almis personal blog

ESC 25, Italien

Apropos Verletzlichkeit, für Italien tritt heuer Lucio Corsi beim ESC an. (was für eine Weltüberleitung! harhar)

Wir erinnern uns: Eigentlich hat Olly San Remo gewonnen, doch der will nicht zum ESC wegen seiner Karriere, also darf der Zweitplatzierte fahren und das ist eben Lucio Corsi, ein recht klassischer “Cantautore”. In den Top 5 von San Remo waren lauter männliche Interpreten, aber es ging absolut gar nicht “toxisch” zu, es wurde viel über Natur, Nostalgie und über die eigene Identität gesungen und Corsi betont in seinen Song Volevo essere un duro: “Ich wollte ein harter Typ sein”. Die Art der Formulierung verrät schon, dass er das aber nicht ist und sein durchsichtiges Top mit Federn und sein ganz weiß angemaltes Gesicht, unterstreichen dieses Eingeständnis noch.

In dem Song geht es eben darum, dass Corsi sich gegen die harte Welt draußen wappnen will. Am liebsten wäre er ein Sumoringer, ein Roboter, ein Dealer, ein Goldmedailliengewinner im Spucken (das find ich sehr originell), der König von Porta Portese – da musste ich googlen. “Porta Portese” ist ein sehr berühmter Flohmarkt in Rom. Naja, jedenfalls schlussfolgert Corsi dann, er sei eben kein harter Typ, er hat nur den weißen Gürtel in Judo und er sei “non sono nessuno – altro di Lucio”. Niemand – anderer als Lucio. Dieser I am what I am-Moment, beim ESC quasi systemimmanent, hat mich schon gerührt.

Generell ist der Song nicht unbedingt “wettbewerbstauglich”, sehr bescheiden und zurückgenommen, aber auch sehr sympathisch, ich mag ihn gerne!

ESC 25 Schweden

Tja, was soll man sagen:

KAJ hat tatsächlich gestern beim Melfest gewonnen, Mans wurde mit seinem hochfavorisierten Song Revolution “nur” Zweiter und so geschah es, dass Österreich 20 Minuten später Nummer 1 bei den Wettquoten wurde. Mittlerweile wechselt es sich immer wieder mit Schweden ab. Aber das kennen “wir” so noch nicht, so früh eine Favoritenstellung zu haben – das haben weder Conchita noch Cesar Sampson geschafft. Was jetzt noch nichts heißt, das kann sich ja noch ändern, aber ich würde mal sagen, so schlecht schaut es nicht aus, harhar.

Mans Zelmerlöw, der eine ESC Persönlichkeit durch und durch ist, war offenbar komplett fertig und auch “pissed” deswegen, ich habe ein paar angefressene Interviews auf Social Media gesehen.

Was ich einerseits verstehen kann, andererseits war er es, der während seiner Moderation des ESC 2016 mit Petra Mele den Song Love Love Peace Peace gesungen hat. In diesem selbstironischen Song geht es um das “Geheimrezept”, mit dem man den ESC gewinnen kann – eben zum Beispiel über Liebe und Frieden zu singen, ungewöhnliche Instrumente zu verwenden, die Windmaschine etcetera und eben auch: “Look into the tv camera, so the audience can see, that you’re lovable, not desperate.” Vielleicht wollte er es doch ein bisschen zu sehr diesmal? Wie gesagt, ich kann ihn verstehen, es ist ein Wesenszug, der mir nicht total fremd ist.

Anyway: Wir haben jetzt mit KAJ und Bara Bada Bastu quasi einen Comedyact, komplett auf Schwedisch gesungen, weshalb ich auch noch nicht herausgefunden habe, worum es in diesem Song eigentlich geht, irgendwas mit Sauna, glaube ich. Weiter weg vom sonstigen schwedischen ESC-Brand kann man nicht sein. Vielleicht war den Schweden selbst auch schon ein bisschen fad mit den etwas zu perfekt polierten Songs

ESC 25 Österreich, 2

Ok nachdem ich gestern Wasted Love ungefähr 20 mal gehört habe, musste ich feststellen, dass der Song auch in der ESC Fanbubble total gut ankommt, in den diversen Gruppen gibt es gerade kein anderes Thema.

Ein ganz guter Tipp kommt von einem ESC-Vordenker auf X:

Damit spielt er auf das morgen stattfindende Finale des Melodifestivalen an, in dem Mans Zelmerlöw der große Favorit ist. Wir erinnern uns, das ist der, der 2015 in Wien mit Heroes den Sieg für Schweden holte und der – in mittlerweile auch schon schwedischer Tradition – dieses Jahr erneut antreten will. Sein Song Revolution klingt jetzt stilistisch nicht gaaanz anders (aka gefälliger Schwedenpop) und auch hier spielt er wieder mit dem Staging, wie schon 2015. Und wir als Österreicher sollen eben für einen Interpreten namens KAJ anrufen, damit nicht Mans gewinnt, der ein großer ESC-Siegfavorit insgesamt wäre, harhar.

Noch ein kleiner Sidestep – gestern wurde im ORF Artikel zu unserem Song auch über die anderen Teilnehmer reflektiert und da las man folgendes über den italienischen doch-nicht Kandidat: “Olly, der eigentlich für den Song Contest gesetzte Sieger, sagte nach kurzer Bedenkzeit ab – weil er sich erst auf seine Karriere konzentrieren will.” Das ist ja mal orignell, so: Ich hab jetzt keine Zeit für den Bledsinn. Harhar. Gut, es würden zwar 200 Millionen Menschen zuschauen, aber who cares.

JJ hat im Merci Cherie Podcast gesagt, dass er hoffe, er werde nicht in den Wettquoten abstürzen,wenn die Leute den Song dann vielleicht doch nicht so mögen. Naja, die Angst kann ihm genommen worden, seit heute liegt er auf Platz 2.

ESC 25 Österreich

Heute wurde “unser” ESC Song namens “Wasted Love”, schon mal sehr guter, interessanter Titel, interpretiert von JJ, um acht Uhr MEZ veröffentlicht. Der Song wurde bereits vorher auf X geleakt, was mittlerweile auch Tradition hat, weswegen ich ihn bereits um 6.45 Uhr, quasi mit dem Weckerläuten im Bett gehört habe.

Was soll ich sagen: sehr low key, totales Understatement, extrem unaufgeregt.

Ok, das war ein Witz. Die Devise ist eindeutig: Klotzen statt Kleckern. Und ich muss sagen: Ich liebe das voll! Ur! harhar. Und ich stehe dazu, ich geh jetzt mit diesem Schiff unter.

Apropos untergehen: JJ geht auch im Video unter, ein immer wieder gern genommenes Motiv in ESC-Videos und der Text hat auch viele Metaphern zum Thema Untergang zu bieten. Das Video endet aber beruhigender Weise mit einem Match-Cut in der Staatsoper; das ist wieder die imperiale Ingredienz, die wir als österreichische Teilnehmer gerne bringen, außerdem praktisch, der derzeitige Arbeitsplatz von JJ. Und die Kunst hilft gegen den Schmerz, zumindest meine Interpretation.

Ich hatte auch sofort irgendwelche diffusen Assoziationen und nach längerem Überlegen ist mir Klaus Nomi eingefallen. Ok, das liegt jetzt eh nahe, weil gleiches Genre, aber irgendwie hat der Song selbst auch sehr ähnliche Vibes. Das hat mich wieder an etwas erinnert und ich denke mir, immer erinnert mich alles daran, an jemand und das ist so arg, aber auch schön.

In den Wettquoten ist Wasted Love gleich mal gestiegen, was ja kein schlechtes Zeichen ist. Derzeit Platz 4 (!).

Die letzten Tage

In den letzten Tagen überschlagen sich die Ereignisse und ich überlege unter anderem hin und her, wen ich beim Oscar Tippspiel von Uncut (unbezahlte Werbung) wählen soll. Also es geht wirklich um wichtige Dinge! harhar.

Letztes Jahr hatte ich 20 von 23 Kategorien richtig, das wird heuer fix nicht passieren. Das Rennen ist so offen. Wie immer bin ich in einem emotionalen Zwiespalt, zum Beispiel bei “Bester Film”. Soll ich den Film wählen, der ganz gute Chancen hat und mir sehr gut gefällt (The Brutalist) oder den Film, der vermutlich die besten Chancen hat und mir nicht so gut gefällt (Anora). Ähnliches gilt für beste Hauptdarstellerin, aus gewissen sentimentalen Gründen bin ich ja schon für Demi Moore, alleine, weil sich ihre Töchter bei den Preisverleihungen immer so freuen – es gibt da Videos auf Social Media.

Was war noch los? Also der Opernball. Ich hab nicht viel gesehen, aber die Eröffnung. Dann ruft mich meine Mama an und schwärmt mir von den Kostümen vor. Ich so: “Bitte das ist der schönste Walzer aller Zeiten und wieso haben die solche Kostüme?” Meine Mama: “Warum, das sah toll aus, wie Samurais” Ich: Ich fand sie ur schiach! Die sollen was duftiges, pastelliges tragen, nicht sowas, wo man keine Beine sieht.” Mama: “Seit wann bist du so konservativ?” Ich: “Das Material verwendet man sonst für diese Decken, die man im Winter über Motorräder legt” Harhar.

Außerdem: Gestern hat das Wiener Duo Abor und Tynna die deutsche Vorentscheidung Chefsache ESC unter der Leitung von Stefan Raab beim Publikumsvoting gewonnen. Wow, da haben wir quasi gleich ja zwei österreichische Acts beim ESC und diese beiden singen auch noch deutsch – obwohl man jetzt nicht wahnsinnig viel versteht. Ich hab mir die Sendung nicht angesehen, weil ich Barbara Schöneberger nicht aushalte, aber ich finde der Song hat was. Mal schauen, wie sich die Wettquoten jetzt entwickeln, Österreich ist ja aktuell auf dem 5. Platz (warum auch immer), obwohl wir ja nicht mal noch den Song kennen.

Und: Ich lese gerade Tante Jolesch von Friedrich Torberg. Immer wieder super. Die Tante Jolesch macht die besten Krautfleckerl von allen, ihre ganze Familie kommt von überall her, wenn es Krautfleckerl gibt und als sie nach ihrem Geheimtipp dafür gefragt wird, sagt sie: Es ist immer zuwenig (davon vorhanden). Ich kenne jemand, der meinte damals, das sei auch sein Geheimtipp – in Bezug auf meiner Zuneigung zu ihm. Nun. Ich persönlich glaube fest daran, dass die Krautfleckerl der Tante Jolesch einfach wirklich die allerbesten waren. Analogie intended.

Und jetzt widme ich mich wieder der Oscar-Tipperei oder auch: Bauch gegen Kopf.

San Remo 3

Jetzt habe natürlich nicht nur ich alleine festgestellt, dass Simone Christicchis Song nicht so ESC “tauglich” ist, das wurde auch auf Social Media diskutiert. Wobei das bei Italien eher egal ist, weil auch Lieder, die anscheinend nicht “hinpassen”, gut ankommen. 1992 hat Italien nach seinem Sieg im Vorjahr Peppino di Capri geschickt, der einen ur sperrigen Song im neapolitanischen Dialekt gesungen hat, nur, damit sie nicht wieder gewinnen und der wurde auch 7. harhar.

Bei Christicci hat jemand aber dann den guten Einwand gebracht: Er muss ja gar nicht hinfahren. Dieses Jahr mussten die Künstler schon vor dem Wettbewerb in einer Erklärung festlegen, ob sie im Falle eines Sieges zum ESC fahren möchten oder nicht. Weiters wurde bekannt, dass Simone Christicci gesagt hat, dass er im letzten Jahr – als Amadeus das Festival leitete und moderierte – abgelehnt wurde, rückblickend betrachtet, sich, laut eigener Aussage, aber eh unwohl gefühlt hätte. Carlo Conti, der dieses Jahr verantwortlich ist, hat tatsächlich einen anderen Stil, konservativer und gediegener kommt mir vor. Amadeus war sehr “divers”.

Wobei Sidestep, Amadeus hatte 2022 die Kunstfigur Drusilla zu Gast, und die meinte, sie wäre kein Fan vom Wort divers bzw. “diversità”. Weil das nämlich so ein trennendes Wort sei, das den Fokus darauf legt, wie anders jemand wäre. Ihr gefalle das Wort “unicità” besser, das “Einzigartigkeit” bedeutet. Jeder ist einzigartig, aber das wäre nicht so voneinander abgrenzend. Ich finde, die Argumentation hat schon was.

Naja, jedenfalls haben dann einige geschrieben, wenn Christicci sich schon bei Amadeus unwohl fühlt, seine Verletzlichkeit auf der Bühne zu zeigen, wie fühlt er sich dann beim Songcontest? Auch eine berechtigte Frage. Es könnte jedenfalls heute Abend (bzw. eher morgen Früh) spannend werden, falls Christicci tatsächlich gewinnen sollte und aber nicht zum ESC will. Das gabs schon länger nicht. Wer jedenfalls gar nicht abgeneigt wäre statt ihm zu fahren, ist definitiv Achille Lauro. Harhar. Wir werden sehen. Vielleicht gewinnt ja jemand ganz anderer.

San Remo 2

Voriges Jahr huldigte man der Langweile – Angelina Mango besang La Noia, heuer ist großteils ziemlich gedrückte und melancholische Stimmung beim Festival.

Einer der Favoriten scheint Simone Cristicchi zu sein, der Abend für Abend seine persönliche via dolorosa beschreitet. Ich versuche ja immer in sehr mühevoller Kleinarbeit die Texte der Lieder selbst zu übersetzen. Christicci besingt in seinem Song Quando sarai piccola jedenfalls die Demenzerkrankung seiner Mutter, und wie er ihr dabei hilft, sich daran zu erinnern, in welcher Straße sie wohnt, was der Ring an ihrem Finger bedeutet, wie viele Kinder sie hat und wann ihr Geburtstag ist, nämlich am 20. März. Ein Song, der im Sprechgesang dargeboten wird und – wie bei diesen Themen oft der Fall – irgendwo zwischen echter Rührung, Kitsch und auch ein bisschen unangenehmer Beklemmung liegt. Das kommt anscheinend irrsinnig gut an, wäre aber auch irrsinnig untauglich als ESC Beitrag harhar, was den Italienern traditionell eher wurscht ist.

Achille Lauro ist den Nerds schon lange bekannt und wird auch diesmal mit “Achilleeee” Rufen empfangen. Lauro, noch in guter Erinnerung als Stripper – dem Song, mit dem er halbnackt vor drei Jahren für San Marino angetreten ist – gibt sich diesmal sehr seriös, als Dandy, im Frack, später im Nadelstreif. Er erzählt uns eine traurige Geschichte mit dem Titel Incoscienti giovani, die Liebe, so Lauro, sei “so ist wie Regen in der Villa Borghese.” Das Paar, das er besingt, hat im Peugeot übernachtet und er hat sie vom Autogrill aus angerufen und gedroht: “Se non mi ami muoio giovane” – wenn du mich nicht liebst, werde ich jung sterben. Okaaay. Achille Lauro mit den großen Gesten, wie wir ihn kennen. Den Song mag ich sehr!

Achile Lauro performt Incoscienti giovani – Screenshot by me

Brunori Sas besingt L’albero delle noci, einen Nussbaum und er möchte ohne Worte singen – das hat mich ein bisschen an Queer von William S. Buroughs erinnert. Fedez will überhaupt gleich seinen Partner(in) in Therapie schicken. Auch Willie Peytone ist unzufrieden und meint Grazie, ma no grazie (“Danke, aber nein danke”), ein schwieriger Titel, finde ich, weil er zu so vielen bösen Kalauern einlädt. Sarah Toscano hat ihren Song Amarcord genannt, vermutlich als Homage an den wunderschönen Fellini Film.

Super auch Fuorilegge (“Ungesetzlich”) von Rose Villian. Nomen est Omen. Villian mit schönen blauen Haaren besingt Bonny und Clyde und die “Nostalgia Puttana” – Nostalgie, diese ähm Prostituierte. Das Wort müsste für den ESC auf jedenfall raus, aber ich glaube nicht, dass Villian Chancen auf den Sieg hat, obwohl ihr Song schon auf meiner Playliste ist.

Popera und ESC

Seit dieser Woche wissen wir also, wer Österreich heuer beim ESC vertreten wird.

Es ist jemand nicht ganz Unbekannter, sogar ich habe ihn einmal bei Starmania gesehen, während der Coronazeit. Und weil mich einige gefragt haben, was ich zu ihm, nämlich JJ, meine. Ich traue mich noch nicht wirklich etwas sagen, solange der Song noch nicht bekannt ist, der immerhin von Teya mitgeschrieben wurde. Teya, die vor zwei Jahren gemeinsam mit Salena nicht nur Who the Hell is Edgar performt, sondern auch geschrieben hat. Ich war ein großer Fan dieses Songs. Mein erster Gedanke war aber, nachdem JJ ein Opernsänger ist: Wie viel Popera verträgt der ESC?

In den letzten zehn Jahren gab es ja vereinzelt immer wieder Popera-Acts. Il Volo hat 2015 mit Grande Amore – einem zwar italienischen Song, dessen ganzen Text man aber problemlos “erfühlen” kann- sogar das Publikumsvoting gewonnen, insgesamt wurden sie Dritter. 2018 trat Elina Netšajeva mit La Forza, ebenfalls auf Italienisch interpretiert, für Estland an. Ein Song, den Alina Stiegler, Moderatorin des ESC Songchecks folgendermaßen kommentierte: “Genauso stelle ich mir eine Migräne mit Aura vor.” Harhar. Für diese Aussage kam Stiegler beinahe auf die Watchlist in Estland. La Forza landete aber doch auf dem achten Platz.

Und gleich im Jahr darauf, 2019, versuchte sich auch Australien mit Kate Miller-Heidke und Zero Gravity, einem Song, in dem sie über postnatale Depressionen singt, ebenfalls an diesem Genre. Ihr Auftritt wird aber vor allem wegen dem “Baumeln an meterhohen Stecken” in Erinnerung bleiben. Ein Staging, von dem Alkis vom Merci Cherie Podcast sagte: “Das war so großartig”. Das muss man auch erst mal schaffen, so zu singen, und dabei noch durch die Luft zu fliegen; ich hatte ja dauernd Angst, dass die Akteurinnen irgendwann einmal frontal zusammenstoßen. Sie wurde jedenfalls Neunte.

Also durchaus ganz gute Platzierungen. Heuer wird aber das Problem möglicherweise sein, dass Nemo erst im vorigen Jahr mit The Code den ESC gewonnen hat und The Code war ja auch “Popera” im weitesten Sinn, zumindest gab es einige opernhafte Passagen. Ich glaube daher, dass das Publikum heuer dann lieber etwas anderes sehen möchte, dass der Zeitgeist etwas Abwechslung verlangt. Aber vielleicht irre ich mich ja auch.

Frohes Fest, drei

Das Kind hat dann gemeint, als Little Drummer Boy von Bing Cosby und David Bowie lief, das sei so ein Song, der auch bei Opa gelaufen wäre. Ich finde es ja schön, dass er zumindest ein paar Erinnerungen an meinen Papa hat, den er selten gesehen hat, vornehmlich eben zu Weihnachten. Und da weiß er eben noch, dass der Opa Backhendel gemacht hat und welche Musik gespielt wurde. Das Kind nimmt die Dinge so wie sie sind, bewahrt sich die schönen Erinnerungen, hadert mit nichts, das bewundere ich an ihm.

Früher, in meinen eigenen Kindheitsweihnachten, habe ich meine Eltern dafür bewundert, wie sie den heiligen Abend “geschafft” haben. Meine Mutter musste immer bis Mittag arbeiten, dann gingen sie auf den Friedhof und dennoch gab es um 17 Uhr Bescherung mit großem geschmückten Baum und perfektem Essen. Den 24. selbst habe ich bei meinen Großeltern verbracht, wie sowieso den Großteil meiner Kindheit. Ich habe mit meinem Opa ferngesehen, alte Märchen und sonstiges heilig-Abend Programm und wir haben Karten mit Oma gespielt und es war immer sehr lustig. Als wir uns anzogen, um zu meinen Eltern zu gehen, habe ich jedes Jahr gehofft, dass das nicht das letzte Jahr sein wird, wo wir alle drei zusammen losgehen können. Einmal, als wir das Haus verließen, hat es wirklich viel geschneit und die Straße blieb schneebedeckt, weil keine Autos fuhren, das ist die beste Erinnerung. Die Stadt war ganz leise und nur wir drei waren auf der Straße, um zur Bescherung zu gehen. Ich hatte das Glück, dass ich längst erwachsen war, als es wirklich nicht mehr so war, dass wir zu dritt waren. In einem Jahr war ich bei meiner Oma im Spital, die zu mir meinte, sie hätte immer gedacht, es wäre furchtbar, zu Weihnachten im Krankenhaus zu sein, aber es sei irgendwie doch gar nicht so übel. Ein paar Jahre später war ich zu Weihnachten auf der Neugeborenen Intensivstation.

Letztendlich hatte meine Oma recht, auch wenn die Voraussetzungen nicht die besten sind, wenn man nicht in der Stimmung für Weihnachten ist, auch wenn einem das Herz gerade zu den Feiertagen manchmal schwer ist. Auch wenn man jemand sehr vermisst, kann man doch immer etwas schönes, gemütliches und tröstliches finden. Eine liebe Whatsapp-Weihachtnachricht von dem, an den man eh immer denkt oder wenn das Kind ins Zimmer kommt, um einem irgendwas auf TikTok zu zeigen oder etwas zu erzählen. Oder einfach nur stundenlang am Sofa Wer wird Millionär schauen als perfekter Eskapismus nach einem langem Abendspaziergang.

Wieder mal eine perfekte Frage für mich

Das Beste aus der Schweiz

Der Merci Cherie Podcast führte wieder eines seiner allseits beliebten Rankings durch. Wie jedes Jahr um diese Zeit sollen wir Hörer unsere Top 10 des diesjährig siegreichen Landes abgeben, was 2024 ja bekanntlich die Schweiz war. Marco Schreuder hat mich persönlich angeschrieben, ob ich nicht wieder mitmachen will. Also habe ich mich durch alle Schweizer Songs seit 1956 gehört, im Schnelldurchlauf.

Natürlich ist mir das näher, was ab den 1980er Jahren stattgefunden hat und die sehr aktuellen Songs hat man auch noch mehr im Ohr, aber irgendeinen Bias hat sowieso jeder. Außerdem neige ich nicht zu prätentiösen Listen, ich nehme einfach was mir gefällt, auch wenns uncool ist.

In diesem Sinne habe ich Celine Dion nach reiflicher Überlegung 12 Punkte gegeben für ihr Siegerlied von 1988 Ne partez pas sans moi. Sorry Marco, ich hab meine Wertung nicht eingesprochen, weil ich kann nicht französisch und es würde sicher furchtbar klingen, wenn diesen Titel ausspreche. Jedenfalls finde ich, dass dieser Song einen großen Empowermentfaktor hat und auch super gealtert ist. Trotzdem werden wir Celine Dion wohl nächstes Jahr nicht in Basel sehen, da sie mit dem ESC nicht mehr allzuviel zu tun haben will und angeblich angeblich immer erzählt, sie hätte irgendwann einmal einen “europäischen Gesangswettbewerb” gewonnen, um nicht das böse Wort “Song Contest” aussprechen zu müssen, harhar.

Knapp dahinter ist etwas recht aktuelles, nämlich Gjion’s Tears mit Tout L’Univers aus dem Jahr 2021. Ich verstehe zwar auch hier den Text nicht, aber trotzdem hat mich dieser Song von Anfang an berührt. Gjon’s Tears hat ja seinen Namen, weil sein Großvater immer geweint hat, wenn er gesungen hat, wieso also nicht auch ich. Sein Bühnenauftritt war dagegen aber richtig edgy und avangardistisch, was ein gutes Gegengewicht zum Pathos bildet. Ich habe übrigens auch den “Lost Song” von Gjon’s Tears aus 2020 in meiner Wertung, nämlich Répondez-moi, der ist ein bisschen sperriger, aber für mich auch sehr schön. Ach ja, Tout L’Univers hat damals die Jurywertung gewonnen und wurde insgesamt Dritter.

Auf Platz 3 in meinem Ranking ein wirkliches Guilty Pleasure Stück, nämlich She Got Me von Luca Hänni aus dem Jahr 2019. Das hat so irgendwie was Vorstadtcasanova-haftes, sowohl Hänni, als auch das Lied. Marco Schreuder meinte damals im Podcast, das wäre so ein richtiger Reißbrettsong, aber ein gut gemachter, und dem kann ich mich nur anschließen. Total catchy und lustig, kam auch live super an, weil das so ein richtiger Partyknaller ist. Hänni wurde Vierter.

Wenn man wissen will, wie die Podcast-Wertung insgesamt so ausgegangen ist, kann bzw sollte man sich die neue Folge von Merci Cherie anhören. Aber ich sage einmal so: ganz überraschend ist der Sieger oder vielleicht doch die Siegerin jetzt nicht. Harhar.