlich nicht überzeugen konnte. Ich habe lange gegrübelt, woran das liegt und ich glaube, dass mir das gefehlt hat, was die frühe Sofia Coppola sehr ausgezeichnet hat: Stimmungen zu transportieren, ungeheuer starke Bilder zu erzeugen und musikalisch zu untermalen. Natürlich schafft Coppola es zu vermitteln, was zwischen Priscilla und Elvis schief läuft und darzustellen, dass Graceland im Prinzip ein goldenes Gefängnis für Priscilla war. Sie zeigt einen dominanten Elvis (Jacob Elordi), der kritisiert, wenn Pricilla (Cailee Spaeny) große Blumenmuster trägt, weil sie dafür zu klein wäre und, der möchte, dass sie dauernd daheim hockt und sich von ihr wünscht “keep the home fires burning”, also sehr Steinzeit-lastig. Darüberhinaus ist Pricilla, so skurill es auch klingt, ein bisschen ein Mutterersatz für ihn, eine Vertrauensperson, auf die er sich verlassen will. Diese Vertrautheit steht hier meilenweit über der wenig relevanten sexuellen Beziehung der beiden. Das alles ist handwerklich schon tadellos erzählt und auch sehr gut gespielt, aber es geht für mich nicht darüber hinaus. Mir fehlt ein Spin, der mir irgendwas zeigt, was ich nicht erwarte, in dieser Konstellation.

Sofia Coppola hat die Rechte an den Elvis Songs nicht bekommen – im Gegensatz zu Baz Luhrmann, der ja erst im vorigen Jahr seinen Elvis Film herausgebracht hat. Was natürlich daran lag, dass sie ja die “gegnerische” Seite beleuchtet hat. Das ist aber kein allzu großes Malheur, denn Coppola ist ja dafür bekannt, dass sie Musik sehr anachronistisch einsetzt, man denke an Marie Antoinette, wo das Leben der französischen Königin durchgehend mit Indiepop untermalt wird und das einfach toll ist, weil es genau diese Brechung ist, die ein relativ bekannter biografischer Stoff braucht, um irgendwie frisch zu wirken und man das Ganze aus einer anderen Perspektive sieht. Bei Priscilla ist mir die Musik dann eigentlich zu unauffällig und zu wenig kontrastierend.

Und weil mich der Film irgendwie so leer zurückgelassen hat, habe ich mir gedacht, ich muss im Anschluss gleich den Baz Luhrmann Elvis anschauen (auf Amazon Prime zu sehen, unbezahlte Werbung), um einen direkten Vergleich zu ziehen.

To be continued…

Maksym

Ich habe aber nicht nur WWM geschaut, sondern auch gelesen, zum Beispiel Maksym von Dirk Stermann, ein Buch, das ich von meiner Freundin M. zu Weihnachten geschenkt bekommen habe.

Ich habe von Stermann schon Sechs Österreicher unter den ersten fünf gelesen, aber das war mir irgendwie zuviel Salon Helga auf einen Roman aufgeblasen. Außerdem waren einige Österreich-bezogene Fehler enthalten, die dem bundesdeutschen (?) Lektorat anscheinend nicht aufgefallen sind. Der Anfang des Romans ist ja in den 1980er Jahren angesiedelt und da hieß das Museumsquartier noch nicht so und eine Sackerl-Gackerl Kampagne gab es auch erst in den 2000er Jahren. Solche Raum/Zeit Kontinuum Ungenauigkeiten gibt es in Maksym nicht mehr.

Generell ist Maksym viel mehr ein Roman als es frühere Werke von Dirk Stermann waren, allerdings sollte man sich nicht daran stören, dass der Protagonist, der diesen Namen trägt, erst auf Seite 134 erstmals auftaucht (vorher wird nur über ihn gesprochen) und auch danach keine übertrieben große Rolle spielt, es ist eher das, wofür Maksym steht ein Thema. Stermann erzählt immer noch (ein bisschen zu) viele kleine Geschichten abseits der Haupthandlung, aber er ist immerhin nicht Javier Marias, dessen Morgen in der Schlacht denk an mich ich buchstäblich irgendwann in eine Ecke geworfen habe, weil er einfach nicht zum Punkt gekommen ist und dafür hab ich keinen Nerv. Stermanns kleine Geschichten nebenbei sind wenigstens ausgesprochen pointiert.

Aber auch wenn der Roman noch etwas konzentrierter hätte sein können, der Haupterzählstrang ist schon relativ klar herausgearbeitet, es geht um die Liebe zu Wien und die Selbstfindung einer fiktionalisierten Version von Dirk Stermann (die auch diesen Namen trägt). Es geht um dessen kleinen Sohn Hermann (der in Wirklichkeit anders heißt). Es geht um seine erwachsene Tochter Kina (die in Wirklichkeit auch anders heißt) und einige Frauen, die alle aus der Stermann-Tasse getrunken haben. Und natürlich auch um Maksym.

Oft gelingen Stermann sehr schöne, manchmal auch poetische Formulierungen, etwa wenn er über junge Frauen in Duisburg schreibt, die “ihre beste Zeit weder vor noch nach sich haben.” Wenn er über die an sich unnötige Handlung eines Suizid schreibt, nach dem Motto, warum sollte man sich umbringen, man stirbt sowieso irgendwann. Das sei “(…) wie putzen, bevor die Putzfrau kommt.” Einmal wundert sich Dirk, wieso sein Sohn am Handy scrollen könnte. “Ich dachte, wir würden unser Kind analog aufziehen”. Er erzählt über das Waldviertel, das “Schottland Österreichs”, wo sich Wiener baufällige Bauernhäuser kaufen, weil “(…) die Wiener, anders als die Waldviertler glücklich sind, wenn es romantisch durchs Gebälk zieht.”

Eine schöne Beschreibung ist mir besonders aufgefallen, weil ein sehr lieber Mensch das früher schon einmal so ähnlich beobachtet hat, der meinte fürs Kaffeetrinken bräuchte man Zeit und man dürfte das Wort Kaffee daher nicht so abgehackt aussprechen. Stermann sieht das genauso:

Er fiel in das Wort hinein, anstatt es elegant hinten offen zu lassen. Betonte nicht das e am Ende, in dem das ganze Aroma des Getränks lag, sondern knallte in das Wort, als krachte ein Boot an eine Hafenmauer, an der die abfedernden Reifen abgefallen waren.

Maksym – Seite 114.

WWM

Früher, so vor 25 Jahren ähm, habe ich gerne Wer wird Millionär gesehen. Dann quasi Jahrzehnte nicht und vor einiger Zeit hab ich mit dem Kind wieder ab und zu geschaut.

Diese Woche waren gleich fünf Sendungen. In den ersten vier wurden die Finalisten für Freitag ermittelt (alle, die mindestens 16.000 Euro gewonnen hatten) In der Finalsendung konnten sie nochmal antreten, wenn sie auf einen Teil ihres Gewinns verzichteten und dafür bis zu drei Millionen Euro gewinnen, weil jede normale Gewinnstufe wurde verdoppelt. Kann man noch folgen? Aber es ist eh nicht so wichtig.

Wichtig ist, das Kind fand einen Kandidaten auf Anhieb sympathisch, der sich später als Polizist aus schwierigen sozialen Verhältnissen und mit einem ungemein guten Allgemeinwissen herausstellte. Der hat einfach mal 125.000 Euro gewonnen, dann am Freitag alles bis auf 50.000 wieder eingesetzt und am Schluss insgesamt sogar 150.000 Euro gewonnen. Und er war wirklich so ein toller Kandidaten und so rührend, weil ihm dann auch die Tränen gekommen sind. Ich so: Ohhh. Das ganze Publikum so: Ohhh. Und Günther Jauch so: Ohhh. Und auf Twitter alle: Ohhh. Und das ist wirklich erstaunlich. Jeder Mensch hat ihm das Geld gegönnt, echt.

Das war seine 125.000 Euro Frage, wo einmal ein Papstpalast gestanden hätte, nämlich in:

A) Avignon, B) Bordeaux, C) Orleans oder D) Reims.

Sein Telefonjoker, ein Historiker, meinte, der Papst hätte vor Rom in Avignon residiert. Und der Kandidat dann so zu Jauch ja ok, aber hat er dort auch in einem Palast gewohnt. Und Jauch: Erfahrungsgemäß wohnen Päpste ja eher in so zwei bis drei Zimmer-Wohnungen. Harhar. Dann hat er sich getraut, A zu nehmen, was auch richtig war.

Außerdem mag ich die Sendung weil:

Naja und so hab ich diese Woche wirklich an jedem Abend rein gar nichts gearbeitet, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, aber es waren ja auch irgendwie Ferien

Poor Things

Ich weiß, wir konnten überall lesen, dass Greta Gerwigs Film Barbie das feministische Manifest des Filmjahres 2023 war. Und auch wenn ich Gerwig sehr schätze, ich “fürchte”, den tatsächlich feministischen Film des letzten Jahres hat Giorgos Lanthimos gedreht. Und er heißt Poor Things.

Poor Things wird erst im Laufe des Jänners in den österreichischen Kinos anlaufen, es gab aber vor Silvester einige Vorpremieren in Wien. Ich habe die – sehr gut besuchte – im Votiv Kino miterlebt.

Ganz ehrlich war ich skeptisch, was Poor Things betrifft. Ich hab von Lanthimos vorher nur The Lobster gekannt, aber der Film hat mich nicht wirklich abgeholt. Die Prämisse fand ich zwar super, aber mit Fortschreiten der Handlung entwickelte sich The Lobster für mich in eine sehr abgedrehte naturalistisch-triste Richtung. Und bei Poor Things fand ich schon die Prämisse eher heikel: Eine junge Frau Frau namens Bella Baxter (Emma Stone) aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes, lebt bei einem Anatomieprofessor names Godwin (Wiliam Dafoe), den sie “God” nennt und wird von diesem als “Experiment” betrachtet und in ihrem Alltag und ihrer Entwicklung beforscht. Aufgrund ihrer Fortschritte gelangt sie an den Punkt, an dem sie die Welt entdecken will, an ihrer Seite der windige Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo)…

Bella Baxter ist wahrscheinlich schon jetzt zu den ikonischsten Protagonistinnen der Filmwelt zu zählen. Und in ihrer Darstellung kann man so viel falsch machen und es könnte so peinlich und unangenehm sein, ihr zuzusehen. Denn Bella ist am Anfang von Poor Things wie gesagt geistig kaum entwickelt. Weil sie aber eine junge und attraktive Frau ist, begegnet ihr ihre Umwelt natürlich nicht wie sie einem kleinen Kind begegnen würde; speziell Männer (wir befinden uns vermutlich so irgendwo Ende des 19. Jahrhunderts) nähern sich ihr oft recht übergriffig und sie reagiert dann auf eine unschuldig-naive, oft auch das Gegenüber entlarvende Weise. Man merkt ihr trotz ihrer generellen Unerfahrenheit in der Welt ihren Freiheitsdrang und auch den Wissensdurst an. Und so nimmt ihre Entwicklung ihren Lauf und diese Entwicklung ist eben die einer selbstbestimmten Frau, die weiß, was sie will. Und zwar als Frau – oder auch einfach Mensch – die sich nicht von irgendwas abgrenzt oder gegen irgendetwas arbeitet, sondern die für Dinge einsteht und brennt.

Im Votivkino herrschte bald eine recht ausgelassende Stimmung, weil der Film ist enorm witzig und strange und bizarr, aber auch total lebensbejahend und positiv. Ort der Handlung ist eine surreale Welt, die zwar London oder Paris heißt, aber eigentlich der Fantasie von Lanthimos entsprungen ist und es ist toll, was er sich alles hat einfallen lassen. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Kleidungsstücke, die Bella trägt. Irgendwie von ihrer Zeit inspiriert, aber mit einem originellen Twist. Und Emma Stone ist so glaubwürdig und liebenswert als Bella, obwohl das wirklich eine Rolle ist, für die es keinerlei Vorbilder gibt und die soviele Fallstricke beinhaltet (sehr viel sexuelles, sehr viel “allzumenschliches”).

Absolut sehenswert, wenn man unkonventionelles mag.

Der Trailer:

Helnwein in der Albertina

Wie in allen Ferien gibt es einen Oma/Kind Ausflug. Diesmal habe ich die Helnwein Ausstellung in der Albertina (unbezahlte Werbung) vorgeschlagen. Die Oma musste ich da nicht überreden, schließlich hatten wir daheim früher auch Hausner-Werke hängen – und Helnwein war ein Hausner Schüler; das Kind kriegt man mit dem Hinweis, dass die Bilder sehr arg sind. Zuerst waren wir noch beim Italiener zur Stärkung.

Gottfried Helnwein kennt man eh soweit. Ein Künstler, der schon in meiner Kindheit in Wien “umstritten” war, weshalb er heute auch großteils in L.A. und in Irland lebt; was aber auch immer für für ein interessantes Euvre spricht. Gleich am Anfang begegnen mir der Mickey Mouse, die bei Helnwein Zähne hat.

Helnwein ist ja bekannt dafür, dass er gerne mit Populärkultur spielt, alleine schon deshalb, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Er gehört nämlich nicht zu den Künstler, die glücklich darüber sind, nur eine gewisse Klientel der eh schon kunstinteressieren Bevölkerung anzusprechen, nein, er möchte am liebsten auf Titelblättern von Zeitungen zu sehen sein, also muss er auch irgendwie breitenwirksam arbeiten und wer ist breitenwirksamer als Mickey. Das Bild fand ich schon früher irgendwie gruselig, nur aufgrund von Mickeys Zähnen.

Noch besser funktioniert eine Disney Maus natürlich in Verbindung mit Adolf Hitler. Auch Donald Duck kommt vor:

Bekannt ist Helnwein aber vor allem auch für seine Darstellung von verwundeten Kindern und generell Menschen mit körperlichen Deformationen. Das folgende Bild gehört da eher zu den harmlosen Exemplaren:

Und durch Darstellung von Gewalt bzw. Kinder und Gewalt.

Ich finde dabei immer wieder faszinierend, dass die Bilder eigentlich wie Fotografien aussehen, dieser Hyperrealismus ist schon ziemlich gruselig. Das Kind fand aber die Bilder gar nicht so grausig wie versprochen, aber schon sehr verstörend (und demzufolge auch interessant). Helnwein kommt also auch bei Jugendlichen von heute an. Außerdem hat mich das Kind in der Ausstellung auch entdeckt.

Almi, wenn sie um drei Uhr früh im Kinderzimmer auftaucht, weil noch telefoniert und gezockt wird.

Am Ende durfte sich noch jeder Postkarten im Souveniershop aussuchen (leider gab es den Hasen nicht) und anschließend lud Oma auf einen Absacker ins Grand Hotel ein, was teurer klingt als es ist, man kann in der Lobby ganz normal Kaffee trinken. Ein sehr schöner Tag.

Das war’s

Was ich mich 2023 gefragt habe:

…warum Leute eigentlich draußen Maske tragen. Mein Favorit diesbezüglich: Radfahrend, während es regnet.

…warum man zuerst gesellschaftlich komplett gegen die “Rosa/Hellblau-Falle” ankämpft, dann aber ein Mädchen, das sich für Autos interessiert oder ein Junge, der mit Puppen spielt, in den Verdacht gerät, im “falschen Körper” zu stecken?

…ob man jemals wieder Skepsis an vorgegeben Standpunkten zu jeglichen Themen anmelden darf, ohne sofort als rechtsextrem eingestuft zu werden?

Was ich 2023 zu oft erlebt habe:

Begräbnisse (zwei sind zwei zuviel). Arztbesuche. Scams- sowohl privat als auch beruflich (Gott sei Dank nur halbwegs geringer finanzieller Schaden). Traurige Freundinnen (für manche Geschehnisse gibt es einfach keine passenden tröstenden Worte).

Special thanks:

Gehen an meinen Orthopäden, der mich mittels Infiltrationen und dem Tipp: “A Rua geben” plus stundenlang spazierengehen von meinen multiplen Bandscheibenvorfällen geheilt hat.

Stolz bin ich:

Auf das Kind, von dem ich in der Schule höre, dass er genauso bleiben soll wie er ist, und das nicht auf die Leistung bezogen (die eh auch passt); ich schließe mich dem an. Wir haben null Pubertätskämpfe, alles schon zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr erledigt, harhar.

Insgesamt gab es viele besondere Momente in Freundschaften, mit dem Patchwork (zum Beispiel Punschkrapfenlieferung ans Sofa wegen Bewegungsunfähigkeit meinerseits usw.) und in Kinosälen. Ich kann das Leben wieder schön finden, mit dem “aber”, dass jemand fehlt und damit Nähe und Gespräche, die nicht mehr geführt werden. Aber der Kontakt ist wieder da, das ist beruhigend, dass man sich nicht ganz verloren hat.

Zusammenfassend kann ich sagen: Ich fühle mich wie in der zweiten Zeile eines Refrains, in dem das Schlagzeug in der 3. Zeile wieder einsetzt.

Und apropos schiefe Metaphern: nächstes Jahr möchte ich dann wirklich mein Buch fertigschreiben.

In diesem Sinn: Happy 2024!