almis personal blog

Women Talking

Ich habe vorgestern Women Talking gesehen und bin ehrlich gesagt recht froh, dass ich kein offizielles Review zu diesem Film schreiben muss. Denn er hat sich als genauso sperrig und verkopft, ja fast akademisch präsentiert, wie ich ihn erwartet habe. Ich möchte fast sagen, ich habe schon Uni-Seminare mit einer solchen Art von Diskussion erlebt, nur mit dem Unterschied, dass die Uni der passende Ort dafür ist.

Der Plot: Eine Runde von Frauen einer mennonitischen Gemeinde trifft sich in einem Stadel, um über die sexuelle Übergriffe zu sprechen, denen sie durch die Gemeindemänner ausgesetzt sind. Alle wurden betäubt und sexuell missbraucht, Ona (Rooney Mara) ist gerade durch einen solchen Übergriff schwanger, andere wie Mariche (Jessie Buckley) und Salome (Claire Foy) haben bereits Kinder, für die sie eine andere Zukunft wollen. So sprechen sie darüber, welche Möglichkeiten sie haben – nichts tun, bleiben und kämpfen oder gehen – und lassen alles vom quasi einzigem “guten” Mann – dem Lehrer August (Ben Whisaw) protokollieren, da sie weder lesen noch schreiben können.

Und da fangen die Probleme dann schon an. Diese Frauen sprechen so artifziell und über-reflektiert, als würden sie vorgefertige Texte rezitieren, nicht als würde sie sich einfach nur unterhalten, wie das der Titel und das Setting suggeriert. Schon Menschen mit herkömmlicher Schullaufbahn traut man diese Wortgewandtheit kaum zu, aber Frauen, die niemals irgendeine Art von Bildung erfahren haben, weil das in der Gemeinde den Buben bzw. jungen Männer vorbehalten bleibt, wirken insgesamt doch sehr unglaubwürdig und wie ausgewiesene Kunstfiguren.

Eine Sache ist es, Woman Talking als quasi semi-dokumentarischen Film über ein tatsächliches Ereignis, das so in Bolivien stattgefunden hat, zu sehen. Ich finde es aber eher bedenklich, den Film in einen größeren #metoo Kontext zu stellen. Denn die Geschichte dieser abgeschlossenen Gemeinde mit ihren rigiden Strukuren und den starren, schon per se misogynen Regeln ist nichts, was sich besonders gut auf die wesetliche Gesellschaft umlegen lässt – anders als das etwa bei der Problematik um Harvey Weinstein im Film She said der Fall war. Dass diese Männer grausame Verbrecher sind, ist unbestritten und sie müssten für ihre Taten verurteilt werden, aber auf diesen Konsens kommt man ja im Nu. Ich sehe aber nicht, was Regisseurin Sarah Polley uns da quasi als “Think Piece” mitgeben möchte, was nicht eh klar und deutlich auf der Hand läge. Dass alle Männer im Grunde so sind, wie diese in der mennonitischen Gemeinde – mit einigen, wenigen Ausnahmen? Das hoffe ich wohl doch nicht.

Der Film ist ästhetisch, wenn die Bilder auch blutleer sind und die schauspielerischen Leistungen sind gut bis sehr gut, speziell von Rooney Mara, die die warmherzige, sehr differenziert denkende Ona spielt. Trotzdem funktioniert der Film gesamt für mich kaum, man müsste ihn schon bis auf eine sehr artifizielle Ebene abstrahieren, quasi als ein Theaterstück im Film (a la Dogville), aber selbst dann — sorry, es hat mich nicht wirklich erreicht.

Gedanken zu metoo

Nachdem der Fall Teichtmeister vor einigen Wochen extrem medial hochgekocht ist, herrscht nun seit einiger Zeit wieder ziemliche Stille. Zum Fall an sich möchte ich nichts sagen, aber zum (möglichen) Umgang damit, was seine Kollegen und Vorgesetzten betrifft.

Ich habe Corsage gesehen und fand den Film künstlerisch herausragend. Mir hat die Regisseurin Marie Kreutzer leidgetan und auch alle anderen Menschen, die an diesem Film in welcher Form auch immer beteiligt waren. Dann war Kreutzer in einer ORF 3 Diskussion zu Gast, wo sie gefragt wurde, ob sie etwas anders gemacht hätte, mit dem Wissen von heute. Denn Corsage wurde abgedreht, bevor besagte Hausdurchsuchung bei Teichtmeister stattgefunden hat. Aber es gab auch einen weiteren Darsteller, der bereits vor dem ersten Drehtag zu ihr gekommen wäre, und gesagt hatte, dass es gegen ihn Anschuldigen gibt (nicht in Richtung Kindesmissbrauch, sondern eine allgemeine metoo-Thematik). Kreutzer hätte das quasi auf sich beruhen lassen.

Sie rechtfertigt sich in dieser Diskussion damit, dass die Filmproduktion diverse – auch internationale – Partner hat, dass es Verträge gibt, dass sie nicht einfach einen Tag vor Drehbeginn einen Darsteller austauschen könne, aufgrund von Gerüchten, die er selbst bestreite, sie könne nicht jeden am Film beteiligten Menschen unter vorab-Verdacht stellen usw. Soweit, so für jeden auch nachvollziehbar. Aber jemand, der sich stark macht, für die Metoo-Bewegung, müsste nun reflektieren, was eine solche Aussage eigentlich bedeutet.

Denn: Wenn ich für mich all diese Dinge in Anspruch nehme (ich kann nicht jeden überwachen, ich kann nicht Urteil sprechen, wenn das kein Gericht gemacht hat etc.), dann muss ich das im Grunde auch allen anderen Produktionen zugestehen. Denn auch andere Produktionen haben diese äußerlichen Verpflichtungen, die Verantwortung für ein Ensemble, finanzielle Abhängigkeiten usw. Und im Grunde genommen kann ich dort auch nicht hineinschauen, wieviel oder wenig die Verantwortlichen anderer Produktionen gewusst haben, welche Zwänge dort bestanden haben etc, die ich dann aber von außen verurteile.

Insofern ist es etwas schwierig, anderswo: “Metoo!” zu schreien, aber vor der eigenen Türe halt dann im Zweifel nicht zu kehren. Ich habe keine Lösung dafür, es ist und bleibt schwierig und das ist eben auch eine Erkenntnis. Ich tue mir aber ein bisschen schwer mit “anderswo”-Moralisten.

Kurze Oscar Durchsage

Vor lauter Sundance komm ich fast gar nicht dazu – for a change – etwas zu den Oscars zu schreiben.

Bitte wieso schau ich mir seit Wochen potentielle Kandidaten an, wenn dann Avatar: The Way of Water und Top Gun Maverick nominiert wird? Harhar. Nein, Steven Spielberg hat das schon richtig erläutert, dass eben 2009 The Dark Knight nicht nominiert wurde, weil es eben nur fünf Plätze für “Best Film” gibt und das hatte viel Aufregung zur Folge. Deshalb wurde das 2010 auf (maximal) zehn erweitert, was ich gut finde, weil es die Diversität fördert. Ich habe nun aber tatsächlich nur The Banshees of Inisherin und Triangle of Sadness gesehen. Der derzeitige Favorit Everywhere everything all at once läuft ja schon seit längerem nicht mehr, wird aber vermutlich bald wieder irgendwo zu sehen sein. All Quiet on the Western Front ist jetzt nicht so wirklich mein Genre und Elvis hat mich auch nicht gereizt. TAR, Woman Talking und The Fabelmans werde ich mir aber auf alle Fälle noch anschauen, wenn sie dann anlaufen.

Mein (bisher) liebster Film des letzten Kinojahres – Aftersun – wurde in dieser Kategorie leider nicht nominiert, dafür gab es eine ziemlich überraschende Nominierung für Paul Mescal. Paul Mescal hat bisher noch nicht allzuviele Filme gedreht, aber er gilt irgendwie schon als Indie-Ikone, zumindest für mich, denn er hat in der Serie Normal People gespielt, die auf dem Buch von Sarah Rooney basiert, das ich liebe. Und in Lost Daughter, dem Film von Maggie Gyllenhaal, dessen Buch (von Elena Ferrante) ich auch gelesen habe. Und er hat ein Musikvideo unter der Regie von Phoebe Waller-Bridge (Fleabag) gedreht, noch cooler wirds nicht mehr. Und er war wirklich ganz großartig in seiner Verletzlichkeit in Aftersun.

Bei den Damen gabs auch eine Überraschung, auf die man in den sozialen Netzwerken schon “gewartet” hatte, denn es gab eine Kampagne für die Schauspieler Andrea Risebourough, deren kleiner To Leslie einfach gar kein Marketing hatte und nirgendswo aufgeschienen ist. Aber vor einigen Wochen haben Stars wie Kate Winslet, Jane Fonda, Gwneyth Paltrow und andere dieser Preisklasse getwittert, wie super Risebourough in der Rolle nicht sei. Daraus wurde dann ein Meme, wo u.a. Papst Franziskus sie ebenfalls lobt und zum Schluss: “God has called Andrea Riseborough’s performance in To Leslie ‘the greatest display of acting of all time’ ”. Das war schon sehr lustig. Ob sie wirklich aufgrund dieser Mobilmachung gewählt wurde, kann man natürlich nicht sagen, ich musste spontan an die Nominierung (und letztendlich Gewinn) von Hilary Swank für Boys don’t cry (mit seiner Transgender-Thematik seiner Zeit um Jahre voraus), denken, der war auch sehr klein und ein Underdog, hatte aber doch schon ein paar Nominierungen mehr im Vorfeld gehabt. Geschadet hat diese Kampagne in keinem Fall.

Alle Nominierungen sind hier.

Sundance Festival – gesamt

Ach schön ist es um diese Jahreszeit in Utah…

An der oberen alten Donau, 22.1.2023

Also ich bin natürlich nicht live vor Ort bei Sundance, sondern online und jetzt kommen praktisch täglich neue Berichte vom Festival und Reviews; einen guten Überblick darüber gibt es auf folgender Uncut-Seite. Weil ich die einzige Akkreditierung habe, schaue ich viele Filme derzeit und es ist toll.

Ach ja und in Wien hat es am Wochenende tatsächlich viel geschneit, war so gar nicht zu erwarten.

The Banshees of Inisherin

Es ist schon eine Weile her, dass ich die Übersetzung eines Filmtitels nachgeschlagen habe, weil ich ihn nicht verstanden habe, aber nun war es mal wieder soweit. Nun “Banshee” ist eine Todesfee und Inisherin ist eine fiktive kleine Irland vorgelagerte Insel.

The Banshees of Inisherin ist – ja was eigentlich? Es läuft unter Komödie, wurde auch bei den diesjährigen Golden Globes in der Sparte “Best Comedy” nominiert, aber ganz ehrlich: Um diesen Film als Komödie zu bezeichnen, da muss man selbst schon ziemlich kaputt sein harhar. Nein. Es gibt eine Lesart, in der das alles witzig ist, was passiert, aber ich hatte diese Brille nicht auf. Für mich war der Film bestenfalls eine Tragikkomödie, aber eigentlich fand ich ihn ziemlich hart und auch traurig.

Pádraic Súilleabháin (Colin Ferell) und Colm Doherty (Brendon Gleeson) sind schon ein Leben lang miteinander befreundet, als Colm Pádraic eines Tages mitteilt, dass er ihn nicht mehr sehen will. Er möchte an einer Musik arbeiten und sich durch Kompositionen unsterblich machen. Er fühlt das Alter und hat keine Zeit mehr für belanglose Gespräche. Pádraic glaubt zunächst an einen Aprilscherz und versucht sich immer wieder, sich Colm anzunähern. Bis Colm voller Zorn ankündigt: Sollte Pádraic ihn nur einmal auch nur ansprechen, würde er sich einen Finger abschneiden. Wäre das jetzt ein amerikanischer Film würde man grinsen, und zur Tagesordnung übergehen, nun aber das ist ein irischer Film und diese funktionieren anders.

Was folgt, ist eine Eskalation, die gar nicht einmal so überraschend kommt, auf dieser gottverlassenen Insel. Inisherin ist wunderschön und rauh, und so sind es die Menschen auch. Menschen, die nicht viel zu tun haben, außer Vieh hüten, in die Kirche und ins Pub zu gehen und darauf zu warten, dass sich endlich einmal irgendetwas aufregendes tut, damit sie neue Gesprächsthemen haben. Die Sätze wiederholen sich, werden immer wieder auf die gleiche Art und Weise gesagt, stellenweise hat mich das sogar ein bisschen an Thomas Bernhard Prosa erinnert. Jeder hat seine zugeteilte Rolle, hier der “Dorftrottel”, dessen Vater ein gewaltbereiter Polizist ist; da eine neugierige Besitzerin des Gemischtwarenhandels, dort eine alte “Seherin”, die Tode vorhersagt. Pádraic selbst ist ein herzensgüter Mensch, dem dieses kleine Leben genügt. Er ist zufrieden, wenn er Colm trifft, mit seiner Schwester Siobhán die Mahlzeiten einnimmt, und sich um seinen kleinen Esel Jenny kümmert. Aber so leicht nimmt Colm das Leben nunmal nicht.

Die schauspielerischen Leistungen sind meisterlich, in diesem Film. Ich war sehr beeindruckt von Colin Farell, der ja irgendwie die undankbarste Rolle hat, mit dem “lieben Typen von nebenan”, der aber so eindrucksvoll zwischen Verzweiflung und Hoffnung schwankt und im Laufe der Zeit eine enorme Entwicklung durchlebt, ohne dabei seinen Charakter zu ändern. Sehr berührend ist, als seine Schwester Siobhán (Kerry Cordon) ihn zum wiederholten Mal zurechtweist, den Esel nicht immer ins Haus zu lassen, sagt Pádraic: “Ich lasse meinen Esel nicht draußen, wenn mir das Herz schwer ist.” Auch Barry Keoghan als Dominic – ein offensichtlich zurückgebliebener junger Mann – spielt so überzeugend, dass ich mich, politisch unkorrekt auf diversen Ebenen, gefragt habe, ob er tatsächlich, nun ja, ein gewisses intellektuelles Handicap hat. Ja, ich schäme mich eh dafür. Und Brendan Gleeson ist mir im Grunde genommen völlig unsympathisch und er möchte auch ganz offensichtlich völlig unsympathisch sein.

Hier noch der sehr locker-flockige Trailer, nicht davon in die Irre führen lassen, der Film hat dann doch (noch) eine andere Tonalität:

Im Original ist der Film sicher noch beeindruckender und authentischer, aber ich glaube auch ziemlich unverständlich. OmU hat mir diesmal zeitlich/örtlich nicht gepasst, wäre aber sicher am sinnvollsten.

Triangle of Sadness

Triangle of Sadness vom schwedischen Regisseur Ruben Östlund wurde 2022 mit der goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet, außerdem bekam der Film den europäischen Filmpreis und das nicht unverdient.

Der Film ist auf verschiedenen Ebenen erstaunlich und verstörend. Und er hat einen äußerst diversen deutsch-us-dänisch-kroatisch-britisch-luxemburgisch-südafrikanischen-philippinischen Cast. Der bekannteste Darsteller ist sicher der Amerikaner Woody Harrelson, der bereits dreimal für den Oscar nominiert war. Hierzulande aber auch Iris Berben, die eine Deutsche spielt, die nach einem Schlaganfall nur einen Satz sagen kann. Und Sunnyi Melles.

Worum geht es also? Nun der Film gliedert sich in drei Teile. Jeder dieser Teile könnte eigenständig weitergeführt werden und zu einem Film werden. Ich persönlich fand den ersten Teil am interessantesten, als man die Modells/Influencer Carl und Yaya dabei beobachten konnte, wie sie über Geld streiten, und über die Rollenerwartungen, die an Mann und Frau dabei gestellt werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen solchen oder ähnlichen Dialog schon jemals einem Film verfolgt hätte. Der zweite Teil spielt auf einer Luxusjacht, auf die wir Carl und Yaya begleiten – und weitere reiche, exaltierte Personen kennenlernen. Der Schauplatz des dritten Teils ist eine verlassene Insel. Ich will nicht zuviel verraten, aber der Trailer enthüllt ja bereits, dass auf dem Schiff einiges passiert, was zum Stranden auf der Insel führt.

Der 2. Akt ist der mit Slapstick bis zum Erbrechen (im wahrsten Sinn des Wortes). Wer sich bei Monty Python vor der Szene mit dem Pfefferminz Blättchen geekelt hat (ich!), der wird hier relativ viele Szenen mit über den Augen gehaltener Hand über sich ergehen lassen (ich!). Es ist schon sehr arg, was Östlund dem Zuseher zumutet. Ich glaube, er liebt die Provokation und seine Hemmungslosigkeit verfehlt seine Wirkung nicht, aber ja, mir persönlich sind die Dialogpassagen des Filmes dann doch um einiges lieber. Aber ich mag auch diesen Anarchismus, die sich Östlund hier erlaubt und den diese Szenen vermitteln. Es ist eine beißende Kritik an Dekadenz und Gesellschaftsdünkel, einfach komplett over the top. Dem kann man sich schwer entziehen, auch wenn es jetzt kein Film ist, an den man sein Herz verlieren kann, ein Film in dem man sich richtig verlieren kann, wie Aftersun, dafür ist er zu sehr Theater und absurder Klamauk.

Gelernt hab ich durch Triangle of Sadness, dass teure Modemarken immer von Modells mit griesgrämigem Blick repräsentiert werden, während Werbung für billige Modemarken sich dadurch auszeichnet, dass die Modells immer sehr gut gelaunt sind und lachen. Ja und nicht zuletzt: Triangle of Sadness bezeichnet den Bereich der Sorgenfalte.

Hier noch der Trailer (aber Achtung, auch recht grauslich):

Bye Xmas

Der letzte Rest von Weihnachten. Rotenturmstraße, 26. Dezember

Ja, ich habe ein neues Handy mit einer besseren Kamera. Auch, damit ich hier am Blog bessere Fotos zeigen kann.

Die Weihnachtstage waren schön und ruhig, ich habe jetzt eine Duftöllampe, neben der ich viele Bücher lese (zb Die Wut, die bleibt, Fazit: mäh), ich war im Kino (Triangle of Sadness, nice), in der Bücherei (weitere Werke von Fallwickl und Ferrante ausborgen) und im Kriminalmuseum (Der Fall Hofrichter); ich habe versucht, mir Bardo anzusehen, über den der Falter schreibt, es wäre Iñárritus 8 1/2. Was ich dazu sage? Nein. Einfach nein! Ich habe den Film aber noch nicht ganz gesehen, weil ich nur schaffe, mir jeweils immer zehn Minuten anzuschauen, so anstrengend und bemüht surreal ist das. Und 8 1/2 ist einer meiner Lieblingsfilme, ich mein!

In den nächsten Tagen mehr.

Aftersun

Wie schon erwähnt, habe ich vor kurzem Aftersun gesehen. In dem Debütfilm der schottischen Regisseurin Charlotte Wells geht es zurück in die 1990er Jahre. Anhand der Songs, die am Strand gespielt werden, kann man feststellen, dass es sich eher um die End-Neunziger handelt, denn aus den Lautsprechern tönt zum Beispiel Tubthumping von Chumbawamba: meiner Meinung zurecht ein One Hit Wonder. Da gefällt mir Losing my religion und Under Pressure natürlich um Universen besser.

Jedenfalls geht es in Aftersun darum, dass ein sehr junger Vater, Calum (Paul Mescal), der im Laufe des Filmes noch seinen 31. Geburtstag feiern wird, einen Sommerurlaub mit seiner Tochter Sophie (Frankie Corio) verbringt. Wo die beiden sind, das weiß man am Anfang nicht so genau, es könnte an vielen Orten in Südeuropa sein, man sieht nur ein billiges Hotel mit Pool und Menschen um den Pool und am Meer. Es wird immer wieder Torremolinos erwähnt, weswegen ich vermutet habe, sie wären in Spanien, aber die Quellen sagen türkische Riveria hm. Es soll nicht das einzige rätselhafte an diesem Film bleiben.

Der Titel spielt auf einer Ebene auf die Produkte an, die man nach dem Sonnenbaden auf die Haut aufträgt, auf einer zweiten Ebene auf die Abende, nach den Sommertagen und auf noch einer weiteren Ebene auf die Zeit “nach der Sonne”, also im übertragenen Sinn eine Zeit nach der “guten” Zeit. Aftersun stellt auch eine Verbindung zum “danach” her, nämlich dem Tag als Sophie selbst 31. wird. Was Aftersun sehr gut praktiziert, das show-not tell Prinzip. Es wird nichts erklärt, die Charaktere werden nicht vorgestellt, man muss sie sich selbst zusammensetzen, in dem man beobachtet, was sie tun, wie sie in gewissen Situationen reagieren oder auch nicht reagieren, was sie sagen und was sie nicht sagen. Ich finde sowas sehr spannend.

Gleich von Beginn an vermittelt Aftersun das Gefühl dieser satten-trägen Sommertage, an denen man irgendwie matt und doch auch überdreht ist und die Dinge tut, die man in so einer Ferienanlage eben tut: Wasserball, Spielhalle, Billard, Karaoke usw; gleichzeitig schwingt aber auch sofort etwas bedrohliches mit. Die Zuseherin (zumindest ich), rechnet in jeder Szene damit, dass irgendwas Schlimmes passieren wird. Ich werde hier natürlich nicht spoilern. Nur soviel: Man hat nach dem Film genug damit zu tun, die Puzzlesteine zusammenzusetzen. Das Ende ist sehr offen und lässt wirklich sehr viel Interpretationspielraum, was da zwischen 31. Geburtstag des Vater und 31. Geburtstag der Tochter geschehen ist.

Mescal und Corio haben eine unglaublich gute Chemie miteinander, das ist in dieser Art von Film, der so sehr auf seine Protagonisten zugeschnitten ist, auch enorm wichtig. Der Film ist lustig und melancholisch, beängstigend, hoffnungsvoll, voller Leben und voller Zweifel. Und er überzeugt in all diesen Schattierungen.

Hier der Trailer, der vielleicht mehr vermittelt, was ich meine harhar:

Karaoke!

Gestern hab ich mir im Stadtkino Aftersun angeschaut. Empfehlung! Wirklich gut und der Film mit dem offensten Ende, den ich seit langer Zeit gesehen habe. Näheres folgt noch.

Heute aber erstmal soviel – es geht ja in Aftersun um den Urlaub eines jungen Vaters Anfang 30 mit seiner 11 jährigen Tochter, Sophie. In einer Szene singt Sophie Karaoke zu Losing my religion und es ist so gut. Außer die deutsche Übersetzung – ich hab OmU geschaut. Losing my religion heißt nämlich nicht den Glauben verlieren. Sondern: Die Nerven verlieren. Von mir aus: Auszucken. Das sollte man als Ersteller von Untertiteln schon wissen, zumal es auch in jedem Artikel zu dem Song steht. Es ist ein Ausdruck aus den Südstaaten. Na wenigstens haben sie es nicht mit: “Die Religion verlieren” übersetzt harhar.

Aber wie auch immer, diese Szene war sehr berührend und ich musste gleich an eine ähnliche (Karaoke)szene aus Lost in Translation denken, in der Bill Murray More than this singt. Murray hat gesagt, das Lied sei so schwer zu singen, selbst Bryan Ferry wisse nicht so genau, wann er welchen Ton singen würde.