ich bin ein durchaus von selbstzweifeln geplagter mensch – en detail: da mache ich mir gedanken darüber, was anzuziehen, was zu sagen und wie aufzutreten. da plagt mich mein gewissen wegen nichts, da grüble ich lange über dinge nach, die kaum von belang sind. en gros dagegen bin ich von einer fast schon skurill anmutenden blauäugigkeit und unbekümmertheit, und war das schon immer.
mit 19 begann ich damit, germanistik zu studieren. während eine menge schulkollegen noch zwei minuten vor der inskription nicht wussten womit sie sich in den kommenden jahren befassen würden, stand ich mit leuchtenden augen vor einer unfreundlichen beamtin und übernahm mit stolz meine matrikelnummer. mein studium gilt als brotlos und am ende würde kein beruf stehen, das war mir klar, aber gleichzeitig war ich begierig darauf, alles was möglich war über neuere deutsche literatur zu erfahren. ich wollte mehr als alles andere schreiben; ich wollte wahlfächer wie jiddisch für anfänger besuchen und in seminaren sitzen, die titel wie wahr spricht, wer schatten spricht – lyrik und poetologie bei paul celan tragen, belegen. das studium war für mich eine offenbarung.
am tag vor meiner hochzeit fuhr ich eine staubige straße entlang, die straße von st. george nach las vegas. ich war nicht nervös, ich fragte mich nicht, ob ich das richtige tue oder ob das alles ein leben lang halten würde, ich hatte nichts altes, blaues, neues oder geborgtes – ja ich wusste noch nicht einmal sicher, dass ich am nächsten tag tatsächlich verheiratet sein würde. wir entschieden das spontan und machten es vom wetter abhängig und von unserer stimmung. auf dem standesamt war ich dann ergriffener als ich es erwartet hatte – und nachher fühlte ich mich federleicht und euphorisch, denn wir hatten so geheiratet wie wir das wollten (was mich betraf: nicht als prinzessin) und ich empfand keine ängste jedweder art.
als ich mein baby das erste mal auf dem ultraschall betrachtete und sein herz pochen sah, da dachte ich nicht an anstrengende nächte und an geschrei, da dachte ich nicht an windelwechseln und fläschengeben und schon gar nicht dachte ich an die verantwortung und die sorgen die man als kleinen (oder auch größeren) rucksack mitbekommt, wenn man elter wird. ich war nur glücklich und freute mich darauf, unseren sohn kennenzulernen. zu hören, dass mein kind vielleicht nicht überleben würde, ließ mich abstürzen, brachte mich auf den boden der tatsachen zurück. plötzlich war nichts mehr selbstverständlich und spielerisch und einfach. ich dachte, dass ich mich von nun an nicht mehr mit belanglosigkeiten beschäftigen und meinem instinkt vielleicht nie wieder trauen würde.
heute weiß ich, dass sich menschen nicht von grund auf ändern. natürlich habe ich erneut angefangen, mir diesen oder jenen gedanken zu banalitäten zu machen. ich verliere mein herz wieder an die schönen dinge des lebens. und träume immer noch davon, irgendwann nur vom schreiben leben zu können. nachdem meine dissertation fertig geworden ist, werde ich noch intensiver an meinen zielen arbeiten. es ist auch ganz gut so, dass sich mein leben nicht dauerhaft verändert hat. aber vielleicht habe ich mehr zu sagen und mehr zu schreiben, nachdem meine welt auf den kopf gestellt und alles, woran ich glaubte, ich frage gestellt worden ist.
liebe heidi du schreibst so schön, dass ich ganz sicher bin, dass du vom schreiben leben kannst. wann kann ich dein erstes buch kaufen? 🙂
das ist lieb loisi! danke!
ich geb dann bescheid. grins.