almis personal blog

Intermezzo

Im Nu habe ich Sally Rooneys vierten Roman Intermezzo ausgelesen. Seit ich sie durch Gespräche mit Freunden entdeckt habe, bin ich total “hooked”. Und nachdem mir ihr letztes Werk zwar gut gefallen hat, aber doch auch etwas zu verkopft-akademisch war, sind wir bei Intermezzo wieder dort, wo wir hingehören, nämlich mitten in ein Gefühlswirrwarr aus: wie orsch alles ist und gleichzeitig wie wunderschön das Leben sein kann – also genau wie es eben wirklich ist.

Ein sehr schönes Buch, und die Buchseiten sind an den Rändern auch blau

In Intermezzo geht um die Brüder Peter, der Anfang 30 ist und erfolgreicher Anwalt, aber sonst ziemlich “troubled” und Ivan, Anfang 20, Schachgenie, mit autistischen Zügen. Der Vater der beiden ist gerade gestorben und sie trauern um ihn auf ihre Weise, kämpfen miteinander und auch auch um die Definition ihrer Beziehung zueinander. Außerdem beginnt Ivan eine Beziehung mit einer um einiges älteren Frau und Peter steht zwischen seiner langjährigen großen Liebe, mit der er aus vielen Gründen nicht mehr zusammen sein kann, und einer jungen Studentin, die im Alter von Ivan ist. Also alles sehr kompliziert.

Es ist zwar irgendwie wurscht, aber mich irritiert es immer, wenn Geschwister so scheinbar zueinander “unpassende” Namen haben – ich mein Ivan und Peter? Passt für mich überhaupt nicht, wenn die Protagonisten in Dublin leben; der Vater hatte tatsächlich einen osteuropäischen Hintergrund. Außerdem sind die beiden altersmäßig zehn Jahre auseinander. Warum das so ist, wird irgendwie nicht erklärt, ich dachte zuerst, sie wären aus verschiedenen Partnerschaften des Vaters, aber das ist nicht so, sie haben diesselbe Mutter. Altersabstände beschäftigen Sally Rooney derzeit anscheinend enorm, nicht nur was die Geschwister betrifft, sondern auch im Paarkontext. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Thema. Wie auch das Thema Verlust des Vaters und Trauer um ihn in der Art und Weise für mich nicht so nachvollziehbar ist, weil mein eigener Vater eine Leerstelle in meinem Leben geworden ist (und das wäre ein anderer Roman).

Aber wie auch immer, Rooney versteht es so meisterhaft, Charaktere zu beschreiben, Situationen, Stimmungen, dass man einfach immer weiterlesen wollen würde. Dabei ist ganz egal, dass in diesem Roman nicht wirklich viel passiert, was jetzt die reine Handlungsebene betrifft. Aber es passiert ganz viel in den Menschen, in Beziehungskonstallationen. Wie auch der Titel verrät, der weniger “Zwischenspiel” bedeutet, als auf den Fachausdruck im Schach anspielt, dort bedeutet Intermezzo nämlich einen “Zwischenzug”, Definition: ” In einer vermeintlich erzwungenen Zugfolge erwartet ein Spieler einen bestimmten Antwortzug. Der Gegner macht jedoch stattdessen einen stärkeren Zug, der dadurch zum Zwischenzug wird.”

Besonders gut hat mir an Intermezzo auch seine trotz allem positive Grundnote gefallen. Die Ansicht, dass zwar alles ein Chaos ist, für das man keine Erklärung oder Lösung hat, aber dass das Leben trotzdem lebenswert ist.

Surreal

Gestern war irgendwie ein surrealer Abend.

Ich war bei einer Veranstaltung und habe mich in dem alten Gebäude gleich zweimal verirrt.

Es gab ein Wiedersehen und es war noch schöner als erwartet.

Ich habe drei Gläser Sekt getrunken und das sind ungefähr drei Gläser mehr als ich vertrage.

Jemand hat mir gesagt, es ist doch so lange her, da hat man doch schon ewig abgeschlossen.

Jemand anderer hat später zu mir gesagt, du bist halt Künstlerin, deshalb hast du so viele Emotionen.

Ich dachte mir: Ja, Autorin (fast) ohne Werk.

Dann bin ins Bett gegangen, habe insgesamt so etwa drei Stunden geschlafen und dann bin ich aufgestanden und habe mit meinem Leben weitergemacht.

P.S. Einen stringenteren Text kann man leider unter diesen Voraussetzungen nicht erwarten. harhar.

The Fountainhead, postscriptum

Die Regisseure Julia Niemann und Daniel Hösl beziehen sich in ihrem Film Veni Vidi Vici auf The Fountainhead und haben ihrem Film folgendes Zitat voran gestellt

“Question isn’t who is going to let me; it’s who is going to stop me”

Der Satz kommt übrigens im Roman schon auf Seite 11 vor, also ich hoffe, sie haben dann noch weitergelesen, denn ich finde nicht, dass das, was Veni Vidi Vici vermittelt, wirklich viel mit dem Roman zu tun hat.

Denn: Es geht zwar in Veni Vidi Vici auch um eine Familie aus der Baubranche, die glauben, sie können sich alles erlauben. Allerdings geht es ihnen primär um Geld und darum, anderen Menschen ungestraft Schaden zufügen zu können. Das ist nicht die Idee von Rand, wie ich sie verstehe. Zwar ist Geld für Ayn Rand wichtig als Form der Anerkennung und als Garant für weitere kreative Arbeit, nicht aber als Selbstzweck; und auch wenn Rand Altruismus als Handlungsmotiv ablehnt, bedeutet das im Gegenzug nicht, dass sie dafür ist, Menschen vorsätzlich zu verletzen. Und in Veni Vidi Vici erkenne ich weit und breit niemanden wie Horward Roarke, der als kompromissloser Architekt mit einer Vision ja trotzdem auch ein Sympathieträger ist. Ich finde es eher ärgerlich, wenn man sich auf einen Roman bezieht und den offenbar gar nicht so richtig gelesen hat.

Ich bin jetzt neugierig, wie viel The Fountainhead in The Brutalist steckt, den ich im Rahmen der Viennale (danke Uncut!) sehen werde. Horward Roarke war sicher ein brutalistischer Architekt, so wie seine Gebäude beschrieben sind. Auf diesen Film freue ich mich jedenfalls sehr, auch weil ich bei diesem Thema immer an jemand denken kann und das ist schön.

The Fountainhead – Review

So jetzt bin ich endlich fertig mit The Fountainhead von Ayn Rand, erschienen 1943.

Boah der Roman ist…viel. Also einerseits, weil er eben über 700 Seiten dick ist, aber auch so. Die russische Autorin und Philosophin Ayn Rand, hat quasi all ihre Ideen und Thesen in die Protagonisten gesteckt und derer gibt es viele. Ich behaupte mal, dass keiner der Dialoge in diesem Buch in der wirklichen Welt geführt werden würde, die Gespräche sprudeln über vor Weltsicht und Theorie und Selbstreflexion, niemand redet übers Wetter oder das letzte Wochenende.

Meine tolle englische Ausgabe, mit einem Werk von Tamara de Lempicka auf dem Cover. In der deutschen Übersetzung kostet The Fountainhead oder “Der Ursprung” oft an die 70 Euro.

Die Hauptfigur ist Howard Roarke, ein junger Architekt, der von der Uni geflogen ist, weil er sich weigerte, den konventionellen Standards zu entsprechen und sich an die vorherrschende Lehre anzupassen. Auch als er sich um Auftraggeber bemüht, ist er nicht bereit Kompromisse einzugehen. Er baut das, was er will, wie er es will und wenn das jemanden nicht passt, hat der eben Pech gehabt. Verständlicherweise hat Roarke unter diesen Voraussetzungen Schwierigkeiten, in der Branche Fuß zu fassen. Aber selbst seine Gegner müssen zugeben, dass er genial ist. Weitere Protagonisten sind sein überangepasster Studienkollege, ein führender Architekturtheoretiker, ein Zeitungsmogul und Dominique Francon, die Frau, die mit Roarke eine sehr seltsame und bizarr-toxische on/off Beziehung unterhält.

The Fountainhead wird vermutlich deshalb als “Bibel des Kapitalismus” beschrieben, weil Rand die Bedeutung von mutigen Einzelkämpfer herausstreicht, denen es nur um die Erschaffung eines Werkes geht, gegen alle Widerstände und ohne altruistische Gedanken dazu. Gleichzeitig verweigert sich Roarke aber auch dem Kapitalismus, weil er lieber Aufträge ablehnt und teilweise fast mittellos lebt, als “irgendetwas” bauen zu müssen, auch wenn es Geld bringt. Irgendwie geht das im meinem Kopf nicht ganz zusammen.

KURZER SPOILER !!! Howard Roarke entwirft gegen Ende des Romans ein soziales Wohnbauprojekt, das allerdings in seiner Abwesenheit von anderen Architekten geringfügig verändert wird. Was bleibt ihm also über, als die ganze Siedlung zu sprengen? Harhar. Was aber im doppelten Sinn gesellschaftlich unakzeptabel ist (es war ja noch dazu ein Sozialbau) Und im darauffolgenden Prozess dann seine (im wahrsten Sinn des Wortes) Brandrede darüber zu halten, warum er das getan hat und was ihm wichtig ist.

Der Roman besteht wirklich ausschließlich aus großen Themenkomplexen: Architektur als Metapher für alles mögliche, unter anderem menschlichen Charakter, Lob des Individualismus, Ablehnung des Kollektivismus und vor allem einer willentlich angestrebten Mittelmäßigkeit, Kritik an dem Einfluss und der Korrumpierbarkeit der Medien (der Roman ist von 1943!), letztendlich geht es sogar um Masochismus und Sadismus, sowie um Liebe. Aber um Liebe nur ein bisschen.

Pfuh.

8 1/2

Im Rahmen der Metrokino Reihe Marcello Magnifico habe ich einen meiner Lieblingsfilm, 8 1/2 oder Otto e mezzo, endlich auch mal im Kino gesehen. Das ist keine Werbung, weil das Metro Kino hat meine Reservierung verschmissen, die ich am 17. August gemacht habe (harhar), aber ich bin letztendlich trotzdem reingekommen und habe auch gleich als Entschuldigung zwei Gutscheine bekommen.

8 1/2 handelt von der Schaffens- und Lebenskrise des Regisseurs Guido Anselmi (Marcello Mastroianni). Er plant einen Film, der schon kostenintensiv vorbereitet wird, die Schauspieler warten auf ihren Einsatz, doch nun weiß er nicht mehr, was er überhaupt erzählen will und vor allem wie. Er sagt, er wollte einen “ehrlichen Film machen, der jedem hilft, das was tot in ihm ist, zu Grabe zu tragen”, aber er scheitert an der Handlung und gerade auch an seinem Leben. Nach einem kleinen Nervenzusammenbruch befindet er sich auf Kur nahe Rom, wo ihm aber sowohl seine Frau (Annouk Aimee) als auch seine Geliebte (Sandra Milo) nachreisen, einige seiner Schauspieler und auch sein Assistent. Guido flüchtet daraufhin immer öfter in Tagträume…

Der Kritikerpapst Roger Ebert schrieb in seiner brilliant formulierten Kritik über den Film: “8 1/2 is the best film ever made about filmmaking”. 8 1/2 hat sehr viele surreale und nicht ganz fassbare Szenen, die man aber, so finde ich, nicht unbedingt komplett verstehen muss, um von ihnen fasziniert zu sein. Guidos Assistent erörert einmal mit ihm das Drehbuch und sagt ihm dabei quasi: Du machst keinen Avantgarde Film, aber dein Film hat alle Schwächen eines Avantgardefilmes, harhar. Das ist genial: damit hat Fellini nämlich schon die kritischen Repliken auf seinen eigenen Film quasi vorweggenommen, denn einige Kritiker stoßen sich bei 8 1/2 genau an dessen Konfusion und scheinbarer “Ziellosigkeit”.

8 1/2 ist sehr italienisch, mit vielen schönen italienischen Menschen und hat wieder praktisch alle Fellini Markenzeichen vereint: Zirkusversatzstücke (Zauberer, Wahrsagerin), das Meer, die eigenwillige Dorfprostituierte, die katholische Kirche, hier in Gestalt eines Kardinals, die dekadente Gesellschaft, Tanz und generell die Musik, als Leitmotiv. Ich finde, dass Nino Rotas Soundtrack hier fast noch prägnanter ist als in Der Pate. Er akzentuiert Guidos Verwirrung und changiert zwischen Lebensfreude und Verzweiflung. Er wirkt auch oft als ironischer Unterton. 8 1/2 ist zumindest semi-autobiografisch – Fellini verarbeitet hier seine eigene Krise.

Der Film ist ein Fundus für viele nachfolgende Filme und andere popkulturelle Werke geworden. Die Szene in Pulp Fiction habe ich ja schon beschrieben. Aber auch die Anfangssequenz, als Guido sich aus seinem Auto befreit und über dem Stau schwebt, wurde später im REM Everybody hurts aufgegriffen, Michael Stipe ist da sogar ganz ähnlich gekleidet wie Mastroianni, inklusive Hut. Woody Allens Stardust Memories referenzieren ebenso auf 8 1/2 wie Charlie Kaufmanns Synechdoche New York – der mich persönlich aber eher genervt hat. Das (ur arge) Video von Aphex Twins Windowlicker erinnert mich von der Dymanik und von der Stimmung komischerweise total an manche Szenen in 8 1/2. Aber nachdem ich dazu nichts ergoogelt habe, bin ich da wohl die einzige, der das so geht.

Fazit: Ich glaube, der Film kann einem auch gar nicht gefallen, ich würde es verstehen. Aber ich liebe ihn auch nach wiederholter Sichtung immer noch sehr, auch weil er – trotz aller Krise – sehr positiv und lebensbejahend ist, und das gefällt mir immer viel besser als wenn Regisseure mit sich selbst und der Welt eh schon abgeschlossen haben.

Zum Nachdenken

Die renommierte US-Filmkritikerin und Oscar-Beobachterin Sasha Stone hat heute auf X folgendes postuliert:

Den Zusehern das geben, was sie wollen, anstelle dem, was sie wollen sollen. Da hatte Goethe eine andere Meinung, er hat in Wilhelm Meisters Lehrjahre geschrieben:

Es ist eine falsche Nachgiebigkeit gegen die Menge, wenn man in ihnen die Empfindungen erregt, die sie haben wollen und nicht die, die sie haben sollen.

Wilhelm Meisters Lehrjahre – Johann Wolfgang von Goethe

Man kann das auf verschiedene Arten interpretieren. Spannend, darüber nachzudenken.

The Substance

Worum geht es also in The Substance? Das ist relativ schnell erzählt. Die Schauspielerin und Fitness Vorturnerin Elisabeth Sparkle (Demi Moore) erfährt zu ihrem 50. Geburstag von ihrem Boss Harvey (sic!!!) (Dennis Quaid), dass sie leider gefeuert ist. Es wird eine jüngere Nachfolgerin – bewerben können sich Frauen bis 30 – gesucht. Das stürzt Elisabeth, die weder irgendwelche Familie noch Freunde zu haben scheint, in eine veritable Depression. Zufällig kommt es zu einer Begegnung mit jemandem, der ihr sagt: Das muss doch nicht sein, es gäbe da so eine Substanz, die einen wieder jünger und begehrenswerter mache. Elisabeth bestellt daraufhin diese Substanz und beginnt mit der Duchführung des “Prozederes”…

Kleinere Spoiler können folgen

Ich mag Horrorfilme nicht besonders, aber The Substance ist m.E. kein Horrorfilm, zumindest über weite Strecken nicht. Es ist der Kampf um das Zurückholen der Jugend mit erstaunlichen Methoden und Konsequenzen. The Substance ist vor allem ein atmosphärisch, auditiv und visuell für mich extrem beeindruckener Film, der mich zwei Stunden total gefesselt hat – die letzten 20 Minuten habe ich nicht mehr hingeschaut harhar. Nicht alles ist ganz schlüssig, die Charaktere bleiben schon in gewisser Weise an der Oberfläche, aber dennoch gibt es zwei, drei extrem eindringliche Szenen, die komplett unter die Haut gehen. Der Film gesamt ist irgendwie die Langversion des Ratschlags “So jung wirst du nie wieder sein wie heute, also genieß es einfach.”

Zu den Diskursen, ob The Substance nun feministisch oder antifeministisch ist, würde ich sagen, ich denke nicht, dass die Regisseurin Coralie Fargeat unbedingt in diesen Kategorien denkt. Die Darstellerinnen Moore und Qualley sind sehr oft nackt zu sehen, die Kameraführung ist ein “Male Gaze”, oder wie Margaret Qualley sagte, ihr wurde die ganze Zeit nur auf den Hintern, den Busen und zwischen die Beine gefilmt, und das hat sie komplett fertig gemacht. Das verstehe ich auch total, dennoch geht es in diesem Film natürlich genau darum, um das Schauen und Beurteilen, um Begehrlichkeiten, um Aufmerksamkeit, um den Wunsch gesehen und gefeiert zu werden. Man kann und soll über das alles diskutieren, aber für mich ist es ein Film, den ich einfach abseits jedes Diskurses als Erlebnis genossen habe.

The Substance ist wahrscheinlich Demi Moores Pulp Fiction. Wie John Travolta damals war sie ewig weg von der Leinwand und kommt nun mit einer wirklich erstaunlichen “Signature-Rolle” zurück, die sie komplett ausfüllt. Margaret Qualley ist eigentlich ein “Nepo-Baby”, wobei ich sie in drei Filmen gesehen habe und sie super fand und erst dann erfahren haben, dass sie die Tochter von Andie MacDowell ist. Und Dennis Quaid wird hier sicher sehr gerne gehasst, für sein Portrait eines Mannes, der sich für unwiderstehlich hält und sich anmaßt, Frauen zu sagen, wann sie leider nicht mehr unwiderstehlich sind.

Hinzuweisen wäre vielleicht noch die Botschaft, die Elisabeth am Anfang über The Substance bekommt. Ihr Informant schreibt “It changed my life.” Und ganz ehrlich, wer denkt da nicht diesem Satz zunächst daran, dass das ein verheißungsvolles Versprechen ist? Besonders, wenn man sich gerade schrecklich fühlt. Wer denkt daran, dass Veränderung auch ganz etwas anderes bedeuten kann? Es kann durchaus auch eine Warnung sein.

Der “The Substance”-Diskurs

Während andere Menschen hitzig darüber diskutieren, ob der Film The Substance, der gerade in unseren Kinos läuft und Demi Moore auf die Leinwand zurückbringt, feministisch oder das Gegenteil, wenn nicht gar misogyn ist, trotz der weiblichen Regisseurin Coralie Fargeat, frage ich mich ganz etwas anderes.

Kein Spoiler, die folgende Information ist praktisch schon im Filmtitel ablesbar.

Also mal abgesehen davon, dass ich mir niemals eine Substanz von anonymer Quelle, die ich mir aus einem Postschließfach abhole, und die mich verjüngen soll, einfach so selbst injizieren würde: Woher weiß die Figur von Demi Moore komplett ohne Anleitung, wie sie sich “The Substance” zuführen soll? Ich mein, da gibt es Röhrchen und Spritzen und Flüssigkeiten und Pumpen, ich weiß nicht mal, wie das alles heißt, was sie in dem Päckchen vorfindet. Es sieht ja alles sehr stylisch aus, aber nirgendwo ist eine Gebrauchsanweisung dabei. Und ein You Tube Tutorial gibt es dazu natürlich auch nicht, das ist ja alles quasi unter der Hand.

Das wäre für mich der Moment als Demi Moore Figur, wo ich schon auf ganzer Linie scheitern würde. Harhar.

Bald werde ich mehr zu dem Film schreiben, der mich erstaunlich begeistert hat.

Verstörende Videos, sieben

Nach langer Zeit wieder etwas aus der Rubrik verstörende Videos, weil ich es nämlich zufällig gestern wieder mal gesehen habe. Björk und ihr Video zu Bachelorette.

Der Song ist von ihrem dritten Album Homogenic, aus dem Jahr 1997 und ich glaube, das ist mein liebster Song von ihr überhaupt, wobei ich zugeben muss, dass ich ihre Karriere schon länger nicht mehr wirklich verfolge. Jedenfalls ist der Regisseur des Videos Michel Gondry und da weiß man eh schon alles. Er hat zum Beispiel Regie bei Eternal Sunshine of the Spotless Mind geführt, das ist der Film, wo sich Jim Carrey die Beziehung mit Kate Winslet aus seinem Gedächtnis löschen lassen will. Der Film ist sehr super und sehr surreal und das ist auch das Markenzeichen von Gondry.

Auch Bachelorette ist surreal. Bjork lebt den Traum jedes Schriftstellers: “One day, I found a big book, burried deep in the ground (…) to my surprise, it started writing itself.” Sie macht folglich alles, was das Buch ihr erzählt, zu einem Verleger gehen, sich in ihn verlieben, er gibt den baldigen Bestseller heraus, in der Ubahn lesen alle ihren Roman, sie hält Lesungen auf großen Bühnen etc. Auf der Bühne stellt sie dann auch die Geschehnisse nach, die dann wieder nachgestellt werden und wieder und wieder….usw. Sehr meta. Am Ende macht sie alles ungeschehen, und geht wieder zurück in den Wald – der Triumph der Natur über den Kommerz?

NIcht nur das Video ist super, auch die Lyrics – “I am a fountain of blood, in the shape of a girl” oder “I am a tree that grows hearts, one for each that you take.” Hach. Das Magazin Rolling Stone schrieb über sie, in den 1990er Jahren “(…) musste man davon ausgehen, dass Björk uns den Pop der fernen Zukunft brachte. Doch diese ist bis heute leider nicht eingetreten.” Heute läuft Björk eher unter dem Radar, hat allerdings in den frühen Nuller Jahren noch einen Film mit Lars von Trier gemacht (Dancer in the Dark), den ich mir leider nicht anschauen kann, weil ich mich ein bisschen vor ihm fürchte, also vor dem Film, sonst habe ich schon einiges von von Trier gesehen. Björk hat damals eine Blinde gespielt und wurde für den auch sehr schönen, melancholischen Song I’ve seen it all für den Oscar nominiert. Sie hat den Song dann auch live gesungen, in diesem legendären Schwanenkleid.

Von Björk gäbe es noch viele andere verstörende Videos, eigentlich praktisch jedes. Harhar.

Veni Vidi Vici

Jetzt noch ein bisschen etwas zum Film Veni Vidi Vici.

In diesem Film geht es um die superreiche Familie Maynard. Viktoria, Amon und ihre drei – teils adoptierte und deshalb äh kulturell-diverse – Kinder, die auf einem Anwesen man muss schon sagen residieren – inklusive Infinity Pool im Wohnzimmer (!). Um seinen Reichtum noch weiter zu vermehren, geht Amon Bündnisse mit der Politik ein und in seiner Freizeit geht er zur Jagd. Doch er jagt keine Tiere…

Ich weiß bei dem Film eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Zunächst einmal: Er sieht nicht aus wie ein österreichischer Film und das ist positiv gemeint, er hat intensive Bilder und vermittelt interessante Stimmungen, eine Szene ziemlich am Ende hat mich sehr überrascht und den Film noch ein wenig gerettet. Auch die Schauspieler spielen gut. Aber ansonsten ist es ziemlich zum Haare raufen, was sich Regisseur und Drehbuchautor Daniel Hoesl hier einfallen hat lassen. Nach eigener Aussage beschäftigt er sich in einer gewissen Bessensheit mit reichen Menschen und das ist ja ok. Jeder hat irgendwelche Lebensthemen, an denen er sich abarbeitet. Aber wenn ich mich schon so eingehend mit einem Themenkreis auseinandersetze, wieso füge ich dem Narrativ nichts neues hinzu? Wieso bin ich maximal in die zweite Schicht unter der Oberfläche vorgedrungen?

Einen Erkenntnisgewinn gibt es bei Veni Vidi Vici nämlich nicht. Dass “böse” reiche Menschen zwar äußerlich nett auftreten und es aber fausdick hinter den Ohren haben, dass sie sich alles erlauben können, dass Reichtum oft mit Politik und Korruption verbunden ist, ja eh. Dass sie oft “davonkommen”, siehe das Ayn Rand Zitat, auch. Aber was weiter? Hoesl hat in einem Interview gesagt, er will die Menschen aufrütteln, dass sie sich wehren, so wie Michelle Obama in einer Rede gesagt hatte: “Do something!”. Ok, also wenn ein progressiver Regisseur eine Person, die die absoluten Elite der USA Gesellschaft repräsentiert zitiert, die mit einem ehemaligen US-Präsidenten verheiratet ist, und die ihrem Volk ausrichtet, dass es doch bitte irgendwas machen soll gegen Missstände in der Gesellschaft, dann weiß ich nicht, soll ich lachen oder weinen? Oder war das satirisch gemeint?

Wobei wir beim nächsten Problem sind. Satire. Sie hält einen auf Distanz, eigentlich zwangsläufig. Aber sie sollte zumindest irgendwie funktionieren. Die Figuren können sich schon komplett over the top verhalten, trotzdem sollte es in sich stimmig sein. Und das ist es in diesem Film, meines Erachtens, nicht. So komme ich den Protagonisten nicht nur nicht nahe, ich kann viele und gerade die folgenschwersten ihrer Handlungen nicht nachvollziehen. Und das nimmt dem Film irgendwie dann auch wieder die Schärfe, wenn ich mir denke, das ist eh alles mehr oder weniger Fantasy-Satire.

Außerdem ist Veni Vidi Vici voll von Zitaten und Anspielungen auf andere Filme. Die drei Kapitelstruktur Veni-Vidi-Vici erinnert stark an Triangle of Sadness, ein Film, der auch nicht gerade subtil war, aber dann doch etwas mehr um die Ecke gedacht hat. Ich habe hier auch etwas von A Clockwork Orange gesehen, von American Psycho, Parasite und Joker und der ORF Serie Tohuwabohu (nach eigener Aussage eine Lieblingsserie von Hoesl). Ehrlich gesagt musste ich auch an die Batman Verfilmungen von Christopher Nolan denken – der Butler heißt dort interessanterweise auch Alfred. Ich finde Zitate schon ganz reizvoll, wenn sie dosiert eingesetzt werden, aber wenn der Film überhaupt keinen eigenen Ton findet, dann sind sie eher kontraproduktiv.

Ich bin also mit sehr gemischten Gefühlen aus dem Kino gegangen, aber nachgedacht habe ich doch darüber. Das ist ja auch was.