Fast in einer Sitzung habe ich Es geht mir gut von Jessica Anthony gelesen.
Das Buch habe ich von M. zum Geburtstag bekommen und es hat mich wirklich mitgerissen. Auch wenn die Erwartungen, die ich anhand von Cover, Klappentext und speziell dem Zitat auf dem Cover, hatte praktisch gar nicht erfüllt wurden. Harhar. Das Zitat lautet: “Dieser Roman schafft das Unmögliche: Er erzählt etwas Neues über die Ehe.”

Wobei: Vielleicht erzählt er etwas Neues über eine Ehe in den 1950er Jahren, abseits der Klischees. In dieser Zeit spielt Es geht mir gut nämlich, und zwar im sonst literarisch eher weniger beachteten Bundesstaat Delaware. Im Fokus steht Kathleen Beckett, eine Frau um die 30, verheiratet mit Virgil, Mutter von zwei Söhnen im Volksschulalter. Der Roman erzählt aber nicht nur ihre Geschichte, die eines Einzelkindes ständig streitender Eltern, einer aufstrebenden Tennisspielerin, die diesen Sport genauso wie die Liebe zu ihrem Tennislehrer, Billy, aufgegeben hat um – wie John Irving es vielleicht ausgedrückt hätte, eine “Mittelgewichtsehe” zu führen. Eine Ehe mit Virgil bei dem sie “ihre Gefühle unter Kontrolle hatte.” Sie erzählt auch die Geschichte von Virgil, der ebenfalls seinen großen Traum aufgegeben hat, nämlich den, sein Leben als Saxofonist zu verbringen: “sein ganzes Leben lang hatte er sich mit den Plänen, die andere für ihn machten, arrangiert.”
Ich denke, Menschen, die in ihrem Leben nicht tun (können), was sie lieben, kämpfen mit diesem Verlust, führen ein Leben, das sich gar nicht wir ihr eigenes anfühlt. Und das schwingt hier sehr stark mit. Kathleen und Virgil tun die DInge, die von einem verheirateten Paar zu dieser Zeit erwartet werden, die sie aber überhaupt nicht glücklich machen. Eigentlich leben sie wie Fremde nebeneinanderher, denn nachdem die Geschichte aus beiden Perspektiven erzählt wird, erfahren wir Leser, dass beide zum Beispiel Elvis hassen, vom jeweils anderen aber glauben, dass sie/er ihn verehrt. Und deshalb bringen sie für den jeweils anderen das Opfer, sich einen neuen Film mit ihm anzusehen. Diese grundsätzliche Sprach- und Kommunikationslosigkeit führt zum üblichen: Eskapismus in Affären und Suchtmittel.
Obwohl man das alles irgendwie kennt, ist der Roman extrem spannend und vielschichtiger als angenommen, weil er ein paar Twists einbaut, die man so nicht erwartet hat. Ich mag sehr, wie genau die Autorin ihre Charaktere beschreibt, mit so vielen interessanten Details und Eigenheiten, dass es wirklich spannend ist, immer mehr von ihnen zu erfahren, sie immer besser kennenzulernen. Und ich mag auch die Stimmung, die dieser Roman vermittelt – an diesem unheilvollen Tag, dem 3. November 1957, als quasi in einem Paralleluniversum die Hündin Laika mit Sputnik in den sicheren Tod geschickt wurde, was im Roman immer wieder Thema ist. In Delaware ist dieser Sonntag ein ungewöhnlich warmer und so beschließt Kathleen ihn im Pool der Wohnhausanlage der Familie zu verbringen. Auch das ist nur auf den ersten Blick idyllisch und wird im Laufe der Stunden und mit dem Absinken der Temperaturen (sowohl außen als auch Pool) immer sinistrer. So als würde alles auf ein schlimmes Ende, nicht nur für den Hund, hinauslaufen.
Wie es ausgeht, verrate ich natürlich nicht. Ich bin auch nicht ganz sicher, was ich davon wirklich halten soll. Sicher ist aber, dass ich Jessica Anthonys Schreibstil sehr mag und jetzt noch mehr von ihr lesen möchte.