almis personal blog

Intermezzo

Im Nu habe ich Sally Rooneys vierten Roman Intermezzo ausgelesen. Seit ich sie durch Gespräche mit Freunden entdeckt habe, bin ich total “hooked”. Und nachdem mir ihr letztes Werk zwar gut gefallen hat, aber doch auch etwas zu verkopft-akademisch war, sind wir bei Intermezzo wieder dort, wo wir hingehören, nämlich mitten in ein Gefühlswirrwarr aus: wie orsch alles ist und gleichzeitig wie wunderschön das Leben sein kann – also genau wie es eben wirklich ist.

Ein sehr schönes Buch, und die Buchseiten sind an den Rändern auch blau

In Intermezzo geht um die Brüder Peter, der Anfang 30 ist und erfolgreicher Anwalt, aber sonst ziemlich “troubled” und Ivan, Anfang 20, Schachgenie, mit autistischen Zügen. Der Vater der beiden ist gerade gestorben und sie trauern um ihn auf ihre Weise, kämpfen miteinander und auch auch um die Definition ihrer Beziehung zueinander. Außerdem beginnt Ivan eine Beziehung mit einer um einiges älteren Frau und Peter steht zwischen seiner langjährigen großen Liebe, mit der er aus vielen Gründen nicht mehr zusammen sein kann, und einer jungen Studentin, die im Alter von Ivan ist. Also alles sehr kompliziert.

Es ist zwar irgendwie wurscht, aber mich irritiert es immer, wenn Geschwister so scheinbar zueinander “unpassende” Namen haben – ich mein Ivan und Peter? Passt für mich überhaupt nicht, wenn die Protagonisten in Dublin leben; der Vater hatte tatsächlich einen osteuropäischen Hintergrund. Außerdem sind die beiden altersmäßig zehn Jahre auseinander. Warum das so ist, wird irgendwie nicht erklärt, ich dachte zuerst, sie wären aus verschiedenen Partnerschaften des Vaters, aber das ist nicht so, sie haben diesselbe Mutter. Altersabstände beschäftigen Sally Rooney derzeit anscheinend enorm, nicht nur was die Geschwister betrifft, sondern auch im Paarkontext. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Thema. Wie auch das Thema Verlust des Vaters und Trauer um ihn in der Art und Weise für mich nicht so nachvollziehbar ist, weil mein eigener Vater eine Leerstelle in meinem Leben geworden ist (und das wäre ein anderer Roman).

Aber wie auch immer, Rooney versteht es so meisterhaft, Charaktere zu beschreiben, Situationen, Stimmungen, dass man einfach immer weiterlesen wollen würde. Dabei ist ganz egal, dass in diesem Roman nicht wirklich viel passiert, was jetzt die reine Handlungsebene betrifft. Aber es passiert ganz viel in den Menschen, in Beziehungskonstallationen. Wie auch der Titel verrät, der weniger “Zwischenspiel” bedeutet, als auf den Fachausdruck im Schach anspielt, dort bedeutet Intermezzo nämlich einen “Zwischenzug”, Definition: ” In einer vermeintlich erzwungenen Zugfolge erwartet ein Spieler einen bestimmten Antwortzug. Der Gegner macht jedoch stattdessen einen stärkeren Zug, der dadurch zum Zwischenzug wird.”

Besonders gut hat mir an Intermezzo auch seine trotz allem positive Grundnote gefallen. Die Ansicht, dass zwar alles ein Chaos ist, für das man keine Erklärung oder Lösung hat, aber dass das Leben trotzdem lebenswert ist.

The Fountainhead, postscriptum

Die Regisseure Julia Niemann und Daniel Hösl beziehen sich in ihrem Film Veni Vidi Vici auf The Fountainhead und haben ihrem Film folgendes Zitat voran gestellt

“Question isn’t who is going to let me; it’s who is going to stop me”

Der Satz kommt übrigens im Roman schon auf Seite 11 vor, also ich hoffe, sie haben dann noch weitergelesen, denn ich finde nicht, dass das, was Veni Vidi Vici vermittelt, wirklich viel mit dem Roman zu tun hat.

Denn: Es geht zwar in Veni Vidi Vici auch um eine Familie aus der Baubranche, die glauben, sie können sich alles erlauben. Allerdings geht es ihnen primär um Geld und darum, anderen Menschen ungestraft Schaden zufügen zu können. Das ist nicht die Idee von Rand, wie ich sie verstehe. Zwar ist Geld für Ayn Rand wichtig als Form der Anerkennung und als Garant für weitere kreative Arbeit, nicht aber als Selbstzweck; und auch wenn Rand Altruismus als Handlungsmotiv ablehnt, bedeutet das im Gegenzug nicht, dass sie dafür ist, Menschen vorsätzlich zu verletzen. Und in Veni Vidi Vici erkenne ich weit und breit niemanden wie Horward Roarke, der als kompromissloser Architekt mit einer Vision ja trotzdem auch ein Sympathieträger ist. Ich finde es eher ärgerlich, wenn man sich auf einen Roman bezieht und den offenbar gar nicht so richtig gelesen hat.

Ich bin jetzt neugierig, wie viel The Fountainhead in The Brutalist steckt, den ich im Rahmen der Viennale (danke Uncut!) sehen werde. Horward Roarke war sicher ein brutalistischer Architekt, so wie seine Gebäude beschrieben sind. Auf diesen Film freue ich mich jedenfalls sehr, auch weil ich bei diesem Thema immer an jemand denken kann und das ist schön.

The Fountainhead – Review

So jetzt bin ich endlich fertig mit The Fountainhead von Ayn Rand, erschienen 1943.

Boah der Roman ist…viel. Also einerseits, weil er eben über 700 Seiten dick ist, aber auch so. Die russische Autorin und Philosophin Ayn Rand, hat quasi all ihre Ideen und Thesen in die Protagonisten gesteckt und derer gibt es viele. Ich behaupte mal, dass keiner der Dialoge in diesem Buch in der wirklichen Welt geführt werden würde, die Gespräche sprudeln über vor Weltsicht und Theorie und Selbstreflexion, niemand redet übers Wetter oder das letzte Wochenende.

Meine tolle englische Ausgabe, mit einem Werk von Tamara de Lempicka auf dem Cover. In der deutschen Übersetzung kostet The Fountainhead oder “Der Ursprung” oft an die 70 Euro.

Die Hauptfigur ist Howard Roarke, ein junger Architekt, der von der Uni geflogen ist, weil er sich weigerte, den konventionellen Standards zu entsprechen und sich an die vorherrschende Lehre anzupassen. Auch als er sich um Auftraggeber bemüht, ist er nicht bereit Kompromisse einzugehen. Er baut das, was er will, wie er es will und wenn das jemanden nicht passt, hat der eben Pech gehabt. Verständlicherweise hat Roarke unter diesen Voraussetzungen Schwierigkeiten, in der Branche Fuß zu fassen. Aber selbst seine Gegner müssen zugeben, dass er genial ist. Weitere Protagonisten sind sein überangepasster Studienkollege, ein führender Architekturtheoretiker, ein Zeitungsmogul und Dominique Francon, die Frau, die mit Roarke eine sehr seltsame und bizarr-toxische on/off Beziehung unterhält.

The Fountainhead wird vermutlich deshalb als “Bibel des Kapitalismus” beschrieben, weil Rand die Bedeutung von mutigen Einzelkämpfer herausstreicht, denen es nur um die Erschaffung eines Werkes geht, gegen alle Widerstände und ohne altruistische Gedanken dazu. Gleichzeitig verweigert sich Roarke aber auch dem Kapitalismus, weil er lieber Aufträge ablehnt und teilweise fast mittellos lebt, als “irgendetwas” bauen zu müssen, auch wenn es Geld bringt. Irgendwie geht das im meinem Kopf nicht ganz zusammen.

KURZER SPOILER !!! Howard Roarke entwirft gegen Ende des Romans ein soziales Wohnbauprojekt, das allerdings in seiner Abwesenheit von anderen Architekten geringfügig verändert wird. Was bleibt ihm also über, als die ganze Siedlung zu sprengen? Harhar. Was aber im doppelten Sinn gesellschaftlich unakzeptabel ist (es war ja noch dazu ein Sozialbau) Und im darauffolgenden Prozess dann seine (im wahrsten Sinn des Wortes) Brandrede darüber zu halten, warum er das getan hat und was ihm wichtig ist.

Der Roman besteht wirklich ausschließlich aus großen Themenkomplexen: Architektur als Metapher für alles mögliche, unter anderem menschlichen Charakter, Lob des Individualismus, Ablehnung des Kollektivismus und vor allem einer willentlich angestrebten Mittelmäßigkeit, Kritik an dem Einfluss und der Korrumpierbarkeit der Medien (der Roman ist von 1943!), letztendlich geht es sogar um Masochismus und Sadismus, sowie um Liebe. Aber um Liebe nur ein bisschen.

Pfuh.

Der Bücherherbst

Dieser September bringt einige sehr bemerkenswerte Buch-Neuerscheinungen mit sich (unbezahlte Werbung!).

Da wäre zunächst mal Mein drittes Leben von Daniela Krien. Krien kenne ich durch eine persönliche Empfehlung der Buchhändlerin von der Buchhandlung am Spitz. Ich habe einmal zwei Bücher bei ihr gekauft Once upon a time in Hollywood von Quentin Tarantino und Die Nachricht von Doris Knecht. Es war Coronazeit, wir hatten also Masken auf, sie sah nicht mal wirklich mein Gesicht, aber sie meinte, ich solle warten, sie könne mir da noch ein Buch empfehlen. Und sie holte dann Der Brand von Daniela Krien und meinte, das wäre eine Beziehungsgeschichte, die mir sicher gefallen würde. Ich habe das Buch dann gekauft und tatsächlich war es das beste der drei Bücher, was mich bis heute verblüfft (alle drei Bücher waren gut). Insofern bin ich sehr gespannt auf diesen neuen Roman, auch wenn es eher alles andere als feelgood sein wird, es geht um den tragischen Todesfall eines Kindes und wie die Protagonistin damit weiterlebt.

Ein Buch, das mich ebenfalls anspricht ist Das Glühen im Dunkeln von Musiker und Journalist Christian Fuchs. Der Untertitel sehr pathetisch – wie er gestern selber sagte – Wie Filme mir das Leben retteten. Ich kenne Christian Fuchs vom fm4 Filmpodcast, den ich irrsinnig gerne höre und die meisten Folgen auch gleich mehrfach, beim Spazierengehen. Zwar teile ich eher die filmischen Vorlieben von seiner Co-Moderatorin Pia Reiser – ihr Hassgenre: Sci-Fi Western harhar – während Fuchs gerne doch auch Horror und Splatter und Terrence Malick mag, einen Regisseur, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann. Aber ich höre Fuchs gern zu, bei seinen Erklärungen und deshalb werde ich mir diese Betrachtung des Medium Films an sich zwischen zwei Buchdeckeln nicht entgehen lassen.

Außerdem erscheint ein Buch einer Autorin, von der ich ein echtes Fangirl bin und bisher jeden Roman gelesen habe, nämlich Sally Rooney. Es geht bei der jungen Irin immer irgendwie um Künstler, um Leute, die schreiben, schauspielen, Musik machen und die über alles mögliche nachdenken, vor allem über sich selbst und die Unmöglichkeit ihrer Beziehungen. Oft geht es auch um Geldmangel und Klassenunterschiede. Es geht um Menschen, die oft latent verloren in der Welt sind, manchmal dabei auch depressiv. Wenn man sowas mag, die Beschäftigung mit dem, was im Inneren von Menschen passiert, was sie lieben, woran sie glauben, was ihnen Angst macht etcetera, dann ist man bei Sally Rooney immer richtig. Ihr neuer Roman heißt Intermezzo und es geht um zwei ungleiche Brüder, die gerade ihren Vater verloren haben, und sich so wieder miteinander auseinander setzen müssen und die – man ahnt es – generell in ihrem Leben gerade nicht weiterwissen. Auf diesen Roman freue ich mich ganz besonders.

Hillbilly Elegy, zwei

Vance schildert die “Hillbillies” (manchmal nennt er sich auch drastisch “white trash”) sehr pointiert als Menschen, die stehenbleiben, aus dem Auto steigen und den Hut abnehmen, wenn sie an einer Trauerzeremonie vorbeikommen, um dem unbekannten Toten Respekt zu zollen. Die aber keine Probleme damit haben, den Inhaber eines Spielzeuggeschäftes eine Abreibung zu verpassen, wenn er ihrer Meinung nach ein Kind schlecht behandelt hat; oder die einem ortsbekannten Vergewaltiger den Prozess machen – bevor ihm der Prozess gemacht wird. Zusammengefasst: Warmherzigkeit trifft auf ein enormes Gewaltpotential.

Mithilfe von Galgenhumor schildert Vance die “Regeln” bei ehelichen Streitereien:

Never speak at a reasonable volume when screaming will do; if the fight gets too intense, it’s ok to slap and punch, so long as the man doesn’t hit first. Always express your feeling in a way that’s insulting and hurtful to your partner; if all else fails, take the kids and the dog to a local motel and don’t tell your spouse where to find you.

Hillbilly Elegy, S. 71

Interessant auch, wie Vance beschreibt, als er zu einem gehobenen Abendessen geladen war und wie “”Pretty Woman” die Reihenfolge des Bestecke vorher lernen musste.

Der Roman ist überhaupt von großer Ambivalenz geprägt. Vance schildert die schwierigen und ärmlichen Verhältnisse, aus denen die Hillbillies stammen, die Vorurteile, mit denen sie konfrontiert sind und die tatsächlichen Probleme, die es im System gibt. Gleichzeitig erläutert er aber auch die gewisse Trägheit, die viele Hillbillies ausmacht, ihre Tendenz dazu, in ungünstigen Strukturen zu verharren, auch ein Desinteresse gegenüber Bildung und beruflichem Vorankommen. Daraus resultierend laut Vance: Unbeständigkeit in jeder Beziehung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Vance hat diese Anteile in sich selbst gespürt und sich deshalb vier Jahre beim Militär verpflichtet, um zur Disziplin quasi gezwungen zu werden und etwas aus sich zu machen, was natürlich ein sehr drastischer Schritt ist. Später studiert er Jus in Yale, gründet eine Familie; er hält Kontuität für das Fundament für Zufriedenheit und Erfolg. Vance zieht eine interessante Schlussfolgerung, vor allem, wenn man bedenkt, dass er nun Vizepräsidentschaftskandidat ist: Die Politik kann schon einiges für diese Menschen tun, aber sie kann sie nicht grundlegend verändern, wenn diese nicht eine gewisse “Selbstmotivation” mitbringen.

Sein Roman wird mit zunehmender Dauer immer mehr zu einer Art soziolgischem Manifest, sehr facettenreich und analytisch, Vance ringt um eine Lösung, die er aber nicht findet, weil es die Lösung eben nicht gibt, es scheint ihn aber zu frustrieren. Ich verstehe jedenfalls nach der Lektüre nicht, was an diesem Buch “umstritten” sein soll. Auch wenn Vance mit “seinesgleichen” phasenweise hart ins Gericht geht, ist da immer gleichzeitig sehr viel liebevolle Empathie. Das Buch ist politisch, aber nicht parteipolitisch. Trump wird kein einziges Mal erwähnt.

Hillbilly Elegy – eins

Jetzt hab ich den Roman von Trumps Vize J.D.Vance gelesen, die Hillbilly Elegy, 2016 ein hochgelobter Bestseller, nun natürlich wieder mal enorm umstritten. Umso interessanter harhar. Ich habe das englische Original gelesen, auch weil Ullstein das Buch aus seinem Programm geschmissen hat. Mittlerweile ist es aber auch wieder bei Yes Publishing in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht worden.

J.D Vance heißt eigentlich James David Vance oder ganz früher James Donald Bowman- nach seinem Vater; nachdem ihn dieser zur Adoption freigegeben hat, wurde “Donald” ersetzt und er trug eine zeitlang den Nachnamen des damals aktuellen Mannes seiner Mutter Hamel, entschied sich aber später, den Nachnamen seiner Großeltern anzunehmen. Das wird sicher mal eine Millionenshow-Frage. J.D. Vance ist jedenfalls ein sehr talentierter, auch poetischer Autor, mit einem großen Interesse für soziologische Zusammenhänge.

In der Hillbilly Elegy erzählt er seine eigene Geschichte und die seiner Familie. “Hillbilly” bedeutet sowas wie “Landeier” in gewissen Regionen der USA. Vance beschreibt sein Leben im “Rust Belt” in Ohio, in Middletown – einer Stadt, laut ihm, so durchschnittlich wie ihr Name. Vance’ Großeltern kamen allerdings ursprünglich aus Kentucky und sind aus ökonomischen Gründen umgezogen, blieben aber im Herzen immer in Kentucky verwurzelt. Wurzeln, auf die auch Vance selbst sich bezieht.

Ich habe das Gefühl, dass Menschen, die zum Großteil bei ihren Großeltern aufgewachsen sind, sich ein bisschen gleichen – das gilt aber vermutlich für alle Menschen, die gewisse fundamentale Erfahrungen miteinander teilen. Vance beschreibt sein Verhältnis jedenfalls ähnlich wie ich das auch täte, nämlich folgendermaßen:

My grandparents – Mamaw and Papaw – were, without question or qualification, the best things that ever happened to me. They spent the last two decades of their lives showing me the value of love and stability and teaching me the life lessons that most people learn from their parents

Hillbilly Elegy, Seite 23

Wobei die Gründe, weshalb man von den Großeltern aufgezogen wird, natürlich unterschiedlich sind. Bei Vance waren sie ziemlich spektakulär, wenn man so will; sein Vater war einige Jahre ganz aus seinem Leben verschwunden. Seine Mutter war drogenabhängig, woran die Verhältnisse in ihrer eigenen Kindheit nicht unschuldig waren. Das wollten seine Großeltern auf gewisse Weise wieder gutmachen, in dem sie ihre Tochter und deren Kinder – Vance hat noch eine ältere Schwester – sehr unterstützten. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich besser als Großeltern eignen als als Eltern.

Bald dann mehr zur Hillbilly-Kultur und den Schlüssen, die Vance zieht.

High Fidelity

Letztens habe ich auch High Fidelity von Regisseur Stephen Frears wiedergesehen, das war für mich ein persönlicher Kultfilm im Jahr 2000.

Ich habe damals das Buch von Nick Hornby gelesen und das ist eine der Verfilmungen, die der Romanvorlage tatsächlich gerecht werden, obwohl mindestens zwei Dinge dagegen sprechen. Zum einen wurde die Handlung von London nach Chicago (!) verlegt (und das obwohl der Regisseur selbst aus Großbritannien stammt) und obwohl Cusack permanent die vierte Wand bricht und das Publikum direkt anspricht, was auch sehr leicht schiefgehen kann, denn normalerweise sagt man bei Filmen: Nicht erklären, zeigen. Aber High Fidelity ist eben ein Roman der quasi ein langer innerer Monolog ist und das setzt der Film erstaunlich gut um.

John Cusack spielt Rob Gordon, einen Mann Anfang 30, der ein Plattengeschäft besitzt und Musik über alles liebt. Aktuell hört er aber wieder einmal traurige Songs, weil er – auch wieder einmal – verlassen wurde. Er fragt dabei: “What came first, the music or the misery? Did I listen to pop music because I was miserable or was I miserable because I listened to pop music?” Diesmal hat sich Laura (Iben Hjlje) von ihm getrennt und weil ihn das mehr schmerzt als er zugeben will, denkt er über seine “Top 5-Trennungen” nach – so wie er sonst über seine “Top 5 Songs für einen Montagmorgen” nachdenkt, und versucht herauszufinden, wieso ihm keine langfristige Beziehung gelingen will….

Obwohl das eher deprimierend klingt, ist High Fidelity eine Komödie und zwar eine ziemlich lustige. Rob hat nämlich zwei Angestellte, den introvertrierten Dick (Todd Louiso) und Jack Black – als Barry – also das komplette Gegenteil. Die Streitgespräche im Laden sind super, so gut, dass ich eine Redewendung sogar in meinem allgemeinen Sprachgebrauch übernommen habe. Sie sprechen da über einen Song, den zwei Bands gecovert haben, Dick präferiert ein anderes Cover als Barry, Barry goutiert das überhaupt nicht und als Rob vermittelnd eingreift, sagt Barry den Satz: “Since when did this shop became a fascist regime?” – In der Synchro: “Seit wann ist hier der Faschismus ausgebrochen”. Der Satz ist wirklich vielseitig einsetzbar, ich verwende ihn regelmäßig, harhar

Sehr witzig ist auch, als Rob seine Ex-Freundin Charlie (Catherine Zeta-Jones) besucht, die für ihn immer eine Liga über ihm selbst gestanden hat. Zeta-Jones ist da absolut brilliant gecastet, weil sie so eine Aura hat, die genau das vermittelt. Bob hat sie für ihre Klugheit, ihren Witz, ihre Souverenität immer bewundert. Als er sie dann gut zehn Jahre später wiedersieht merkt er, dass sie eigentlich nur oberflächlich und egozentrisch ist. Und so lernt Rob durch sehr viel Selbstreflexion, was eine Beziehung tatsächlich ausmacht und was nicht.

Am Ende des Filmes performt Barry zur Überraschung von Rob, der in ihm nie einen erfolgreichen Musiker gesehen hat (während wir im Jahr 2024 natürlich alle wissen, dass Black super singt) Let’s get it on von Marvin Gaye. Genau an solchen leichtfüßigen, aber doch intelligenten Komödien, die in den 90er und 2000er Jahren noch fast am Fließband produziert wurden, mangelt es dem Kino in der Gegenwart sehr.

Über Menschen

Endlich bin ich nach meinem Patricia Highsmith Marathon dazugekommen, das Buch Über Menschen zu lesen, dass ich von M. zum Geburtstag bekommen habe. M. und ich als ehemalige Germanistikstudierende (harhar) schenken uns seit bald 30 Jahren Bücher zu allen Gelegenheiten.

Über Menschen spielt in der jüngeren Vergangenheit, nämlich zur Coronazeit. Das braucht einen aber nicht abzuschrecken, denn die Protagonistin Dora flieht genau aus diesem Grund aus Berlin aufs Land. Ihr Partner Robert hat sich vom Klima- zum Corona Apokalyptiker entwickelt und würde am liebsten das restliche Leben im Lockdown verbringen, während Dora die Dinge wesentlich differenzierter sieht. “Dora mag keine absoluten Wahrheiten und Autoritäten, die sich darauf stützen. In ihr wohnt etwas, das sich sträubt.” Und weiter: “Die Panik stieg, als wäre Krankheit und Tod neu erfunden worden.” Im ersten Teil des Romans, der in drei Abschnitte gegliedert ist, geht es viel um einen gewissen Befund darüber, wo die Gesellschaft Doras Meinung nach steht.

Aber dann, wie gesagt, zieht Dora mit ihrem Hund aufs Land und der Roman scheint eine amüsante, aber harmlose Betrachtung von der schrulligen Nachbarschaft zu werden. Dora gräbt ihren Garten um, arbeitet in ihrem Markting “Bullshitjob” im Home Office und integriert sich quasi nebenbei ins Dorfleben. Ihr direkter Nachbar, ein bulliger Typ namens Gote, stellt sich ihr als “der Dorfnazi” vor und wie man später merkt, ist das nicht kokett gemeint. Er hat eine rauhe Vergangenheit. Seine kleine Tochter Franzi ist oft bei Dora und spielt mit ihrem Hund. Alles plätschert recht gemächlich vor sich hin und es passiert nicht viel. Bis dann der dritte Teil mit einem für mich sehr unerwarteten Plottwist daherkommt und man das Buch tatsächlich nicht mehr zur Seite legen kann.

Juli Zeh engagiert sich neben ihrer Arbeit als Autorin politisch in der SPD, setzt sich aber als Juristin auch mit Grundrechtsbelangen auseinander und hinterfragt dabei das allgemeine Corona- und Ukrainekrieg-Narrativ. Man könnte auch einfach sagen, dass sie versucht, Dinge differenziert zu sehen. So auch in Über Menschen, wo Dora sich und ihre Fähigkeit zur Akzeptanz an Gote überprüfen muss, der zwar einerseits extreme Ansichten hat, andererseits aber auch ein “echter Mensch” ist, ein liebevoller Vater, einer, der sich auch um Dora sorgt und selbstlose Dinge für sie tut. Auch hier passen die Schablonen nicht mehr, die Dora letztlich lange Zeit selbst benutzt hat, um sich die Welt zu erklären. Fazit gibt es keines bzw. dieses, dass das Leben ungeheuer komplex ist.

Mit diesem Roman setzt sich Zeh sicher einer gewissen Einordnung aus, gegen die das Buch eigentlich arbeitet. Aber ich denke, sie lebt ganz gut damit. Ich werde jedenfalls noch mehr Texte von ihr lesen.

Hillbilly Elegy

Wie seit einigen Tagen bekannt ist, wird der Senator J.D. Vance der Vizepräsidentschaftskandidat von Donald Trump für die kommende Wahl sein.

Vance ist aber nicht nur Politiker, er hat 2016 auch den Roman Hillbilly Elegie geschrieben, der ein Bestseller wurde und im darauffolgenden Jahr beim Ullstein Verlag auch in einer deutschen Übersetzung erschienen ist. In dem überwiegend sehr positiv rezensierten Werk, das auch verfilmt wurde, beschreibt Vance seine eigene Lebens- und Familiengeschichte. Er wurde in einer unterpriviligierten Familie mit einer drogenabhängigen Mutter groß; er beleuchtet aber auch generell das Milieu seines Aufwachsens, landläufig, und wohl auch etwas abschätzig, werden die Menschen in den ländlichen, gebirgigen Gebieten der USA “Hillbillies” genannt.

Jetzt hat Ullstein bekanntgegeben, dass der Vertrag von Vance nicht verlängert wird. Die Rechte hat nun ein anderer Verlag gekauft. So weit, so gut. Ullstein begründet seine Entscheidung aber allen Ernstes mit der “politischen Wandlung” des Autors. Da stellt sich doch die Frage, was macht Ullstein mit seinen anderen Autoren? Wird da jetzt jeder und jede einem Gesinnungstest unterzogen werden? Und wer darf bestimmen, was die “richtige Haltung” ist? Oder reicht Vance aus, fürs Virtue Signalling? Ich finde diese Begründung höchst problematisch und willkürlich.

Ich habe mir jedenfalls Hillbilly Elegy bestellt und bin gespannt, das Buch zu lesen.

Lebowitz bei Fallon

Gestern bin ich in meiner X Timeline zufällig über den Auftritt von Fran Lebowitz bei Jimmy Fallon gestolpert.

Wer Lebowitz nicht kennt, kann zum Beispiel meine Kolumne über die Doku-Serie, die Martin Scorsese über sie gedreht hat, lesen oder die Serie selbst auf Netflix ansehen, sie ist genial und heißt Pretend it’s a city. Sieben Episoden in denen Lebowitz einfach nur ihre Ansichten zu allen möglichen Themen zum besten gibt . Es ist so klug und witzig und – was ich sehr an ihr schätze – sie hat zwar starke Meinungen, aber ist dabei nie dogmatisch und belehrend.

Nun war sie also bei Jimmy Fallon und hat darüber geklagt, dass sie die heißen Temperaturen schwer aushält und deshalb eine Klimaanlage hat.

“I know, it’s bad for the environment. I don’t care. Because I feel I am good for the environment. I have no children. (…) I don’t own an oil company. I don’t have a plane – like some very big environmentalists that we all know.”

Dann erzählt sie, dass sie Kochen hasst. Am schlimmsten während der Pandemie wäre für sie gewesen, dass die Restaurants geschlossen waren.

“During the lockdown, when all restaurants were closed which was – ok I know, that was not the worst thing about Covid; people died, horrible, okay. But the next worst thing was no restaurants.”

Am Ende erwähnt Fallon, dass er vor kurzem den Papst getroffen hätte und Lebowitz hätte darauf gesagt, sie hätte gerne seinen Job und Fallon dachte, sie meinte seinen, Fallons Job. Lebowitz darauf:

“Why would I enjoy your job? Let me put it this way: I could have your job. But even though I wanted to be the pope, I don’t expect to be. I am well aware a jewish woman is not going to be the pope.”

Lebowitz kann man im November live im Gartenbaukino in Wien sehen (unbezahlte Werbung). Ich weiß ja, wieso sie derzeit so oft auftritt, sie hat es Scorsese erzählt. Sie hat eine sehr große Wohnung in New York gekauft, die sie sich eigentlich nicht leisten kann, um alle ihre Bücher unterzubringen und nun muss sie arbeiten. Harhar.