almis personal blog

The Fountainhead, postscriptum

Die Regisseure Julia Niemann und Daniel Hösl beziehen sich in ihrem Film Veni Vidi Vici auf The Fountainhead und haben ihrem Film folgendes Zitat voran gestellt

“Question isn’t who is going to let me; it’s who is going to stop me”

Der Satz kommt übrigens im Roman schon auf Seite 11 vor, also ich hoffe, sie haben dann noch weitergelesen, denn ich finde nicht, dass das, was Veni Vidi Vici vermittelt, wirklich viel mit dem Roman zu tun hat.

Denn: Es geht zwar in Veni Vidi Vici auch um eine Familie aus der Baubranche, die glauben, sie können sich alles erlauben. Allerdings geht es ihnen primär um Geld und darum, anderen Menschen ungestraft Schaden zufügen zu können. Das ist nicht die Idee von Rand, wie ich sie verstehe. Zwar ist Geld für Ayn Rand wichtig als Form der Anerkennung und als Garant für weitere kreative Arbeit, nicht aber als Selbstzweck; und auch wenn Rand Altruismus als Handlungsmotiv ablehnt, bedeutet das im Gegenzug nicht, dass sie dafür ist, Menschen vorsätzlich zu verletzen. Und in Veni Vidi Vici erkenne ich weit und breit niemanden wie Horward Roarke, der als kompromissloser Architekt mit einer Vision ja trotzdem auch ein Sympathieträger ist. Ich finde es eher ärgerlich, wenn man sich auf einen Roman bezieht und den offenbar gar nicht so richtig gelesen hat.

Ich bin jetzt neugierig, wie viel The Fountainhead in The Brutalist steckt, den ich im Rahmen der Viennale (danke Uncut!) sehen werde. Horward Roarke war sicher ein brutalistischer Architekt, so wie seine Gebäude beschrieben sind. Auf diesen Film freue ich mich jedenfalls sehr, auch weil ich bei diesem Thema immer an jemand denken kann und das ist schön.

8 1/2

Im Rahmen der Metrokino Reihe Marcello Magnifico habe ich einen meiner Lieblingsfilm, 8 1/2 oder Otto e mezzo, endlich auch mal im Kino gesehen. Das ist keine Werbung, weil das Metro Kino hat meine Reservierung verschmissen, die ich am 17. August gemacht habe (harhar), aber ich bin letztendlich trotzdem reingekommen und habe auch gleich als Entschuldigung zwei Gutscheine bekommen.

8 1/2 handelt von der Schaffens- und Lebenskrise des Regisseurs Guido Anselmi (Marcello Mastroianni). Er plant einen Film, der schon kostenintensiv vorbereitet wird, die Schauspieler warten auf ihren Einsatz, doch nun weiß er nicht mehr, was er überhaupt erzählen will und vor allem wie. Er sagt, er wollte einen “ehrlichen Film machen, der jedem hilft, das was tot in ihm ist, zu Grabe zu tragen”, aber er scheitert an der Handlung und gerade auch an seinem Leben. Nach einem kleinen Nervenzusammenbruch befindet er sich auf Kur nahe Rom, wo ihm aber sowohl seine Frau (Annouk Aimee) als auch seine Geliebte (Sandra Milo) nachreisen, einige seiner Schauspieler und auch sein Assistent. Guido flüchtet daraufhin immer öfter in Tagträume…

Der Kritikerpapst Roger Ebert schrieb in seiner brilliant formulierten Kritik über den Film: “8 1/2 is the best film ever made about filmmaking”. 8 1/2 hat sehr viele surreale und nicht ganz fassbare Szenen, die man aber, so finde ich, nicht unbedingt komplett verstehen muss, um von ihnen fasziniert zu sein. Guidos Assistent erörert einmal mit ihm das Drehbuch und sagt ihm dabei quasi: Du machst keinen Avantgarde Film, aber dein Film hat alle Schwächen eines Avantgardefilmes, harhar. Das ist genial: damit hat Fellini nämlich schon die kritischen Repliken auf seinen eigenen Film quasi vorweggenommen, denn einige Kritiker stoßen sich bei 8 1/2 genau an dessen Konfusion und scheinbarer “Ziellosigkeit”.

8 1/2 ist sehr italienisch, mit vielen schönen italienischen Menschen und hat wieder praktisch alle Fellini Markenzeichen vereint: Zirkusversatzstücke (Zauberer, Wahrsagerin), das Meer, die eigenwillige Dorfprostituierte, die katholische Kirche, hier in Gestalt eines Kardinals, die dekadente Gesellschaft, Tanz und generell die Musik, als Leitmotiv. Ich finde, dass Nino Rotas Soundtrack hier fast noch prägnanter ist als in Der Pate. Er akzentuiert Guidos Verwirrung und changiert zwischen Lebensfreude und Verzweiflung. Er wirkt auch oft als ironischer Unterton. 8 1/2 ist zumindest semi-autobiografisch – Fellini verarbeitet hier seine eigene Krise.

Der Film ist ein Fundus für viele nachfolgende Filme und andere popkulturelle Werke geworden. Die Szene in Pulp Fiction habe ich ja schon beschrieben. Aber auch die Anfangssequenz, als Guido sich aus seinem Auto befreit und über dem Stau schwebt, wurde später im REM Everybody hurts aufgegriffen, Michael Stipe ist da sogar ganz ähnlich gekleidet wie Mastroianni, inklusive Hut. Woody Allens Stardust Memories referenzieren ebenso auf 8 1/2 wie Charlie Kaufmanns Synechdoche New York – der mich persönlich aber eher genervt hat. Das (ur arge) Video von Aphex Twins Windowlicker erinnert mich von der Dymanik und von der Stimmung komischerweise total an manche Szenen in 8 1/2. Aber nachdem ich dazu nichts ergoogelt habe, bin ich da wohl die einzige, der das so geht.

Fazit: Ich glaube, der Film kann einem auch gar nicht gefallen, ich würde es verstehen. Aber ich liebe ihn auch nach wiederholter Sichtung immer noch sehr, auch weil er – trotz aller Krise – sehr positiv und lebensbejahend ist, und das gefällt mir immer viel besser als wenn Regisseure mit sich selbst und der Welt eh schon abgeschlossen haben.

The Substance

Worum geht es also in The Substance? Das ist relativ schnell erzählt. Die Schauspielerin und Fitness Vorturnerin Elisabeth Sparkle (Demi Moore) erfährt zu ihrem 50. Geburstag von ihrem Boss Harvey (sic!!!) (Dennis Quaid), dass sie leider gefeuert ist. Es wird eine jüngere Nachfolgerin – bewerben können sich Frauen bis 30 – gesucht. Das stürzt Elisabeth, die weder irgendwelche Familie noch Freunde zu haben scheint, in eine veritable Depression. Zufällig kommt es zu einer Begegnung mit jemandem, der ihr sagt: Das muss doch nicht sein, es gäbe da so eine Substanz, die einen wieder jünger und begehrenswerter mache. Elisabeth bestellt daraufhin diese Substanz und beginnt mit der Duchführung des “Prozederes”…

Kleinere Spoiler können folgen

Ich mag Horrorfilme nicht besonders, aber The Substance ist m.E. kein Horrorfilm, zumindest über weite Strecken nicht. Es ist der Kampf um das Zurückholen der Jugend mit erstaunlichen Methoden und Konsequenzen. The Substance ist vor allem ein atmosphärisch, auditiv und visuell für mich extrem beeindruckener Film, der mich zwei Stunden total gefesselt hat – die letzten 20 Minuten habe ich nicht mehr hingeschaut harhar. Nicht alles ist ganz schlüssig, die Charaktere bleiben schon in gewisser Weise an der Oberfläche, aber dennoch gibt es zwei, drei extrem eindringliche Szenen, die komplett unter die Haut gehen. Der Film gesamt ist irgendwie die Langversion des Ratschlags “So jung wirst du nie wieder sein wie heute, also genieß es einfach.”

Zu den Diskursen, ob The Substance nun feministisch oder antifeministisch ist, würde ich sagen, ich denke nicht, dass die Regisseurin Coralie Fargeat unbedingt in diesen Kategorien denkt. Die Darstellerinnen Moore und Qualley sind sehr oft nackt zu sehen, die Kameraführung ist ein “Male Gaze”, oder wie Margaret Qualley sagte, ihr wurde die ganze Zeit nur auf den Hintern, den Busen und zwischen die Beine gefilmt, und das hat sie komplett fertig gemacht. Das verstehe ich auch total, dennoch geht es in diesem Film natürlich genau darum, um das Schauen und Beurteilen, um Begehrlichkeiten, um Aufmerksamkeit, um den Wunsch gesehen und gefeiert zu werden. Man kann und soll über das alles diskutieren, aber für mich ist es ein Film, den ich einfach abseits jedes Diskurses als Erlebnis genossen habe.

The Substance ist wahrscheinlich Demi Moores Pulp Fiction. Wie John Travolta damals war sie ewig weg von der Leinwand und kommt nun mit einer wirklich erstaunlichen “Signature-Rolle” zurück, die sie komplett ausfüllt. Margaret Qualley ist eigentlich ein “Nepo-Baby”, wobei ich sie in drei Filmen gesehen habe und sie super fand und erst dann erfahren haben, dass sie die Tochter von Andie MacDowell ist. Und Dennis Quaid wird hier sicher sehr gerne gehasst, für sein Portrait eines Mannes, der sich für unwiderstehlich hält und sich anmaßt, Frauen zu sagen, wann sie leider nicht mehr unwiderstehlich sind.

Hinzuweisen wäre vielleicht noch die Botschaft, die Elisabeth am Anfang über The Substance bekommt. Ihr Informant schreibt “It changed my life.” Und ganz ehrlich, wer denkt da nicht diesem Satz zunächst daran, dass das ein verheißungsvolles Versprechen ist? Besonders, wenn man sich gerade schrecklich fühlt. Wer denkt daran, dass Veränderung auch ganz etwas anderes bedeuten kann? Es kann durchaus auch eine Warnung sein.

Der “The Substance”-Diskurs

Während andere Menschen hitzig darüber diskutieren, ob der Film The Substance, der gerade in unseren Kinos läuft und Demi Moore auf die Leinwand zurückbringt, feministisch oder das Gegenteil, wenn nicht gar misogyn ist, trotz der weiblichen Regisseurin Coralie Fargeat, frage ich mich ganz etwas anderes.

Kein Spoiler, die folgende Information ist praktisch schon im Filmtitel ablesbar.

Also mal abgesehen davon, dass ich mir niemals eine Substanz von anonymer Quelle, die ich mir aus einem Postschließfach abhole, und die mich verjüngen soll, einfach so selbst injizieren würde: Woher weiß die Figur von Demi Moore komplett ohne Anleitung, wie sie sich “The Substance” zuführen soll? Ich mein, da gibt es Röhrchen und Spritzen und Flüssigkeiten und Pumpen, ich weiß nicht mal, wie das alles heißt, was sie in dem Päckchen vorfindet. Es sieht ja alles sehr stylisch aus, aber nirgendwo ist eine Gebrauchsanweisung dabei. Und ein You Tube Tutorial gibt es dazu natürlich auch nicht, das ist ja alles quasi unter der Hand.

Das wäre für mich der Moment als Demi Moore Figur, wo ich schon auf ganzer Linie scheitern würde. Harhar.

Bald werde ich mehr zu dem Film schreiben, der mich erstaunlich begeistert hat.

Megalopolis, zwei

Mögliche Spoiler können folgen

Nun könnte man ja sagen ok, muss man in einem Film alles verstehen? Sind Leerstellen nicht auch manchmal spannend und inspirierend? Ich habe 2007 den Film Inland Empire von David Lynch gesehen – das ist der, in dem Menschen mit Hasenköpfen bügeln – und ich würde meinen, dass ich diesen Film über weite Strecken überhaupt nicht verstanden habe. Trotzdem hat er mich fasziniert. Das Problem bei Coppola ist hier ja auch nicht, dass sein Werk so avandgartistisch-subtil ist, dass man die Szenen deshalb nicht nachvollziehen kann, im Gegenteil: Großteils ist alles sogar sehr, wie man so schön sagt “on the nose”.

Beispiel Requisiten. Wir sind in New Rome. Also graben wir alles aus, was irgendwie “römisch” ist. Sandalen mit Riemen, die sich um den Unterschenkel schlängeln. Weintrauben, die man natürlich im Liegen isst. Überhaupt überall Obst. Die Frisur von Adam Driver. Die Namen, die man quasi im Liber Latinus nachgeschlagen hat. Togen, eine Kolloseum-artige Arena, Gladiatorenkämpfe. Shia Labeouf in Drag und so weiter. Beispiel Symbolismus. Man sieht vor dem Gerichtsgebäude eine Statue der Justizia, die eine Waage in der Hand hält, klar, sie ist dafür da, gerechte Urteile zu sprechen. Aber als Cesar mit seinem Wagen vorbeifährt, da bricht sie völlig verzweifelt in sich zusammen (CGI sei Dank). Was soll uns das natürlich sagen: in New Rome gibt es offenbar keine funktionierende Jusitz mehr.

Auch die Figurenzeichnung ist fragwürdig. Julia wird als oberflächliche Partygeherin eingeführt. Ist ja nichts dagegen zu sagen, aber später im Film, bei einem Essen mit ihren Eltern und Cesar, zitiert Julia dann längere Sentenzen von Mark Aurel flüssig und fehlerfrei (das war übrigens der Punkt, wo das Publikum zum ersten Mal gelacht hat). Vielleicht geht das zusammen: Vorliebe für das leichte Leben und gleichzeitig aber auch Schriften von alten Kaisern lesen und deklamieren. Aber wirklich stimmig wirkt es halt so übergangslos auch nicht.

Und letztendlich: Ich glaube, ich weiß, was Coppola sagen will, aber ich bin nicht sicher, ob er das wirklich auch sagt. Weil was bleibt zurück, vom genialen Cesar und seiner Utopie für die Zukunft? Eine Art 15 Minuten Stadt, die man per Laufband erschließt. Und dafür das ganze Drama?

Ich freue mich, dass Coppola diesen Film drehen konnte, obwohl der Narrativ: er hatte nur seinen Traum auch verkürzt ist. Seinen Traum und halt 120 Millionen Dollar, harhar. Ich bereue keineswegs, diesen Film gesehen zu haben. Aber mich hat Megalopolis leider überhaupt nicht erreicht.

Megalopolis, eins

Na gut, ich versuch es mal.

Worum geht es in Megalopolis? Die Stadt New Rome ist in der Krise. Der Architekt und Visionär Cesar Catilina (Adam Driver) will mit seinem neuem Werkstoff Megalon und viel Enthusiasmus die Stadt verändern, während der Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito) an der alten Ordnung, die von Korruption und Gier geprägt ist, festhalten will. Als Catilina Ciceros Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) kennenlernt und sich in sie verliebt, werden die Dinge noch komplizierter…

Mögliche Spoiler

Nun könnte man sich ja denken, ok, das Motiv jung gegen alt, modern gegen verstaubt, gut gegen böse, wenn man so will, ist ja nicht unbedingt neu. Trotzdem klingt die Konstellation in Verbindung mit einer Zukunftsvision für eine Stadt und deren Bürger ja nicht uninteressant. Das Problem ist nur: Diese Plotprämisse wird von so viel Nebenhandlung und anstrengendem Surrealismus überlagert, dass sie über weite Strecken komplett in den Hintergrund tritt.

Coppola hat sehr viele Ideen. Eine Idee ist zum Beispiel, seinen Protagonisten mit der Fähigkeit auszustatten, die Zeit anzuhalten. Dieses Motiv habe ich zuletzt in Worst Person in the World gesehen, als die Protagonistin zu einem Date aufbricht und alles Leben rund um sie herum stoppt, sie läuft quasi durch eine komplett unbewegte Welt. Das war eine wirklich tolle Szene, weil es dieses Gefühl, das man vielleicht selbst kennt, absolut auf den Punkt bringt. Man ist verliebt und es zählt gerade sonst nichts anderes auf der Welt als gleich die andere Person zu sehen. Was auch immer rund um einen geschieht, es ist egal. Was macht aber Coppola daraus? Nun, also Cesar hält ab und zu die Zeit an und das wars. Wie als würde er einen Zaubertrick üben. Diese Fähigkeit hat absolut keine Konsequenz für ihn persönlich oder seine Ziele.

Und so ist es mit vielen Einfällen von Coppola. Der revolutionäre Werkstoff Megalon ist einmal enorm wichtig und im Zentrum der Geschichte, dann hören wir wieder eine Stunde lang nichts mehr davon. Was kann man damit erreichen, welche Innovationen sind möglich, was macht ihn so bahnbrechend? Coppola erzählt es uns nicht. Ähnliches gilt für die private Historie von Cesar. Er war schon einmal verheiratet, seine Frau ist unter mysteriösen Umständen gestorben, irgendwie hat das vielleicht auch mit Cicero zu tun, aber was steckt wirklich dahinter? Was bedeutet dieser Tod für Cesar? Wie hängt alles mit Julia zusammen? Wir erfahren es nicht.

Es kann natürlich sein, dass Coppola, der den Film ja schon seit 40 Jahren machen will, mit der Zeit immer mehr neue Ideen gesammelt hat, die er alle irgendwie unterbringen wollte, und wo er aber keine davon wirklich ausgearbeitet hat. Dieser Befund hilft einem als Zuseher aber auch nicht wirklich weiter.

to be continued

Megalopolis Premiere

Gestern war ich auf der Megalopolis Premiere im Gartenbaukino.

Megalopolis, das ist der neue Film von Francis Ford Coppola, ein Regisseur, bekannt für Werke wie Der Pate 1-3, The Conversation und Apokalpyse Now. Ein Mann auch, der 85 Jahre alt ist, und der diesen Film so sehr drehen wollte, der dafür einen (hoffentlich nicht seinen einzigen) Weinberg verkauft hat. Megalopolis ist auch der Film, den Coppola seiner Frau widmet, die die Premiere in Cannes nicht mehr erlebt hat, sie ist kurz davor gestorben. Der Film ist also so aufgeladen mit Backstory, das man ihn kaum davon isoliert rezipieren kann.

Die Kritiken aus Cannes waren dann, um es vorsichtig zu sagen, polarisierend. Die einen feierten ihn als innovatives Meisterwerk, die anderen bezeichneten ihn als komplettes Disaster. Das Vulture Magazin hat es auf folgenden Punkt gebracht: “Megalopolis Is a Work of Absolute Madness”. Die Reviews in der Filmapp letterboxd sind ganz ähnlich, entweder hat der Film einen oder fünf Sterne, sehr wenig dazwischen. Viele schreiben sogar, sie könnten dem Film im Prinzip jede Wertung geben und alles wäre irgendwie gerechtfertigt.

Nun ja, gestern im Gartenbau war der Andrang nicht allzu massiv. Der zugegeben sehr große Saal war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Das Publikum vornehmlich, würde ich sagen, Arthouse-Freunde, also Menschen, die Erfahrung mit verstörenden Filmen haben. Und dann sitzt man drinnen und Megalopolis beginnt und lange ist alles ganz still, weil es ist Coppola und überhaupt und dann gibt es, so ungefähr in der Mitte, eine dramatische Szene und jemand im Saal fängt an zu lachen und endlich trauen sich dann auch die anderen lachen und naja. Es war eben keine lustige Szene. Ich glaube, das erklärt ganz gut die allumfassende Ratlosigkeit, mit der man letztendlich diesem Film gegenübersteht. Das gilt auch für mich. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.

Ich möchte gerne ein Review schreiben, aber ich weiß noch nicht wie. Für heute möchte ich die Kritik von “Josh” auf letterboxd zitieren, die im Moment meine Ansicht dazu am besten repräsentiert:

Favoriten

Am Dienstag war ich mit L. im Cinecenter und wir haben uns Favoriten angeschaut. Eigentlich wollten wir ins Votivkino, doch das war ausreserviert und auch unser Saal im Cine war letztendlich ausverkauft. Ich habe das Cine Kino noch nie so voll gesehen, wie an diesem Abend.

Favoriten ist die neue Dokumentation von Ruth Beckermann. Sie portraitiert darin eine Volksschulklasse in der Quellenstraße im 10. Bezirk. Über drei Jahre hat Beckermann Klasse begleitet, von 2020 bis 2023. Das war zwar teilweise in der Coronazeit, aber von Corona merkt man in dieser Doku glücklicherweise recht wenig, außer, dass immer irgendwo Masken herumkugeln.

Ich bin bei solchen “Sozialdokus” immer etwas skeptisch. Ich muss da an die Alltagsgeschichten von Elisabeth T. Spira denken, ihre Art der Befragung und des “Framings”. Für mich hat das oft etwas paternalistisches. Spira hat auch selbst einmal gesagt, sie muss quasi die Kronen Zeitung lesen, um sich auf das Niveau ihrer Darsteller zu begeben und das fand ich eine hm, schwierige Aussage. Bei den Alltagsgeschichten hatte ich auch immer ein Gefühl der Übersättigung. Wenn man selbst in Favoriten aufgewachsen ist, hat man eher die Sehnsucht nach Geschichten, die man nicht kennt, also vom Leben in Döbling zum Beispiel, harhar.

Ich muss allerdings sagen, Favoriten hat mich beeindruckt. Zunächst ist der Film extrem lustig. Man lacht eigentlich von der ersten Minute mit den Kindern, nicht über die Kinder, weil einfach so witzige und herzerwärmende Szenen entstehen. Alle paar Minuten sagten L. und ich: “Oh” und “Moiii”. Es war einfach süß und lieb. Denn, und das rechne ich Beckermann hoch an, sie mischt sich in ihre eigene Doku auch nicht ein. Es werden den Kindern keine Fragen gestellt, es werden keine Themen “abgearbeitet”, es ist wirklich fast durchgehend ein Portrait ohne irgendeinen Kommentar und darüber bin ich sehr froh.

Natürlich kann man zurecht sagen, sobald ich etwas beobachte, verändere ich die Dynamik. Das wird natürlich auch hier in gewisser Weise der Fall sein, allerdings denke ich, dass diese Gefahr bei Kindern weniger gegeben ist, weil sie wahrscheinlich die Kamera bald einmal vergessen, so wirkt es zumindest. So sehen wir die Kinder tanzen, wir sehen sie Rechenkönig spielen, Schularbeiten schreiben und auch weinen, wenn die Noten nicht wie erwartet ausfallen. Wir sehen einen Besuch der Moschee und einen im Stephansdom, wir sehen Konflikte, die die Lehrerin sehr feinfühlig moderiert, Referate, Gespräche über Streit und Krieg und über die eigene familiäre Situation. Wir sehen einen Elternsprechtag.

Natürlich sehen wir auch die Probleme, die es gibt. Oder sagen wir so, diese Klasse bräuchte eher fünf oder sechs Pädagoginnen und Pädagogen. Die Kinder bräuchten sehr viel (mehr) Förderung und Unterstützung, die meisten sind nämlich sehr interessiert und engagiert, aber es gibt Handicaps, sowie die kulturelllen Reibepunkte. Der Film bietet keine Lösung an, das wäre auch illusorisch. Aber er entlässt einem trotzdem mit einem positiven Gefühl und auch so etwas wie einer indifferenten Hoffnung und damit hatte ich ehrlicherweise gar nicht gerechnet.

Veni Vidi Vici

Jetzt noch ein bisschen etwas zum Film Veni Vidi Vici.

In diesem Film geht es um die superreiche Familie Maynard. Viktoria, Amon und ihre drei – teils adoptierte und deshalb äh kulturell-diverse – Kinder, die auf einem Anwesen man muss schon sagen residieren – inklusive Infinity Pool im Wohnzimmer (!). Um seinen Reichtum noch weiter zu vermehren, geht Amon Bündnisse mit der Politik ein und in seiner Freizeit geht er zur Jagd. Doch er jagt keine Tiere…

Ich weiß bei dem Film eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Zunächst einmal: Er sieht nicht aus wie ein österreichischer Film und das ist positiv gemeint, er hat intensive Bilder und vermittelt interessante Stimmungen, eine Szene ziemlich am Ende hat mich sehr überrascht und den Film noch ein wenig gerettet. Auch die Schauspieler spielen gut. Aber ansonsten ist es ziemlich zum Haare raufen, was sich Regisseur und Drehbuchautor Daniel Hoesl hier einfallen hat lassen. Nach eigener Aussage beschäftigt er sich in einer gewissen Bessensheit mit reichen Menschen und das ist ja ok. Jeder hat irgendwelche Lebensthemen, an denen er sich abarbeitet. Aber wenn ich mich schon so eingehend mit einem Themenkreis auseinandersetze, wieso füge ich dem Narrativ nichts neues hinzu? Wieso bin ich maximal in die zweite Schicht unter der Oberfläche vorgedrungen?

Einen Erkenntnisgewinn gibt es bei Veni Vidi Vici nämlich nicht. Dass “böse” reiche Menschen zwar äußerlich nett auftreten und es aber fausdick hinter den Ohren haben, dass sie sich alles erlauben können, dass Reichtum oft mit Politik und Korruption verbunden ist, ja eh. Dass sie oft “davonkommen”, siehe das Ayn Rand Zitat, auch. Aber was weiter? Hoesl hat in einem Interview gesagt, er will die Menschen aufrütteln, dass sie sich wehren, so wie Michelle Obama in einer Rede gesagt hatte: “Do something!”. Ok, also wenn ein progressiver Regisseur eine Person, die die absoluten Elite der USA Gesellschaft repräsentiert zitiert, die mit einem ehemaligen US-Präsidenten verheiratet ist, und die ihrem Volk ausrichtet, dass es doch bitte irgendwas machen soll gegen Missstände in der Gesellschaft, dann weiß ich nicht, soll ich lachen oder weinen? Oder war das satirisch gemeint?

Wobei wir beim nächsten Problem sind. Satire. Sie hält einen auf Distanz, eigentlich zwangsläufig. Aber sie sollte zumindest irgendwie funktionieren. Die Figuren können sich schon komplett over the top verhalten, trotzdem sollte es in sich stimmig sein. Und das ist es in diesem Film, meines Erachtens, nicht. So komme ich den Protagonisten nicht nur nicht nahe, ich kann viele und gerade die folgenschwersten ihrer Handlungen nicht nachvollziehen. Und das nimmt dem Film irgendwie dann auch wieder die Schärfe, wenn ich mir denke, das ist eh alles mehr oder weniger Fantasy-Satire.

Außerdem ist Veni Vidi Vici voll von Zitaten und Anspielungen auf andere Filme. Die drei Kapitelstruktur Veni-Vidi-Vici erinnert stark an Triangle of Sadness, ein Film, der auch nicht gerade subtil war, aber dann doch etwas mehr um die Ecke gedacht hat. Ich habe hier auch etwas von A Clockwork Orange gesehen, von American Psycho, Parasite und Joker und der ORF Serie Tohuwabohu (nach eigener Aussage eine Lieblingsserie von Hoesl). Ehrlich gesagt musste ich auch an die Batman Verfilmungen von Christopher Nolan denken – der Butler heißt dort interessanterweise auch Alfred. Ich finde Zitate schon ganz reizvoll, wenn sie dosiert eingesetzt werden, aber wenn der Film überhaupt keinen eigenen Ton findet, dann sind sie eher kontraproduktiv.

Ich bin also mit sehr gemischten Gefühlen aus dem Kino gegangen, aber nachgedacht habe ich doch darüber. Das ist ja auch was.