almis personal blog

Ein wenig Leben – Gedanken 2

Zurück zum Roman Ein wenig Leben.

ACHTUNG WIEDER SPOILER MÖGLICH

Also bezüglich Trauma-Porn. Es geht in Ein wenig Leben vor allem um das Schicksal von Jude St. Francis und dieses Schicksal ist wirklich hart. Sein Leben als ausgesetzter Säugling ist bis zum Jugendalter gekennzeichnet durch schweren, wiederholten sexuellen und emotionalen Missbrauch, sowie durch erhebliche Körperverletzung, die aus ihm einen Versehrten machen. Diese Erfahrungen zerstören ihn so sehr, dass er sich als Erwachsener im Grunde selbst hasst und immer wieder, naja ritzt ist ein zu schwaches Wort, ich würde eher von Selbstverstümmelung sprechen, und das wird auch sehr ausführlich und detailliert geschildert.

Und hier liegt sowohl der extreme Erfolg, wie auch die große Kontroverse um diesen Roman begründet. Die einen finden das alles so tragisch, dass sie quasi mit dauerlaufendem Tränenfluss dieses Buch lesen, und teilweise auch irgendwie geläutert werden. Die anderen sehen sich manipuliert und meinen hier werde maßlos übertrieben. In der Sendung Das lesenswerte Quartett spricht Germanistin Insa Wilke von einem “populären Realismus”, in dem das außerordentliche gefeiert wird, um die formale Normalität zu überdecken. Also quasi, das Buch durch seine Übertreibung größer zu machen als es im Grunde wäre. Mir ist es, ganz ehrlich, auch zu viel gewesen und vor allem fand ich es enorm unglaubwürdig, dass Jude immer und immer wieder weiter missbraucht wird, durch jede neue Person, die in sein Leben tritt, jede Institution, auch solche, die ihn schützen sollten. Ich finde, Yanagihara hätte das gar nicht notwendig gehabt, weil ich die Art, wie sie erzählt, schon sehr gerne mag und ich denke, es hätte auch mit weniger drastischen Mitteln funktioniert.

Das Thema, bei dem ich persönlich länger hängengeblieben bin – und das auch kontrovers diskutiert wird – ist die Rolle der Freunde in diesem Roman. Die einen meinen, das ist so eine tolle Freundschaft, weil alle Jude unterstützen und für ihn da sind, also auch, wenn er sie mitten in der Nacht anruft und so weiter. Die anderen wiederum sind der Ansicht, dass es weniger Freundschaft als Co-Abhängigkeit wäre und irgendjemand Jude, der sich strikt gegen Psychotherapie wehrt, einmal hätte zwangseinweisen sollen, zu seiner Rettung. Stattdessen unterstützen sie ihn quasi eher in der Destruktivität. Das finde ich ein ganz schwieriges Thema – und wurde auch im Film Sterben voriges Jahr verhandelt. Weil was zählt mehr? Die Selbstbestimmung eines Freundes, auch – wenn man so will bis zu seinem sicheren Tod – oder die Einmischung in dessen Leben, zu seinem (scheinbaren) Wohle, was aber einer Entmündigung gleichkommt. Aber vielleicht ginge es ihm dann besser und er wäre mir dankbar dafür?

Die Autorin selbst “glaubt” offensichtlich nicht an Psychotherapie, bzw. will mit diesem Roman das Exempel statuieren, dass es Schicksale und Traumatisierungen gibt, die eben nicht therapiert werden können. Fair enough, aber die Alternative ist dann halt ziemlich dunkel, pessimistisch und im Grunde auch zerstörerisch. Oder ist es einfach realistisch? Ich bin da sehr nachdenklich geworden. Und insofern stimmt es schon, dass dieser Roman die Diskussion über sehr große Themen recht gekonnt anstößt.

Rätselhaft

Ich war auf einem Begräbnis. Die Cousine meines Papas ist gestorben.

In der Trauerrede wurde ihre Katze erwähnt. Die Katze hab ich selbst gekannt, weil ich sie ab und zu, wenn die Cousine auf Urlaub war, gemeinsam mit meinem Papa füttern gegangen bin. Das war ein besonderer Nervenkitzel, weil die Katze aussah wie ein Raubtier, spitze Ohren und Zähne, gelbe Augen, groß und drahtig. Sie hatte es sich zum Ziel gemacht, sich nie blicken zu lassen, wenn wir die Türe aufgesperrt habe, um uns irgendwo, versteckt auf hohen Kasteln sitzend, zu beobachten und uns, sobald wir gar nicht mehr damit rechneten, fauchend mit ausgefahrenen Krallen ins Genick zu springen. Es war irgendwie lustig, aber auch ein bisschen beängstigend. Die Katze hieß übrigens Angelo, noch nie war ein Name unpassender.

Jedenfalls war es eine schöne Trauerrede, die die ganze Person umfasste, ihren Charakter, ihre Vorlieben, die Familie, einfach ihr Leben. Ich dachte daran, wie sie öfters mit ihrem Mann ins Rosental gekommen ist, um meine Großeltern und mich im Urlaub zu besuchen und wie lustig es war. Ich dachte daran, wie sie versucht haben, mir das “r” beizubringen als ich noch klein war, das ich lange nicht sprechen konnte, dass man von ihrer Wohnung am Matzleinsdorfer Platz die Züge beobachten konnte und dass immer eine Dose Cola für mich in ihrem Kühlschank stand, wenn ich sie besuchte. Ich dachte daran, welche Floskeln sie verwendet haben, wenn sie miteinander und mir mir sprachen.

All das hat diese Rede ausgelöst und ich würde sagen, so etwas zeichnet eine gute Trauerrede aus. Vielleicht wundert sich jetzt jemand, dass ich davon fasziniert bin, aber beim Begräbnis meines Papas vor über zwei Jahren wurde kein Wort gesagt. Und wenn ich sage kein Wort, so meine ich es auch kein Wort. Es gab Musik und wir saßen ein bisschen in der Aufbahrungshalle und das Kind legte den Arm um meine Schulter; die Cousine saß übrigens schräg hinter mir. Aber sonst geschah da nichts. Dann gingen wir zum Grab, das alles dauerte vielleicht zehn Minuten.

Die meisten der Gäste haben sich damals mehr oder weniger darüber gewundert, dass die Frau meines Papas das so beschlossen hat, aber ich fand es im Grunde ganz stimmig. Ich dachte mir, wahrscheinlich ist das zwangsläufig genau das, dass es Leben gibt, die man irgendwie zusammenfassen kann und andere nicht. Dass man manche Menschen mehr verstehen kann als andere, dass manche vielleicht auch gar nicht wollen, dass man irgendwelche Schlüsse über sie zieht oder ihr Leben in bestimmten Sätzen resümiert.

Und es gehört zu den manchmal schwierigen Aufgaben im Leben, zu akzeptieren, dass Dinge verborgen und rätselhaft bleiben, so sehr man es sich auch anders wünschen würde.

Gute Gedanken.

Meine Mutter sagt in regelmäßigen Abständen zu mir, dass ich mir viel zu viele Gedanken über alles mache. Das bringt überhaupt nichts, findet sie, außer, dass es anstrengend ist.

Nun war ich heute mit etwas konfrontiert, was ich so nicht kommen gesehen habe. Konkreter kann ich nicht werden, da es mich, wie schon mal erzählt, nur peripher betrifft. Aber weil gerade niemand anderer verfügbar ist, war ich gefragt. Ich habe mir also zwar wie immer viele Gedanken gemacht, über diese Sache aber trotzdem zu wenig, weil mir gar nicht eingefallen ist, dass das passieren könnte. Oder hat meine Mutter recht, dass man eh nicht auf alles draufkommt, worüber man sich sorgen könnte und man es deshalb gleich lassen kann. Ich tendiere heute eher zu zweiterem, muss ich zugeben, harhar.

Jedenfalls habe ich dann ein Gespräch führen müssen, wie ich es gar nicht mag, klar, deutlich, auch bestimmt bzw bestimmend. Wäre das Kind dabei gewesen, hätte er gesagt: “Boah cold”, was er immer sagt, wenn ich eine (meistens eh nur pseudo) ernste Ansage mache. Das ist so Jugendsprech und wir lachen immer sehr drüber, soviel zu meinen ur “colden” Ansagen. Aber ja, das heute war ok. Obwohl es mich sehr herausgefordert hat, hat es auch etwas bewirkt.

Hätte das gerne jemand erzählt, wie ich ihm immer alles erzählt habe und weil ich ein bisschen stolz auf mich war. Aber im Grunde habe ich damit eh nie aufgehört, in Gedanken. Und das sind auf jeden Fall die guten Gedanken, und die werde ich mir immer machen.

Coffee to go

Am Freitag war ich mit P. im Cafe Schopenhauer frühstücken.

Das Schopenhauer hat eine sehr witzige Frühstückskarte. Die Gerichte haben Namen wie Friedrich Nietzsche – das habe ich gegessen, es ist ein Laugencroissant mit Eierspeise, Paprika und Zwiebeln – Rosa Luxemburg, Thomas Jefferson oder Simone de Beauvoir; letzteres ist übrigens ein Espresso plus eine Zigarette, harhar. Generell sind die Namen aber origineller als die jeweilige Darbietung. Es war schon gut, aber jetzt nicht soo speziell anders als anderswo. Zum Sitzen ist es allerdings sehr urig und gemütlich. Ich war hier auch früher schon mit dem liebsten Menschen. Damals haben wir einen riesigen Cappuchio bestellt.

Am Samstag war ich wandern.

Industrieschnee? Zumindest sah der Schnee wirklich sehr künstlich aus

Das Kind macht ja im Sommer, wie bereits erwähnt, einen argen Wanderurlaub und so trainiert die Urlaubsgruppe (zu der ich nicht gehöre) schon fleißig. Ich habe den Vorteil, ich kann auch Bewegung machen, was sicher nicht schadet, muss aber nicht so superfit oder schnell sein. Ich kann also auch mit hängender Zunge hinterher kriechen, aber so schlecht war ich eh nicht.

Wir sind neun Kilometer gegangen, mit Coffee to go und einer Mittagspause im Gasthaus oben. Es war eiskalt, aber beim Wandern merkt man das Gott sei Dank nicht so.

Bei der Jägerwiese/Agnesbrünnl

Ich finde ja, am schönsten ist es, nach dem Wandern heimzukommen und sich aus Sofa zu legen. Harhar. Und dort kann man dann noch dutzende Male den Trailer zu We Live in Time anschauen und ein bisschen in schöner Traurigkeit schwelgen.

Go with the flow

In den letzten beiden Jahren ist im Gartrnumfeld immer wieder mal etwas vorgefallen, über das ich mich aufgeregt habe. Einmal war ich sogar richtig “mad” deswegen, wie das Kind sagen würde, inklusive hitziger Diskussion.

Am Wochenende hat mich jemand darauf hingewiesen, dass das wohl aktuell wieder der Fall wäre. Und ich habe geantwortet: Ja, ok.

Danach hab ich mir überlegt, ob es mir so geht wie in dem LCD Soundsystem Song namens Losing my edge. Dass ich jetzt einfach Dinge hinnehme, die mich früher sehr gestört haben. Aber tatsächlich bin ich im Garten gesessen und habe mir gedacht, jetzt ist halt eben einfach gerade wirklich ok. Davor war die Situation anders, ich war erschöpft und unzufrieden und ich musste es wohl über diese Sache “ausagieren”, wie der Laienpsychologe sagen würde. Jetzt denke ich mir lediglich: Vielleicht werde ich einmal ein ruhiges Gespräch darüber führen, wenn es sich ergibt.

Ich denke mir: Go with the flow. Es gibt viele Dinge, die gerade schön sind, schreiben und Kino, vorher ein Crossaint essen; The Fountainhead lesen (Seite 150, harhar) und Frühstücken gehen, Podcasts hören, hin und wieder Nachrichten von jemandem bekommen, bei dessen Name ich lächeln muss. Ich brauch gerade nicht mehr diskutieren.

EPU

Wenn man selbstständig ist, antwortet man auf die Frage: Haben Sie gerade Kapazitäten frei? Eigentlich immer mit: Aber selbstverständlich. Deshalb arbeite ich jetzt gerade quasi an drei Projekten gleichzeitig.

Schön war, dass sich ein Auftraggeber, bei dem ich mich vor 20 Jahren mal beworben habe und seitdem sporadisch immer wieder Projekte bekomme, vorige Woche wieder angerufen hat. Eine Dame dort hat mich in der Datenbank gefunden. Wir haben dann gesprochen und sie hat sich anschließend per Mail dann für das “sehr nette Telefonat” bedankt und da dachte ich mir, dabei ist gerade Telefonieren wirklich nicht meine Kernkompetenz.

Naja und deshalb schreibe ich jetzt über Kräuter und Gewürze, über Erbstreitigkeiten und über österreichische Autorinnen, was mich natürlich besonders interessiert. Oft bin ich komischerweise viel mehr im Flow, wenn ich ein bisschen zu viel zu tun habe.

Also Fazit: Ja, ich habe gerade Kapazitäten frei! Harhar.

Slingshot

Das Kind verbringt die letzten Schultage unter anderem mit seiner Klasse im Prater, wo er ein Video davon schickt, wie er mit einem Teufelsgerät namens Slingshot fährt.

Praktisch jeder, dem ich das Video zeige, kommentiert es mit: “Na das hat er aber nicht von dir.”

Sehr freundich, wie ihr den Begriff “Angsthase” umschrieben habt. Harhar. Aber mein Trost ist, dass er selbst unter Gleichaltrigen nur einen gefunden hat, der da mit ihm fahren wollte.

Fall Guy

Das Kind war am Wochenende auf dem ESports Festival im Austria Center und hat mir ein Geschenk mitgebracht.

Ein Maxerl von Fall Guys. Unbezahlte Werbung. Fall Guys ist eine Art Multi Player Geschicklichkeitsspiel.

Das Kind: Das ist das einzige Spiel, das du manchmal spielst!

Ich: Und zwar schlecht. Harhar.

Aber ich mag das Spiel und das Maxerl “Lightning” ist süss und ich habe mich total darüber gefreut.

Meine Monaco-Narbe

Blick auf Monaco – August 2006

Weil gerade Rennwochenende in Monaco ist: Mir ist kürzlich, als ich Fotos zu Hearst Castle gesucht habe, wieder ein Foto von Monaco untergekommen, das ich 2006 gemacht habe.

Für dieses Foto bin ich aus dem Auto raus, über eine Leitplanke drüber und habe mich dabei an der Innenseite eines Knies verletzt (diese Leitplanken sind erstaunlich scharf!). Ich wage zu behaupten, dass das nicht meine allerbeste Idee war und ich habe – fast 18 Jahre danach – immer noch eine Narbe davon, aber das Foto wars schon wert, oder? Harhar.

Gedanken

Heute hatte ich ein interessantes Treffen. Irgendwann mitten in der Coronazeit hab ich begonnen, für einen neuen Auftraggeber zu arbeiten. Wir haben seitdem immer nur geschrieben bzw. telefoniert und uns nie bisher getroffen. Zuerst war eben Corona und dann ergab es sich irgendwie auch nicht, weil sie auch in einem sehr hektischen Geschäftsfeld arbeiten, aber für heute wurde ich eingeladen, in ihr Büro gleich in der Nähe vom Stadtpark.

Stadtpark 17. April 2024 – wieder mal viel zu früh dran und noch schnell 5.000 Schritte gegangen harhar

Ich finde es ja extrem nervig, dass ich vor solchen Gelegenheiten nicht so gut schlafe und nervös bin und viel zu früh dran bin ich sowieso; ich mein, es ist ja kein Vorstellungsgespräch, ich mache den Job jetzt bereits drei Jahre. Die Chefin, der Chef sind beide lieb, sie sind zufrieden mit meiner Arbeit. Und ich freue mich ja, diese Menschen auch persönlich kennenzulernen. Aber ich denke dann immer, hoffentlich enttäusche ich niemanden und hoffentlich stehle ich niemanden die Zeit und ja, ich weiß, dass es lächerlich ist, aber can’t help. Ich habe zwar bessere Coping-Mechanismen als früher, das heißt, man merkt es mir nicht so an, aber es ist trotzdem so, dass ich mir viel zuviele Gedanken mache.

Meine Freundin K. hat mir vor kurzem dazu gesagt, das wäre halt ich, ich bin halt nicht “cool” und mir sind Sachen halt nicht wurscht und ich steigere mich halt in Dinge hinein, aber das wären ja auch gute Eigenschaften und ich könne das auch positiv sehen, so ein Mensch sei ich eben, der sich “einen Kopf macht”. Das hat mir geholfen, diese Verhaltensweise nicht so zu problematisieren. Aber einen Blogpost muss ich trotzdem dazu schreiben, das ist halt auch sowas wie Therapie.

Das Treffen bzw. Frühstück war dann auch wirklich total nett und es wird auch die nächsten Jahre viel interessante Arbeit geben und ich bin eine Stütze und das ist ja sehr schön zu hören.