Sing Sing, ein Film unter der Regie des mir bisher unbekannten Greg Kwedar, behandelt das Theater-Rehablitationsprogramm im gleichnamigen Hochsicherheitsgefägnis nahe New York. Ich habe das ja sehr gerne, wenn es im Film um Kunst geht, wenn Charaktere sich wie auch immer künstlerisch betätigen.
In Sing Sing ist der Quasi-Vorstand und auch Autor der Theater AG der vermutlich zu Unrecht einsitzende John Divine G (Colman Domingo), mit einigen Mitinsassen arbeitet er an einem neuen Stück, einer vom Regisseur selbstgeschriebenen Komödie. Im Laufe der Proben und mittels der dazu erforderlichen Improvisationen lernen wir die einzelnen Teilnehmer des Programmes besser kennen und damit auch ihre problematische Vergangenheit. Vor allem der Neuzugang Clarence “Divine Eye” Maclin (als er selbst) tut sich schwer, sich in dieser für ihn komplett neuen Welt zurechtzufinden…
MÖGLICHE SPOILER

Puh, wo soll ich anfangen. Vielleicht bei meiner Befürchtung, dass der Film nicht den richtigen Ton trifft, der bei dieser Thematik zugegebenermaßen auch nicht allzu leicht zu treffen ist.
Denn natürlich kennen wir das schon, die Betrachtung einer marginalisierten – hier auch gesellschaftlich geächteten – Gruppe, die mithilfe der Kunst eine gewisse Karthasis erlebt. Erschwerend kommt bei Sing Sing noch dazu, dass die Gruppe aus (vornehmlich schwarzen) Gefägnisinsassen besteht, und somit den gängigen Gefängnisklischees Tür und Tor geöffnet sind. Und, das ist jetzt das ganz komische, diese Klischees sehen wir hier kaum und das noch merkwürdigere: Auch das finde ich irgendwie problematisch harhar. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, natürlich bin ich irgendwie froh, dass die übliche Gefängnisgewalt, die Brutalität, die Schreierei, der Schmutz und Grind des Gefängnislebens hier kaum abgebildet wird, aber auch das wirkt eben nicht ganz glaubwürdig.
Das Wachpersonal ist ebenfalls die meiste Zeit abwesend. Die Menschen hier, die in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzen, also mindestens einen Mord begangen haben, streifen so locker lässig durchs Gebäude als wären sie in einer Kuranstalt. Niemand scheint besonders auf sie zu achten. Einmal wird immerhin das Zimmer von Divine durchsucht und als er zurückkommt, soll wohl eine arge Unordnung suggeriert werden, tatsächlich schaut es auf seinem Schreibtisch aber nicht viel anders aus als auf meinem eh immer, harhar. Man könnte sagen, hier geht es nicht um diese Dinge, um das Leben im Gefägnis und die Schwierigkeiten, die dieses Leben begleiten, sondern hier geht es um den quasi Ausbruch in die Welt der Kunst. Aber dann hätte ich persönlich dem ganzen Film einen anderen Look gegeben, irgendwie viel artifizieller, um ihn von “normalen” Gefängnisfilmen abzuheben.
Auch bei den Darstellern gibt es ein gewisses Problem. Colman Domingo, ein bereits vor diesem Film Oscar-nominierter Schauspieler, spielt hier fast ausschließlich mit Laien. Das ist nämlich der Clou des Films, der kein Geheimnis ist, aber erst am Ende des Films richtig offenbart wird: Die meisten Männer hier spielen sich selbst oder ein fiktionalisiertes Selbst. Es sind Straftäter, die über die Kunst wieder in ein normales Leben integriert werden konnten. Sie sind alle keine ausgebildeten Schauspieler. Ich will damit nicht sagen, dass sie schlecht spielen, gar nicht. Nur die Vibes zwischen dem zum Overacting neigenden Domingo und diesen “real Dudes” stimmen halt irgendwie nicht wirklich. Dazu gesellt sich dann gedanklich der Subtext, ein Hollywood-Schauspieler “lernt” jetzt den Knackis wie man “richtig” schauspielt.
Tatsächlich hat mir aber der Aspekt, dass Ex-Gefangene im Theaterspielen einen neuen Lebensinhalt und auch einen Weg gefunden haben, mit ihrer Schuld fertig zu werden, am besten an diesem Film gefallen. Auf eben diesen Aspekt verlässt sich dieser Film aber auch (zu) sehr und bleibt so ziemlich “middle of the road”, ohne großartige Wagnisse oder Erkenntnisse. Gelernt habe ich aber trotzdem etwas, nämlich, dass sich die Insassen nicht mit N**** ansprechen dürfen und sich stattdessen “Beloved” nennen.