almis personal blog

Buch Wien, zwei

Apropos willkürlicher Ausschnitt der Leseproben. Also genau genommen war ich in erster Linie auf der Buch Wien, weil ich einmal Doris Knecht hören wollte, deren letzte beide Bücher mich wirklich sehr begeistert haben. Das allerletzte heißt Ja, Nein, Vielleicht und dreht sich um das Leben einer Frau von Mitte 50, Single, deren Kinder kürzlich ausgezogen sind und die mit ihrem Leben gerade sehr zufrieden ist und sich nun mit der Frage konfrontiert sieht, will sie jetzt – nach einigen Enttäuschungen – noch einmal so etwas wie eine feste Beziehung.

Ich mochte sehr vieles an diesem Buch, auch die Art und Weise wie Doris Knecht ihre Figur zwar “diese Sache” für sich entscheiden lässt, aber diese Entscheidung nicht als Ultima ratio betrachtet. Und ich fand den Ton, mit einer gewissen ironischen (aber nie zynischen oder bitteren) Note super. Knecht sagte gestern auf der Messe, sie habe bewusst einen Ton gewählt, der dem ihren Kolumen nicht ganz unähnlich ist. Überraschend war, dass, als sie dann aus dem Buch vorgelesen hatte, dieser Ton gar nicht so richtig getroffen wurde. Zumindest nicht so, wie ich es in meinem Kopf hatte.

Doris Knecht auf der ORF Bühne

Und ja apropos Leseprobe. Knecht hat sich als erstes für eine Passage entschieden, in der sie über einen Zahnarztbesuch schreibt und es war echt lustig zu beobachten, dass an dieser Stelle wirklich viele Leute aufgestanden und gegangen sind, harhar. Würde ich den Roman nicht kennen, würde ich mir auch denken, naja, ob ich das lesen will. Also war vielleicht nicht die allerbeste Stelle, aber wie gesagt, sonst ist das Buch sehr super.

Letztendlich sah ich noch Florian Illies, der sein neues Buch Wenn die Sonne untergeht über einen Sommer der Familie Mann in Sanary vorstellte. Sanary war eigentlich ein Urlaubsort, wo aber während des Aufenthalts klar wurde: die Manns können in diesem Jahr 1933 kaum mehr zurück nach Deutschland. Es war so interessant, was Illies über die Familie Mann mit ihren zahlreichen Dysfunktionalitäten, wie sie ja eh jede Familie auch hat, erzählte. Nachdem alle irgendwie (auch immer sich gegenseitig be-) schrieben, und man von Katia Mann (der Ehefrau von Thomas) aber nur quasi über die Texte der anderen hörte, wurde sie einmal gefragt, ob sie nicht auch ihre Sicht darstellen wolle und sie antwortete darauf: “Es muss in dieser Familie auch jemanden geben, der nicht schreibt.” Harhar, super Antwort.

Illies meinte, ihn interessiert die Gleichzeitigkeit, das normale Leben, das einerseits geführt wird oder geführt werden muss, während einem die eigene Vergangenheit und Heimat zu entgleiten droht.

Ein paar Worte noch generell zur Buch Wien: Ja, ich weiß auch nicht wie ich es mir vorgestellt habe, aber irgendwie haben mich viele der Stände ein bisschen enttäuscht. Die Auswahl an Büchern war jetzt nicht soo extrem groß, in Anbetracht dessen, dass ich schon auch mal eine Stunde in einer herkömmlichen Buchhandlung verbringen kann. Aber vielleicht kann eine Buchmesse eben auch nicht mehr leisten. Insofern ja, die “Events” interessant, der Rest eher mau. Den herkömmlichen Ticketpreis von 21 Euro (ohne Ermäßigung) finde ich schon eher hoch. Dafür gabs auch zu wenig “Giveaways” oder sonstige kleine Dinge, die man mit nachhause nehmen kann.

Ich bin trotzdem froh, dass ich es mir einmal angesehen habe.

Buch Wien, eins

Heute war ich also auf der Buch Wien (unbezahlte Werbung)

Mit Falter Abo kostet das 17 Euro für einen Tag. Hat es sich gelohnt? Ich würde sagen naja. Harhar. Hear me out.

Das Gelände der Buch Wien von außen

Ich habe vier teilweise sehr spannende Lesungen bzw. Gespräche verfolgt. Zuerst hörte ich eine wirklich interessante Runde zum Thema Maschinenräume – Hinter den Kulissen der Ringstraße. Es ging, wie der Name schon sagt, darum, was sich hinter den prächtigen Fassaden der Bauten an der Ringstraße verbirgt, nämlich viele technische Innovationen. Und wie sehr ein Gebäude eben nicht nur durch das geprägt ist, was von außen zu sehen ist, Stichwort Entkernung (ich musste an jemand denken, ach ihr wisst es eh). Spannend fand ich auch, dass Andreas Nierhaus meinte, das Buchprojekt habe ihm deshalb besonders gefallen, weil es quasi vom fotografischen Standpunkt ausging und nicht von technischen oder architektonischen Überlegungen.

Danach habe ich ein paar Fetzen von Oliver Nachtweys Präsentation seines Buches Zerstörungslust mitbekommen, wirklich gegen meine Absicht, ich wollte nämlich Politik in diesem Szenario vermeiden. Ich musste dann schnell weitergehen, bevor ich dem Drang, etwas zur Bühne hinauf zu schreien, nachgeben hätte müssen. Noch funktioniert die Impulskontrolle, harhar. Ich finde halt, dass man als Soziologe mit einem wissenschaftlichen Anspruch nicht Sachverhalte so stark verkürzt bringen sollte, dass man den Eindruck gewinnen könnte, hier wird eher eine Agenda verfolgt. Vor zwei Tagen erst ist btw der BBC Chef zurückgetreten.

Anschließend habe ich mich bei der Ö1 Bühne erholt, wo Antonia Löffler ihr Buch Hydra vorstellte. Wobei “erholt” ist gut, das Buch beginnt gleich mal mit einem Flugzeugabsturz und wer mich kennt weiß, das liebe ich ganz besonders. Diesen Absturz versäumt die Protagonistin im wahrsten Sinn des Wortes allerdings und wenn man so “Final Destination”-like damit konfrontiert wird, eine zweite Chance bekommen zu haben, dann beginnt man mitunter nachzudenken, über das eigene Leben und wo man steht, sowie, in diesem Fall, über die Familiengeschichte. Das klang recht interessant, die Leseprobe hat mich nicht komplett abgeholt, aber es ist eben doch ein willkürlicher Ausschnitt.

Hier wird für das Germanistikstudium geworben – der Andrang ist riesig harhar

Und lesen Sie in Kürze: Über Florian Ilies und sein Buch über die Familie Mann, sowie Doris Knecht Ja, Nein, Vielleicht und mein generelles Fazit über die Buch Wien. Es lohnt sich! Harhar.

After the Hunt

So, nun das was sich Regisseur Luca Guadagnino über Wokeness denkt – mein Review für Uncut habe ich übrigens “Versuchsanordnung mit Plädoyer gegen die Deutungshoheit” genannt. Hübsch, gell? harhar. Genauso verkopft ist der Film, mit dem Höhepunkt einer kleinen Philosophieeinheit in Yale, die sehr viel Konzentration erfordert.

Es geht um Alma (Julia Roberts) eine Philosophie Professorin in (eben) Yale, verheiratet mit Frederik (der immer wunderbare Michael Stuhlbarg). Eines Abends findet in deren Wohnung eine Art Institutsfeier statt. Anwesend sind die Adoranten von Alma, der junge Professor und ihr bester Freund Hank (Andrew Garfield) und ihre Lieblingsstudentin Maggie (Ayo Edebiri). Hank und Maggie verlassen die Feier gemeinsam, am nächsten Tag wendet sich Maggie verzweifelt an Alma: Hank habe sie am Vorabend vergewaltigt und sie, Alma, solle sie nun unterstützen und sich klar an ihre Seite stellen…

SPOILER MÖGLICH

Guadagnino ist sich sehr bewusst, was er hier macht. Er zeigt uns zwei Protagonisten mit allen erwartbaren Klischees: Maggie als schwarze Frau in einer Beziehung mit einer nonbinären Person. Sie ist aus reicher Familie und trägt ein Septum Piercing. Ihr gegenüber Hank, ein (noch nicht sehr alter) weißer Mann, von einer enervierenden Jovialität, immer etwas zu laut, immer etwas zu sehr von sich eingenommen, manchmal Grenzen überschreitend. Wir haben alle Vorurteile gegen beide sofort im Kopf. Wie beide auftreten, erzeugt eine gewisse Skepsis.. Und nun sagt Guadagnino quasi zu uns, und nun: Wem glaubst du? Und ich denke, er hat dabei sehr viel Spaß Harhar.

Prinzipiell geht es hier um den gesamtgesellschaften Zwang unserer Tage, sich jederzeit zu allem positionieren zu müssen, egal ob man dazu überhaupt in der Lage ist oder nicht. Ein Zwang, sich auf die “richtige” Seite zu stellen, so als wäre immer alles glasklar und die Welt schwarz und weiß. Dieser Film denkt die Diskurse und Gegendiskurse immer schon mit, er positioniert sich aber nicht. Wahrscheinlich ist er deshalb “umstritten”. Alma versucht sich abzugrenzen, denn sie weiß ja tatsächlich nicht, was wirklich vorgefallen ist. Aber ihre eigene Vergangenheit kommt dazwischen und auch Frederik, der sie süffisant darauf hinweist, dass sie sich immer nur mit Menschen umgibt, die sie verehren und deswegen einen neutralen Blick, wie er für eine Professorin ihres Ranges beruflich notwendig sein würde, schon lange verloren hat.

Ich bin ein Guadagnino Fan! Ich liebe Call me by Your Name, er ist soo poetisch und wunderschön. Ich liebe auch Challengers, obwohl ganz anders, höchst temporeich und unterhaltsam. Ich schätze seinen artsy Zugang bei I am Love und Queer. Und ich mag hier in diesem Film seine Renitenz, harhar und auch die Schauspieler.

Zum Beispiel Michael Stuhlbarg, der viel berühmter sein sollte als er ist, und hier zeigen kann, dass er nicht nur die warmherzige Vaterfigur sein kann – ich mein, wie sehr haben wir seinen einfühlsamen Monolog in Call me by Your Name gefeiert? – sondern auch jemand, der seinen scharfen Verstand auch mal für leicht sadistische Spielchen einsetzt. Stuhlbarg erinnert mich auch (sogar ein bisschen äußerlich) so sehr an jemanden, dessen Gesellschaft ich einige Jahre genießen konnte, er war genauso lustig und warmherzig. Und ja, auch deswegen freue ich mich immer, wenn er in einem Film auftaucht.

Woke ist over, zwei

Noch etwas zum Thema Woke ist over. Vielleicht wird das ja eine wiederkehrende Rubrik harhar.

Kürzlich in meiner Timeline, immer wieder dasselbe Foto:

Da weiß man schon ok, hier ist etwas im Gange, harhar. In diesem Fall handelte es sich ein Interview mit der GQ Journalistin Katherin Stoeffel mit der Schauspielerin Sydney Sweeney. Sweeney ist die, die im Sommer diese “Sydney Sweeny has good Jeans” Werbung gemacht hat. Was zu einem der blöderen Diskurse in einer Zeit der eh schon extrem blöden Diskurse geführt hat. Denn man hat der Firma bzw. Sweeney vorgeworfen, sie stelle ihre weißen Gene (Jeans=Genes) (!??) über andere, die Werbung wäre also rassistisch.

Also zum einen steht nirgends, sie hätte die besten Gene überhaupt, genau genommen steht überhaupt nichts über Gene; und ich habe, zum zweiten, persönlich bei guten Genen noch nie an Abstammung oder gar Hautfarbe gedacht, sondern meistens an Gesundheit und/oder gutes Aussehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch schon über die guten Gene von jemandem wie Georg Clooney gesprochen wurde. Aber man sollte da gar nicht zu argumentieren beginnen.

Bei diesem Interview jedenfalls brachte Stoeffel “unauffällig” das Thema Jeans auf und meinte dann, bezogen auf die Werbekampagne, die sie selbst ins Spiel gebracht hat, zu Sweeney: “Since you were talking about this, I want to give you the opportunity to talk about that specifically”. Darauf antwortete Sweeney:”I think that when I have an issue that I want to speak about, people will hear.”

Wow, das ist so Badass. You go girl!!

Gut, war eh klar, dass jemand, der ohne Bh auf roten Teppichen auftaucht, ein zufriedenstellendes Selbstbewusstsein haben muss harhar. Da kann ich noch viel lernen. Aber das merke ich mir, wenn mir jemand in Zukunft eine süffisante, selbstgerechte Frage stellt, die mich abfuckt. Genau das werde ich dann sagen: “I think that when I have an issue that I want to speak about, people will hear.”

harharhar.

Herausforderungen

Mit fast 50 Jahren hat man ja eh irgendwie schon mal alle Gefühle durchlebt, so denkt man.

Aber es gibt Momente, wo doch etwas passiert oder auftritt, was man so noch nicht kennt, ein bisschen “Fühlen aus zweiter Hand”, das einen aber wieder auf die eigenen, noch nicht vollständig geheilten Wunden aufmerksam macht. Wenn man jemand anderem “beistehen” will und dann merkt, man hat selber gar keine zufriedenstellenden Antworten. Und es tut alles ein bisschen weh, für jemand anderen und auch einem selbst.

Dennoch sind am Wochenende auch gute Dinge passiert, ich suche ja immer danach, nach den guten Dingen. Wir sind am Samstag am späteren Nachmittag mit dem Auto (to be) vom Kind auf den Kahlenberg gefahren. Es war ein schönes Herbstlicht…

Novemberlicht, Foto vom Kind gemacht

Wir haben oben einen Kaffee getrunken und das Auto näher angeschaut. Dann waren wir Abend essen in einer gemütlichen und guten Pizzeria in Klosterneuburg und haben anschließend das irrsinnig unbefriedigende F1 Quali (aus unser Sicht) geschaut.

Als dann alle außer dem Kind weg waren, wollte ich noch was arbeiten, bin aber doch am Sofa liegen geblieben, ich war einfach zu erschöpft. Ich wollte auch keinen Film, wo ich irrsinnig “invested” bin, sondern einen, den ich vielleicht aus Oscar Gesichtspunkten schauen sollte.

Jedenfalls wars Frankenstein von Guillermo del Toro. Del Toro interessiert sich grundsätzlich nicht für die Gegenwart oder irgendeine Form von heutiger Psychologie, sondern arbeitet immer mit fantastischen und archaischen Tropen (Blut und Boden, Hinrichtungen am Hauptplatz, Halbwesen usw harhar) und ungelenkem Overacting. Das ist so ungefähr das Gegenteil von dem, was ich am Kino mag oder suche. Und deshalb hat Frankenstein für mich auch nicht funktioniert, ich glaube, das ist so ein Film, den man entweder für ein Meisterwerk hält oder mit dem man gar nicht connecten kann.

Heute habe ich gearbeitet, bessere Gespräche geführt bzw. auch bessere Denkanstöße geben können, ein viel besseres F1 Rennen gesehen und letztendlich kann ich jetzt wieder ruhiger an jemanden denken, um mein Wochenende abzuschließen.

Frühstück 1070

Es gibt ja diesen Spruch: Kleide dich nicht für den Job, den du hast, sondern für den, den du haben möchtest. In Abwandlung, frage ich mich, soll ich mich derzeit für das Wetter kleiden, was in der Früh draußen herrscht oder für das, was zu Mittag sein wird. Harhar. Ich hab mich dann für das gegenwärtige Wetter entschieden und es war gut so.

Heute ging es in die Burggasse zum Frühstücken mit L. und zwar ins Lokal 1070.

Das Cafe Zehnsiebzig

Wenn man die Straße auf dem Foto runtergeht, was ich gemacht habe, weil ich, wie so oft, zu früh dran war, kommt man an einem Haus vorbei, an dem ein Schild hängt, auf dem steht “In diesem Haus hat Wolfgang Amadeus Mozart am 27.8 1778 auf seiner dritten Reise nach Prag nicht übernachtet”. Das ist originell!

Dann im Lokal angekommen, haben wir uns für Omlette aus Bioeiern auf Sauerteigbrot mit Parmesan und Salat entschieden und es war sehr gut und fluffig, Omlette wie Brot.

Als Nachspeise gab es Porridge mit Früchten, das wir uns geteilt haben:

Das schaut so Hipster-mäßig aus, ein Wahnsinn, aber ist halt auch eine Bobo Gegend, harhar.

Sehr nett zum Sitzen und tratschen und wir wurden freundlich bedient.

Danach sind wir noch bis zum Volkstheater/Ubahn zu Fuß gegangen und hatten es wie immer sehr lustig.

Woke ist over

Gestern erschien im Falter ein Artikel zum Thema “Woke ist tot”. Also wenn das jetzt schon der Falter schreibt, dann können wir vermutlich aufatmen, harhar.

In diesem recht differenziert verfassten Artikel wird darauf hingewiesen, dass “woke” an sich mal etwas gut gemeintes war, aber…Ja wir sind bedachter geworden und bis zu einem gewissen Punkt ist das auch gut, aber irgendwann ist es außer Kontrolle geraten. Jane Fonda hat mal bei einer Preisverleihung gesagt, was wäre schlecht daran woke zu sein, “It means, you care about others.” Genau das bedeutet woke aber, find ich, nicht. Denn einerseits kann man niemandem Empathie für irgendetwas oder irgendwen “verordnen”. Andererseits wird ja immer sehr genau differenziert, wofür Empathie angesagt ist und wofür nicht.

Ein kleines, wenn auch banales Beispiel. Bei mir im Stiegenhaus liegt seit Tagen das Buch Nur ein toter Mann ist ein guter Mann von Gaby Hauptmann in der Bücher-Tausch-Ecke. Jetzt stellen wir uns einmal vor, ein männlicher Autor hätte ein Buch namens Nur eine tote Frau ist eine gute Frau geschrieben. Stimmt, es geht nicht. Es ist unvorstellbar, dass irgendein Verlag in unseren Breiten heute ein Buch mit so einem Titel publizieren würde, egal wie ironisch es auch gemeint wäre, denn es würde heute immer zutiefst misogyn wahrgenommen werden und der Verlag hätte einen 1a Shitstorm am Hals.

Und das ist ein Problem an der Wokeness, dass da einerseits oft eine große Überempfindlichkeit herrscht, andererseits aber dann auch wieder eine Kaltschnäuzigkeit in der anderen Richtung. Diese Doppelstandards halt ich echt schwer aus. Die Welt ist außerdem nicht so schwarz und weiß, dass es reicht, sich einen Button für oder gegen irgendwas ans Revers zu heften. Ganz viele Dinge sind dafür viel zu komplex.

Hilfreich ist es natürlich immer, sensibel durch die Welt zu gehen, und niemand mit Absicht zu verletzen. Dennoch wird es uns hin und wieder passieren und auch wir werden von anderen verletzt werden. Aber können wir diesen Zustand der permanenten “Angerührtheit”, wie man in Wien sagt, irgendwie hinter uns lassen? Oder wie es in After the Hunt hieß, als eine Figur zur anderen sagt, das Gespräch mache sie gerade “uncomfortable” und die andere antwortet: “Not every conversation is supposed to make you feel comfortable.”

Wie die Schauspielerin Keira Knightley letztens in einem Interview meinte: “We are living in a period of time right now, where we have to figure out how we live together. And we all got very different opinions. I hope that we can all find respect.”

So ist es.

The Mastermind

Eine neue Woche, ein neuer Josh O’Connor Film.

Wie ihn O’Connor selbst beschreibt: “I play J.B Mooney in The Mastermind. The Mastermind is an art heist film, about a man who thinks he has go a great idea, and gradually, as the film goes on, we discover – I don’t know if he knows – that it was not such a great idea.”

J.B. Mooney ist ein verhinderter Künstler, aktuell ein arbeitsloser Tischler, aber wohl eher aus Faulheit, Vater zweier halbwüchsiger Söhne, seine Frau Terri (Alana Haim) verdient das Geld für die Familie. Er entwickelt die Idee eines Kunstraubs im örtlichen (kleinen, süßen) Museum, mit zwei Komplizen, aber die Dinge laufen dann doch irgendwie anders, als Mooney das geplant hatte…

DIE ÜBLICHE SPOILERWARNUNG

Den Titel des Filmes kann man also getrost mit ironischem Unterton lesen, denn Mooney steckt zwar irrsinnig viel Zeit und Energie in den Versuch, nichts arbeiten zu müssen, sondern lieber etwas zu stehlen, obwohl seine Tischlereien sehr schön anzusehen sind. Ein Meisterdieb ist er trotzdem absolut nicht. Er hat keinen Plan B dafür, was er tun wird, wenn irgendwas im geplanten Ablauf nicht funktioniert, was, sind wir ehrlich, bei solchen Unternehmungen meistens der Fall ist. So selbstverständlich auch hier.

Dieser Film ist langsam und auch teilweise enervierend detailliert erzählt, was offenbar ein Trademark der Regisseurin Kelly Reichardt ist. Wir beobachten Mooney beispielsweise minutenlang, wie er Bilder auf einer Leiter auf und ab trägt. Wem jetzt diese Vorstellung schon Unbehagen bereitet, für den ist dieser Film sicher nicht geeignet. Er würde auch, wage ich zu behaupten, ohne Josh O’Connor, seiner Aura und Nuanciertheit nicht funktionieren. So hat er für mich aber dennoch seine Momente, die abgesehen vom Protagonisten vor allem in der vermittelten Stimmung der Zeit dieses Amerikas des Jahres 1970 liegen. Die grobkörnigen Bilder, die Farben, die Art, wie alle miteinander umgehen, das ist schon sehr schön beobachtet und eingefangen.

Es gibt etwa eine Szene, in der Mooney sich mit seiner Mutter trifft, um von ihr Geld naja, zu schnorren. Und wie Reichhardt das in Szene setzt, die dominate, aber auch besorgte Mutter, J.B. mit seinem – so sieht es aus – Kinderteller und dazu Cola trinkend, der ihr Geld für einen Blödsinn (denn das ist es) aus der Tasche ziehen will, das ist schon eine schöne “Parallelführung”. Oder als Mooney von seinen Auftraggebern verprügelt wird und sein eigener kleiner Sohn daneben im Auto sitzt und zwar “Dad” schreit, aber trotzdem weiter sein Mc Donalds Sackerl in der Hand hält und darauf wartet, weiteressen zu können, herrlich. Generell scheint den Fakt, dass Mooney, sollte er gefasst werden, eine hohe Haftstrafe zu befürchten hat, niemand sonderlich zu beunruhigen.

Auf letterboxd wieder beste Kommentare: “Man on the run? More like a man on a super slow leisurely walk” “Finally a heist movie, you can fall asleep to” Und am besten: “Josh O’Connor stealing art is my favourite movie genre.” Ja natürlich, er war ja auch ein Kunsträuber im tollen italienschen Indie Film La Chimera, aber halt ein ganz anderer, ein gebrochener, sensibler Intellektueller. Trotzdem fand ich The Mastermind schon auch sehenswert, wenn man sich auf die Langsamkeit einstellen kann.

Über Charaktere

Man kann Charaktere in Erzählungen und Romanen sehr konventionell beschreiben, über äußere Merkmale wie Körpergröße oder Haarfarbe oder auch über Charaktereigenschaften wie Großzügigkeit oder Arroganz. Aber das ist halt auch wenig originell und lässt die Person, die man beschreiben will, jetzt nicht unbedingt sehr plastisch erscheinen, wenn man nur so Gemeinplätze widergibt. Besser ist es, hier möglichst detailliert zu werden, weil man da so viel mehr transportieren kann.

Letztens hat mir zum Beispiel jemand erzählt, dass bei einem Treffen die Stimmung sofort in den Keller ging, als eine gewisse Person auftauchte und da dachte ich mir, das wäre doch auch eine schöne Beschreibung. Jemand hat das Talent, und es ist eines, die ganze Luft aus einer Feier herauszulassen, die ganze Energie zu ziehen. Die Begabung, einen Satz zu sagen, mit dem sich jeder im Raum sofort unwohl fühlt.

Schön kann man es auch über Essgewohnheiten machen. Einen Menschen zu beschreiben, der, wenn er sein Schnitzel serviert bekommt, nicht gleich anfängt zu essen, wie wohl die meisten. Sondern, der das Schnitzel zuerst mal klein schneidet und ausgiebig salzt und dabei lustige Sachen erzählt. Ich kannte so jemanden. Oder mein Opa, der immer zuerst die ganze Suppe gegessen und sich die Suppeneinlage, Nudeln, Frittaten oder Backerbsen, aufgehoben hat. Sogar angeboten hat, mir diese Einlagen zu schenken. Das habe ich immer abgelehnt, weil ich dachte, da isst er nur die bloße Suppe und dann hat am Ende nichts davon. Es gibt auch Menschen, die in Lokalen den Tisch immer auf ihren Vornamen reservieren, als hätten sie gar keinen Nachnamen.

Jeder Mensch hat so viele kleine Eigenheiten, die ihn irgendwie liebenswert oder besonders machen. Ein Mensch, der auf seiner Musik Playliste, jeden Song etwa 15 Sekunden spielt und dann zum nächsten skippt. Ein Mensch, der unliebsame Leute in seiner Umgebung mit verschiedenen Schimpfwörtern (“Der Trottel”, “Der Arsch”) bezeichnet. So viel zum Thema liebeswert harhar. Ein Mensch, der dauernd einen Spruch zur jeweiligen Situation hat wie “Dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt” oder “Durch Arbeit ist noch niemand reich geworden.” Und schließlich ein Mensch, der gerne zur U-Bahn gelaufen ist, die Stiegen oder die Rolltreppe hinunter, egal ob die Ubahn schon da war oder nicht. Schön.

Das war nur ein kleines Brainstorming meinerseits. Folgt mir für weitere Profi-Schreib-Tipps harhar.