Heute erscheint offiziell der Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Ich habe schon die ersten hundert Seiten gelesen, weil Bücher am Spitz (unbezahlte Werbung) mir das Werk bereits am Freitag aushändigen konnte – ich hatte es ein paar Tage vorher bestellt.
Bachmann und Frisch waren fünf Jahre zusammen, von 1958 bis 1962 sagt Wikipedia, ich bin jetzt im Jahr 1959, die beiden sind nach wenigen Monaten in einem Haus bei Zürich zusammengezogen, aber zu ihrem ersten Jahrestag schon temporär getrennt aus verschiedenen Gründen; es war eine doch ziemlich komplizierte Beziehung, aber wie könnte es bei den beiden wohl auch anders sein? Frisch wird ja manchmal auch für den frühen Tod von Bachmann (mit)verantwortlich gemacht, aber solche Zuschreibungen sind sehr heikel, kann überhaupt jemand schuld am Tod eines anderen Menschen sein, weil er sich von ihr (oder sie sich von ihm) getrennt hat? Es bleibt ja doch die Verantwortung jedes Einzelnen, was er daraus macht. Schwierig, aber natürlich auch interessant, faszinierend.
Ich habe sowohl ein Werk von Bachmann (Der Fall Franza) als auch Frisch (Stiller) in meiner Dissertation behandelt. Dass die beiden hervorragende Autoren sind, muss man nicht extra erwähnen.
Dass ihr über 600-seitiger verzweifelter Briefwechsel (plus 400 Seiten Anhang an bio- und bibliografischen Informationen) für mich genau das richtige ist gerade, wird ja niemand bestreiten. Harhar.
P.S. Es läuft derzeit auch eine Bachmann-Ausstellung im Literaturmuseum Wien, die ich mir sicher ansehen werde, aber erst werde ich den Briefwechsel fertiglesen.
Sehr lustig war der Schlagabtausch zwischen Paulus Manker – zu Gast in Willkommen Österreich – und Grissemann. Grissemann fragt Manker, ob der Spiegel auch schon bei ihm aufmerksam wurde, auf die Zustände am Set.
Daraufhin Manker: Dein Bruder, der behauptet, dass er Kulturchef vom Profil ist, traut sich nicht, über Ulrich Seidl kritisch zu schreiben, weil er mit ihm seit Jahren verbandelt ist.
Gelächter und Applaus.
Grissemann: Ich gebe dir hier das Forum, etwas Kritisches über Ulrich Seidl zu sagen. Was hat er sich zuschulden kommen lassen?
Manker: (…) Es ist ein zweischneidiges Schwert. Ich mag ihn schon, ich habe mit ihm schon mal eine Theaterproduktion – abgebrochen
Grissemann: Die Frage war anders. Was kann man ihm vorwerfen?
Manker: Das weiß ich nicht, ich war ja nicht dabei.
Grissemann: “Ich weiß es nicht” – Interessante Antwort, vielen Dank für das Gespräch Herr Manker.
Manker: Ich kann weder was Schlechtes noch was Gutes sagen. Die Filme von ihm haben eine besondere Qualität.
Grissemann: Danach hab ich nicht gefragt.
(….)
Manker: (…) Man muss ihn nicht mögen, aber der internationale Success und die Bedeutung, die er für unser Land bringt, ist beachtlich.
Girssemann: Das waren also die Vorwürfe gegen Ulrich Seidl während des Sparta Drehs?
Manker. Ich habe dem Ulrich Seidl nichts vorzuwerfen. Er ist ein kontroversieller – der Künstler hat kontroversiell zu sein, sonst kann er ja gleich Journalist werden!
Ich habe mir in den letzten zweieinhalb Jahren das Fernsehen abgewöhnt, weil es für mich nur noch monothematisch, unreflektiert und geistlos war. Vielleicht hat sich das verbessert, ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich jetzt ein Interview mit Harald Schmidt gesehen habe, dass ich als Wohltat in puncto Witz, Klugheit und Schlagfertigkeit, sowie auch Selbstironie empfunden habe.
Schmidt spielt ja aktuell den König in der Wiener Volksoper im Stück Die Dubarry. Er sagt, den König spiele man eigentlich nicht selber, den spielen die anderen, weil wenn die sich nicht verbeugen, dann kann man gar nichts machen, dann kauft einem das Publikum den König nicht ab. Er kann persönlich Operetten einiges abgewinnen und meint, das sei ein Genre, das ja hervorragend in die jetzige Zeit passe.
Außerdem bestreitet er, wirklich singen zu können, er versuche es, zur Freude des Ensembles, dass sich jedesmal fragt: a) schafft er den Einsatz, b) in welcher Tonlage überrascht er uns heute und c) kommt in etwa der Text, den wir kennen. Das was er mache, so Schmidt, sei fast “betreutes Singen”, niemals sei ein Sänger so therapeutisch begleitet worden, auf der Bühne.
Zur aktuellen Winnetou Kontroverse – Stichtwort kulturelle Aneignung (schon jetzt für mich eines der Wörter des Jahres, not in a good way), sagt er, er würde natürlich auch in einem Winnetou Stück spielen, er sei damit groß geworden und lerne nun natürlich auch neue Perspektiven, findet aber die Aufregung darum recht spannend und meint zum Schluß ganz trocken: “Und es zeigt ja auch, dass wir zum Glück zur Zeit keine anderen Probleme haben. Deutschland ist ja auf der Straße, weil es wissen will: Was wird aus meinen Winnetou Büchern?”
Am Mittwoch wollte ich zur Oskar Werner Ausstellung. Ich hab mir also meine Arbeit so eingeteilt, dass ich mit dem Bus um 13.27 hinfahren kann, die Ausstellung im Metro Kulturhaus öffnet um 14 Uhr. Als ich um 13.16 die Wohnung verlassen, hatte ich nicht mal die Idee, einen Regenschirm mitzunehmen, weil es zwar bewölkt war, aber nicht nach Regen aussah und weil auch nichts gröberes angesagt war. Zur Bushaltestelle brauche ich ungefähr fünf Minuten. Kurz bevor ich dort war, begann es tröpfeltn und binnen zwei Minuten entwickelte sich daraus ein kleines Unwetter mit Starkregen.
Ich hatte nun die Optionen: Zurück nach Hause gehen, wobei ich waschelnass werden würde, dann würd ich mich aufwärmen und abwarten, überlegen, welchen Bus ich als nächstes nehmen würde – die Busse fahren nur alle 20 Minuten und zufuss erschien mir bei dem Straßenzustand nicht als Option, oder so halbnasse in den Bus einsteigen und hoffen, dass ich bis zum Erreichen des Metro Kulturhauses getrocknet wäre. Habe mich dann für Option 2 entschieden, was eine gute Idee war, weil in der Innenstadt wars sonnig und fast heiß. Allerdings waren meine schönen Stoffballerinas wie Betonpatscherl, so angesaugt mit Wasser. Sie trockneten zwar auch schnell, aber die Feuchtigkeit zog weiter in meine Gelenke und für den Rest des Tages taten mir die Beine weh (Aus dem Tagebuch einer Seniorin)
Jedenfalls war die Ausstellung toll. Als ich eintraf, war ich die zweite Besucherin. Danach kam noch eine Person, das wars. Die Ausstellung befindet sich auf drei Ebenen, wobei Ebene 1 zu vernachlässigen ist – oder wie jemand ins Gästebuch schrieb, das war eher irritiertend. Einfach eine Projektion von Oskar Werner und ein paar Zuschreibungen zu ihm an den Wänden, eine Kurzbio. Okaaay. Im zweiten Stock erfährt man dann aber sehr ausführlich das wichtigste zu seinem Lebenslauf. Geboren 1922, enge Beziehng zur (alleinerziehenden) Mutter,die sich das Leben nehmen wollte als er acht Jahre war, dann Kriegsausbruch – er fahnenflüchtig und auch bereits Vater, also das sind schon mal ziemliche “Startschwierigkeiten” würde ich sagen. Gleichzeitig etablierte er sich schnell als Hörspielsprecher und Schauspieler. Von Anfang an zeichnete ihn aber auch ein hoher Anspruch an sich selbst und andere aus, weshalb er viele Projekte absagte, aus Verträgen ausstieg etc. Schließlich eine Art Flucht nach Liechtenstein, wo er ein Haus hatte.
Etwas, das ich tatsächlich nicht wusste, ist die Geschichte um den Ifflandring. Er war – trotzdem er den Nationalismus komplett ablehnte – sehr gut mit dem Schaupsieler Werner Krauß befreundet, der kollaborierte. Die beiden spielten auch oft zusammen. Krauß war sein Vorbild und es er starb, gingen alle, wohl auch Oskar Werner selbst, davon aus, dass der Ifflandring-Träger ihm, Werner, den Ring vermachen würde. Dem war nicht so. Den Ring bekam Josef Meinrad, der damals noch nicht so bekannt war1. Auch wenn Oskar Werner versucht, souverän damit umzugehen, war er wahrscheinlich sehr gekränkt und gedemütigt. Und, wenn wir uns ehrlich sind, Souveränität gehörte generell nicht unbedingt zu seinen Stärken. Werner drehte dann vermehrt Filme und ging (kurz) nach Hollywood. Später wollte ein eigenes Theaterfestival ins Leben rufen, was scheiterte, er wurde nochmal Vater. Vor allem aber trank er viel zuviel. Sein Ruhm verblasste, weil er unter Alkoholeinfluss auftrat. Fast alle, Familie, Freunde, wendeten sich von ihm ab. Mit 62 Jahren starb er an einem Herzinfarkt.
Der dritte Stock des Metrokulturhauses widmet sich Werners’ Werken in Film und Theater. Es gibt eine große Tafel, auf der alle Produktionen aufgelistet sind, die er ablehnt hat oder die nicht zustandegekommen sind. Auch solche, an denen er gerne beteiligt gewesen wäre, aber es dann aus verschiedenen Gründen nicht war. Symptomatisch für Werners Kompromisslosigkeit. Ungeachtet dessen drehte Oskar Werner einige Filme, die heute Kultcharakter haben wie Das Narrenschiff,Der Spion der aus der Kälte kam, Jules und Jim und (den liebe ich sehr): Fahrenheit 451. Allerdings zerstritt er sich dabei mit Regisseur Francois Truffaut, mit dem er ursprünglich sogar befreundet gewesen war, aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen über seine Figur Montag. Oskar Werner hatte in diesem Fall den Autor von Fahrenheit 451 – Ray Bradbury – auf seiner Seite, der ihm schrieb: “I know you have reservations about Fahrenheit 451 as do I”. Sein letzter großer Film/TV Aufritt war in Columbo in der Folge Playback. Auch Kult.
Als ich die Ausstellung fertig abgegangen war, hab ich im Shop gestöbert und mir dann auch das Buch zur Ausstellung 100 Jahre Oskar Werner gekauft. Es ist also möglich, dass ich nochmal auf das Thema zurückkommen werde. Man kann sich die Ausstellung noch bis Ende Jänner 2023 ansehen. Es lohnt sich! Disclaimer: Not a sponsored post (as usual)
1 nachdem Meinrad den Ring erhalten hatte, ging das Gerücht um, dass er seinerseits Oskar Werner als Nachfolger bestimmte. Angeblich änderte er 1984 – als Werner starb – seinen Willen. Aber wie gesagt: Gossip.
Nach dem Oscar Eklat rund um Will Smith und Chris Rock haben viele Menschen an Ricky Gervais gedacht. Gervais hat die Golden Globes mehrfach gehostet (und wahrscheinlich ganz bewusst die Oscars noch nie) und er war teilweise soo arg. Irgendjemand hat dann geschrieben: Wenn der Witz von Chris Rock eine Ohrfeige wert war, müsste man Gervais schon lange erschossen haben. Harhar.
Viele fragen sich: Was hätte Gervais in der Situation getan? Was wäre bei ihm passiert? Gervais hat das dieser Tage bei einem seiner Auftritte selbst beantwortet. Was bei ihm passiert wäre, sinngemäß: nichts. Denn er hätte keinen Witz über die Haare von Jada Pinkett Smith gemacht. Er hätte einen Witz über ihren Freund gemacht. Das hätte ich allerdings auch gerne gesehen!
P.S. Die Ehefrau von Will Smith hatte eine Affäre mit einem Freund ihres Sohnes. Smith und sie labeln seitdem ihre Ehe als “offen”.
Was ich so wunderbar im Andre Heller Porträt finde – dass er so schön spricht und erzählen kann. Ich könnte ihm wirklich stundenlang zuhören und oft ist er auch sehr witzig. Beispielsweise wird in der Doku ein Filmausschnitt aus den 1970er Jahren gezeigt, in dem er fordert, dass der Wiener Dialekt an Unis und Schulen gelehrt werden sollte, statt Latein und Griechisch (“völlig überflüssig”), und er kommentiert dabei aber vor allem sein damaliges Outfit: “Was ich da anhabe! Ein Duschvorhang, der eine Liasion mit einem Nachtkastl hatte, hat ein Oberteil für Herren geboren – so schaut das aus.”
Er erzählt auch, dass immer, egal was er tut, bis zum heutigen Tag Menschen aufstehen und sagen: So nicht! Auch in seiner Familie wurde er darauf hingewiesen: “Du, wenn das, was du da gerade vorhast, irgendjemand brauchen würde, dann gäbe es das schon!” Seinen vielleicht größten Dämpfer hat er bei der Premiere seines Theaterstückes King-Kong-King-Mayer-Mayer-Ling erfahren. Ein Stück, in dem seine damalige Frau Erika Pluhar und Herwig Seeböck spielten, im Publikum, laut Heller, das “stänkernde Wien”, ein “Pöbel an KünstlerInnen”. Curd Jürgens saß ebenfalls im Publikum und animierte die anderen zum Tumult und Buh-Rufen. Heller sagt, die Kunstszene hätte sich gedacht: “Also wenn er schon singt, das können wir jetzt nicht mehr verhindern, dass er Säle füllt, aber ein Theaterschriftsteller wird uns der nicht!” Die Kritik hat ihn derart entmutigt, dass er lange tatsächlich nichts mehr geschrieben hat.
Dann erzählt er auch, dass er oft unter schweren Angstzuständen leidet und die Ärzte ratlos sind. Eventuell wären da “Walk In’s” – die von ihm quasi Besitz ergreifen. Das war interessant, dass er das gesagt hat, denn von “Walk In’s” ist vornehmlich in Access Conciousness (TM) die Rede, mit dem ich mich beruflich und auch privat ein wenig beschäftige. Er meint außerdem, dass das Künstlertum vor allem zu einem gut sei, nämlich ein Schutzmantel zu sein, dass man sich einige Verrücktheiten erlauben könnte, die dem Durchschnittsmenschen nicht so leicht verziehen werden. Bei ihm hingegen heiße es: “Na ja, ist halt ein Künstler, dann soll er halt sein Geld anzünden und damit riesige Skulpturen aus Feuer machen und dazu Musik von Händel spielen”.
Ich bin gegenüber der Hellerfabrik aufgewachsen. Bis 1971 wurden dort Schokolade und Zuckerl produziert. Ich bin erst 1976 geboren, es roch also nicht mehr permanent nach Süßem, als ich dort gelebt habe, aber die Fabrik stand trotzdem noch ganz schön imposant da. Erst Jahre nachdem ich ausgezogen bin, wurde sie zu einem Pflegeheim umgebaut. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich draufgekommen bin, dass die Heller Zuckerl etwas mit André Heller zu tun haben. Sein Großvater war nämlich einer der beiden Gründer der Fabrik.
Wie komme ich da jetzt drauf? Am Wochenende lief auf ORF anlässlich von Hellers baldigem 75. Geburtstag eine Doku mit dem Titel Die wahren Abenteuer des Andre Heller. Meine Mama hat mir davon vorgeschwärmt und so habe ich sie mir gestern angesehen und diese Doku und natürlich der Mensch André Heller ist wirklich, wirklich faszinierend und interessant. Ich hatte ja sehr lange ein falsches Bild von André Heller oder ein Bild, das veraltet war. Ich dachte, er sei sehr arrogant und abgehoben. Das war er auch junger Mensch, er war eine “Rotzpippn” wie er selbst sagt, und auch: “Ich habe eine so grandiose Eitelkeit gehabt, jahrzehntelang, weil ich so ein armseliges Selbstwertgefühl gehabt habe.” Und die Eitelkeit, so Heller, habe das nie ausgleichen können. Man fresse, sagt er, Anerkennung und scheide sie quasi unverdaut wieder aus. Das ist natürlich auch das spannende bei Heller, wie er sich pemanent selbst hinterfragt und analysiert.
Er ist jemand, der polarisiert. Unglücklich aufgewachsen in einem Schweizer Internat, ein strenger Vater, zu dem er im Grunde keine Beziehung hatte und dessen früher Tod ihn erleichterte, eine Mutter, mit der er permanent aneinandergerät, wurde dann ein überheblicher Radiokommentator, ein Künstler, der aber auch nicht in den Wiener Kunstbetrieb passte, der austeilt und selbst auch stark angefeindet wurde – was er so umschrieb: “In Wien musst erst sterben, damit dich die Leute Leben lassen, aber dann lebst lang.” Er sagt über sich selbst, er war eine “Primadonna der Exzentrik” und wenn Leute in seine Vorstellungen kamen, dann wusste er nicht, ob sie ihn verstehen oder nur sehen wollen, wie es ihn auf die “Pappn” haut.
Man weiß ja oft gar nicht, was ist André Heller eigentlich, wofür ist er tatsächlich bekannt? Er hat eine Universalbegabung. Er ist Sänger und Liedermacher, ebenso wie Moderator, Poet und Schriftsteller, Schauspieler, Filme und Zirkusmacher (im wahrsten Sinn des Wortes), Kulturmanager – obwohl das Wort für ihn total unpassend ist, Visionär, Createur – obwohl er so stark aneckt, ist er andererseits kommerziell auch extrem erfolgreich. Wie er selbst sagt, gibt es in Europa wohl niemanden, der mehr Ticktes für Shows verkauft hat als ihn; aber Shows interessieren ihn nicht mehr, die Shows hat er ausgereizt. Ihn interessieren Preise genauso wenig wie – wie gesagt – die Aufnahme in elitäre Künstlerkreise. Eigentlich, so denke ich, nachdem ich die Doku gesehen habe, geht es ihm darum, dass das Gefühl stimmt, dass er mit sich selbst glücklich ist. Und ich denke, das ist er.
Nach über zehn Jahren hab ich mir mal wieder Last Night angesehen, ein Film, der mich schon beim ersten Mal ziemlich erwischt hat. Oft ist es ja so, dass man Filme dann in einer anderen Lebensphase sieht und sie wirken ganz anders auf einen. Last Night gehört nicht dazu, er hat mich auch diesmal ganz genauso erwischt.
Maybe SPOILER
Worum geht es also? Joanna (Keira Knightley) und Michael (Sam Worthington) sind seit drei Jahren verheiratet. An diesem Abend begleitet sie ihn zu einer Firmenfeier, wo sie seine attraktive Kollegin Laura (Eva Mendes) kennenlernt. Joanna wird sofort klar, dass Laura ihren Mann auf nicht gerade subtile Art und Weise anbaggert, und dass ihm das zu gefallen scheint. Wieder zuhause angekommen macht Joanna ihm eine dementsprechende Szene. Er behauptet allerdings, Laura wäre ihm nur sympathisch, sonst nichts. Am nächsten Tag bricht Michael mit Laura und einem Kollegen zu einer Geschäftsreise auf. Joanna wiederum trifft beim Gang zum Bäcker ihre alte Liebe Alex (Guillaume Canet) wieder, einem Franzosen, von dem sie Michael nie erzählt hat, der abends mit ihr ausgehen will.
Beide Ehepartner verbringen die Nacht also mit anderen und werden dabei auf unterschiedliche Art und Weise in Versuchung geführt. Als Zuseherin sitzt man nun davor und denkt sich: wer wird hier wen betrügen und – weitergedacht – wo fängt Betrug eigentlich an? Michael und Laura trinken zusammen in einer Bar, im Hotel, am Pool und sprechen über das, was vielleicht zwischen ihnen passieren wird. Jedem Zuseher ist klar: das ist ein Spiel mit dem Feuer. Joanna und Alex treffen ein mit Alex befreundetes Ehepaar zum Abendessen – eine der besten Szenen des Films – und Alex’ Freund durchschaut sofort alles. Er stellt Joanna indiskrete, dabei aber auch sehr richtige Fragen zu ihrem Gefühlsleben. Nach ein paar Minuten hat er ihren inneren Kampf mit sich erfasst – und der Zuseher mit ihm.
Meine Sympthie gilt immer noch der Paarung Joanna/Alex. Die beiden sind Schriftsteller – mehr oder weniger erfolgreich, jedenfalls sind sie beide auf die gemeinsamen Wellenlänge, sehr künstlerisch-bohmemianhaft. Ich bin sehr dankbar, dass man Alex keinen unerträglichen französzischen Akzent in der deutschen Fassung gegeben hat (so wie das letztens bei Untreu der Fall war). Und ich frage mich immer noch, was Joanna und Michael eigentlich verbindet – er wirkt sehr sachlich und distanziert, etwas unterkühlt sogar. Die beiden scheinen gar nichts gemeinsam zu haben. Die offensive Art von Laura stößt mich persönlich sogar regelrecht ab und macht mich wütend. Was vielleicht ein bisschen unfair ist, weil man dasselbe Alex auf einer anderen Ebene genauso vorwerfen könnte. Aber ich gehe die Wette ein, dass sich jeder Zuschauer auf die Seite eines Paares schlägt. Und ohne den “Response” des jeweilgen Partners würden das Eindringen in eine bestehende Ehe sowieso nicht funktionieren, das ist auch klar. Und sobald so ein EIndringen möglich ist, ist in der Ehe selbst schon etwas oder vieles nicht mehr in Ordnung. Banale Erkenntnis? Ja, aber doch zutreffend.
Jedenfalls ein atmosphärisch dichtes und sehr spannendes Kammerspiel, zu sehen derzeit auf Sky. Hier der Trailer:
Also folgendes. Gestern war das Finale von San Remo und wir wissen ja: Die SiegerInnen von diesem 5 tägigen italienischen Musikfestival, das viele, viele Stunden dauert, fahren in der Regel zum Song Contest (außer sie wollen das explizit nicht). Das musikalische Niveau auf diesem Festival ist immens hoch, was ja auch das Abschneiden von Italien beim ESC belegt. In den letzten zehn Jahren war Italien beim ESC acht Mal unter den Top 10, fünfmal davon sogar unter den Top 5, ein Sieg, voriges Jahr.
Mahmood war der Sieger von San Remo 2019 mit Soldi, meiner Meinung nach einem der besten ESC Songs der jüngeren Geschichte. Er wurde letztendlich Zweiter, m.E vor allem deshalb, weil Soldi zwar ein ungeheuer toller Song ist, aber nicht unbedingt ein optimaler Song für eine Bühne. Schwer rüberzubringen, ist ihm auch leider nicht ganz gelungen beim ESC. Heuer ist Mahmood wieder in San Remo angetreten, diesmal mit einem 19jährigen Sänger namens Blanco und dem Song Brividi. Und was soll ich sagen? Ich habe das Lied vor drei, vier Tagen das erste Mal gehört – gleich “Live” also auf der San Remo Bühne und war echt begeistert. Er ist nicht unbedingt so hip wie Soldi das war, aber so ein richtiger Cantautore Song, ich finde ihn wunderschön, und er ist defiintiv ein Song für eine große Bühne. Ach ja, und sie haben gewonnen.
Jetzt ist es so, dass Mahmood im Mai eine Italientour hat. Huch. Aber interessanterweise gibt er einen Tag vorm Grand Finale in Turin ein Konzert in …. Turin. Ganz schön praktisch.
Ach ja, Brividi heißt übrigens Schüttelfrost. Ich gebe aber zu, dass mein Italienisch nicht gut genug ist, um das zu wissen, ich hab das auch googlen müssen. Ging es bei Soldi um die schlechte Beziehung Mahmoods zu seinem arabischen Vater (zumindest semi-autobiografisch) handelt Brividi von jemanden, der lieben möchte, aber das irgendwie nicht schafft: “E ti vorrei amare, ma sbaglio sempre”– ziemlich undurchsichtig ingesamt, die Lyrics, aber soo poetisch, zumindest so weit ich das verstehe – die deutschen Übersetzungen, die ich bisher gefunden habe, tun sich auch ziemlich schwer. Oder es ist halt einfach ein Text, der sehr viel Spielraum für Interpretationen lässt.
Gewinnen wird das wohl nicht – und ich glaube auch, dass Italien nicht scharf darauf ist, den ESC zweimal hintereinander auszutragen, aber in die Top 5 sollte das schon kommen. Und selbst wenn nicht, ist es (wiedereinmal) ein wunderbarer italienischer Song.