almis personal blog

Charlie Kirk

Ich habe heute viele Think Pieces und Tweets zu Charlie Kirk (den ich bisher nur flüchtig kannte) gelesen. Ich möchte zwei hervorheben, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind.

Der erste von Faika El-Nagashi, einer ehemaligen Wiener Grün-Politikerin, die erst vor wenigen Monaten ihre Partei verlassen hat, weil sie von den eigenen Kollegen für ihre “abweichende Ansichten” angegriffen wurde.

Der zweite kommt von Geoff Norcott, einem englischen Comedian und es ist kaum zu glauben, aber wirklich wahr.

Ich könnte da jetzt einen ordentlich Rant anhängen, aber es ist mir heute zu unerträglich, mich näher damit zu beschäftigen.

Was besser ist, an Voltaire erinnern. Zeitlos gültig.

Jim

Aus ganz aktuellem Anlass, meine Jim Jarmusch Collection.

Da war er noch jung. Und ich auch harhar.

Ich habe wirklich viele, viele Stunden mit den dialog- und handlungsarmen Filmen von Jim Jarmusch zugebracht, ich kenne fast alles. In einer Rezension zu seinem Film Paterson habe ich mal gelesen, es passiere “peinigend wenig” in diesem (harhar) und das charakterisiert in weiten Teilen sein Gesamtwerk.

Am meisten los war vielleicht in der Italien-Sektion von Night on Earth, das ist wahrscheinlich auch sein bekanntester Film, in dem Jarmusch nächtliche Taxifahrten in fünf verschiedenen Städten schildert, Los Angeles, New York, Paris, Rom und Helsinki. Und in Rom ist halt der Taxifahrer Roberto Benigni und wer 1999 seine Oscarrede gesehen hat, kann sich den Hyperaktivitätslevel vielleicht vorstellen.

Mit Benigni drehte Jarmusch öfter, so wie auch mit Bill Murray, Tom Waits oder in letzter Zeit Adam Driver. Jarmusch ist ein richtiger Independent Regisseur, er behält die Gesamtkontrolle an seinem Werk, jeder Film ist quasi ein Director’s Cut. Und ich mag an ihm das Sperrige, sein Interesse für Gegenkultur, dass er mal Lyriker war (bzw ist) und dass ich immer das Gefühl habe, er macht die Filme, die er will, relativ egal, wie viele Leute das sehen wollen. Das finde ich sehr sympathisch und auch ok, wenn ich selbst manchmal weniger damit anfangen kann.

Jetzt habe ich schon ziemlich lange nichts mehr von ihm gesehen, weil es auch nur alle vier, fünf Jahre einen neuen Film gibt. Ich weiß nicht, ob ich ihn noch so rezipiere wie das mit 25 oder 30 Jahren der Fall war, also bin ich umso gespannter auf Father Mother Sister Brother, den Film, mit dem er heute Abend den goldenen Löwen in Venedig gewonnen hat.

Ein wenig Leben – Epilog

Noch etwas, was ein bisschen mit Ein wenig Leben zu tun hat, aber nur im Ansatz.

Das Titelbild des Romans zeigt das Foto “Orgasmic Man” von Peter Hujar. Ich finde ja eher, dass es nach Schmerz aussieht, aber Schmerz und Lust liegt ja manchmal auch nahe beieinander. Jedenfalls lese ich so den Namen Peter Hujar und plötzlich hatte ich so ein Aha-Erlebnis.

Denn: Der Regisseur Ira Sachs bringt heuer noch einen Film names Peter Hujar’s Day heraus. Sein Film Passages hat mich vor zwei Jahren so begeistert, dass ich ihn bei unserer Uncut Filmwertung auf Platz 2 des Jahres 2023 gesetzt habe (nach Oppenheimer und im kompletten Kontrast zu diesem). Ich mag Sachs’ Themen, den Look seiner Filme und ich mag seine Art, Charaktere zu porträtieren (auch den Orsch Peter Rogowski in Passages, boah ich hab ihn so gehasst harhar) Und der Trailer von Peter Hujar’s Day hat mir ur gut gefallen. Nur dachte ich bisher, das wäre eine fiktive Person, was doch eher peinlich ist und eine Bildungslücke ausweist. Aber naja.

Eigentlich sollte Peter Hujar’s Day beim Queerfestival im Votivkino laufen, aber anscheinend hat man sich das anders überlegt. Ich hoffe sehr, dass er einen normalen Kinostart bekommt, weil er beleuchtet, Nomen est Omen, einen Tag im Leben von Hujar (dargestellt von Ben Whishaw, der auch in Passages dabei war, aber als Sympathieträger) – Peter Hujar trifft die Autorin Linda Rosenkrantz in ihrem Apartment und wird von ihr gebeten, minutiös alles zu protokollieren, was er am 18. Dezember 1974 gemacht hat.

Im Trailer sagt Whishaw als Hujar: “I often have a feeling that in my day nothing much happens and I wasted it”. Und Rosenkrantz antwortet: “That’s why I’m doing this actually, to find out how people fill up their day.”

Ich finde das so interessant, ich muss diesen Film unbedingt sehen.

Filmfragen, Addendum

Noch ein Nachtrag zum Filmpodcast.

Es wurde auch über letterboxd, die Film App gesprochen, die ich selbst auch nutze. Ich weiß a) nicht, warum sie diesen Namen trägt, Hinweise erbeten und b) finde sie wirklich extrem un-intuitiv (harhar) und tue mir immer schwer, dort Sachen einzutragen und teilweise auch zu finden, wieder mal super Werbung hier, harhar. Aber sie ist toll als Filmtagebuch, zum Lesen, was andere User zu Filmen sagen, zum Anlegen einer Watchlist für zukünftige Filme und vieles mehr.

Auf seinem Profil soll/kann man seine Top 4 Filme eintragen, das ist das Ding von letterboxd, immer die Zahl vier, nicht fünf. Und das ist natürlich extrem schwierig. Wie soll man unter allen tollen Filmen vier auswählen? Ich habs jetzt aber trotzdem, inspiriert von Pia Reiser, gemacht, aus dem Bauch heraus.

Folgt mir gern alle, ich hab eh erst zwei Follower oder so harhar

Ok, also David Fincher ist dabei, der, laut Pia Reiser, Schutzheilige des FM4 Filmpodcasts, mit seinem renitenten Meisterwerk und Brad Pitts, laut eigener Aussage, bestem Film und ich würde ihm nie widersprechen. Natürlich Fellini in seiner ganzen Surrealität und Absurdität und einer Reflexion übers Filmemachen, plus der Marcello Mastroianni Sexyness. Mit La La Land auch der Film, von dem mein Kind glaubt, dass es in Wahrheit mein Lieblingsfilm ist, weil ich ein Plakat und eine Tasche davon habe. Und er ist sicher mein sentimentaler Favorit.

Und dann noch der Film, der auch eine Frage von Montag beantwortet, nämlich: Was ist der beste Einsatz von Musik in einem Film? Das ist für mich der Moment, in dem Bill Murray und Scarlett Johansson in einer Karaokebar sind und Murray das Mirko gereicht wird, damit er More than this von Roxy Music vorträgt. Und er singt es nicht eitel und gockelhaft wie Bryan Ferry, sondern irgendwie demütig und verletzlich und brüchig und alleine die Blicke, die er und Johansson sich in dieser Szene zuwerfen, erzählen mehr als andere Filme in 100 Minuten.

Filmfragen

Die gestrige 300. Folge des FM4 Filmpodcast, bestehend aus Fragen an die Moderatoren Pia Reiser und Christian Fuchs war tatsächlich, wie erwartet, sehr hörenswert.

Neben den üblichen Ranking-Fragen: Nennt eure Lieblingsfilme aus jedem Jahrzehnt, beginnend mit den 1920er Jahren, puh, gab es auch einiges, worüber ich selber dann mehr oder weniger lang nachgedacht habe. Beispielweise die Frage: Bei welchem Film ist dir erstmals die Bedeutung der Kamera(arbeit) aufgefallen? Fuchs sagte Kubrick (The Shining), Reiser sagte Hitchcock und mir ist da sofort Pulp Fiction von Quentin Tarantino eingefallen. Als ich den nämlich mit 19 Jahren gesehen habe, war ich total verwundert und fasziniert. Wieso stellt Tarantino manchmal die Kamera gefühlt drei Zimmer weiter weg und filmt seine Protagonisten von da, anstatt einfach nahe ran zu gehen. Man sieht sie ja kaum, man muss sich anstrengend, sie zu hören. Aha-Erlebnis, ah dort kann man die Kamera also auch hinstellen und es macht was mit der Szene.

Dann gab es die Frage nach dem Lieblingsfilm einer weiblichen Regisseurin. Es ist tatsächlich spannend, dass es immer noch vergleichsweise recht wenige Regisseurinnen gibt, aber mir ist da – wie Christian Fuchs – natürlich sofort Lost in Translation eingefallen, weil der ohnehin zu meinen Lieblingsfilmen gehört. Leider hat Coppola, aus meiner Sicht, nie wieder so ganz an die Magie dieses FIlmes aus dem Jahr 2003 anschließen können. Ich mag auch Greta Gerwigs Filme sehr gerne, aber eher weniger Barbie, sondern die davor. Gerwig ist auch eine Wunschgästin für den FM4 Filmpodcast für Pia Reiser. Mag bisschen utopisch klingen, allerdings war kürzlich tatsächlich auch schon Richard Linklater via Zoom zu Gast.

Und wenn wir schon bei ihm sind, Linklaters Before Sunrise hat Pia Reiser insofern verkorkst, sagt sie auf die Frage, welche Filme einen verkorkst haben, als sie durch den Film den Eindruck hatte, dass es sehr oft im wahren Leben Begegnungen wie diese gibt, dieses miteinander reden für viele Stunden, das so selbstverständlich und intim und besonders ist. Und, sagt Reiser, im tatsächlich Leben nicht sooft vorkommt, dass man mit einem Menschen so reden kann. Anmerkung von mir: Das stimmt, aber wenn es passiert, kann einem niemand diese Erinnerung nehmen. Anmerkung 2: Linklater lässt, soweit ich mich erinnere, sogar einen der beiden Protagonisten genau dieses Faktum in Before Sunset feststellen.

Der am meisten überbewertete Film? Da fallen Reiser gleich mal so heilige Kühe wie Star Wars und die Herr der Ringe Trilogie ein. Fuchs wundert sich über The Shawshank Redemption, ein Film, der seit 2008 (!) auf Platz 1 der “Bibel”, der Internet Movie Database rangiert, als bestbewertester Film. Ich muss ehrlich sagen, ich verstehe es auch nicht ganz. Der Film ist schon ok. Er spricht starke menschliche Emotionen an, die besagen, jemandem, der unschuldig im Gefängnis sitzt, muss Gerechtigkeit widerfahren und deshalb ist man da so “invested”. Tim Robbins und Morgan Freeman spielen gut. Aber dennoch, Platz 1? Ich habe schon mehrere Essays gelesen, die mir dieses Phänomen erklären wollten, aber keines hat mich vollkommen überzeugt. Auf Platz 2 ist übrigens, auch schon seit Jahrzehnten, The Godfather Part 1 und das ist dann doch nachvollziehbarer.

Am Ende ging es dann noch um die Frage, welchen Film sollte man nicht beim ersten Date sehen? Pia Reiser: “Ich würde sagen, Amour von Michael Haneke. (Pause) Oder gar keinen Film von Haneke. (Pause) Bei gar keinem Date.” haharhar.

ESC: Das neue Logo

So, Wien wird also Austragungsort vom ESC nächstes Jahr. Was für ein Schocker. Harhar.

Viel mehr Aufsehen hat das neue ESC Logo erregt. Warum eigentlich ein neues Logo, das alte war doch völlig in Ordnung finde ich. Es gibt auch schon eine Petition dagegen. Ich mein, nicht, dass es lebenswichtig wäre… Ein paar Fanstimmen über das Logo, die ich gelesen habe:

Ist schon der erste April?

Das ist Martin Österdahls Rache an uns allen 1. (harhar)

Ich möchte es mögen, kann mich aber nicht dazu durchdringen2.

Da kommt gepflegtes Comic Sans Feeling auf.

Mich persönlich erinnert das Logo an den ikonischen Intervall Act von 2016, den Song Love Love Peace Peace. Dieser sehr amüsante Song, den ESC Sieger Mans Zelmerlöw und die schwedische Komikerin Petra Mede performt haben, handelt davon, wie das geht, das perfekte ESC Gewinnerlied zu schreiben. Nämlich eben zum Beispiel über Love und/oder Peace zu singen, einen Mann im Hamsterrad laufen zu lassen oder alte Damen auf die Bühne zu holen, die Brot backen. Man könne aber auch ein Signalhorn einsetzen oder eine Geige mitbringen – “In Eurovision, nothing says winner like a violin”. Und dann heißt es, falls das aber zu altmodisch wäre : “This can easily be fixed by adding a DJ who pretends to scratch. In real life of course, this is 30 years old, but in Eurovision, it will give your number a contemporary feeling”. Harhar.

Ich finde, musikalisch gilt das für den Songcontest nicht mehr in dieser Form, der hat sich doch sehr weiterentwickelt, aber was das neue Logo angeht, trifft es voll zu. Die Designer dachten sicher, sie machen was ultamodernes, aber tatsächlich wirkt es ur altbacken. Ich mein, es fehlen nur noch diese rot/grünen 3D-Brillen aus den 1980er Jahren für die optimale Tiefenwirkung.


  1. Martin Österdahl, der ehemalige Song Contest Chef, bei den Fans unbeliebt und kritisiert; im Juni von seiner Funktion zurückgetreten ↩︎
  2. Also ich möchte es nicht mal mögen. ↩︎

Day-Lewis is back

Daniel Day-Lewis kehrt auf die Leinwand zurück.

Er ist ja 2017 quasi im normalen Rentenalter in Pension gegangen, und zwar nur einige Tage nachdem ich hier am Blog geschrieben habe, dass ich kein großer Fan von ihm bin. Wenn auch nicht deswegen harhar.

Jedenfalls ist Day-Lewis ja sowas wie das männliche Äquivalent zu Meryl Streep, weil beide haben drei Schauspiel-Oscars bisher und es gibt jetzt nicht so extrem viele Menschen, die das von sich behaupten können. Jack Nicholson fällt mir spontan noch ein. Aber wenn meine Mutter über Leonardo di Caprio in The Great Gatsby gesagt hat: “Na Redford is a kana”, so gilt das umso mehr für Day-Lewis, als er in einem quasi Remake von 8 1/2 (einer meiner Lieblingsfilme), nämlich Nine die Rolle von Marcello Mastroianni gespielt hat. Mastroianni ist er definitiv keiner! Eine krassere Fehlbesetzung gibt es eigentlich nicht, denn Day-Lewis ist sicher viel, aber kein italienischer Lebemann.

Ich muss aber zugeben, ich habe kürzlich mal seinen bis dato letzten Film Phantom Thread von Paul Thomas Anderson gesehen, in dem Day-Lewis einen richtig unangenehmen Kontrollfreak spielt, der seine Aggressivität und ungute Art nur mühsam unter Kontrolle halten kann, und das hab ich ihm wirklich voll abgenommen harhar.

Jedenfalls spielt er jetzt in Anemone, dem Debütfilm seines Sohnes Ronan, die Hauptrolle. Es geht um eine komplizierte Vater/Sohn Beziehung (autobiografisch?), was ja zumindest recht interessant klingt. Auf X hat jemand geschrieben: “Getting Daniel Day-Lewis in your debut feature because he’s your dad might be the most powerful use of nepotism we’ve ever seen”. Super formuliert. Und ich glaube, den Film werde ich mir ansehen.

E-Bow the Letter

Apropos Patti Smith, auch wenns konstruiert klingt: ich habe in den letzten Tagen und Wochen immer wieder einen Song gehört, der gleichzeitig eh der einzige Song ist, den ich von ihr kenne, nämlich E-Bow the Letter. Eigentlich ist es ein REM Song, Smith singt hier die Backing Vocals und wurde von der Band als große Einflussgröße genannt.

Der Song war die erste Single aus dem REM Album New Adventures in Hi-Fi aus dem Jahr 1996 und als solche völlig ungeeignet. Weil sie ist ur lang, über fünf Minuten, sperrig und er hat halt auf keiner Ebene das Zeug zum Ohrwurm, was ja die erste Single schon immer haben sollte, wenn man nach den Pop-Markt-Gesetzmäßigkeiten geht. Das Video ist ebenfalls sehr Arthouse (verwackelt, unscharf, etc) und es geht viel ums (Weg)Fahren und unterwegs sein.

Ich mag E-Bow the Letter aber immer schon sehr gerne, weil der Song etwas tut, was ich total schätze. Und zwar, komplett unmusikwissenschaflich erklärt: Die Musik macht das eine, der Sänger (hier Michael Stipe) singt irgendwie daneben vorbei und in diesem Fall gibt es eben noch Patti Smith, die auch wiederum ihr eigenes Ding macht. Es ist niemals ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten, sondern ein parallel geführter Alleingang, jeder könnte gefühlt auf einem anderen Planeten sitzen, wenn man so will, es ist aber trotzdem stimmig.

Ich hab jetzt recherchiert und Stipe hat den Song für den verstorbenen Schauspieler River Phoenix geschrieben, mit dem er befreundet war. Es ist ein frei assoziierender Brief und der “E-Bow” ist, habe ich auch erst jetzt herausgefunden, ein Zusatzgerät bei einer E-Gitarre, das die Saite in elektromagnetische Schwingungen versetzt und damit einen lang anhaltender Ton erzeugt. Also quasi ein Brief, der schwingt, vielleicht?

Der Text ist irrsinnig schwer zu dechiffrieren, man könnte sagen, Stipe philisophiert über Sucht und Ruhm und Sinn. Er erschuf hier die extrem strange, aber auch interessante Zeile: “This fame thing, I don’t get it. I wrap my hand in plastic to try to look through it” Diese Zeile spürt man eher, als man sie versteht. Er singt auch, sehr berührend: “I wear my own crown of sadness and sorrow” und er stellt fest: “Aluminum tastes like fear.” Alles irgendwie eigenartig, aber wirklich schön.

Der Wiener Kreis

Weil ich in der Nähe war, habe ich mir gleich die Ausstellung Orte des Wiener Kreises in der Wienbibliothek im Rathaus angesehen.

Ich dachte, das wird wieder so eine Mini-Ausstellung wie Karl Kraus vor einem Jahr, tatsächlich ist diese aber doch eine Spur umfangreicher und auch ansprechender gestaltet. Es gibt einen eigenen “Ausstellungsgang”, aka Kabinett, den man selbstständig abgehen kann, auch mit audiovisueller Unterstützung. Insofern empfehlenswert, wenn man in der Gegend ist und ein bisschen Zeit mitbringt.

Überraschend war für mich, hier auch die Musikerin Patti Smith zu sehen, die auf der Philosphenstiege der Hauptuni, wo Moritz Schlick, der Gründer des Wiener Kreises, 1936 erschossen wurde, eine Meditation ihm zu Ehren abgehalten. Eine Verbindung der beiden ist irgendwie skurill, die Google KI weiß gar nichts davon harhar, aber Smith hat tatsächlich sogar einen Kurzfilm über diese “Begegnung” mit Schlick gedreht.

Bei der Ausstellung werden, Nomen est Omen, die Orte porträtiert, an denen der Wiener Kreis tätig war. Es gibt in der Ausstellung dementsprechend verschiedene Sektionen wie unter anderem die Universität selbst, die Boltzmanngasse 6, wo das Mathematikinstut beheimatet war, das Kaffeehaus an sich (siehe auch Kaffeehausliteraten), die Privatwohnungen, das Palais Epstein und das Volksheim in Ottakring – alles Orte, an denen sich die Wissenschafter regelmäßig getroffen und ihre Gedanken ausgetauscht haben. Der Wiener Kreis wurde übrigens so genannt, um positive Assoziationen zum Beispiel zum “Wiener Walzer” zu evozieren.

Nebenbei wird auf vielen Schautafeln erklärt, worum es dem Wiener Kreis eigentlich ging, was aber schon eine recht komplexe Materie ist. Grundsätzlich verband die Teilnehmer “(…) der Versuch einer Verwissenschaftlichung der Philosophie mit den Mitteln der modernen Logik und das Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung” (siehe wikipedia)

Viele, nicht alle, Protagonisten des Wiener Kreises wollten auch das Wissen quasi demokratisieren und unterstützen das Entstehen von Volksbildungsstätten und die Entwicklung von Volkshochschulen.

Der harte Kern des Wiener Kreises umfasste 19 Personen, interessant dabei war, dass auch Studenten und verhältnismäßige viele Frauen Teilnehmerinnen bei den Treffen waren.

Die Ausstellung wird sehr lebendig durch die Tagebuchaufzeichnungen einiger Teilnehmer wie Rudolf Carnap und Kurt Gödel, die über die Zusammenkünfte berichteten. Carnap notierte zum Beispiel: “Wittgenstein scharf gegen Popularisierung der Wissenschaft. Waismann dafür aufgrund seiner Volksheimerfahrung. Nachher beide gegen Okkultismus, Wittgenstein sehr heftig ” Und Gödel philosophierte: “Je mehr ich über Sprache nachdenke, desto mehr wundert es mich, dass die Menschen sich je verstehen”

Eine gewisse menschliche Note erhält das Ganze auch durch ein Zitat von Karl Popper, der dem Wiener Kreis nicht angehörte, allerdings, wie er sagte, nicht aus Ablehnung, sondern: “Tatsache ist einfach, daß Schlick mich nicht eingeladen hat, an dem Seminar teilzunehmen. Das war nämlich die Form, in der man Mitglied des Wiener Kreises wurde.” Irgendwie interessant, dass es in allen Gesellschaftschichten und quer durch die Bildungsniveaus Ressentiments und auch ein gewisses “Gatekeeping” gibt.

Letztendlich wurde der Wiener Kreis durch das Emporkommen der NSDAP und der Emigration vieler Proponenten langsam ausgehöhlt. Das Ende fand die Gruppe, wie gesagt, in der Ermordung von Moritz Schlick.

Funny Games

Ich habe bisher noch keinen Michael Haneke Film gesehen. Ich weiß, es ist arg, sich als Cineastin zu bezeichnen und Haneke zu boykottieren, weil man auf gewisse Weise Angst vor seinem Werk hat. Gestern habe ich es aber doch, mit viel Unwohlsein, endlich gewagt, weil im Arthouse Kanal gerade Funny Games läuft.

Funny Games erzählt die Geschichte einer gutsituierten österreichischen Familie, bestehend aus Mutter Anna (Susanne Lothar), Vater Georg (Ulrich Mühe) und dem Sohn Georg junior, genannt Schorschi (Stefan Clapczynski). Sie fahren mit dem Hund in ihr Landhaus, um ein paar unbeschwerte Sommertage zu verbringen, Golf zu spielen, und Ausfahrten mit dem Boot auf dem nahegelegenen See zu unternehmen. Die befreundeten Nachbarn, die sie beim Ankommen treffen, haben offensichtlich Besuch von zwei jungen Männern Peter und Paul. Peter (Frank Giering) kommt schon kurze Zeit später bei der Familie vorbei, um sich im Auftrag der Nachbarn Eier zu borgen, doch dabei handelt es sich nur um einen Vorwand, tatsächlich hat er ein ganz anderes Ansinnen…

ACHTUNG MASSIVE SPOILER

Nachdem ich jetzt also endlich diesen Film gesehen habe, habe ich eigentlich nur eine dringende, aber, wie ich finde, sehr sachliche und wohlreflektierte Verständnisfrage: Was soll dieser kranke Scheiß? Harhar.

Gut, der Fairness halber möchte ich sagen, dass man diese Frage auch Clockwork Orange von Stanley Kubrick stellen könnte. Einem Film, den ich extrem schätze (lieben kann man bei dem Thema kaum sagen), und, der meine unmittelbare Assoziation zu Funny Games war, weil es da wie dort um extrem gewalttätige Home-Invasions geht. Aber als ich Clockwork Orange zum ersten Mal gesehen habe, war ich erheblich jünger, habe, glaub ich, noch mehr ausgehalten und war von Beethoven abgelenkt (bei Haneke ist es Händel). Kubrick hat zwar einen ähnlichen Ansatz, macht aber aus der Problematik skrupellose, wahnsinnige, weiß gekleidete (!) junge Männer, die Gewaltorgien veranstalten, dann doch etwas völlig anderes. Clockwork Orange ist artifiziell überhöht und für mich auch irrsinnig ästhetisch. Der Film wirbelt die Frage nach Schuld und Sühne so komplett durcheinander, dass man am Ende erstmal nicht weiß, wo oben und unten ist.

Das ist bei Haneke anders. Funny Games ist sehr naturalistisch, extrem langsam erzählt, und Fragen werden innerhalb dieses Settings im Prinzip nicht gestellt. Die Fragen gehen nach außen. Man kann Funny Games als Versuchsanordnung sehen, im Sinne von: Ist es nicht das, was wir als Zuseher im Kino sehen wollen, ungeschminkte Brutalität und Gewalt? Sollten wir, wären wir bei Verstand nicht aufspringen, unseren Unmut äußern und diesen Film schon im Ansatz boykottieren? Macht es uns nicht zu Komplizen der Täter, wenn wir einfach gar nichts tun, außer weiter zuzusehen? Auf dieser Ebene funktioniert Funny Games tatsächlich zumindest als Experiment ganz gut. Andererseits könnte man aber auch sagen, Haneke spielt sich als moralische Instanz auf, sein Film macht aber dann formal auch nichts anderes als das von ihm kritisierte.

Tatsächlich haben mir bei Funny Games die, eher seltenen, subtilen Elemente am besten gefallen. Gleich ganz zu Beginn etwa, als die Familie in ihrem Domizil ankommt und über den Zaun hinweg mit den Nachbarn redet. Die Nachbarn verhalten sich körpersprachlich und in ihrer Art zu sprechen so eigenartig, dass das auch für den Zuseher ganz merkwürdig erscheint. Anna und Georg artikulieren diese Beobachtung und suchen die Schuld gleich mal bei sich. Sind die Nachbarn sauer, haben sie selbst vielleicht etwas falsch gemacht? Tatsächlich, und das merkt man dann im weiteren Verlauf des Filmes, haben Peter und Paul einfach zu diesem Zeitpunkt die Nachbarn schon in ihrer Gewalt, tun das, was sie bald darauf mit Anna, Georg und Georg Junior machen werden, nämlich kranke “Spiele” spielen. Die Vorstellung finde ich jedenfalls extrem unangenehm, dass niemanden geholfen werden kann, obwohl die anderen ja noch “frei” waren. Und: Während Peter irgendwie ein Komplexler ist, der gefühlsmäßig in diese “Sache” irgendwie hineinstolpert, ist Paul (Arno Frisch) das personifizierte Böse und das macht er sehr gut.

Haneke hat zehn Jahre später eine US Version dieses Filmes gedreht, die offenbar Szene für Szene komplett gleich aufgebaut ist, nur eben mit amerikanischen Schauspielern, warum weiß ich nicht.

Zum Abschluss eine Überlegung, die ein letterboxd User angestellt hat, und sie ist nicht ganz unberechtigt: “Has Michael Haneke ever experienced a positive emotion in his life?” Harhar.